Reden und Grußworte aus 2025
Eröffnung der Foyerausstellung „Wer ein Leben rettet… Lebensgeschichten von Kindern des Verlorenen Transports‘“, 14.01.25 Eingangsbereich
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrte Frau Ministerin Schneider,
sehr geehrter Herr Minister Tabbert,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete Lüttmann, Peschel, Wolff, Penquitt, Hildebrandt und Adler,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Morsch, Projektleiter der Ausstellung (Freundeskreis Technisches Denkmal Brikettfabrik LOUISE Domsdorf e.V.),
sehr geehrter Herr Dr. Fischer, (Initiator der Ausstellung und ehemals Referent des Zentralrats der Juden in Deutschland),
sehr geehrte Frau Dr. Buser, (Kuratorin der Ausstellung),
sehr geehrter Herr Irmer, (Kurator der Ausstellung),
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Drecoll, (Direktor Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten),
sehr geehrte Mitglieder der Gesellschaft für Christliche Jüdische Zusammenarbeit,
liebe Gäste,
zur ersten Ausstellungseröffnung im neuen Jahr begrüße ich Sie sehr herzlich im Landtag – und wünsche Ihnen für dieses eben begonnene Jahr 2025 alles Gute, Gesundheit und Kraft und inneren wie äußeren Frieden.
Weihnachten liegt noch nicht lange zurück, die Geburt eines jüdischen Kindes jüdischer Eltern haben wir gefeiert. Eine der Antworten auf die Frage:
Wo kommen wir denn her?
Der französische Dichter Eugene Guillevic fragt noch weiter:
„Wo kommen wir denn her, solche Gesichter zu tragen, dass es wehtut dem Tag.“
Wir müssen uns unserer Geschichte stellen, unserer eigenen Vergangenheit, es tut weh, die Lebensgeschichten jüdischer Kinder und Jugendlicher nachzuvollziehen.
Diese Sicht auf Geschichte, auf ihre Bedeutung für Gegenwart und Zukunft ist notwendig und aktuell, denn jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger sehen sich ausgegrenzt, beschimpft, bedroht, attackiert. Im 21. Jahrhundert, hier bei uns, in Deutschland, in Brandenburg.
Das ist und bleibt inakzeptabel. Wer unsere jüdischen Mitmenschen angreift, der greift die gesamte Gesellschaft an, unser Lebensmodell von Miteinander und Zusammenhalt, unsere geistige Herkunft.
Wir müssen und wir werden dagegen vorgehen – weil es in unserem ureigenen Interesse liegt, Minderheiten zu schützen.
Hetze, Hass und Gewalt dürfen keinen Nährboden finden, nicht hier bei uns und auch nicht anderswo in der Welt.
Anrede,
die Erinnerung kann uns helfen, diese klaren, unverhandelbaren Grundsätze nicht aus dem Auge zu verlieren.
Der „Verlorene Transport“, dem die Ausstellung gewidmet ist, gehört zu den unvorstellbar grausamen, selten erzählten und deshalb wenig bekannten Ereignissen zur Zeit von Nationalsozialismus, Weltkrieg und Holocaust.
In den letzten Kriegsmonaten lösten die Nazis angesichts der heranrückenden Alliierten nach und nach die Konzentrationslager auf. Sie ließen die Gefangenen aber nicht frei, sondern zwangen sie gewaltsam auf absurde Todesmärsche und -transporte.
Drei dieser Transporte sollten vom Lager Bergen-Belsen in Niedersachsen in das Lager Theresienstadt bei Prag führen, mit einigen tausend jüdischen Häftlingen. Ein Zug erreichte das Ziel, einer wurde von US-Truppen befreit. Der dritte aber irrte gen Osten, von Niedersachen über Schleswig-Holstein nach Mecklenburg, quer durch Brandenburg und Berlin hindurch Richtung Lausitz.
Zwei Wochen lang blieb der Zug mit mehr als 2.500 Jüdinnen und Juden verschollen – daher rührt der Name „Verlorener Transport“. Unter den Insassen der 24 Waggons waren 500 Kinder und Jugendliche; sie litten wie die Erwachsenen unter Hunger, Krankheiten, unter der Brutalität der Aufseher.
Der Tod war Alltag, auch für die Kinder. Ein damals Elfjähriger, Moshe Nordheim, erinnerte sich später, ich zitiere: „Ich war Experte, ob jemand schon tot ist oder nicht. Schrecklich – das war ein Spiel mit den Toten.“ Unvorstellbar. Und doch war es real.
Die Biografien der Überlebenden, ihre Zeichnungen und Fotos, ihre Berichte und Zitate erschüttern, weil sie eben nicht nur eine Geschichtserzählung sind. Sie sind real.
Befreit wurden die Häftlinge des „Verlorenen Transportes“ in Tröbitz, einem Bergarbeiterdorf in der Lausitz, wo noch Typhus und Entkräftung zu überstehen waren. Die meisten überlebten. Und das wiederrum gibt Hoffnung und Mut – denn diese jungen Menschen haben das Grauen der Shoah und die Wirren des Krieges überlebt, obwohl sie eigentlich keine Chance hatten.
In der Ausstellung kommen auch ihre Nachfahren zu Wort, zu deren Leben die Spuren des erfahrenen Leides der Eltern gehören, aber auch Lebenswille, Familiensinn, Zusammenhalt – stärker als alle Ideologie.
Im Talmud steht sinngemäß: „Wer ein Menschenleben auslöscht, dem wird es angerechnet, als hätte er die ganze Welt zerstört.“ Aber auch dies: „Wer ein Leben rettet, der ist, als hätte er die ganze Welt gerettet.“
Das ist eine treffende Orientierung zur Ausstellung. Ich danke allen daran Beteiligten: zuvörderst dem „Freundeskreis Technisches Denkmal Brikettfabrik LOUISE“, den Förderern von Land, Bund und Sparkasse, den Gedenkstättenstiftungen in Niedersachsen und Brandenburg sowie der Gemeinde Tröbitz.
Und ich danke den Musikern Georg Streuber und Markus Syperek – nicht zuletzt dafür, dass sie mit ihrem Vortrag heute an Hans Krieg erinnern.
Der Dirigent und Komponist war im „Verlorenen Transport“, auch er überlebte, und er war und ist ebenfalls viel zu wenig bekannt.
Dass seine Lieder hier erklingen, holt Hans Krieg aus der Vergessenheit. Wenn unsere Geschichte, wenn unsere Gesichter wehtun dem Tag, müssen wir etwas an uns verändern. Diese Ausstellung ist ein Beitrag dazu.
Ich wünsche ihr zahlreiche interessierte Besucherinnen und Besucher, junge wie ältere, von nah und fern.
Vielen Dank!
Cécile Lauru (1881-1959) ‒ Wiederentdeckung einer Komponistin
Zum deutsch-französischen Jahrestag - Vortrag von Beatrix Borchert und moderiertes Konzert, Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
17. Januar 2024, Saal des Palais Lichtenau
Veranstaltung des Freundeskreises Potsdam Versailles e.V.
Sehr geehrte Frau Michelsen (Vorsitzende des Freundeskreises Potsdam-Versailles aus Versailles),
sehr geehrte Frau Ruyer (Vertreterin des Freundeskreises Versailles-Potsdam aus Versailles),
sehr geehrte Frau Guerrier (Versailles),
sehr geehrter Herr Paléologue (Enkel von Cécile Lauru),
liebe Kollegen und Kolleginnen Musikwissenschaftler, allen voran liebe Beatrix Borchard, Theresa Schlegel, lieber Christian Thorau,
liebe Soroptimistinnen Gabriele Weber aus Berlin und Elke Mrowietz aus Potsdam,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Was wüssten wir wirklich über Clara Wieck, Fanny Hensel, Pauline Viardot-Garcia ohne die Musikwissenschaftlerin Beatrix Borchard?
Ohne die Sichtung von lange ungespielten Noten, Untersuchungen zu Lebenswelten komponierender Frauen, ohne Vermittlungsprojekte – Bücher, Filme, Aufführungen.
Und nun also Cecile Lauru, 22jährig schon in Potsdam als Lehrerin und Erzieherin von Prinzessin Victoria-Louise von Preußen, der Tochter Wilhelms II.
Die Aufarbeitung von Leben und Werk der Lauru liegt in unserer Verantwortung,
in Potsdam, bei der Musikwissenschaft der Universität Potsdam des Departments Musik & Kunst der Humanwissenschaftlichen Fakultät, beim Freundeskreis Potsdam-Versailles, bei uns, die wir zusammengekommen sind heute Abend.
Am 22. Januar begehen wir jährlich den deutsch-französischen Tag. 1963 unterzeichneten Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle den Élysée-Vertrag an diesem Januartag.
Besonders in Brandenburg und in unserer schönen Stadt Potsdam haben wir allen Grund, die deutsch-französischen Beziehungen zu feiern. Im Text dieses Élysée-Vertrages wird festgestellt, „dass die Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk, die eine Jahrhunderte alte Rivalität beendet, ein geschichtliches Ereignis darstellt, das das Verhältnis der beiden Völker zueinander von Grund auf neu gestaltet.“
Cecile Lauru lebte bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges am deutschen Kaiserhof, unterrichtete, komponierte und verkehrte in angesagten kulturellen Kreisen, ging nach Paris und Rumänien (in die Heimat ihres Mannes), kehrte nach Berlin zurück und emigrierte 1940 nach Bukarest. Ihr Leben endete tragisch bei einem Autounfall in Paris, wo sie 77jährig starb. Eine Weltbürgerin – wie wirkten sich zeitgeschichtliche Ereignisse und ihre Haltung dazu auf ihr Werk aus? Was gestaltete sie von Grund auf neu, noch vor dem Elysee-Vertrag, Versöhnung, Verbindung, Freundschaft durch Musik. Was zeichnet ihre Musik aus?
Ihre künstlerische Zusammenarbeit mit Prinzessin Feodora von Schleswig-Holstein, der jüngeren Schwester der Kaiserin, mündete in Kompositionen mehrerer Lieder. Davon werden wir heute Abend einige hören können. Dennoch blieben Laurus künstlerische Spuren in Deutschland bisher weitgehend unsichtbar.
Es stellen sich die bekannten Fragen: Warum wurde sie vergessen, was können wir für ihre Wiederentdeckung tun? Welche Rolle nahm die komponierende Frau neben komponierenden Männern ein? Die heutige Veranstaltung wird uns dazu Antworten geben können.
Ich freue mich deshalb sehr, dass der Enkel von Cecil Lauru, Herr André Paléologue, heute bei uns ist, um an diesem besonderen deutsch-französischen Tag eine Komponistin zu ehren, die es wert ist, wiederentdeckt zu werden. Herr Paléologue, schön, dass Sie heute hier sind!
Neben den Kompositionen von Cecil Lauru werden wir heute Abend Klavierstücke von George Enescu, Erik Satie und Béla Bartók, von Zeitgenossen der Komponistin, hören. Auch darauf freue ich mich sehr.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei allen zu bedanken, die diesen Abend vorbereitet haben: Der Freundeskreis Potsdam-Versailles, Theresa Schlegel, die zu Musikerinnen des 19. Jahrhunderts promoviert bei Herrn Prof. Dr. Christian Thorau an der Uni Potsdam und Dr. Stephanie Probst in Wien. Ich konnte Sie für heute empfehlen, aber Ihr Engagement und Ihre Leidenschaft tragen dazu bei, musikgeschichtliche Entwicklungen besser verstehen zu können. Seien Sie versichert, dass die Aufarbeitung von Musik, die Frauen erdacht haben, weitergeht. Jeder Musikwissenschaftler und jede Musikwissenschaftlerin, auch ich selbst, liefert inzwischen Beiträge über Musik von Frauenx. Und natürlich muss Musik gespielt, muss gesungen werden.
Erst vor 2 Tagen eröffneten Kompositionen von Younghi Pagh-Paan, Olga Neuwirth und Konstantia Gourzi das Ultraschall-Festival, am Dirigentenpult stand die phantastische Anna Skryleva. Die Kunst hat sich verändert, komponierende Frauen waren noch nie so selbstverständlich wie heute! Das ist auch Ergebnis Ihrer Forschung, liebe Beatrix Borchard.
Ich wünsche uns allen einen wunderbaren deutsch-französischen Abend mit guter Musik und der Gelegenheit zu interessanten Gesprächen.
Feierliche Amtseinführung des Herrn Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts Matthias Deller und Verabschiedung des Amtsvorgängers Klaus-Christoph Clavée,
Brandenburg an der Havel, 20. Januar 2025
Grußwort der Präsidentin des Landtages Brandenburg Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrter Herr Klaus-Christoph Clavée, liebe Frau Schön,
Sehr geehrter Präsident Matthias Deller, liebe Frau Deller,
sehr geehrter Verfassungsgerichtspräsident Markus Möller,
liebe Mitglieder des Landtages und der Landesregierung, Herr Minister Dr. Grimm. Frau Ministerin a.D. Hoffmann,
sehr geehrter Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten, Generalstaatsanwälte und Generalstaatsanwältinnen,
sehr geehrte Vertreter und Vertreterinnen der Gerichte, Staatsanwaltschaften, der Bundeswehr, Polizei und Justizbehörden, der Universitäten und Kirchen,
sehr geehrte Vertreter und Vertreterinnen der Kommunen und Landkreise,
lieber Oberbürgermeister Scheller,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste!
Heute ist ein besonderer Tag. Für unsere Justiz und unser Land Brandenburg.
Ich freue mich und habe die Ehre, Sie, Herr Klaus-Christoph Clavée,
als Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zu verabschieden und Sie,
Herr Matthias Deller, als neuen Präsidenten des Oberlandesgerichts willkommen zu heißen.
'trias politica' hieß die interaktive Klanginstallation des Musikproduzenten Stimming1 beim Beethovenfest 2024 in Bonn: 3 begehbare Klangflächen, von 3 Klangsäulen abgestrahlt, musikalisch orientiert am „Dona nobis pacem“ aus dem „Agnus dei“ der „Missa solemnis“ von Beethoven. „Mit einem SenSsor erfassen die Säulen Personen in einem Radius von 10 Metern. Nähert sich eine Person, reagieren die Säulen mittels Helligkeit und Klang. Je harmonischer die Verteilung von Menschen zu den drei Säulen ist, desto heller wird das Licht und desto klarer der Klang. Ähnlich wie in der Demokratie: Alleine funktioniert sie nicht, gemeinsam wird sie stark.“2Ziel der Installation des Elektronikers und Klubmusikers ist das Friedensgebet „Dona nobis pacem“ - in hellem D-Dur.
Das Festival hieß „Miteinander“, die 3 Klangsäulen standen für die 3 Gewalten der Demokratie. Gewalt alleine klingt nicht gut, geteilt durch 3 ermöglicht sie in der Demokratie ein Regelwerk des Miteinanders, das Legislative, Exekutive und Judicative unabhängig voneinander gewährleistet.
Unsere Rolle als Gesetzgeber ist es, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Exekutive und Judikative ihre Aufgaben wirksam im Interesse der Bürgerinnen und Bürger erfüllen können. Die „trias politica“, interna et externa pace.
Das Grundvertrauen in die Fähigkeit der Gerichte des Rechtsstaates, qualitativ hochwertige, effiziente und zugleich zügige Lösungen anzubieten, ist nicht selbstverständlich. Vertrauen braucht Miteinander in der Gesellschaft, Verstehen komplizierter Sachverhalte, auch Kompromissfähigkeit. Und – es kann verloren gehen.
Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen sind nicht nur die Parlamente, sondern auch die Gerichte herausgefordert. Als Beispiel seien Reichsbürgerfantasien mit „steckbrieflich“ gesuchten Staatsanwälten und Vorstehern von Finanzämtern in Brandenburg genannt, die auch uns im Landtag erreichen. Es geht um Verfassungstreue. Nicht nur die repräsentative Demokratie, sondern auch der Rechtsstaat steht verstärkt unter Druck.
Mit Interesse habe ich deshalb wahrgenommen, dass die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs bei ihrer Jahrestagung im letzten Jahr in München erklärt haben, das Verständnis in der Bevölkerung für den Rechtsstaat und seine Bedeutung in einer Demokratie nachhaltig stärken zu wollen. Hierfür wollen Sie Maßnahmen und Projekte initiieren und unterstützen, die auch den Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern zu diesem Thema fördern.
Ich sehe die gleiche Notwendigkeit auch für das Parlament, arbeite an der Installation von Bürgerräten und kann mir eine gemeinsame Veranstaltung von Legislative und Judikative sehr gut vorstellen.
Lieber Präsident Clavée,
in einem Interview mit der Märkischen Allgemeinen Zeitung im Oktober 2023 wurden Sie gefragt, ob Jurist zu sein für Sie rückblickend ein Traumberuf sei. Sie antworteten:
„Ich würde es wieder machen, auf jeden Fall. Das Studium ist hart. Andere sind mit 23 fertig, da ackern die angehenden Juristen noch schwer. Aber nach dem Studium stehen ihnen so viele Berufsfelder wie nirgendwo offen.“
Sie sagten diesen Satz als Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts.
2006 wurden Sie zum Vizepräsidenten des Landgerichts Potsdam, 2010 zum Präsidenten des Landgerichts Cottbus ernannt, um nur die wichtigsten Stationen ihres juristischen Lebensweges zu nennen. Für Ihren hohen Sachverstand in der Zivilrechtsprechung, für wegweisende Entscheidungen, für die Förderung der Effizienz und Modernisierung der Justiz und der Rechtskultur in Brandenburg waren Sie eine prägende Persönlichkeit. Für Ihre Menschlichkeit, Ihre Balance zwischen Tradition und Innovation und Ihren unermüdlichen Einsatz für das Recht und die Gesellschaft werden Sie in hohem Maße geschätzt.
Sie geben ihr Wissen weiter, auch ehrenamtlich, als Mentor junger Juristen und als Ratgeber in verschiedenen Gremien und Kommissionen, die sich mit der Weiterentwicklung des Rechtswesens befassen, zum Beispiel bis vor kurzem als Vorsitzender der Brandenburger Juristen Gesellschaft und schließlich sind Sie auch noch Vorsitzender des Beirates der Begegnungsstätte Schloss Gollwitz. Aus dieser Zusammenarbeit kennen wir uns, brauchen keine Vorgespräche, verstehen uns blind. Das ist das mit dem Vertrauen, das Sie sich erworben haben. Ein hohes Gut unter Menschen, ein hohes Gut im Rechtsstaat mit seinen 3 „Klang“-Säulen.
Ich danke Ihnen für Ihren unermüdlichen Einsatz und die vielen wertvollen Beiträge, die Sie in all den Jahren geleistet haben! Von Herzen wünsche ich Ihnen für die nun vor Ihnen liegende Zeit Glück, Gesundheit und weiterhin Freude am Nachdenken über juristisch knifflige Entscheidungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich freue mich, Herrn Matthias Deller als neuen Präsidenten des Oberlandesgerichts Brandenburg begrüßen zu dürfen. Auch Sie sind in der Justiz dieses Landes tief verankert und werden für Ihre hohe Fachkompetenz und Führungsstärke allseits geschätzt.
Vor der Amtsübernahme haben Sie im Amt eines Ministerialdirigenten – auch so ein musikalischer Begriff - die Zentralabteilung im Justizministerium geleitet. Sie kennen Rathenow und Königs Wusterhausen, nun also Brandenburg an der Havel.
Als Richterpersönlichkeit sind Sie stets gradlinig für die Interessen und die Unabhängigkeit der Rechtssprechung eingetreten, nicht zuletzt in Ihrer Funktion als Landesvorsitzenden des Deutschen Richterbundes.
Im Namen des gesamten Landtages möchte ich Ihnen für Ihre Bereitschaft danken, dass Sie die Vielzahl von Aufgaben und Verantwortungen übernommen haben, die mit dem Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts verbunden sind.
Lassen Sie uns Herrn Matthias Deller herzlich willkommen heißen und ihm unsere volle Unterstützung bei der Gestaltung der Rechtskultur im Land Brandenburg zusichern, auf der Grundlage des politischen Dreiklangs.
Und nun wünsche ich Ihnen eine glückliche Hand, Herr Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts Matthias Deller.
Vielen Dank.
1 Martin Stimming, Hamburg, Komponist elektroakustischer Musik.
2 Aus dem Programm zu „trias politica“ von Stimming, Beethovenfest Bonn, 19.9.2024.
Vernissage zur Jahresausstellung „ZeitSprung- 35 Jahre nach der Wiedervereinigung“, Landtag Brandenburg (Lobby), 22. Januar 2025
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
„Dein ist mein ganzes Herz“ - ein Liebeslied von Franz Lehar aus der Operette „Land des Lächelns“. Placido Domingo hat es gesungen, Jonas Kaufmann, Luciano Pavarotti und nun der Leiter der Kantorenausbildung am Abraham Geiger Kolleg Potsdam, Isidoro Abramovicz. Liebeslied auf ein untergegangenes Land, aus Sicht von außen, von später, heute? Oder doch die Version von Heinz Rudolf Kunze in der neuen Welle?
Wolfgang Thierse sprach im Zusammenhang mit dem Film „Sonnenallee“ davon, dass man die DDR auch „weglachen“ könne.
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, sehr geehrte Herren Vizepräsidenten, liebe Abgeordnete,
sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung,
liebe Beauftragte,
sehr geehrter Herr Ochse als Kurator der Ausstellung,
sehr geehrter Herr Lange und sehr geehrte Frau Ollroge, die Fotografen der Ausstellung,
liebe Gäste!
Wissen Sie, was ein Zeitsprung ist? Eine ungefähre Vorstellung davon haben wir vielleicht alle, wenn auch sicher unterschiedliche. Das online-Lexikon schlägt vor:
ein Modulationsverfahren in der Funktechnik, das es mehreren Teilnehmern ermöglicht, auf derselben Frequenz zu senden;
eine Folge der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“, in dem das Raumschiff an eine 7000 Lichtjahre entfernte Stelle der Galaxie katapultiert wird;
eine Datenbank zur Baugeschichte Weimars, die Fotos vom selben Motiv aus verschiedenen Epochen gegenüberstellt;
und schließlich gibt es ein Freilichtmuseum „Zeitsprung“ in Brandenburg, in Klinge im Landkreis Spree-Neiße. In der Ausstellung dort geht es um Flora und Fauna vor mehr als 100.000 Jahren.
Das ist ein ziemlich breites Spektrum an Zeitempfinden, Vergangenes, Gegenwärtiges, Zukünftiges.
Wie trügerisch das Zeitgefühl sein kann, wusste schon George Orwell; er schrieb: „Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei.“
Der Zeitraum der Ausstellung, die wir heute eröffnen, ist da doch etwas übersichtlicher – und ich begrüße Sie alle herzlich zur Vernissage im Hier und Jetzt.
Seit der Wiedervereinigung Deutschlands sind bald 35 Jahre vergangen – für manche schnell, für andere eher zäh. Im Herbst können wir das halbwegs runde Jubiläum feiern. Und noch immer treibt uns das Thema Ost und West um, zuletzt sogar wieder verstärkt:
Unterschiede und Gemeinsamkeiten,
Unwuchten und Ungerechtigkeiten,
Missverständnisse und Misshelligkeiten,
Animositäten und Annäherungen – wir diskutieren viel, und das ist gut.
Die Wiedervereinigung, das ist mir wichtig, war eine direkte Folge der Friedlichen Revolution und des Mauersturzes. Das Bollwerk des SED-Regimes fiel ja nicht einfach um, wie es so oft heißt: Mauerfall. Vielmehr wurde die Mauer zum Einsturz gebracht durch mutige Bürgerinnen und Bürger der DDR. Darauf sind die Ostdeutschen zu Recht bis heute stolz, und auch die nachfolgenden Generationen können es sein.
Nach dem Mauersturz 1989 haben der Fotograf Karl-Ludwig Lange und die leider verstorbene Autorenfotografin Hildegard Ochse die Menschen in Brandenburg in einem Alltag aufgenommen, der keineswegs alltäglich war. 25 Jahre später porträtierte dann die Fotografin Kathrin Ollroge Brandenburgerinnen und Brandenburger in persönlichen Aufnahmen und Gesprächen.
Dreieinhalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung geben die Bilder einen lebendigen Eindruck von der Zeit damals wie heute, von Veränderungen und vom Bleibenden. Deshalb ist diese Ausstellung in diesem Jahr und an diesem Ort genau richtig. Anhand von Stimmungsbildern und persönlichen Biografien gibt sie Einblicke in die innerdeutsche Geschichte.
Sie regt an zur weiteren Auseinandersetzung und vermittelt zugleich einen Eindruck davon, dass wir wohl wirklich immer „eiliger an der Zeit vorbeilaufen“, wie Orwell meinte.
Meine Damen und Herren,
in wenigen Jahren wird die staatliche Einheit länger währen als vorher die Teilung Deutschlands – und diese Zeit der Teilung, der deutsch-deutschen Trennung wird zu einer immer kürzeren Vergangenheit, jedenfalls relativ. Die innere Einheit allerdings bleibt eine tägliche Aufgabe für uns wie auch für kommende Generationen.
Ich danke sehr herzlich den Künstlerinnen und dem Künstler, die sich auf die Spurensuche machten und Alltagsgeschichte im Bild festhielten. Mein Dank gilt auch dem Museologen Benjamin Ochse, der die Bilder zusammengestellt hat, und allen anderen, die an dieser Jahresausstellung beteiligt sind oder waren. Ich bin mir sicher, dass sie viele Gäste anziehen wird und der Landtag mit ihr weiter an Attraktivität gewinnt.
Beim Betrachten der Fotos wünsche ich Ihnen viel Freude, interessante Anregungen und anschließend spannende Gespräche.
Und:
ein bisschen Liebeserklärung ist doch dabei, wenn man aufgewachsen ist in der DDR und den Kindern 35 Jahre später davon erzählt, selbst wenn es nur Omas Garten, der Kalte Hund oder der 1. Kuss war!
Vielen Dank!
Neujahrsempfang für die Landespressekonferenz,
22. Januar 2025, „El Puerto“ Potsdam
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Lieber Herr Ministerpräsident, lieber Dietmar Woidke,
lieber Herr Verfassungsgerichtspräsident Möller,
sehr geehrter Herr Lassiwe,
sehr geehrte Mitglieder der LPK,
sehr geehrte Abgeordnete und Regierungsmitglieder,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Medien, der Justiz, der Bundeswehr, der Fregatte Brandenburg,
der Kirchen, der Parteien, Institutionen, Verbände und Kommunen,
sehr geehrte Gäste!
Herzlich willkommen zu unserem traditionellen Empfang zum Beginn eines neuen Jahres. 2024 war ein spannendes Jahr, für uns Politiker wie für Sie als Journalisten.
2025 geht Ihnen das Material für Ihre Berichterstattung nicht aus, da bin ich sicher.
Ich freue mich, Sie heute im El Puerto begrüßen zu dürfen. Dieser Empfang soll eine Gelegenheit bieten, zurückzublicken und vor allem nach vorn zu schauen – auf die Chancen, die das neue Jahr für unsere demokratische Gesellschaft bereithält. Eine Parlamentskonstellation, die es so noch nicht gab, eine gerade gewählte Regierung,
neue Gesichter, Ideen, Aufgaben.
Die Menschen wollen Verlässlichkeit, Stabilität der Wirtschaft, des Arbeitsplatzes, ihrer Einnahmen, erreichbare Ärzte, gute Bildung, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit – auf der Straße, auf Märkten, im Alltag wie im Zusammenleben mit Menschen anderer Herkünfte und im Miteinander von Staaten. Frieden.
Kleine und große Aufgaben, alle wichtig, alle sofort zu erledigen.
Sie, verehrte Medienvertreter, berichten, über Sachverhalte und Fakten. Sie erzählen wahre Geschichten von Menschen, Schicksale, die unter die Haut gehen. Sie kommentieren auch,
Ihre Meinung ist gefragt. Wie kommt die politische Entscheidung an in Brandenburg?
Was gibt es Vergleichbares, waren wir in der Politik Vorreiter oder bummeln wir hinterher?
Der tägliche Pressespiegel reflektiert politisches Handeln, ihren Bericht und Kommentar. Objektiv, ausgewogen, auch das ist nicht immer einfach.
„Dabei ist die Demokratie in besonderer Weise von zuverlässigen Informationen abhängig, da diese die Grundlage der politischen Willensbildung darstellen… In diesem Sinne wurden unabhängige Medien auch als ‚vierte Gewalt’ in der gewaltenteilig verfassten demokratischen Ordnung bezeichnet!“1 Besser kann ich es nicht sagen als Herfried Münkler in seinem Buch „Die Zukunft der Demokratie.“ Denn das ist unser Thema, Demokratie weiterentwickeln.
Auf uns liegt Verantwortung, auf Politik und Medien, Politikern und Journalisten. Verantwortung für Information, Verantwortung für Demokratie, die nicht nur sehr groß ist, sondern auch noch wächst, je mehr Desinformation und Fake news im Umlauf sind.
Manipulative Narrative, der Druck durch soziale Medien und eine zunehmend fragmentierte Öffentlichkeit, aber auch ein schwächelnder Zeitungsmarkt und Quotendenken im Rundfunk erschweren Politikvermittlung. Hinzu kommt dann noch das Thema Künstliche Intelligenz: automatisierte Texte, KI-generierte Inhalte, Chatbots – das klingt futuristisch, ist aber schon längst im Alltag angekommen und verändert auch die journalistische Arbeit. KI ist eine Maschine und kann menschliche Haltung, kritische Distanz und Emotionalität, den Kern ihrer journalistischen Arbeit, nicht ersetzen.
Fakten sorgfältig zu prüfen und aufzuklären ist unsere gemeinsame Aufgabe. Politische Bildung rückt in den Fokus. Hier wollen auch wir als Landtag mehr tun. Gemeinsam mit der mabb findet am Safer Internet Day im Februar eine Pressekonferenz mit Jugendlichen statt. „Mach Schlagzeilen“ heißt das Projekt, künftig verstetigt. Abgeordnete müssen themengebundene Fragen der Jugendlichen beantworten. Ziel dabei ist es, die Nachrichtenkompetenz Jugendlicher durch die Vermittlung von Wissen zu stärken und sie für den Umgang mit Falschinformationen zu sensibilisieren.
Leider werden auch Journalisten in ihrer Arbeit bedroht und angegriffen. Das ist eine Entwicklung, die mir Angst macht. Pressefreiheit bedeutet nicht nur, dass Sie frei berichten können - Sie müssen dies auch ohne Angst vor Einschüchterung und Zensur tun können. Ich verstehe nur zu gut Ihre Besorgnis über den zunehmenden Missbrauch von Pressekonferenzen durch Menschen aus dem Umfeld politischer Parteien. Es kann nicht sein, dass Teilnehmer einer Pressekonferenz in Livestreams vorgeführt werden, dass ihre Arbeit instrumentalisiert wird von Hetzern. Wir finden geeignete Maßnahmen, um dem entgegen zu wirken.
Wie Sie wissen, liegt mir sehr daran, dass der Landtag ein offenes Haus ist. Zu dieser Offenheit gehört in einem Flächenland wie Brandenburg nicht nur, dass Gäste unkompliziert den Landtag besuchen können. Dazu gehört auch, dass der Landtag für all jene erreichbar ist, die nicht nach Potsdam kommen können, um vor Ort eine Sitzung zu verfolgen. Also online.
Wir sind einen großen Schritt vorangekommen: In dieser 8. Wahlperiode werden die öffentlichen Sitzungen von Ausschüssen und Gremien – mit Ausnahme der Untersuchungsausschüsse – nicht mehr nur live übertragen, sondern auch aufgezeichnet und sechs Monate lang in der Mediathek auf der Website des Landtages zur Verfügung gestellt. Zu dieser Neuerung haben Sie, liebe Journalistinnen und Journalisten, liebe Landespressekonferenz, den Anstoß gegeben. Und ich weiß, Sie hätten sich gewünscht, dass die Mediathek schneller an den Start geht. Seit einiger Zeit ist sie nun da, die ersten mehr als 20 Ausschusssitzungen sind darin zu finden und wer in der Mediathek stöbert, wird feststellen, dass dort auch Aufzeichnungen von Veranstaltungen und zahlreiche andere Videos dauerhaft abgerufen werden können.
Der Praxistest hat gezeigt, dass kurze Sitzungen sehr schnell online verfügbar sind. Bei ganztägigen Sitzungen wird es etwas länger dauern, aber selbst wenn bis in den Abend hinein getagt wurde, wird die Aufzeichnung spätestens am nächsten Morgen verfügbar sein.
Ich hoffe sehr, dass Ihnen die Mediathek in Ihrer täglichen Arbeit, bei der Recherche und Berichterstattung von Nutzen sein wird.
Und ich freue mich ebenso darüber, dass Ausschusssitzungen nun auch für die Bürgerinnen und Bürger im ganzen Land noch leichter zugänglich sind.
Das ist wichtig, um Vertrauen wiederzugewinnen, das verloren gegangen ist - Vertrauen in Institutionen, Demokratie, aber auch in die Medien.
Wie kann es gelingen, Glaubwürdigkeit und Transparenz wiederherzustellen?
Der rbb, unser Heimatsender, für den ich mich immer und immer wieder einsetze, hat als unabhängige öffentlich-rechtliche Institution einen Bildungs- und Kulturauftrag und gewährleistet dank engagierter Journalisten eine ausgewogene, vielfältige und qualitativ hochwertige Berichterstattung.
Vielfalt bedeutet aber auch, dass möglichst viele Zielgruppen sich wiederfinden im Programm und nicht, dass relevante Programminhalte gekürzt werden oder wegfallen. Programmkritik ist kein Eingriff in die Pressefreiheit. Die Kultur hat unter der Programmänderung gelitten, Radio 3 ist ein anderes Programm als Kulturradio, das in Berlin-Brandenburg einzige kuratierte Kulturprogramm fehlt schmerzhaft. Das sollte nicht sein.
Der rbb ist die Stimme für alle Brandenburgerinnen und Brandenburger, die wir weiter stärken wollen.
Lassen Sie mich noch einen Satz sagen zu denjenigen Berichterstattern, die regelmäßig Plenarsitzungen im Landtag begleiten. Manchmal bewundere ich Sie! Manchmal ist die Debatte nicht spannend, manchmal stimmt sie im Ton nicht, manchmal würde ich nur noch eine Glosse schreiben, aus gesunder Gelassenheit heraus. Wenn doch die Themen nicht so ernst wären!
Also müssen auch wir als Parlamentarier das Vertrauen in die Politik und die Demokratie zurückgewinnen. Im Plenum kann man jederzeit anderer Meinung sein, sollte aber seinen Standpunkt mit Würde und Respekt äußern.
Wir haben ein neues Parlament, mit erfahrenen Abgeordneten und frischem Wind.
Streitbare, respektvolle Debatten - ich denke, das können wir. Und - ich habe es in meiner Antrittsrede im Oktober bereits gesagt: Wenn wir einander zuhören und einen würdigen Umgangston miteinander finden, können wir in Brandenburg Vorbild und Labor eines Wandels für die Demokratie in Deutschland sein.
Meine Damen und Herren,
ich bin überzeugt, dass wir mit einer starken Medienlandschaft und einer kritischen Öffentlichkeit die Grundlage für eine lebendige Demokratie schaffen können. Ihre Arbeit, liebe Journalistinnen und Journalisten, ist dabei unverzichtbar.
2025 gibt es auch viel Schönes zu erzählen: Wir feiern in diesem Jahr 35 Jahre Deutsche Einheit und somit auch das 35-jährige Jubiläum des Landes Brandenburgs und des Landtages. Zu diesem Thema haben wir heute Mittag unsere neue Jahreskunstausstellung eröffnet. Schauen Sie sich die ausdrucksstarken Fotografien aus unterschiedlichen Perspektiven nach der Wiedervereinigung auf jeden Fall an – es lohnt sich.
Ich wünsche Ihnen für das neue Jahr nicht nur Erfolg und gute Geschichten, sondern auch den Mut, sich neuen Herausforderungen zu stellen, und die Kraft, immer wieder nach den höchsten Standards zu streben – im Journalismus und in der Politik.
Ich wünsche ihnen einen schönen gemeinsamen Abend mit guten Gesprächen.
1 Herfried Münkler, die Zukunft der Demokratie, Wien 2024, S.80-82.
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus – Internationaler Holocaust-Gedenktag 2025. 27.1.2025 Gedenkstätte Sachsenhausen
Ansprache der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Ein vergilbter Zettel, ein Betriebsformular der Fa. Heinkel-Werke. Auf den Zettel hatte der französische Ingenieur Fernand Bacrot, Häftling im Außenlager Heinkel-Werke in Germersdorf, ein Lied aufgeschrieben. „La Madelon“, ein französisches Volkslied aus dem Ersten Weltkrieg, von Soldaten, die mit einer jungen Kellnerin flirten. Ein Sehnsuchtslied, das vom Leben in Freiheit erzählt. Noch heute wird es gesungen bei den Treffen der Amicale Francaise, der französischen Häftlingsvereinigung in Sachsenhausen. Und in größtmöglichem Kontrast dazu hören wir die „Tsen Brider“ in einer instrumentalen Version, der jüdische Todessang, in dem die „Gasse“ zum „Gas“ wird und ein Bruder nach dem anderen wegstirbt: Der Zupfgeigenhansel soll weiterspielen zum Weinen und zum Lachen. „Hert mayn letst lidl.“
Danke den Musikerinnen und Musikern der Musikschule „Klangfarbe Orange.“
So kann Erinnerung beginnen. Mit Musik.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
ein besonders herzliches Willkommen an die Angehörigen der Überlebenden von Sachsenhausen, stellvertretend möchte ich den Präsidenten des Internationalen Sachsenhausen-Komitees Dik de Boef und den Präsidenten des Sachsenhausen- Komitees in der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Andreas Meyer, begrüßen!
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Landtages Brandenburg und des Abgeordnetenhauses Berlin, lieber Vizepräsident Buchner,
sehr geehrte Herren Minister Freiberg und Senator Chalio,
sehr geehrte Damen und Herren des Kreistages und der kommunalen Vertretungen!
Herzlich begrüße ich den Landrat von Oberhavel, Herrn Tönnies, und den Bürgermeister von Oranienburg, Herrn Laesicke, die Vertreter und Vertreterinnen von Bundeswehr und Polizei sowie der Kirchen und Religionsgemeinschaften,
vielen Dank dafür, dass Sie bei diesem Gedenken dabei sind!
Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der diplomatischen Missionen und der zivilgesellschaftlichen Verbände, Initiativen, Vereinigungen, Gewerkschaften und Parteien! Für die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte begrüße ich Herrn Direktor Prof. Dr. Drecoll und Frau Dr. Ley für die Leitung von Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen! Es ist gut, dass wir heute so viele sind.
Und herzlich willkommen heißen möchte ich die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Panketal und des Runge-Gymnasiums Oranienburg, denen ich für ihr Engagement von Herzen danke; mit den Panketalern gab es eine sehr angeregte Diskussion bei mir im Landtag, dafür danke ich Euch sehr!
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Mit Musik beginnen neue Wege des Gedenkens.
Singen konnte in Sachsenhausen den Tod bedeuten oder helfen, das Leben im Lager auszuhalten. Singen konnte befohlen werden, war Macht- und Folterwerkzeug. Häftlinge mussten stundenlang singen – bis zur totalen Erschöpfung. Singen bei Folterungen, Gewaltakten und Hinrichtungen. Deutsche Volkslieder zur Vernichtung menschlicher Identität.
Aber es wurde auch heimlich gesungen – Juden, deutsche Kommunisten, Zeugen Jehovas, tschechische Studenten, Polen, Norweger, bildeten Chöre, Instrumentalensembles, dichteten, komponierten mehr als 122 Lieder, Überlebenslieder, eine Geheimsprache, die Verbindung stiftete. Kultureller Code des Menschlichen, das dem Unmenschlichen im Lageralltag widersprach.
Mitgedenken – Mitgestalten – so steht es auf der Einladung für die heutige Veranstaltung. Die Berichte von Zeitzeugen, das Musizieren und Zuhören, das Binden von Kränzen und Blumen ermöglichen einen schöpferischen Zugang zu diesem Ort, seinem Geschehen, seiner Geschichte, seinem Schrecken.
Das alles klingt an im Lesen der Geschichten von Überlebenden.
Nicht einfach für Schülerinnen und Schüler des Friedlieb Ferdinand Runge Gymnasiums Oranienburg und des Gymnasiums Panketal, sich der Berichte anzunehmen, sie zu lesen und zu deuten.
Der deutsche Historiker Heinrich August Winkler sagt, dass es in der Geschichte immer um eine Ortsbestimmung der Gegenwart geht, ermöglicht durch schöpferische Forschungsfragen.
Denn die Orte bleiben – Sachsenhausen, Ravensbrück, Buchenwald, Auschwitz.
Orte für Trauer, für Empathie mit den Opfern, für das Erschrecken über Todesfabriken. Hier wendet sich der Blick in die Vergangenheit.
Wenden wir den Blick in die Gegenwart mit der Erfahrung der Orte und ihres Geschehens, begegnen wir den eigenen Fragen. Schwierig, schmerzhaft, nicht abschließend zu beantworten, aber unabweisbar. Fragen, die einen nicht mehr loslassen. Wie war das möglich, dass so viele Menschen in Deutschland sagten, sie hätten nichts gewusst? Wie, dass so viele es zugelassen haben und nicht gefragt haben, was ihren Nachbarn, ihren Kollegen geschah? Brandenburger Schüler und Schülerinnen befragten in einem Projekt Eltern, Großeltern, Verwandte, ob sie auf dem Dachboden nach Fotos von Deportationen suchen dürfen. Es gab diese Fotos.
Hätte jemand bei den Aufmärschen der SA 1929 einem Zuschauer am Straßenrand gesagt, dass ein paar Jahre später ihre jüdischen Nachbarn deportiert und ermordet werden, wer hätte ihm geglaubt? Und dass viele Deutsche das alles verdrängen würden, nicht hinsehen, es akzeptieren oder selber in Büros und Fabriken die Todesmaschinerie mit am Laufen halten würden? Wo fängt das an, Täter zu werden?
Geschichte als Ortsbestimmung der Gegenwart. Die Gedanken sind frei. Auch für das Gedenken. Wie Menschen erinnern, das mag bedingt sein durch kulturelle Identität, Generation, Erfahrungshorizont, Überzeugung, Denkhaltung. Aber das Entscheidende und Verbindende ist die Wahrheit dieses Geschehens, dass wir mit den Worten Holocaust – Shoa – das größtmögliche Unglück benennen, den nationalsozialistischen Völkermord an den europäischen Juden. Diese Wahrheit ist unhintergehbar für uns alle in Deutschland. Nicht abweisbar. Das betrifft das kollektive wie das eigene Sich-in-Beziehung-setzen zu dem, was war. Wie war das möglich? Was hätte ich getan? Was heißt das für uns heute? Wohin kann es führen, wenn wir in Kauf nehmen, dass Grundrechte verletzt werden, ausgehöhlt, übergangen?
Auch die Einzigartigkeit dieses Geschehens ist Teil dieser Wahrheit. Wahr ist auch, dass wir die Bilder aus den Lagern nicht mehr aus dem Kopf bekommen und dass sie sich überlagern mit heutigen Bildern, mit Bildern von Krieg, Verfolgung, Flucht. Gesichter ohne Hoffnung. Wir erleben es nicht selbst und kennen es doch. Gibt es das eigentlich? Das fremde Leid? Vergleiche stimmen nicht, relativieren und vernebeln, was ist.
Nicht allein das Geschehen des Holocaust ist der Grund, warum wir heute gefordert sind, Antisemitismus zu überwinden. In dieser Verantwortung stehen wir ohnehin. Wir müssen die Dinge beim Namen nennen. Es gibt ihn noch immer, den alten Antisemitismus der NS-Zeit. Es gab ihn auch in der DDR. Und seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 erleben wir einen neuen Antisemitismus. Wer jüdisch ist, wird von Protestierenden schnell pauschal für die Politik Israels verantwortlich gemacht, ohne den Terror von Hamas und Hisbollah anzuerkennen und oft verbunden mit der Phantasie von einem Nahen Osten ohne Israel. Dabei kann, wer Israel kritisieren will, das problemlos tun in Deutschland ohne antisemitisch zu sein. In Israel passiert das jeden Tag, oft schärfer und deutlicher als bei uns. Mit dem alten wie mit dem neuen Antisemitismus müssen wir uns auseinandersetzen. Er ist eine Gefahr für unsere Freiheit, er gehört nicht zu unserer Demokratie.
„Dabei ist die Demokratie in besonderer Weise von zuverlässigen Informationen abhängig, da diese die Grundlage der politischen Willensbildung darstellen!“1
Besser kann ich es nicht sagen als Herfried Münkler in seinem Buch „Die Zukunft der Demokratie.“ Denn das ist unser Thema, Demokratie weiterentwickeln durch politische Bildung. Wir haben die Verantwortung für Aufklärung über Vergangenes und für die wahrheitsgemäße Information heute, die korrekte Wiedergabe von Sachverhalten, Tatsachen oder Wirklichkeit. Eine kollektive Wahrheit in der vereinzelten Gesellschaft, eine Verantwortung fürDemokratie, die nicht nur sehr groß ist, sondern auch noch wächst, je mehr Desinformation und Fake News im Umlauf sind. Davon betroffen ist auch die Erinnerungskultur.
Erinnern wir an den „Engel der Geschichte“, um zu erfahren, was nicht zu verstehen ist und vielleicht nur durch Bilder, Geschichten und Musik verinnerlicht werden kann. Wie eines der berühmtesten Denkbilder von Walter Benjamin, geschrieben 1940, angeregt von Paul Klees „Angelus novus“ einer Ölfarbzeichnung, die Benjamin 1921 erwarb:
„Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Der Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken zukehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“
Ein Bild vom Fortschritt als Rückblick. Wenn überhaupt, dann war ein Voranschreiten nur mit dem Rücken zur Zukunft möglich. Weil inmitten der Trümmer etwas verschüttet war, das unbedingt erst freizulegen war, denn die dunklen Kräfte der Vergangenheit waren noch nicht überwunden. Bevor nach der Katastrophe über einen Ausgang in eine bessere Zukunft nachgedacht werden konnte, sollte die Aufklärung sich zunächst selbst aufklären über ihre eigenen Impulse. Vielleicht ist diese Forderung heute noch nicht erfüllt.
Auch deshalb sind Gedenkorte wie Sachsenhausen so wichtig für unser Menschsein, für die Reflexion darüber, was es bedeutet, heute als Menschen in unserer Welt zu sein. Wir alle sind fähig, Geschichten der Opfer und Geschichten der Überlebenden in unsere eigenen Denkbilder aufzunehmen.
Dazu gehören auch die Bilder und Geschichten von den vielen, die es nicht gewesen sein wollten, die Schuld überschrieben hatten mit dem „Schau nicht zurück“. Ich erinnere mich an die Sieger der Geschichte, die wir sein wollten im Osten. Als Abkehr, weil es meine Großeltern nicht gewesen sein konnten oder die Großeltern meiner Freunde. Weil ich es hätte gewesen sein können? Oder nicht, nur weil ich zum Glück erst ein paar Jahre später geboren bin?
Es geht darum, sich aufrichtig unbequemen Fragen zu stellen, der Scham, der Verdrängung, dem Unbehagen, der Überforderung, die man empfindet, wenn man sich dem gegenüberstellt, was geschehen ist. An diesem Sich-gegenüber-stellen, an diesem Stellung-beziehen kommen wir nicht vorbei, wenn wir eine freie menschenfreundliche Gesellschaft ohne Hass und Hetze gestalten wollen.
Anders als Benjamins Engel der Geschichte können wir die Blickrichtung ändern. Über Vergangenheit nachdenken, indem wir in die Zukunft schauen: Wie müssen wir unser Handeln heute ausrichten, sodass unsere freiheitliche Demokratie nicht nur widerstandsfähig bleibt, sondern als Zukunftsprojekt einer lebenswerten Gesellschaft von einer demokratischen Mehrheit gemeinsam gestaltet wird? Wie sehr sich auch die Handlungsansätze unterscheiden mögen, wie viel Geduld, Zuhören, wie viele Kompromisse auch ausgehandelt werden müssen.
Erinnerungskulturen sind gemeinsames Wissen über die Vergangenheit. Ein sich ständig erweiternder, sich erneuernder Erfahrungshorizont. Neues Wissen findet darin seinen Platz, wird abgeglichen mit Bekanntem und integriert in das eigene Bewusstsein. So wie ein Wald wächst oder das Gedächtnis einer Stadt. Etwas, das lebendig ist. Wenn wir uns auseinandersetzen mit der Wahrheit, mit dem, was ist. Schöpferische Forschungsfragen, Geschichten und Kunst verbinden Erinnerungskultur mit dem Blick in die Zukunft und können helfen, hinter den Nachrichten die Wahrheit zu erkennen.
Vielen Dank!
1 Herfried Münkler, die Zukunft der Demokratie, Wien 2024, S.80-82.
Neujahrsempfang des Regionalen Wachstumskerns Prignitz
Perleberg 29. Januar 2025
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
So viele Prignitzer! Es ist gut, dass Sie heute alle zusammenkommen, dass es so voll hier ist. Für mich entsteht der Eindruck, dass Sie alle für Ihre Prignitz einstehen und sich dabei richtig gut verstehen!
Liebe Stellvertretende Perleberger Bürgermeisterin Schmidt,
alles Gute Ihrem erkrankten Chef,
lieber Bürgermeister von Wittenberge Dr. Oliver Herrmann,
lieber Lutz Lange und Konrad Ahrendt, die Vorsitzenden der Wirtschaftsinitiative Westprignitz,
lieber Prignitzer Landrat Christian Müller,
lieber Nachbar aus Mecklenburg-Vorpommern - Landrat Stefan Sternberg aus Ludwigslust-Parchim,
liebe Abgeordnete und Vertreter der kommunalen Parlamente,
liebe Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
liebe Vertreter der Regionalen Wirtschaftskerne,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Immer wieder bin ich gern in Perleberg, bei Konzerten der Lotte-Lehmann-Akademie, zuletzt beim Erntedank-Gottesdienst in der Sankt-Jacobi-Kirche; und in diesem September kommen viele Gäste zum Brandenburg-Tag in die Rolandstadt. Natürlich wird dann auch der Landtag stark vertreten sein, und ich freue mich schon jetzt darauf; ebenso wie auf die Landesgartenschau in Wittenberge in zwei Jahren.
Vom Nordwesten Brandenburgs ist weniger häufig die Rede in Medien und öffentlichen Stellungnahmen als etwa von der Lausitz oder dem Speckgürtel rund um Berlin. Die Prignitz war dennoch umtriebig, nutzt ihren Standortvorteil zwischen dem politischen Zentrum an der Spree und dem „Tor zur Welt“ an der Elbe, bietet auch Chancen:
für die Ansiedlung von Investoren und Start-up-Firmen
für den Tourismus mit Gästen aus beiden Ballungsräumen, die Erholung mit Kultur und Landschaft suchen,
für das Zusammenleben von Alteingesessenen und Wahl-Prignitzern, die hier etwas aufbauen wollen für sich und ihre Familien.
Mit einem Wort: Perspektiven und tolle Aussichten, im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinn.
Hier gibt es tatsächlich jede Menge Platz für Kreativität, Entfaltung, Verwirklichung von Ideen und Träumen. Vieles ist bereits auf dem Weg: Die erneuerbaren Energien werden genutzt und ausgebaut; neue Unternehmen siedeln sich an; die Infrastruktur verbessert sich zusehends; die Produktion gesunder regionaler Lebensmittel gewinnt stärker an Bedeutung; die Wirtschaftskreisläufe und Firmennetze verknüpfen sich.
Das ist ein Zweck der Regionalen Wachstumskerne, und hier klappt das richtig gut. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch die Förderung dieser Prozesse durch die Europäische Union: Einige politische Kräfte halten die EU ja für überholt oder sogar schädlich. Hier in der Prignitz gibt es zahlreiche Belege dafür, wie hilfreich, positiv und nachhaltig Europa wirken kann.
Hinzu kommen kulturelle Leuchttürme wie die Lotte-Lehmann-Akademie in Perleberg, die Elblandfestspiele in Wittenberge, Stadtfeste, Museen, Konzert- und Theateraufführungen. Sie belegen: Lebendige, vielfältige Kultur ist kein Kostenfaktor, kein weicher Standortfaktor, sondern ein knallharter Wirtschaftsfaktor für Ihre Region. Kreativität und wirtschaftlicher Erfolg stehen nicht neben- oder gegeneinander, sie hängen eng zusammen.
Dazu beigetragen haben Verantwortliche in Wirtschaft und Verwaltung, in der Politik und im künstlerischen Bereich, in den Kommunen und auf Kreisebene, vor allem aber: Die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Kinder großziehen und ihre Vorstellungen von regionaler Gemeinschaft umsetzen – im ländlichen Raum zwischen den Großstädten, wie es immer beliebter wird. Eine solche Lebensqualität kann man in anderen Gegenden Deutschlands suchen. Das ist auch bei der Anwerbung von dringend benötigten Fachkräften ein wichtiger Faktor für den Ausbau von sozialen und die medizinischen Angeboten bis zur Verkehrsanbindung.
Meine sehr verehrten Damen und n Herren!
Die Prignitz hat ihre Zukunft in die Hand genommen, wie es der norddeutschen Art entspricht, pragmatisch und zielstrebig.
Ich bin zuversichtlich: Was in der Lausitz schon erprobt und begonnen wurde, kann auch im Nordwesten gelingen.
Und: es ist höchste Zeit, dass wir in Brandenburg jetzt auch den Nordwesten in den Blick nehmen, wenn es um Zukunftsstrategien für die Region geht.
Denn die Prignitz, Ostprignitz/Ruppin und Oberhavel haben mehr als einzigartige Landschaften zu bieten, alte Kirchen, preußisches Erbe mit Schinkel, Fontane, Schloss Rheinsberg. Der Nordwesten ist ein Natur-, Lebens- und Wirtschaftsraum mit Perspektive.
Wir müssen nur alle zusammenhalten und uns gut abstimmen. Der Wirtschaftsminister Daniel Keller ist informiert. Seine Aufgabe wird es sein, den Nordwesten Brandenburgs – und damit auch Ihre Heimat – in den Fokus zu nehmen.
Ich kann Ihnen versichern: Meine Unterstützung auf diesem Weg haben sie.
Nutzen Sie Ihre Gemeinschaft, Ihr Miteinander für die Entwicklung des ländlichen Raumes!
Ich wünsche Ihnen bei diesem Empfang interessante Gespräche, anregende Begegnungen und für das schon nicht mehr ganz neue Jahr 2025 alles Gute.
Vielen Dank!
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Eröffnung der Foyerausstellung - „Integration durch Sport“ am 04.03.2025
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrte Frau Ministerin Müller, (MGS),
sehr geehrter Herr Staatssekretär Wahl, (MGS),
sehr geehrter Rabbiner Kirzon, (Jüdische Gemeinde Potsdam)
sehr geehrter Herr Kutikow, (Jüdische Gemeinde Stadt Potsdam e.V.),
sehr geehrter Herr Hegenbarth, (Präsident des Landessportbund),
sehr geehrte Mitglieder des Landessportbundes,
liebe Gäste und Engagierte,
es sind im wahrsten Sinne des Wortes bewegende Geschichten, die wir in der neuen Foyerausstellung über „Integration durch Sport“ sehen können. Die Geschichten, die hier beispielhaft gezeigt werden, erzählen vom Turnen, Schwimmen, Fußball spielen, Inline-Skating und noch viel wichtiger:
Sie erzählen von Menschen, die aus unterschiedlichen Kulturen kommen, unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Stärken haben. Aber eins verbindet sie alle: die Freude am Sport und die Freude an Gemeinschaft.
Ich möchte Sie herzlich zur Ausstellungseröffnung heute Abend im Landtag begrüßen und freue mich ganz besonders, dass wir gleich in einem gemeinsamen Gespräch die Geschichten von drei ehrenamtlich Engagierten hören, die mit ihrer langjährigen Arbeit in Sportvereinen einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.
Ohne Ihr Engagement und den Einsatz unzähliger Ehrenamtler wäre das vielfältige Angebot der Brandenburger Sportlandschaft nicht möglich.
Der Sport schafft es, dass wir voneinander und miteinander lernen können. Wir gewinnen oder verlieren dabei gemeinsam – alle zusammen. Sport ist eine Sprache, die jeder versteht. Er überwindet Grenzen, verbindet Menschen und schafft ein Gefühl der Zugehörigkeit. Auf dem Spielfeld zählen nicht Herkunft, Religion oder Hautfarbe – sondern Teamgeist, Respekt und Fairness.
Diese Ausstellung steht für Vielfalt, Zusammenhalt und gelebte Integration. Es sind die positiven Erfahrungen aus dem alltäglichen Leben, die wir heute brauchen, an die wir anknüpfen können.
Integration ist Bereicherung, aber auch verbunden mit Mühe. Deshalb kann der gesellschaftliche Wert ehrenamtlicher sportlicher Aktivitäten für und mit Geflüchteten nicht hoch genug geschätzt und gewürdigt werden. Sportvereine geben ein Gefühl von Miteinander, von Heimat, vom Dazugehören. Hier findet Hass gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund keinen Platz.
Lassen Sie uns Erfolgsgeschichten aus dem alltäglichen Leben in Sportvereinen in die Öffentlichkeit tragen und weitererzählen.
Denken wir an die Fußballvereine, die Geflüchtete in ihre Teams aufnehmen, an die Schwimmkurse für Kinder, an die Trainerinnen und Trainer, die mit Geduld und Leidenschaft jungen Menschen ein Zu Hause im Sport geben.
Ich möchte mich beim Landessportbund für sein großes Engagement für die Förderung von Integration im Sport in Brandenburg bedanken. Seit mehr als 30 Jahren arbeiten Sie aktiv daran, Zugewanderte in Sportvereinen zu integrieren. Es sind beachtliche Zahlen:
Mehr als 1.500 Ehrenamtliche und 2.500 Übungsleiterinnen und -leiter, die diesen Integrationsprozess mitgestalten. Und: Mehr als die Hälfte dieser Engagierten haben einen Migrationshintergrund. Sport baut Brücken, baut Vorurteile ab. Es lohnt sich, für Vielfalt einzustehen.
Ich wünsche Ihnen nun viel Freude beim Eintauchen in die unterschiedlichen Sportgeschichten und bedanke mich für die musikalische Umrahmung des Abends bei der Pianistin Anastasia Mozina-Braun. Ich freue mich auf einen spannenden Abend mit Ihnen.
Herzlichen Dank.
Festveranstaltung Christlich-jüdische Zusammenarbeit „Füreinander streiten“
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke, Plenarsaal des Landtages Brandenburg, 10.03.2025
„Es brent, biderlekh, es brent!“, sang Kantor Yoed Sorek und rief uns zugleich auf, den Brand zu löschen. Das müssen wir tun!
Sehr geehrter Herr Vizepräsident Genilke,
Sehr geehrte Herren Abgeordnete Fischer, Funke, Roick, Rüter und Peschel,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Beyer,
sehr geehrte Frau Gonzalez Olivo,
sehr geehrter Herr Barniske, Rabbiner Kirzon, Bischof Dr. Stäblein, Imam Sanci,
sehr geehrte Frau Braun,
liebe Gäste des Mediencampus Babelsberg,
sehr geehrter Herr Präses Geywitz, Probst Dr. Franke,
Oberkirchenrat Vogel, Generalsuperintendent Bálint,
Herr Kutikov, Frau Sandler, lieber Kantor Sorek,
liebe Gäste, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream!
„Lehre uns Streit“ ist ein Lied aus Israel:
„Lehre uns Streit in dieser Zeit
für Frieden und Gerechtigkeit.
Lehre uns Streit, mach uns bereit,
Öffne unsere Herzen weit.“
Überall auf den Noten des Streit-Liedes findet sich der Vermerk „Israelisches Volkslied.“ Tobias Petzoldt, hat den deutschen Text geschrieben, Geschäftsführer des Verbands Evangelischer Diakonen-, Diakoninnen- und Diakonatsgemeinschaften in Deutschland e.V. (VEDD), ein Dresdener.
Als Melodie nahm er „Komm heil‘ger Geist“, EG 564.
„Komm, heil‘ger Geist, mit deiner Kraft
die uns verbindet und Leben schafft.
Wie das Feuer sich verbreitet und die Dunkelheit erhellt
so soll uns dein Geist ergreifen, umgestalten unsre Welt.“
Im Internet finden sich Bewegungsanleitungen zur Darstellung des Liedes ebenso wie eine Rockversion.
Denken wir beide Texte zusammen – was für eine Botschaft!
(das Lied live am Klavier gespielt)
Verehrte Gäste,
füreinander streiten, das ist ein täglich großer Arbeitsauftrag, für uns heute in einem interreligiösen Gespräch. Das ist mehr als ein Streit.
Füreinander streiten ist ebenso Auftrag der Demokratie, die nur funktioniert, wenn sie von den Bürgern und Bürgerinnen gedacht, gefühlt und gelebt wird.
Wir sind selbst zuständig. Das heißt auch, dass sich die Demokratie mit den eigenen Mitteln, ihren Instrumenten und Verfahren, abschaffen kann - wenn es dafür eine Mehrheit gibt.
In Deutschland ist das schon einmal passiert 1930-33. Ost-Deutschland verfügt über eigene Erfahrungen, denn die DDR trug das Wort „demokratisch“ nur im Namen. Erfahrungen sind geblieben – eine Mauer kann eingestürzt werden, das Leben des Einzelnen kann sich vollkommen verändern, vom Ausweis über die Krankenkasse, das Auto und den Stromversorger bis zur Arbeitslosigkeit, zum ganz anderen Beruf, zum neuen Zuhause. Vieles davon wird jetzt erst bewusst, was war, was ist, was kommen kann. Und der Glaube ging dabei auch verloren, Geschichtsbewusstsein und Interesse an Anderen.
Wie ist es heute um die Demokratie bestellt angesichts verstörender Nachrichten, täglich neuer Erschütterungen, wie wir sie in diesem Tempo bisher nicht kannten? Wohin führen geschürte Polarisierungen zwischen der Diktatur von Autokraten und der Freiheit des Volkes, zwischen Nationalem und dessen Überwindung, zwischen Ausgrenzung und Chancengleichheit, Rassismus und Vielfalt, letztlich Krieg und Frieden?
Es geht um mehr als rechts oder links. Es geht um Teilhabe, nicht um Abhängigkeit durch Handel und Zölle wie im Mittelalter. Es geht um das Sicherheitsversprechen des Staates, um seine Handlungsfähigkeit und Verlässlichkeit, um Gewissheit der Gemeinsamkeit.
Als der Krieg Russlands in der Ukraine begann, zitierte ich Brecht: „Der schwerste Vormarsch ist der Vormarsch zurück zur Vernunft.“ Füreinander streiten setzt Vernunft voraus. Einander zuhören, verstehen, was gesagt wird, weiterdenken. Verzicht auf böse Wörter, die wehtun. Was verbindet uns, was trennt uns in Denkweisen, Positionen, religiösen Überzeugungen? Ein Miteinander auf Augenhöhe. Und - wie vertragen wir uns wieder nach einem Streit und setzen neue Erkenntnisse in Handeln um. Wo stehen wir füreinander ein?
Streit kann unproduktiv sein, kann verletzen, Lügen als Tatsachen ausgeben, Spaltung erzeugen. Das erleben wir heute in manchen politischen Auseinandersetzungen. Da geht es nicht um Gemeinwohl, sondern um Macht, Einschüchterung, Regelverletzung. Nicht Konsenz, kein vernünftiger Kompromiss.
Es hat mich gefreut, dass die Buber-Rosenzweig-Medaille, die vom Koordinierungsrat der Christlich-jüdischen Gesellschaften jedes Jahr verliehen wird, in diesem Jahr Saba-Nur Cheema und Meron
Mendel erhalten haben. Beide streiten seit Jahren leidenschaftlich für Demokratie und Menschenrechte. Die Politologin und Antirassismus-Trainerin und der Publizist und Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main schreiben als muslimisch-jüdisches Paar eine Kolumne in der FAZ, die jetzt als Buch erschienen ist. Ihr „Muslimisch-jüdisches Abendbrot“ ist aktuell, privat, politisch und ein leidenschaftliches Plädoyer für Mut und Offenheit in schwierigen Zeiten.
Toleranz, Verständigung bei gegenseitiger Achtung der Unterschiede, Erinnerung an die Ursprünge zwischen Judentum und Christentum, all diese Themen, an denen die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit arbeiten, sind nicht nur für Christen und Juden bedeutsam, ebenso für Muslime, für Angehörige anderer Glaubensbekenntnisse und für Menschen ohne religiösen Bezug.
Aber für uns Christen in ganz besonderer Weise. Denn wir kommen nicht vorbei an der Frage, wieso Antisemitismus möglich ist in unserer freiheitlichen Demokratie und wie wir ihm entgegenwirken können. Dass es endlich gelingt, jüdisches Leben, jüdische Kultur als Teil unserer kulturellen und gesellschaftlichen DNA zu begrüßen, dass Synagogen und jüdische Einrichtungen nicht wie Hochsicherheitstrakte bewacht werden müssen.
Wir müssen die Dinge beim Namen nennen. Es gibt noch immer etwas vom alten Antisemitismus der NS-Zeit. Es gab ihn auch in der DDR. Und wir erleben einen neuen israelbezogenen Antisemitismus. Wer jüdisch ist, wird schnell pauschal für die Politik Israels verantwortlich gemacht, ohne den Terror von Hamas und Hisbollah anzuerkennen. Dabei kann, wer Israel kritisieren will, das problemlos tun in Deutschland ohne antisemitisch zu sein. In Israel passiert das jeden Tag, oft schärfer und deutlicher als bei uns.
Mit dem alten wie mit dem neuen Antisemitismus müssen wir uns auseinandersetzen. Er ist eine Gefahr für unsere Freiheit. Die Frage, wie wir Antisemitismus entgegenwirken und endlich überwinden können, in Potsdam, in Brandenburg, in Deutschland, gehört zu den Zukunftsfragen unserer Demokratie.
Ich freue mich, dass Schülerinnen und Schüler des Mediencampus Babelsberg diese Festveranstaltung zum Jahr der christlich-jüdischen Zusammenarbeit mit einer Filmpräsentation mitgestalten. „Erinnern heißt leben“ – so heißt der Film, der Dr. Ulrike Funke gewidmet ist, die viele Jahre lang die Schicksale der Opfer der NS-Zeit erforscht hat. Ein gutes Beispiel dafür, wie neue Formen der Erinnerungskultur gelingen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Aus christlicher Perspektive brauchen wir nach wie vor eine fundamentale Auseinandersetzung mit antijüdischen Denkmustern und Symbolen. Und vor allem auch Bildungsangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, denn wir wissen noch viel zu wenig über das Judentum, über Jüdische Kultur, das Alte Testament Tora, Talmud – wir brauchen aus dem Verständnis heraus einen Text-Raum, Lebens-Raum, Handlungs-Raum, in dem sich Neues entfalten kann.
Als Christen können wir unsere Identität nur bestimmen, wenn wir reflektieren über unser Verhältnis zum jüdischen Glauben, Juden brauchen das nicht. Das macht den Jüdisch-christlichen Dialog so besonders, so existentiell für Christen. Deshalb sind die Gesellschaften für Christlich-jüdische Zusammenarbeit für uns wichtig. Weil Herabwürdigung, Bedrohung, Hass oder Gewalt nicht vereinbar sind mit dem Menschenbild, das Christen und Juden miteinander teilen. Weil Christen und Juden davon ausgehen, dass jeder einzelne Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Begabt mit unverlierbarer Würde, dem in seiner Einmaligkeit und Verletzlichkeit Respekt gebührt.
Weil uns dieses Menschenbild verbindet, können wir auch gemeinsam für eine Gesellschaft einstehen, die die Freiheit des Einzelnen garantiert. Und die Freiheit anderer Religionen und Weltanschauungen.
Wir können lernen, dass es Unterschiede gibt, bei denen es gar nicht darum geht, sie zu überwinden, sondern sie zu achten, weil sie zu uns Menschen gehören. Solche Unterschiede bereichern uns, wenn wir zuhören, wenn wir Empathie entwickeln und die Perspektive des Anderen in unseren eigenen Horizont aufnehmen - wenn wir füreinander streiten, für dieses gemeinsame Ethos, das wir im Gespräch zwischen Juden und Christen immer wieder entdecken und zum Leuchten bringen können. Eine Zukunftschance.
Es ist mir eine Freude, Sie alle herzlich zu begrüßen zu dieser Festveranstaltung zum Jahr der christlich-jüdischen Zusammenarbeit 2025. Schön, dass Sie, dass ihr, alle gekommen seid. Einen ganz herzlichen Dank an Rabbiner Ariel Kirzon, der für uns das Psalmgebet gesprochen hat. Und einen ebenso herzlichen Dank an Kantor Kantor Yoed Sorek für seinen Gesang.
Im vergangenen Jahr entstand aus der Woche der Brüderlichkeit das Jahr der christlich-jüdischen Zusammenarbeit. Die Kooperation zwischen Landtag und Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Potsdam gibt es aber schon seit 25 Jahren. Für diese langjährige erfolgreiche Kooperation möchte ich mich bedanken bei Herrn Tobias Barniske, dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit Potsdam.
Ich freue mich auf die abschließenden Worte des Antisemitismusbeauftragten des Landtages, Herrn Andreas Büttner, und auf die prominenten Gesprächspartner:
Bischof Dr. Christian Stäblein für die ev. Kirche
Helene Shani Braun , die jüdische Theologin und
mein Kollege von der Universität Potsdam, Kadir Sanci vom Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft, ein Kenner islamischer Wissenschaftsdisziplinen und Stiftungsratsvorsitzer des House of One.
Meine Damen und Herren,
das eingangs erwähnte Lied „Lehre uns Streit“ bildete die Grundlage eines Stückes von mir für das Deutsch-Arabische Kindertheater Rheinsberg, „Streit“ haben wir 2021 zusammen aufgeführt, zusammen gesungen, zusammen Streit ausgelotet. Im Kindertheater gab es den Streit um Spielzeug, den STREIT mit Wörtern, den Sport-Wettstreit, das musikalische STREITquartett und den politischen Streit zwischen den Rosaroten und den Lilanen. In 10 Aufführungen in Turnhallen von Schulen und zum Abschluss im Theater sangen deutsche und arabische Kinder immer wieder das israelische Lied aus dem EG. Es gab ganz viel Beifall von den jeweils 300 bis 400 Besucherkindern.
Das macht Mut.
Vielen Dank!
Grußwort der Präsidentin des Landtages Brandenburg zum 30-jährigen Bestehen des Netzwerkes der brandenburgischen Frauenhäuser (NbF e.V.) am Freitag, 14. März 2025, 17:30 Uhr
Sehr geehrte Abgeordnete, lieber Herr Lüders, liebe Frau Sahi,
sehr geehrte Frau Ministerin Müller und Frau Ministerin a.D. Nonnemacher,
sehr geehrte Frau Dörnenburg,
sehr geehrte Frau Seeger, Frau Toussaint, Frau Khan, Frau Christoph,
Frau Westphal, Frau Kapp,
liebes Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser,
liebe Jenny Pöller!
Es ist gut, dass es Ihr Netzwerk gibt.
Noch besser wäre es, wir bräuchten gar keine Frauenhäuser und Sie könnten Ihre Kompetenz präventiv einsetzen. Das ist illusorisch, ich weiß, denn Leben findet nun mal nicht gewalt- und sorgenfrei statt.
Es hört sich banal an – aber die meisten Familien möchten ein fröhliches, unbeschwertes Miteinander, Kinder, gemeinsame Erlebnisse, miteinander kochen und essen, Natur genießen. Fast langweilig.
Über häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen möchten die meisten Menschen nicht nachdenken.
Traurige Berichte von Frauen rufen nach Hilfe, die Statistiken mahnen uns. Jede dritte Frau erlebt in ihrem Leben Gewalt. Jede vierte Frau erlebt Gewalt in ihrer eigenen Beziehung. Die Chance ist hoch, dass wir alle eine Betroffene kennen, dass wir alle einen Täter kennen.
Die Chance ist gar nicht so klein, dass wir selbst schon betroffen waren, auch wenn wir es längst verdrängt haben. Gewalt ist vielfältig, körperlich, psychisch, sexualisiert, emotional oder auch finanziell. Die verschiedenen Formen der Beziehungsgewalt haben eines gemeinsam: sie sind immer ein Ausdruck von Macht.
Diese Gewalt wird erst enden, wenn kein Mensch mehr auf einen anderen herabschaut.
Wenn eine tatsächlich gleichberechtigte Gesellschaft das Recht auf ein gewaltfreies Leben für alle umsetzt.
Das ist eine große Aufgabe – zu groß, um sie an die Ränder zu drängen.
Eine derart große Aufgabe kann nicht an kleine Interessengruppen abgegeben werden. Es kann kein reines „Frauenthema“, kein reines „Sozialthema“ bleiben. Es ist auch ein juristisches Thema, ein polizeiliches Thema, ein kulturelles Thema, unser aller Thema.
Gelingende Netzwerkarbeit ist dafür essentiell. Deshalb ist es so wichtig, dass es das Netzwerk der Brandenburger Frauenhäuser gibt.
Anlässlich des 30-jährigen Bestehens Ihres Netzwerkes möchte ich Ihnen im Namen des Landtages Brandenburg ganz persönlich für Ihre geleistete Arbeit danken und Ihnen zu Ihrem 30-jährigen Bestehen gratulieren.
Für Ihr Netzwerk haben Sie von Anfang an hart gekämpft. Nachdem häusliche Gewalt in DDR-Zeiten tabuisiert war, gründeten Sie nach 89 überall in den neuen Ländern Frauenvereine und Fraueninitiativen. Sehr schnell wurden die ersten Frauenhäuser eröffnet. Auch in Brandenburg entstanden so die ersten Einrichtungen, anfangs oft von Quereinsteigerinnen und mit ABM-Kräften betrieben.
Es wurde bald deutlich, dass sich das System professionalisieren musste, um dem Anspruch eines modernen Hilfesystems gerecht zu werden.
Die Gründerinnen vernetzten sich mit anderen Frauenhäusern in ganz Deutschland und nahmen an regelmäßigen Ost-West-Treffen teil.
Das damalige Sozialministerium unter Regine Hildebrandt finanzierte eine berufsbegleitende Weiterbildung, Auf diese Weise konnten Frauen ein Äquivalent zur staatlichen Anerkennung der sozialen Arbeit für Frauenhäuser erwerben. Die Mitarbeiterinnen trafen sich also anderthalb Jahre lang regelmäßig im Wannsee-Forum und bildeten sich weiter.
Dort entstand auch die Idee zu einem gemeinsamen Interessenverband.
Vor genau 30 Jahren, am 14. März 1995, gründete sich das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser als eingetragener Verein, auch um Fördermittel für eine hauptamtliche Koordinierungsstelle beantragen zu können. Das hört sich heute einfach ein, aber wer wollte sich damals mit Vereinsmeierei befassen!
Bereits 1996 wurde die Koordinierungsstelle eingerichtet und mit Frau Dr. Regine Grabowski besetzt. Sie war die erste, die Belegungsstatistiken für die Brandenburger Frauenhäuser erstellte. Sie verfasste Rundbriefe mit neusten Informationen für die Mitglieder.
ber den Verband setzten sich die Mitglieder für bessere finanzielle Rahmenbedingungen ein. Sie verlangten besseren rechtlichen Schutz für die Betroffenen.
Nach all dem Aufbruch war dann 2003 kein gutes Jahr - die Landesmittel für die Koordinierungsstelle wurden gestrichen und das Netzwerk musste ehrenamtlich weiterarbeiten. Es konnten weiter regelmäßige Netzwerktreffen und gemeinsame Weiterbildungen organisiert werden, aber für zusätzliche Projekte gab es kaum Kapazitäten.
Erst im Juni 2016 gelang es, erneut Mittel für eine hauptamtliche Koordinierungsstelle einzuwerben, zunächst mit einem Fokus auf geflüchtete Frauen.
Die Stelle wurde 2017 fortgeführt und um einen neuen thematischen Schwerpunkt erweitert: Barrierefreiheit und Schutz für Frauen mit Behinderung.
Seit 2018 verfügt das Netzwerk wieder über eine vollumfängliche Koordinierungsstelle mit anderthalb Personalstellen. Die Koordinierungsstelle unterstützt die Mitgliedsorganisationen mit Wissenstransfer und organisiert Netzwerktreffen und Weiterbildungen. Sie kommuniziert mit Politik und Verwaltung, vernetzt sich mit anderen Hilfestrukturen, macht Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und entwickelt Kampagnen für die öffentliche Bewusstseinsbildung.
„rosaROT“ hieß eine solche Kampagne über die Dynamiken häuslicher Gewalt und Hilfsmöglichkeiten. Die Wanderausstellung wird bis heute bundesweit verliehen. Vielleicht ist es ja möglich, die Ausstellung auch im Landtag zu zeigen. Darüber würde ich mich sehr freuen!
Noch einige erfolgreiche Meilensteine Ihrer Arbeit möchte ich nennen.
Sie haben mehrere erfolgreiche Pilotprojekte umgesetzt wie beispielsweise. „Tipi“, eine Theatertherapie mit Kindern in Frauenhäusern oder „Kuku“ eine Kunsttherapie.
2020 gewannen Sie den Landespräventionspreis für einen digitalen Flyer „Häusliche Gewalt in Zeiten von Corona“ und konnten mit Unterstützung durch den Landespräventionsrat, das Sozialministerium und die Staatskanzlei die großangelegte Präventionskampagne „Häusliche Gewalt. Sie können etwas tun“ umsetzen.
Und in Kooperation mit der Neuen Schule für Fotografie Berlin erstellten Sie einen Foto-Pool mit 50 frei verwendbaren Bildern zu den Themen Feminismus, Empowerment, häusliche Gewalt und Frauenhäuser, die ohne Klischees und die Reproduktion von Rollenbildern auskommen.
Was mir aufgefallen ist: Das Netzwerk war an einer landesweiten Arbeitsgruppe zur ethischen Berichterstattung über Häusliche Gewalt beteiligt, die Empfehlungen für Medienschaffende erarbeitete. Das ist in polarisierten Zeiten ein wichtiges Anliegen!
Heute gibt es in Brandenburg 17 Frauenhäuser, vier Frauennotwohnungen und drei Frauenberatungsstellen mit staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen.
Über sich selbst sagen Sie: „Eigentlich wollen wir uns selbst abschaffen, aber erst mal feiern wir uns“.
Dazu haben Sie auch allen Grund.
Mit Ihrer Arbeit schützen Sie fundamentale Rechte, die jedem Menschen zustehen.
Mit tiefem Respekt vor Ihrer herausragenden Arbeit wünsche ich Ihnen weiterhin viel Kraft, Inspiration, Erfolg und Freude an Ihrer Arbeit mit Menschen!
Vielen Dank.
Immatrikulationsfeier MHB Neuruppin, 4. April 2025, Kulturkirche
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrter Herr Präsident Prof. Dr. med. Hans-Uwe Simon,
sehr geehrter Herr Kanzler Dr. Gerrit Fleige,
sehr geehrte Lehrende und Mitarbeiter der MHB,
liebe Studierende, Eltern und Freunde,
liebe ehemalige Abgeordnetenkollegin Carla Kniestedt
liebe medizinische Musiker und Musikerinnen des Berlin-Jazz-Ensemble!
Herzlich willkommen!
Es ist ein großes Glück für uns, für das Land Brandenburg, dass Sie sich, liebe Erstsemester, für Neuruppin entschieden haben.
Wegen des Studiums und der Dozenten vielleicht, wegen eines seit altersher geachteten Berufes, weil Brandenburg gerade hier sehr schön ist - oder einfach weil Sie Menschen helfen wollen.
Ganz bestimmt haben Sie Lust, an einer jungen Uni zu studieren. Die Medizinische Hochschule Brandenburg war die erste Ärzteausbildung im Land, sie hat sich schnell etabliert und einen exzellenten Ruf erworben für angehende Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeuten, seit dem vergangenen Jahr auch Zahnmediziner. Ab heute sind Sie Teil dieser 10jährigen Erfolgsgeschichte.
Sie merken schon: Ich bin eine große Anhängerin der Gründungsidee Ihrer Hochschule. Das hat auch mit den Anfängen zu tun: Ein Konzertbesucher erzählte mir vor mehr als zwei Jahrzehnten in der Musikakademie Rheinsberg von seinen Plänen für eine Medizin-Universität – ausgerechnet in Neuruppin. Das war Prof. Dr. Dieter Nürnberg, ein ebenso beharrlicher wie kluger Mann, der 2014 Gründungsdekan der MHB wurde. Eine sehr schöne und von Studierenden gestaltete Ausstellung im Museum Neuruppin erinnerte im vergangenen Jahr an die Anfänge und feierte den MHB-Geburtstag.
Sie verriet auch einiges vom Erfolgsrezept der MHB – von der innovativen, modernen, forschungsbasierten Ärzteausbildung, vom ersten Ausbildungstag nah am Menschen, patientenorientiert, praxisnah, regional verwurzelt.
Jährlich bis zu 150 Absolventen und Absolventinnen kommen mittlerweile aus der MHB in Krankenhäuser und Praxen, was für ein unbezahlbarer Schatz für die Gesellschaft! Etwa zwei Drittel von ihnen bleiben in der Region zwischen Prignitz und Oderbruch, Uckermark und Spreewald, auch im ländlichen Raum mit seinen Seen und Wäldern und Alleenstraßen, die lang sein können auf dem Weg zum Patienten und zum Arzt.
Erst in der vergangenen Woche sprach Ministerpräsident Woidke in seiner Regierungserklärung von den langen Wegen und Wartezeiten, die Patientinnen und Patienten auf sich nehmen müssen, um zum Arzt zu kommen. Und er hat zugesichert:
„Eine gute Gesundheitsversorgung in allen Teilen unseres Landes ist die wichtigste Basis für eine gute Entwicklung in allen Regionen.“ Er sprach über die Entwicklung in der Lausitz mit künftig staatlicher Medizinerausbildung und zugleich über die MHB: „Ein anderes Brandenburger Erfolgsmodell – die Medizinische Hochschule Brandenburg werden wir auch weiterhin unterstützen, sie ist seit mittlerweile 10 Jahren am Start.“
Wie passt das zu Ankündigungen aus dem Finanzministerium, bei den Mitteln für die Hochschule zu sparen? Nun, das wird in den beginnenden Haushaltsberatungen mit Sicherheit ein größeres Thema sein. Als langjährige Abgeordnete kann ich versichern, und meine frühere Kollegin Carla Kniestedt wird es bestätigen: Noch kein Papier ist so aus dem Landtag herausgekommen, wie es ursprünglich eingebracht wurde. An der MHB-Förderung zu kürzen käme einer schmerzhaften Schwächung des Erfolgsmodell gleich. Das darf nicht passieren.
Die MHB hat kommunale und gemeinnützige Gesellschafter, die mutig waren, sich eine Universität aufzuladen und die damit aber zugleich erfolgreich und vorbildhaft in ganz Deutschland sind. An dieser Stelle gebührt einmal herzlicher Dank den Ruppiner Kliniken, dem Städtische Klinikum Brandenburg an der Havel, der Immanuel Diakonie, den Stadtwerken Neuruppin und der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin.
Die MHB ist eine staatlich anerkannte Universität in kommunaler und gemeinnütziger Trägerschaft. Sie wird wesentlich unterstützt vom Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Das ist kein unsicheres Privatunternehmen, sondern eine exzellente Universität auf sicherem Fundament.
„Ohne Gesundheit ist alles nichts“, sagte Arthur Schopenhauer. Das stimmt, aber ohne Demokratie auch nicht, möchte ich hinzufügen.
Der 128. Deutsche Ärztetag hat sich vor knapp einem Jahr in Mainz mit einer Resolution „Nie wieder ist jetzt“ zu Demokratie und Pluralismus als Fundament eines menschlichen Gesundheitswesens bekannt.
In der Resolution heißt es: „Ärztinnen und Ärzte dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung. Sie üben ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus. Für jede Ärztin und jeden Arzt gilt das Genfer Gelöbnis. Wir versorgen Patientinnen und Patienten unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion, sozialem Status oder sexueller Orientierung medizinisch. Das Zusammenwirken von Ärztinnen und Ärzten aus verschiedenen Nationen und Kulturen bereichert die ärztliche Arbeit, es ist unerlässlich für die gemeinsame Gewährleistung der Patientenversorgung, für wissenschaftliche Exzellenz und medizinischen Fortschritt.“
Die Kammerversammlung der Landesärztekammer Brandenburg hat sich dieser Resolution in ihrer letzten Tagung ausdrücklich angeschlossen.
Es wird Ihre Aufgabe sein, liebe Studierende, Menschen würdevoll und nach bestem Wissen und Gewissen zu behandeln. Das ist eine große Aufgabe, an der Sie täglich wachsen werden. Sie werden Momente des Glücks, der Erleichterung verspüren, aber genauso Situationen erleben, die nur schwer zu ertragen sind. Ich möchte Sie ermutigen, auch nach solchen Tagen an Ihre Fähigkeiten zu glauben und Ihre Entschlossenheit und Zuversicht nicht zu verlieren. Manche notwendige Eigenschaft des guten Arztes wird einem erst allmählich bewusst: Demut etwa, ein althochdeutsch hergeleitetes Wort, das Dienen und Mut verbindet. „Am Mute hängt der Erfolg“, oft werden Sie dieses Fontane-Zitat in der Fontane-Universität der Fontanestadt hören.
Ich bin mir sicher: Sie werden Erfolg haben, denn Sie bekommen die Chance, Menschen zu helfen. Übrigens lässt Fontane diesen berühmten Spruch von Erfolg und Mut den Baron Papageno zum jungen Grafen Waldemar sagen; bei einer morgendlichen Flasche Rotwein – das sollten Sie sich nicht zum Vorbild nehmen.
Manches muss man schlicht weglassen, auch bei Fontane.
Liebe Erstsemester,
die MHB ist an Ihrer Seite mit Universitätsmedizin, 2 Fakultäten, 4 Universitätskliniken, 5 Studiengängen, 8 Akademischen Lehrkrankenhäusern, 32 kooperierenden Kliniken, 50 Professuren, 250 Lehrpraxen, mit 999 Studierenden neben jedem Einzelnen von Ihnen und mit Hunderttausenden Patientinnen und Patienten, die sich auf Sie freuen. Aber jetzt wünsche ich Ihnen erst einmal eine schöne, bewegende und in Erinnerung bleibende Feier, neben Klausuren und Testaten auch Vergnügen beim Studieren, schlichtweg eine gute Zeit in Neuruppin, im Hörsaal und in den Ausbildungskliniken.
Vielen Dank!
Gedenkfeier zu 80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus,
8. Mai 2025, Paulikloster Brandenburg an der Havel
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Dietmar Woidke,
sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages und des Landtages,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre,
sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt, sehr geehrte Landesbeauftragte,
liebe Landräte!
Sehr herzlich begrüße ich heute unter uns den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung Brandenburg an der Havel Herrn Walter Paaschen, weitere Mitglieder der SVV, Herrn Müller als Stellvertretenden Bürgermeister,
die Vertreter der Verwaltung der Stadt Brandenburg,
Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, Kirchen und der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten sowie
den Präsidenten der Technischen Hochschule Brandenburg Herrn Prof. Dr. Wilms, den Präsidenten des Oberlandesgerichts Matthias Deller sowie den Direktor des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und des Archäologischen Landesmuseums Herrn Prof. Dr. Franz Schopper.
Besonders begrüßen möchte ich den Regisseur und Filmemacher Jean-Marie Vinclair, dessen Großonkel Raymond Vinclair, von der nationalsozialistischen Justiz zum Tode verurteilt und hier in Brandenburg-Görden hingerichtet wurde. Danke, dass Sie heute bei uns sind.
Sehr geehrte Gäste, Vertreterinnen und Vertreter der Medien,
liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger!
Der 8. Mai ist Gedenktag, der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, Befreiung durch die Alliierten. Ihre Musik werden wir im Konzert des Polizeiorchesters hören. Keine traurige Musik, sondern Freude über Befreiung, wieder singen und tanzen können, Musik erleben.
Schon im April 1945 hatten französische Truppen das westliche Gebiet vom Rhein besetzt, die Amerikaner das östliche Rheingebiet bis nach Bayern, englische Truppen waren in Hannover, Hamburg, Schleswig-Holstein. Die Befreiung von Menschen und Orten erfolgte nicht an ein und demselben Tag.
Der Kampf um Berlin begann am 16. April 1945, die größte und blutigste Schlacht des Krieges auf deutschem Boden.
Die sowjetischen Befehlshaber standen unter Zeitdruck aus Moskau, wo man den schnellen Vorstoß der westlichen Verbündeten misstrauisch verfolgte. Erst nach drei Tagen und unter großen Verlusten durchbrach die Rote Armee mit siebenfacher Überlegenheit die Stellungen der Deutschen auf den Seelower Höhen und war nicht mehr aufzuhalten. Soldaten der Roten Armee und amerikanische Truppen begegneten sich am 25. April bei Torgau an der Elbe, das war und ist ein Symbol für das Ende kriegerischer Auseinandersetzungen.
Die deutsche Wehrmacht kapitulierte am 7. Mai, am 8. Mai wurde der Akt im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst wiederholt. „Der Krieg ist vorbei“ titelte Schottlands „Daily Record“, die Sonderausgabe der US-amerikanischen Truppenzeitschrift „Stars and Stripes“ wusste schon am 7. Mai „Nazis quit!“
Wenn heute außerhalb eines kleinen brandenburgischen Ortes eine Tankstelle gebaut werden soll, kann es sein, dass im Boden noch immer die sterblichen Überreste von Soldaten gefunden werden, heute noch. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge versucht, den Toten ihre Namen zurückzugeben. 24.000 Soldaten verschiedener Nationen wurden im Waldfriedhof in Halbe eingebettet, zuletzt vor einer Woche in 100 neuen Gräbern. Die Versöhnung über Gräbern gehört zur europäischen Entwicklung, um Frieden zu schaffen.
Heute vor 80 Jahren war das Schreckensregime der Nationalsozialisten überwunden. Der Schrecken aber nicht - Tatsachen kamen ans Licht, Berichte über Gräueltaten, Anhörung der Täter, die Erinnerungen der Opfer, in der eigenen Familie, der eigenen Stadt. Söhne, Väter, kamen nicht zurück oder brachten ihr großes Schweigen mit. Die ersten Zeitzeuge kamen von der Front, dann aus sowjetischen Speziallagern. Das Leid der Frauen im Krieg rückte erst später ins Bewusstsein, auf der Flucht, nach Vertreibung, erfahrene Gewalt, die Traumata der Kinder, Schreckliches, weltweit. Nichts wird verschwiegen. Die Chronisten notieren alles.
Die Befreiung hatte gerade erst begonnen, die Befreiung in den Köpfen und Herzen stand noch aus - neuen Mut finden und Hoffnung, Leben in Freiheit. „Anmut sparet nicht noch Mühe“ heißt es bei Brecht und hätte deutsche Nationalhymne werden können 1949, auch 1989 - „dass die Völker nicht erbleichen wie vor einer Räuberin, sondern ihre Hände reichen uns wie andern Völkern hin.“
Ein sehr guter Text.
Im Westen Deutschlands begann der mühsame Weg zur Demokratie. Im Osten folgte der Befreiung durch die Rote Armee eine neue Diktatur und Demokratie erst 1989 mit der friedlichen Revolution.
Einer aktuellen Umfrage in der Zeitung „Die Zeit“ zufolge möchte mehr als die Hälfte der Deutschen mit der NS-Vergangenheit abschließen. Das geht nicht. 60 Millionen Tote, darunter 6 Millionen Juden und Jüdinnen verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet, 13 Millionen Opfer in der Roten Armee, viele aus Russland, der Ukraine, Weißrussland, 14 Millionen Zivilisten allein in der Sowjetunion, 4 Millionen deutsche Soldaten und gut anderthalb Millionen deutsche Zivilopfer, ebenso viele in unserem Nachbarland Polen. Unvorstellbare Zahlen für gewaltsam beendete Leben, jedes eine eigene Welt.
Beileid, Kränze, Kniefälle an Gedenkstätten gehören zu uns als Deutsche. Es ist unsere Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen. Gerade damit Wörter wie Schlachtfeld, Frontlinie, Rüstungsindustrie, Schutzbunker, Kriegsopfer nicht mehr zu unserem Vokabular gehören.
Wie dringlich das ist erlebt in diesen Tagen jeder Besucher von Ravensbrück und Sachsenhausen. Ambra Laurenzi, Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Komitees, zitierte in ihrer Ansprache zu 80 Jahren Kriegsende aus dem Ravensbrück Gelöbnis von 1959. Darin steht:
„Das Unterpfand des Friedens ist die Freundschaft zwischen den Völkern. Mögen sie im edlen, friedlichen Wettstreit um das Gute und Schöne in der Welt ringen. Mögen die internationalen Verhandlungen allseitig vom ehrlichen Willen zur Verständigung getragen sein. Frieden den Völkern – Frieden der ganzen Welt! Das ist unser höchstes Streben. Wir geloben es!“
Meine Mutter verband mit dem Wunsch nach Frieden die große Sorge, dass Politiker an der Macht sein könnten, die keinen Krieg mehr erlebt hätten. Sie hat das so oft
gesagt, dass wir schon gar nicht mehr hinhörten. Ausgebombt in Berlin, ihr Kindheits-Trauma. Ich habe Verantwortung und nehme sie wahr. Erinnerung als Mahnung.
Wie erinnern wir und was?
Die Gedanken sind frei. Das Gedenken demzufolge auch. Erinnerung steht immer in Resonanz zum eigenen Erfahrungshorizont wie zu den Geschichten, die erlebt, gehört, weitererzählt werden. Und zugleich gibt es einen Kanon des Erinnerns, über den Einigkeit besteht in Deutschland. Richard von Weizäckers Rede zum 8. Mai 1985 gab dafür den grundlegenden Impuls: Der 8 Mai als Tag der Befreiung, Befreiung vom Bombengedröhn, von Zerstörung, Verlust und Angst um Familienmitglieder und Freunde. Nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa, auch in Afrika, auf Sizilien, in Japan – einen Weltkrieg hatten die Deutschen und ihre Verbündete in weit entfernte Länder gebracht. Noch 80 Jahre danach entstehen Bücher, Bilder, Filme, die sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Ursachen beschäftigen.
Erinnerungskultur reflektiert das Werden, die Veränderung wie das Gewordensein. Erinnerungskultur ist Bewusstwerdung, ist ein Prozess. Dabei wird ausgeleuchtet, was geschehen ist, ans Licht geholt, was verborgen, überlagert, verdrängt wurde. Was wir nie wahrhaben wollten, was wir nicht begreifen können, was erschreckt, verstört und einen Schmerz auslöst, der nicht zu beherrschen, nicht zu betäuben ist.
Wenn wir davon sprechen, dass Kultur das Gedächtnis der Gesellschaft ist, dann ist Erinnerung ihr unüberschaubarer Fundus. Aus Geschichten, Bildern, Klängen wirkt Geschehenes weiter, wirkt in die Zukunft. Die Zukunft des Einzelnen, die Zukunft der Gesellschaft. Was wir erinnern, wie wir erinnern, haben wir nie ganz in der Hand, sind aber dafür verantwortlich.
Wir sind fähig zur Verdrängung, zur Nivellierung, Verleugnung der Wahrheit über unsere deutsche Geschichte, fähig zur Verleugnung von uns selbst. Wir sind ebenso fähig zu Empathie mit den Opfern, zur Suche nach der Wahrheit, zur Verantwortung für das, was geschehen ist. Nach dem Schrecken, den Deutschland mit dem Faschismus über Europa und die Welt gebracht hat, kann es gar nicht anders sein: Wir bleiben als Deutsche immer anders.
Erinnern ist auch Provokation. Weil man im Betrachten des Leides der Opfer nicht nur mit dem Bösen der Täter konfrontiert wird, sondern auch den eigenen Anteilen am Bösen bei sich selbst begegnet. Ein verstörender und zugleich heilsamer Vorgang, entdeckt in der Trauma-Arbeit. Das gilt für den Einzelnen wie für die Gesellschaft.
Aus dieser Perspektive ist die Erinnerung UNHINTERGEHBAR und verweigert sich der Instrumentalisierung, ganz gleich von welcher Seite.
Anrede
Der Tag des Sieges ist heute ein gesetzlicher Feiertag in Frankreich (Fête de la Victoire), Tschechien und der Slowakei, durch den Zeitunterschied am 9. Mai in Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Guernsey, Jersey, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, Russland (День Победы), Serbien und Belarus.
Die Ukraine gedenkt heute am 8. Mai der Kriegsopfer. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, spricht im Interview am 27. April 2025 von der notwendigen Befreiung der Ukraine, von Gräueltaten der Russen und schlussfolgert. „Die Ukraine hat so etwas schon einmal erlebt: während der Besetzung durch die Nazis vor 80 Jahren. Einige Bilder sind vergleichbar.“1
Erinnerungsbilder, weitergetragen durch Generationen. Wir sind nach 80 Jahren und weit darüber hinaus zu tiefem Dank an die Befreier verpflichtet. Gerade deshalb schmerzt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine so sehr: Weil Russen, deren Urgroßväter zu den Befreiern gehörten, in brutaler Weise ein Volk bombardieren, das selbst zu unseren Befreiern vom Nationalsozialismus zählte.
Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden. Damit Frieden und Freiheit möglich werden, der Aufbau einer stabilen demokratischen Ordnung, Freude über Befreiung, wieder singen und tanzen können, Musik erleben.
Vielen Dank.
1 Dann hört dieser Krieg auf. Interview von Tobias Schibilla und Patrick Diekmann, https://www.t-online.de/nachrichten/ukraine/id_100694388/merz-russland-putin-botschafter-der-ukraine-makeiev-im-interview.html, S.5
Eröffnungsrede der Präsidentin des Landtages Brandenburg zur Eröffnung der 25. intersonanzen am 8. Mai 2025, DAS MINSK, Kulturhaus
Liebe Frau Beigeordnete Brigitte Meier,
Frau Anna Schneider,
lieber Henry Mex,
liebe Nele Hertling
liebe Musiker, Musikerinnen und Gäste!
Gern eröffne ich mit Ihnen die 25. intersonanzen mit dem programmatischen Motto „transreal.“ Das Jubiläum markiert nicht nur ein Vierteljahrhundert lebendiger, kreativer und inspirierender Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik, sondern auch den festen Platz, den die intersonanzen in der Kultur unseres Landes gefunden haben.
In diesem besonderen Jubiläumsjahr werfen wir einen Blick auf die Geschichte und Entwicklung der intersonanzen. Die Präsentation einer Dokumentation über die 25-jährige Erfolgsgeschichte dieses Festivals bietet Gelegenheit, zurückzublicken, zu reflektieren und all jene zu würdigen, die mit ihrer Leidenschaft und ihrem Engagement dazu beigetragen haben, dass sich dieses Festival entwickeln konnte.
Der heutige Tag ist jedoch nicht nur ein Grund zur Feier Neuer Musik, sondern auch ein Tag des Erinnerns und der Mahnung, der 80. Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus.
Wenn heute außerhalb eines kleinen brandenburgischen Ortes eine Tankstelle gebaut werden soll, kann es sein, dass im Boden noch immer die sterblichen Überreste von Soldaten gefunden werden, heute noch. Die Versöhnung über Gräbern gehört zur europäischen Entwicklung, um Frieden zu schaffen.
Heute vor 80 Jahren war das Schreckensregime der Nationalsozialisten überwunden. Der Schrecken aber nicht - Tatsachen kamen ans Licht, Berichte über undenkbar Grausames, die Erinnerungen der Opfer, Anhörung der Täter, in der eigenen Familie, der eigenen Stadt. Söhne, Väter, kamen nicht zurück oder brachten ihr großes Schweigen mit. Dennoch: Nichts darf verschwiegen werden. Die Chronisten notieren alles.
Die Befreiung hatte gerade erst begonnen, die Befreiung in den Köpfen und Herzen stand noch aus - neuen Mut finden und Hoffnung, Leben in Freiheit. „Anmut sparet nicht noch Mühe“ heißt es bei Brecht und hätte deutsche Nationalhymne werden können 1949, auch 1989 - „dass die Völker nicht erbleichen wie vor einer Räuberin, sondern ihre Hände reichen uns wie andern Völkern hin.“ Ein guter Text.
Einer aktuellen Umfrage in der Zeitung „Die Zeit“ zufolge möchte mehr als die Hälfte der Deutschen mit der NS-Vergangenheit abschließen. Das geht nicht. 60 Millionen Tote. Unvorstellbare Zahlen für gewaltsam beendete Leben, jedes eine eigene Welt.
Beileid, Kränze, Kniefälle an Gedenkstätten gehören zu uns als Deutsche. Es ist unsere Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen, damit Wörter wie Schlachtfeld, Frontlinie, Rüstungsindustrie, Schutzbunker, Kriegsopfer aus unserem Vokabular verschwinden.
Der 8 Mai als Tag der Befreiung, Befreiung vom Bombengedröhn, von Zerstörung, Verlust und Angst um Familienmitglieder und Freunde. Nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa, auch in Afrika, auf Sizilien, in Japan – einen Weltkrieg hatten die Deutschen und ihre Verbündete in weit entfernte Länder gebracht. Noch 80 Jahre danach entstehen Bücher, Bilder, Filme und Musik, die sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Ursachen beschäftigen.
Wir bleiben als Deutsche immer anders.
Anrede
Zu allen Zeiten gab es Kompositionen zum Krieg und zum Frieden.
Haydns „Militärsinfonie“, die 100., mit Pauke, Triangel, Becken und Großer Trommel wie auf dem Schlachtfeld; »Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria« von Beethoven, Schostakowitschs „Leningrader.“ Daneben „Dona nobis pacem“ und „Verleih uns Frieden gnädiglich“, offenbar gab es gerade keinen. Die Liste ließe sich lang ergänzen, inkl. der vielen Auftragswerke zum Frieden aus DDR-Zeiten.
Helmut Zapf schreibt zu seinem Stück vrede, altgermanisch für Friede, 2023 komponiert und hier bei den intersonanzen aufgeführt:
„Frieden ist das Ergebnis einer Tugend: der Friedfertigkeit, und der damit verbundenen, oft schwierigen Bemühung, Prozesse und Entwicklungen gestalten zu wollen. Frieden ist das Zusammensetzen, Abwägen und Formen – ist Komponieren.“
Der Tag des Sieges ist heute ein gesetzlicher Feiertag in Frankreich, Tschechien und der Slowakei, durch den Zeitunterschied am 9. Mai in Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Guernsey, Jersey, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, Russland (russisch День Победы), Serbien und Belarus.
Auch die Ukraine gedenkt heute am 8. Mai der Kriegsopfer. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, spricht im Interview am 27. April 2025 von der notwendigen Befreiung der Ukraine, von Gräueltaten der Russen und schlussfolgert: „Die Ukraine hat so etwas schon einmal erlebt: während der Besetzung durch die Nazis vor 80 Jahren. Einige Bilder sind vergleichbar.“
Erinnerungsbilder, weitergetragen durch Generationen.
Wir wissen längst: Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden. Damit Frieden und Freiheit möglich werden, der Aufbau einer stabilen demokratischen Ordnung, Freude über Befreiung, wieder singen und tanzen können, Musik erleben.
Die intersonanzen erinnern mit der Aufführung in memoriam: Lied der Moorsoldaten, des Komponisten Hanning Schröder: an den 1987 verstorbenen Berliner Kollegen und zugleich an das Kriegsende. Mit Nele Hertling, der Tochter des Komponisten, führt Ralf Hoyer in der Pause ein Gespräch über diese und die spätere Zeit, worauf ich mich sehr freue.
Das diesjährige Thema „transreal“ lädt uns ein, über die Grenzen des Wirklichen nachzudenken, hinauszugehen, neue Perspektiven zu entdecken. Der Begriff wurde von Micha Cárdenas1 für das Virtuelle - das scheinbare, nicht reale - im Austausch mit dem Realen kreiert. In einer „gemischten Realität“ treten Nicht-reales und Reales wechselwirkend in Verbindung. Transreal und real stehen in Beziehung zueinander.
In der Naturwissenschaft, in der Welt der allerkleinsten Teilchen, existiert das Reale als von Wechselwirkungen unabhängige Größe nicht mehr. Ausgehend von dieser Erkenntnis argumentieren Wissenschaftler und Philosophen, dass wir in eine Ära eintreten, in der Wirklichkeit nicht mehr als eine feste, unabhängige Größe betrachtet wird, sondern als etwas, das durch Wechselwirkungen und Wahrscheinlichkeiten – also Unschärfe - bestimmt wird. Bereits Aristoteles unterschied zwischen dem, was etwas sein könnte und dem, was es tatsächlich ist. In diesem Übergang entsteht Kunst, die nicht nur ein Abbild wahrnehmbarer Wirklichkeit ist, sondern Wechselwirkungen sichtbar macht, auch Haltung zeigt.
Wir erleben in „transvisuellen“ Hörstücken die Verknüpfung unterschiedlicher Perspektiven aus Musik und Bildsprachen. Künstlerinnen und Künstler eröffnen uns heute und in den kommenden Tagen bis zum 18. Mai eine Welt der Erkenntnis jenseits des Realen.
Ich danke allen, die in 25 Jahren die „intersonanzen“ gestaltet haben, Michael Schenk, Thomas Gerwin und Henry Mex, allen Komponisten und Interpretinnen. Mögen die intersonanzen auch in den kommenden Jahren ein Ort der Begegnung, der Inspiration und des künstlerischen Austauschs bleiben. Gern auch als Ort der Auseinandersetzung mit Kunst und Gesellschaft, Musik und Politik.
Vielen Dank.
1 US-amerikanischer Performancekünstler und außerordentlicher Professor für Critical Race & Ethnic Studies
Eröffnung der Foyerausstellung „Uckermark Porträts“, 13. Mai 2025
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
ehr geehrter Herr Abgeordneter Kutsche,
Sehr geehrter Herr Riccius (Fotograf der Werke der Ausstellung),
Sehr geehrter Herr Teklu, (Initiator der Ausstellung und Herausgeber des Buches auf dem die Ausstellung basiert),
Sehr geehrte Frau Dr. Nooke (Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur),
liebe Gäste,
„Nicht jeder braucht eine Geschichte“ –
so heißt es in dem Buch „Vor dem Fest“ von Saša Stanišic.
Der Roman spielt in der Uckermark, in einem erfundenen Dorf namens Fürstenfelde. Das mit der Geschichte gilt auch für das Buch und seinen Autoren: Im Grunde passiert nicht viel vor dem Fest in Fürstenfelde – aber wie Stanisic die Menschen beschreibt, das ist einmalig: anrührend, manchmal komisch, sehr realistisch und mitfühlend. Er lässt die Leute sein, wie sie sind – das ist viel.
Ähnlich ist mein erster Eindruck von den Fotos unserer neuen Foyerausstellung, zu deren Eröffnung ich Sie alle herzlich begrüße – ganz besonders auch den Fotografen Christoph Riccius und Jonathan Teklu, der das Projekt initiiert hat. Er beschreibt das sehr schön im Vorwort zu dem Bildband „Uckermark Porträts“. Ich will dem nicht vorgreifen, er spricht gleich nach mir – aber der Weg zu diesem Buch klingt einfacher, als es vermutlich war, lieber Herr Teklu.
Das Ergebnis können wir heute und in den nächsten zwei Monaten im Landtag bewundern: Fotografien aus der Uckermark mit einer großen Kraft. Die wuchtige Weite der Landschaft, auch ihre Leere und Erhabenheit unter diesem hohen Himmel.
Vor allem zeigen die Bilder Menschen, von denen es ja in der Uckermark weniger gibt als in den meisten anderen Regionen Deutschlands – und auch sie sind sehr genau beobachtet und genau getroffen:
Zwei Verkäuferinnen vor dem Landmarkt;
ein älteres Ehepaar auf ihrem Bauernhof;
vier junge Japanerinnen, die erfolgreich ein Café betreiben;
und, natürlich, Künstlerinnen und Künstler, zugezogen aus der großen Stadt
((z.B. Donata und Wim Wenders, die Musikerin Gudrun Gut und Thomas Fehlmann, ein Musikproduzent))
Das ist ja eines der Klischees über die Uckermark: Dass sie aufgekauft würde von Berlinern, die dann nur am Wochenende hier Zeit verbrächten. So etwas mag vorkommen – aber viele der Zugezogenen kommen doch, um zu bleiben.
Und sie treffen in der Uckermark auf Menschen, die nach den ersten prüfenden, vielleicht etwas argwöhnischen Blicken offen sind für Neue und für Neues. Gerade dünner besiedelte Regionen brauchen das, den Zuzug und den unverstellten Blick.
Und die Uckermark konnte immer schon scheinbare Widersprüche aushalten und für sich nutzen.
Diese Vielfalt macht den Reiz und die Stärke der Uckermark aus; und in dieser Hinsicht steht sie für ganz Brandenburg. Bodenhaftung und Experimentierfreude müssen kein Gegensatz sein. Wir brauchen beides, um die gute Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte fortzuführen und Neues zu entdecken, zu entwickeln.
Weltoffenheit und Traditionsbewusstsein gehören zusammen. Die Bayern haben dafür vor längerer Zeit den eingängigen Spruch „Laptop und Lederhose“ erfunden – vielleicht gibt es ja für die Uckermark oder ganz Brandenburg in Zukunft auch so ein Leitmotiv, das Brücken schlägt und verbindet. Für den Zusammenhalt und für die gute Zukunft sind solche Brücken unverzichtbar.
Saša Stanišic übrigens, aus dessen Roman ich eingangs zitiert habe, wurde selbst in Bosnien geboren, noch vor dem Zerfall Jugoslawiens.
Erst mit 14 Jahren kam er nach Deutschland und lernte hier die deutsche Sprache – bewundernswert, wie er heute mit ihr umgeht.
Soviel nur zu dem, was der oft zitierte „Migrationshintergrund“ bedeuten kann, jenseits von Schlagzeilen und aktuellen Diskussionen.
Im Buch „Vor dem Fest“ gibt es eine Szene, die dieses Thema aufgreift und, wie ich finde, ebenfalls viel über die Uckermark sagt.
Da treffen zwei Einheimische vor der Bäckerei im Dorf auf einen Mann, den sie nicht kennen. Es kommt zu einem Gerangel, nicht weniger und nicht mehr.
Dann schreibt der Autor, stellvertretend für die Fürstenfelder:
„Fremde kommen selten zu uns. Selten bleiben sie.
Selten bleiben uns Fremde, die länger bei uns bleiben, fremd.“
Vier Jahre lang hat Stanišic in der Uckermark recherchiert, sich umgesehen und umgehört, mit den Menschen gesprochen. Jonathan Teklu und Christoph Riccius hatten nicht ganz so viel Zeit, aber auch ihre Bilder und Texte liefern uns präzise Porträts aus einem Landstrich, der es wert ist, in seiner Vielfalt wahr- und ernstgenommen zu werden.
Anrede,
Ich wünsche Ihnen offene Augen und Herzen beim Betrachten der Bilder, anregende Gespräche und einen gelungenen Abend hier im Landtag Brandenburg.
Vielen Dank!
Grußwort von Frau Präsidentin Prof. Dr. Liedtke anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi -, und Transphobie und 80 Jahre Kriegsende
Gedenkstunde Verfolgung von queeren Menschen in der NS-Zeit i. V. m. Hissen der Pride Flagge anlässlich des Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans*phobie (IDAHOBIT)
Sonnabend, 17. Mai 2025, 10:30 Uhr, Plenarsaal
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
lieber Björn Lüttmann,
lieber Ludwig Scheetz,
liebe Sina Schönbrunn,
lieber Sebastian Rüter,
liebe Elske Hildebrandt,
lieber Kurt Fischer,
lieber Dr. Jan Redmann,
sehr geehrte Frau Dr. Eschebach,
sehr geehrte Petra Goldkuhle,
sehr geehrter Stephan Szász.
lieber Uwe Fröhlich,
liebe Familie Kohn und vor allem
liebe Gäste,
vielen Dank, Georgette Dee und Tobias Bartholmeß für die wunderbare musikalische Einleitung unserer heutigen Gedenkstunde für die queeren Opfer des Nationalsozialismus, die wir anlässlich des Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie begehen. 80 Jahre Kriegsende nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
"Von der Freundlichkeit der Welt" lautet das Musikstück, das wir gehört haben. Mit dem Text von Berthold Brecht und der Musik von Hans Eisler.
Schon der erst Satz ist schroff: „Auf die Erde voller kaltem Wind, kamt ihr alle als ein nacktes Kind.“ Und es geht immer so weiter: „Keiner schrie euch, ihr wart nicht begehrt.“
Der Text des Gedichtes von 1927 passt überhaupt nicht zu dem Titel "Von der Freundlichkeit der Welt".
Wenn nicht der letzte Satz wäre:
„Fast ein jeder hat die Welt geliebt, wenn man ihm zwei Hände Erde gibt.“
Liebe in der Rückschau auf Leben.
Wenn wir die Möglichkeit erhalten, zu gestalten, dann lieben wir diese Welt.
Wenn wir die Möglichkeit erhalten, so zu sein, wie wir sind, dann lieben wir diese Welt.
Und darum geht es. Um die Möglichkeit anders zu sein.
Wir gedenken heute derjenigen Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität, durch Denunziation verfolgt, gefoltert und ermordet wurden.
Menschen, die nicht lieben konnten, wen sie lieben wollten.
An ihre Schicksale und ihre Geschichten erinnern wir nach gut 80 Jahren.
Der 8. Mai hat uns befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, unsere Großeltern und Eltern, die Nachgeborenen. Vor 80 Jahren war das Schreckensregime überwunden. Der Schrecken aber nicht. Tatsachen kamen ans Licht, Berichte über Gräueltaten von Tätern und das Leid von Opfern.
Wer nicht zum nationalsozialistischen Menschenbild passte, galt als entartet, aus der Art geschlagen. Einzig und allein wegen der eigenen Identität und Liebe.
Wer nicht den nationalsozialistischen Vorstellungen vom Deutschen entsprach, lebte unter Angst und Misstrauen, wurde stigmatisiert, entrechtet. Der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches stellte seit der Zeit des Kaiserreiches sexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe und führte zu Gefängnisstrafen.
Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde dieser Pragraph noch drastischer verschärft: Selbst Küsse, Berührungen oder Blicke konnten strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Von der Ausrottung der Homosexualität im deutschen Volk sprachen die Nationalsozialisten, ein Erlass zur Todesstrafe konnte „entartetes“ Verhalten richten.
Zehntausende Männer wurden der Homosexualität beschuldigt, was allein oft ausreichte, um gesellschaftliche Existenz zu zerstören. Mehr als die Hälfte von ihnen wurde verurteilt – meist zu langen Haftstrafen und Zwangsarbeit. Manche wurden zur Sterilisation gezwungen, auch in den Suizid getrieben.
Der Paragraph 175 galt nur für Männer. Aber auch lesbische Frauen waren vor Verfolgung nicht sicher. Da es keine spezifischen Gesetze oder Vorschriften gab, erlebten lesbische Frauen die Zeit des Nationalsozialismus unterschiedlich. „Rassische Identität“, politische Haltung, gesellschaftliche Stellung, geltenden Geschlechternormen. Die Einstufungen als politische Häftlinge oder Asoziale brauchten keine weitere Begründung, die jüdische Herkunft auch nicht - das Willkürregime fand Verfolgungsgründe.
Im Konzentrationslager standen Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität deportiert worden waren, auf einer der untersten Stufen der sogenannten Lagerhierarchie und waren der allgegenwärtigen Gewalt ungeschützt ausgesetzt.
Im Juni 1942 verlegte die SS zahlreiche homosexuelle Häftlinge aus dem Hauptlager Sachsenhausen in das nahe gelegene Außenlager Klinkerwerk. Damit begann eine gezielte Mordaktion, die mehrere Monate andauerte. Allein zwischen Juni und September 1942 kamen mehr als 100 Häftlinge mit dem Rosa Winkel im Klinkerwerk auf unterschiedliche Weise ums Leben. Infolge von Misshandlungen, bei inszenierten Unfällen oder durch Erschießungen bei angeblichen Fluchtversuchen.
Am 22. und 23. April befreiten sowjetische und polnische Truppen das Hauptlager.
Lesbische Frauen wurden im Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert, gefoltert, missbraucht und ermordet. Am 30. April 2025 jährte sich die Befreiung der Frauen zum 80. Mal. Seit 2023, erst seit 2023, wird dort auch offiziell an die lesbischen Opfer in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück gedacht.
Es gab nach dem Krieg gute Gründe für einen Neuanfang im Umgang mit Geschlecht und sexueller Identität. Laut neuem DDR-Strafgesetzbuch 1968, in dem der Paragraph 175 durch 151 ersetzt wurde, war Homosexualität zwischen Erwachsenen nicht mehr straffbar. Das war fortschrittlicher als im Westen. Wäre da nicht die Staatssicherheit gewesen, die alles misstrauisch überwachte, was nicht der offiziellen Parteilinie entsprach. Den Paragraphen 151 strich die DDR dann erst im Juni 1989, im Zuge der Rechtsangleichung nach der Wiedervereinigung wurde der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches vollständig abgeschafft. Damit entfiel 1994 in ganz Deutschland die gesetzliche Grundlage für die Kriminalisierung und legitimierte Verfolgung von schwulen und bisexuellen Männern, die über 123 Jahre Bestand hatte. Irgendwie kann ich mir das heute gar nicht mehr vorstellen.
So sehr es erstaunen mag, die Aufarbeitung hat erst begonnen. Es geht um die Stellung und die Rechte von Schwulen, Lesben und der gesamten queeren Community. Erinnerung bedeutet mehr als nur ein Blick in die Vergangenheit. Sie mahnt, Verantwortung zu übernehmen für erfolgtes Unrecht.
Die Rechte queerer Menschen sind keineswegs nur eine Ableitung aus heteronormativen Strukturen. Sie sind untrennbar mit den universellen Menschenrechten verbunden.
Die Brandenburger Verfassung bekennt sich zu diesen Menschenrechten. Unsere Landesverfassung betont ausdrücklich, dass kein Mensch diskriminiert werden darf, auch nicht wegen seines Geschlechts oder seiner sexuellen Identität. Dieses Gebot verpflichtet alle – auch den Landtag und seine Abgeordneten, unabhängig von politischen Positionen.
Die Geschichte der „Rosa Winkel“-Träger mahnt uns, wachsam zu sein gegenüber jeder Form von Diskriminierung.
Homosexualität wird heute in 69 Staaten strafrechtlich verfolgt. In sechs Ländern (Iran, Saudi-Arabien, Jemen, Mauretanien, Nigeria, Brunei) droht Lesben und Schwulen sogar die Todesstrafe. In weiteren fünf Staaten (Afghanistan, Pakistan, Somalia, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate) kann die Todesstrafe unter gewissen Voraussetzungen verhängt werden. Vielerorts sind staatliche Behörden an der Unterdrückung queerer Menschen beteiligt, verweigern ihnen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt.
Das Hissen der Pride-Flagge heute ist mehr als ein Symbol. Es ist eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung, sich gegen Intoleranz zu stellen, für Gleichberechtigung einzutreten und eine Gesellschaft zu fördern, in der alle Menschen frei und ohne Angst leben können.
Brandenburg trägt diese Verantwortung mit. Wir stehen für eine Demokratie, die Vielfalt schützt und in der Respekt und Akzeptanz nicht verhandelbar sind. Lassen Sie uns heute und jeden Tag daran arbeiten, dass die Fehler der Vergangenheit niemals wiederholt werden, das Vorurteile verschwinden, Angst und Scham grundlos sind.
Für alle Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität verfolgt wurden und werden.
Damit wir die Welt und das Leben lieben können.
Vielen Dank!
60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke, 20.5.2025, Plenarsaal
Exzellenz, lieber Botschafter Ron Prozor,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Dietmar Woidke,
sehr geehrte Abgeordnete und Mitglieder der brandenburgischen Landesregierung!
Liebe Mitglieder des Freundeskreises Israel des Landtages Brandenburg!
Sehr geehrter Beauftragter zur Bekämpfung des Antisemitismus im Land Brandenburg, Andreas Büttner!
Sehr herzlich begrüße ich unter uns die Vertreterinnen und Vertreter von Religionsvereinigungen und Kirchen, der Kommunen, der Universitäten,
von zivilgesellschaftlichen Verbänden, Vereinigungen und der Bundeswehr
sowie die Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg mit seinem Vorsitzenden Jochen Feilcke!
Liebe Barbara Richstein - vielen Dank, dass Sie die heutige Gesprächsrunde moderieren werden -.
liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger,
liebe Gäste!
Den Staat Israel gibt es, weil unsere Großväter und Urgroßväter die Täter im Holocaust waren. Israel hat uns die Hand gereicht, nach dem Mord an den europäischen Juden. Nach dem, „was nie hätte passieren dürfen“, wie die Jüdin Hannah Arendt versuchte, das Entsetzen in Worte zu fassen. Nach den unvorstellbaren Verbrechen geschah das absolut Unwahrscheinliche. Das Unmögliche wurde Wirklichkeit: Das, woran nach dem Ende des Schreckens fast niemand geglaubt hätte. Versöhnung.
Die Überlebenden haben den Tätern die Hand gereicht.
Das ist das Wunder, das uns in Deutschland und auch in Brandenburg mit Dankbarkeit, Demut und auch Zukunftsfreude erfüllt.
Der erste Schritt war das Luxemburger Abkommen 1958 zur Wiedergutmachung – was für ein Begriff: Als wenn es da etwas gäbe, das man „wiedergutmachen“ könnte.
Das Vertrauen zwischen dem großen Humanisten Ben Gurion und dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer ermöglichte diesen Schritt.
Dann bauten Wissenschaftler, Gewerkschaftler, Schüler, Studierende die Brücken der Verständigung. Am 12. Mai 1965 reichten sich Bundeskanzler Erhard und Israels Ministerpräsident Eschkol die Hand zur Versöhnung. Die Bundesrepublik Deutschland und Israel, beide junge Staaten auf dem Weg zu Demokratie, nahmen diplomatische Beziehungen auf. Zwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein entscheidender Schritt. Eine tiefe Freundschaft und Verbundenheit mit Israel ist seither gewachsen, kontinuierlich im Westen Deutschlands, im Schatten ideologischer Einflussnahme in der DDR und umso selbstverständlicher nach der deutschen Einheit. Das macht uns dankbar und froh.
Exzellenz, sehr geehrter Herr Botschafter, lieber Ron Prosor, gern erinnere ich mich an Ihren Besuch anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung Israels und an Ihre wunderbare Rede im Plenarsaal des Landtags. Von der Schönheit Israels haben Sie uns erzählt, von der starken jungen Demokratie, von Innovationen in Wissenschaft und Wirtschaft, von Kultur, Weltoffenheit, und Aufbruchsstimmung. Sie haben uns ermutigt, Ihr Land kennenzulernen, neugierig und mit offenem Herzen. Eine Reise der Landesregierung mit der Vorsitzenden des Europa-Ausschusses und mir war geplant, Schülerinnen und Schüler wollten Israel besuchen, die Bildungsstätte Gollwitz bei Brandenburg an der Havel hatte viel vor. Niemand hier im Saal, niemand in unserem Land hätte damals an einen nahen Krieg gedacht.
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 war alles anders.
Die Fernsehbilder bleiben im Gedächtnis. Babys brutal ermordet, Kinder auf der Straße erschossen, ganze Familien verschleppt. Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser von Raketen zerstört. Leid und Tränen. Ein Musikfest war das Ziel des Angriffs, wie menschenverachtend ist das denn. Musik machen, Musik hören, Musik erleben, Musik gestalten, Musik vertanzen – was gibt es Friedliebenderes!
Voller Hass war ein gefährlicher Konflikt wieder aufgebrochen. Vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte – ganz besonders auf dem Boden Brandenburgs – bangen wir seither um die Menschen in Israel. Krieg in Gaza. Aus dem Libanon und dem Iran bedrohen Raketen friedliches Leben. Israelische Soldaten sterben. Zivilisten befinden sich zur falschen Zeit am falschen Ort und werden in den Tod gerissen. Noch immer sind nicht alle Geiseln frei. Tote dürfen nicht begraben werden.
Vor einer Woche kam der 21jährige Edan Alexander frei, nach 584 Tagen Geiselhaft, seit Februar der Erste. Er hatte in der Armee gedient und war während des Terrorangriffs der Hamas - wie 250 andere - verschleppt worden. Geiselnahme als Mittel zum Krieg.
Sorgen begleiten unsere Freude über die Verbundenheit und Freundschaft mit Israel. Mit Anteilnahme, Empathie und großem Respekt sehen die Menschen in Brandenburg auf Israel in dieser schweren Zeit.
Denn wir fühlen die tiefe Verantwortung aus unserer Geschichte bis in die Familien hinein. Diese Verantwortung ist unbequem und verlangt Aufrichtigkeit. Wir teilen doch gemeinsame Werte in Brandenburg und Israel.
In meine verantwortliche Lebenszeit fallen Kriege - Irak, Jugoslawien, Ukraine und Israel, derzeit über 90 kriegerische Auseinandersetzungen in der Welt. Zivile Opfer, Familien, Menschen unterschiedlichsten Alters. Meine Kinder werden fragen
Was hats du getan, um Leid zu verhindern? Du warst doch in Leipzig auf der Straße für Schwerter zu Pflugscharen. Du bist doch so stolz auf die Friedliche Revolution der Ostdeutschen. Und sie werden mir nicht abnehmen, dass es noch viel schwierigere und lebensgefährlichere politische Auseinandersetzungen gab, in denen ich mich hilflos fühlte. Hilflosigkeit ist nicht akzeptabel in der Politik.
Der noch so kleine Spalt in einer zu öffnenden Tür zur Freiheit, zu Frieden und Menschlichkeit muss genutzt werden.
In dem Artikel „Gemeinsame Verantwortung“ in der aktuellen Zeitung „Politik und Kultur“ schreibt Ron Prosor von einem Scheideweg, an dem wir stehen. Zitat „Eine Plattform erhält nur noch, wer bereit ist, sich von Israel zu distanzieren.“ Ja, die Kultur- und Wissenschaftsszene hat zu lange geschwiegen nach dem Terrorangriff der Hamas, das Sprachrohr der Demokratie war nicht da. Dafür gibt es weder Verständnis noch Erklärung. Wegschauen ist keine Konfliktlösung.
Jetzt zeigen jeden Abend vertrauenswürdige Medien die Bilder vom Krieg, von Raketen auf Israel und Hunger in Gaza. Dieser Krieg entspricht nicht unserem humanitären Verständnis, nicht meinem christlichen Wunsch vom täglichen Brot für alle Menschen, nicht der Bedeutung von Brot aus der Antike bis in die große jüdische Geschichte, im Islam ist das Brot heilig, man darf es nicht einmal fallenlassen.
Bundespräsident Steinmeier erinnerte in seiner Rede zum Jubiläum 60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel an den großen Jitzchak Rabin, der vor 30 Jahren ermordet wurde. Rabin hatte den Leitsatz, den Terror bekämpfen und gleichzeitig den Frieden suchen. Ohne diese Suche nach Frieden bleiben Krieg und Besatzung ein endloses Leiden – eine Überzeugung, die auch drei Jahrzehnte nach seinem Tod nichts an ihrer Wahrheit verloren hat.
Unsere deutsch-israelische Geschichte zeigt, dass selbst aus den tiefsten Abgründen Frieden und Versöhnung erwachsen können. Es braucht politischen Mut und das entschlossene Handeln vieler. Das deutsch-israelische Wunder beweist: Frieden ist möglich, Versöhnung ist möglich.
Unsere Freundschaft mit Israel ist lebendig und vielfältig. Wir wollen die Beziehungen zwischen Brandenburg und Israel weiter vertiefen, das Verständnis und das friedliche Zusammenleben der Menschen fördern. In diesem Sinne hat das brandenburgische Parlament am 5. Juli 2022 eine Verfassungsänderung vorgenommen: Der aktuelle Artikel 7a der Landesverfassung hat zwei Absätze und lautet:
(1) Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt Antisemitismus, Antiziganismus sowie der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.
Und
(2) Das Land fördert das jüdische Leben und die jüdische Kultur.“
Es liegt uns am Herzen, jüdisches Leben, jüdische Religion und Kultur in Brandenburg zu fördern, zu schützen und sichtbar zu machen. Wir wollen die Erinnerung an früheres jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg wachhalten, die historischen Orte in Ehren halten und pflegen sowie die Arbeit der Gedenkstätten im Land unterstützen. Und – um es ganz deutlich zu sagen: Eine Demonstration vor Synagogen als Protest gegen die Politik Israels ist widersinnig. Kritik ist in einem meinungsfreien Land immer möglich, auch Kritik an Freunden. Gerade weil wir miteinander verbunden sind. Aber in Brandenburg darf jüdisches Leben nicht gefährdet werden. Es genügt nicht zu sagen, dass wir Antisemitismus nicht dulden und wirksam bekämpfen müssen. Weil das unsere Pflicht ist. Wir müssen uns fragen, warum uns das bisher nicht gelungen ist.
Unser parlamentarischer Freundeskreis, unsere jüdischen Gemeinden in Brandenburg, die Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit, das Moses-Mendelssohn-Zentrum, das Abraham Geiger Kolleg, die Begegnungsstätte Schloss Gollwitz und viele Menschen im Land halten unsere Freundschaft zu Israel lebendig.
Lassen Sie uns zuversichtlich sein. Wenn das Wunder der Versöhnung möglich geworden ist, dann wird auch Frieden möglich sein.
Vielen herzlichen Dank!