Reden und Grußworte aus 2025
Eröffnung der Foyerausstellung „Wer ein Leben rettet… Lebensgeschichten von Kindern des Verlorenen Transports‘“, 14.01.25 Eingangsbereich
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrte Frau Ministerin Schneider,
sehr geehrter Herr Minister Tabbert,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete Lüttmann, Peschel, Wolff, Penquitt, Hildebrandt und Adler,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Morsch, Projektleiter der Ausstellung (Freundeskreis Technisches Denkmal Brikettfabrik LOUISE Domsdorf e.V.),
sehr geehrter Herr Dr. Fischer, (Initiator der Ausstellung und ehemals Referent des Zentralrats der Juden in Deutschland),
sehr geehrte Frau Dr. Buser, (Kuratorin der Ausstellung),
sehr geehrter Herr Irmer, (Kurator der Ausstellung),
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Drecoll, (Direktor Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten),
sehr geehrte Mitglieder der Gesellschaft für Christliche Jüdische Zusammenarbeit,
liebe Gäste,
zur ersten Ausstellungseröffnung im neuen Jahr begrüße ich Sie sehr herzlich im Landtag – und wünsche Ihnen für dieses eben begonnene Jahr 2025 alles Gute, Gesundheit und Kraft und inneren wie äußeren Frieden.
Weihnachten liegt noch nicht lange zurück, die Geburt eines jüdischen Kindes jüdischer Eltern haben wir gefeiert. Eine der Antworten auf die Frage:
Wo kommen wir denn her?
Der französische Dichter Eugene Guillevic fragt noch weiter:
„Wo kommen wir denn her, solche Gesichter zu tragen, dass es wehtut dem Tag.“
Wir müssen uns unserer Geschichte stellen, unserer eigenen Vergangenheit, es tut weh, die Lebensgeschichten jüdischer Kinder und Jugendlicher nachzuvollziehen.
Diese Sicht auf Geschichte, auf ihre Bedeutung für Gegenwart und Zukunft ist notwendig und aktuell, denn jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger sehen sich ausgegrenzt, beschimpft, bedroht, attackiert. Im 21. Jahrhundert, hier bei uns, in Deutschland, in Brandenburg.
Das ist und bleibt inakzeptabel. Wer unsere jüdischen Mitmenschen angreift, der greift die gesamte Gesellschaft an, unser Lebensmodell von Miteinander und Zusammenhalt, unsere geistige Herkunft.
Wir müssen und wir werden dagegen vorgehen – weil es in unserem ureigenen Interesse liegt, Minderheiten zu schützen.
Hetze, Hass und Gewalt dürfen keinen Nährboden finden, nicht hier bei uns und auch nicht anderswo in der Welt.
Anrede,
die Erinnerung kann uns helfen, diese klaren, unverhandelbaren Grundsätze nicht aus dem Auge zu verlieren.
Der „Verlorene Transport“, dem die Ausstellung gewidmet ist, gehört zu den unvorstellbar grausamen, selten erzählten und deshalb wenig bekannten Ereignissen zur Zeit von Nationalsozialismus, Weltkrieg und Holocaust.
In den letzten Kriegsmonaten lösten die Nazis angesichts der heranrückenden Alliierten nach und nach die Konzentrationslager auf. Sie ließen die Gefangenen aber nicht frei, sondern zwangen sie gewaltsam auf absurde Todesmärsche und -transporte.
Drei dieser Transporte sollten vom Lager Bergen-Belsen in Niedersachsen in das Lager Theresienstadt bei Prag führen, mit einigen tausend jüdischen Häftlingen. Ein Zug erreichte das Ziel, einer wurde von US-Truppen befreit. Der dritte aber irrte gen Osten, von Niedersachen über Schleswig-Holstein nach Mecklenburg, quer durch Brandenburg und Berlin hindurch Richtung Lausitz.
Zwei Wochen lang blieb der Zug mit mehr als 2.500 Jüdinnen und Juden verschollen – daher rührt der Name „Verlorener Transport“. Unter den Insassen der 24 Waggons waren 500 Kinder und Jugendliche; sie litten wie die Erwachsenen unter Hunger, Krankheiten, unter der Brutalität der Aufseher.
Der Tod war Alltag, auch für die Kinder. Ein damals Elfjähriger, Moshe Nordheim, erinnerte sich später, ich zitiere: „Ich war Experte, ob jemand schon tot ist oder nicht. Schrecklich – das war ein Spiel mit den Toten.“ Unvorstellbar. Und doch war es real.
Die Biografien der Überlebenden, ihre Zeichnungen und Fotos, ihre Berichte und Zitate erschüttern, weil sie eben nicht nur eine Geschichtserzählung sind. Sie sind real.
Befreit wurden die Häftlinge des „Verlorenen Transportes“ in Tröbitz, einem Bergarbeiterdorf in der Lausitz, wo noch Typhus und Entkräftung zu überstehen waren. Die meisten überlebten. Und das wiederrum gibt Hoffnung und Mut – denn diese jungen Menschen haben das Grauen der Shoah und die Wirren des Krieges überlebt, obwohl sie eigentlich keine Chance hatten.
In der Ausstellung kommen auch ihre Nachfahren zu Wort, zu deren Leben die Spuren des erfahrenen Leides der Eltern gehören, aber auch Lebenswille, Familiensinn, Zusammenhalt – stärker als alle Ideologie.
Im Talmud steht sinngemäß: „Wer ein Menschenleben auslöscht, dem wird es angerechnet, als hätte er die ganze Welt zerstört.“ Aber auch dies: „Wer ein Leben rettet, der ist, als hätte er die ganze Welt gerettet.“
Das ist eine treffende Orientierung zur Ausstellung. Ich danke allen daran Beteiligten: zuvörderst dem „Freundeskreis Technisches Denkmal Brikettfabrik LOUISE“, den Förderern von Land, Bund und Sparkasse, den Gedenkstättenstiftungen in Niedersachsen und Brandenburg sowie der Gemeinde Tröbitz.
Und ich danke den Musikern Georg Streuber und Markus Syperek – nicht zuletzt dafür, dass sie mit ihrem Vortrag heute an Hans Krieg erinnern.
Der Dirigent und Komponist war im „Verlorenen Transport“, auch er überlebte, und er war und ist ebenfalls viel zu wenig bekannt.
Dass seine Lieder hier erklingen, holt Hans Krieg aus der Vergessenheit. Wenn unsere Geschichte, wenn unsere Gesichter wehtun dem Tag, müssen wir etwas an uns verändern. Diese Ausstellung ist ein Beitrag dazu.
Ich wünsche ihr zahlreiche interessierte Besucherinnen und Besucher, junge wie ältere, von nah und fern.
Vielen Dank!