Reden und Grußworte aus 2022
- Es gilt das gesprochene Wort-
Fall der Berliner Mauer, Gedenkveranstaltung im ehemaligen Militärgefängnis Schwedt, 9. November 2022
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Wer aus dem Militärgefängnis Schwedt zurückkam blieb stumm.
Wer von dort zurückkam hatte körperlich gelitten. Das sah man.
Wer aus Schwedt zurückkam war anders geworden, schwer einschätzbar, kaum einzugliedern, weniger sozial.
Menschen können zerbrechen, keine Meinung abgeben oder keine mehr haben wollen.
Ein dunkler Fleck in der DDR-Geschichte. Disziplinierungsmaßnahmen wegen staatsbürgerlicher Hetze, Staatsverleumdung, Befehlsverweigerung, Widerstand gegen Vorgesetzte, Fahnenflucht – ein blöder politischer Witz unter Alkohol reichte aus. Wer die Klappe gar nicht halten konnte, fiel unter den sogenannten „Meckerparagraphen,“ kam in die Isolierhaftzelle, Mumpe genannt, etwa 1.50 mal 1.50 m. Hinter Stacheldraht, dann Hundestaffel, wieder Stacheldraht, die Schleuse mit zwei elektrischen Türen. Nicht alle waren schuldlos, es war kein nur politisches Gefängnis.
Staatskritische Äußerungen konnten zu einem Jahr und 3 Monaten führen, allein die Fluchtskizze reichte als Haftgrund aus. Die Zeit musste zusätzlich zum regulären Militärdienst nachgedient werden. Zwischen 3 und 4 Uhr Aufstehen, Arbeiten im Tiefbau, an Fahrzeugaufbauten für die NVA oder Kabellampen montieren, deren Schnüre in die Finger einschneiden konnten, was irgendwann vernarbte. Die Lampen wurden gegen Devisen in den Westen verkauft. Drill 4-22 Uhr, verlorenes Leben.
Als ich vor 8 Jahren das Thema Militärgefängnis Schwedt im Kulturausschuss des Landtages aufgriff, begegnete mir Unverständnis. Das Erinnerungskonzept des Landes Brandenburg war gerade verabschiedet worden. Schwedt war nicht drin. Schwedt interessierte auch nicht.
Unter der Adresse Breite Straße 31-33 findet sich jetzt eine Gesellschaft für Abriss und Recycling, der Schützenverein, ein Obdachlosenasyl. Geflüchtete wurden hier untergebracht, Platz für eine Photovoltaikanlage wurde gebraucht. Die Mitarbeiterinnen des Stadtmuseums retteten alte Akten, der letzte Wachturm ist auch weg.
2013 gründete sich der Verein „DDR Militärgefängnis Schwedt e.V.
So spät erst. Nachgucken, was noch da ist. Erinnern funktioniert eben nicht nach einem Konzept, pragmatisch, terminiert. Am 12. September 2016 wurden die Informationstafeln am historischen Ort enthüllt.
Meine Schulfreundin erzählte mir, dass ihr Mann in Schwedt war und sie hatte es nicht gewusst. Nach 30 Jahren Ehe, zwei erwachsenen Söhnen, verloren gegangenem Vertrauen in politisches Handeln. Die Angst, irgendwie wieder in die Fänge der Staatssicherheit zu geraten saß sehr, sehr tief. Thomas Welz berichtete, Detlef Fahle kam in den Kulturausschuss, letzten Sommer bot er von März bis Oktober an jedem letzten Sonntag öffentlich Führungen auf dem Gelände an. Das Interesse ist da. Ich danke Dr. Maria Nooke ganz herzlich, dass sie sich für heute dieser schwierigen Thematik annimmt, ich danke dem Ministerpräsidenten für sein Kommen.
Mich beschäftigt dieses Schweigen, diese Angst davor, nach Schwedt zu müssen. Jeder in der DDR wusste, was das bedeutet. Den „Staatsbürger in Uniform“ gab es nicht. Ein Soldat konnte nicht nach seinem Gewissen handeln. Recht und Gesetz galten nicht für alle gleichermaßen, Entscheidungen waren nicht vor unabhängigen Gerichten anfechtbar. Die DDR war kein Rechtsstaat und Meinungsfreiheit gab es nicht. Militärgerichte verurteilten NVA-Angehörige wegen Straftaten bis zu 2 Jahren Freiheitsentzug , zu Strafarrest bis drei Monate, ab 1977 bis sechs Monate, ab 1982 zum „Dienst in der Disziplinareinheit“, diese Disziplinarstrafe konnte willkürlich und regional ganz unterschiedlich von Kommandeuren verhängt werden, ohne rechtsförmliches Verfahren. Das war das Schlimmste. Wer als Kommandeur zu wenig Autorität hatte, angeben oder jemanden loswerden wollte, konnte von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Da kommt die Drohung her „Gehorchen, oder ab nach Schwedt.“ Die Wissenschaftler werden herausfinden, wer und wo dieser Missbrauch besonders häufig stattfand, die Betroffenen bleiben gezeichnet. Viele von ihnen fanden den Weg in ein geordnetes privates und berufliches Leben nur schwer oder gar nicht.
Wir begehen heute den Tag des Mauerfalls am 9. November 89. Schwedt verließ der letzte Militärgefangene erst am 26. April 1990. Was mögen sie gedacht und gefühlt haben, diese Letzten der täglich rund 200 bis 300 Inhaftierten, die ein halbes Jahr lang nahezu vergessen wurden.
„Die friedliche Revolution von 1989, die zum Fall der Mauer führte, ist ein Meilenstein in der deutschen Demokratiegeschichte. Die Menschen in der DDR befreiten sich selbst von einem Unrechtsregime, das Andersdenkende drangsalierte und schikanierte. Ein Ort dieses Unrechts war das Militärgefängnis in Schwedt. Hier wurden tausende junge Männer für ihre politische Überzeugung oder für geringfügige Vergehen schwer bestraft. Auch diesen Teil der DDR-Geschichte müssen wir aufarbeiten und uns erinnern – um den Rechtsstaat zu schätzen und zu schützen. Die Opfer verdienen unsere volle Unterstützung.“
Wir haben uns die Meinungsfreiheit schwer errungen. Dazu gehört auch, andere Meinungen aushalten zu können, offen zu streiten und bewusst unterschiedliche Positionen einzunehmen, um Lösungsansätze zu finden. Die Menschen im Osten verfügen über ein Frühwarnsystem vor Ideologien und Propaganda, vor alternativloser Erklärung, Bevormundung und Besserwisserei.
Über politische Entscheidungen darf, ja muss diskutiert werden; das tun wir im Landtag, das tut der Bundestag, in den Gemeinden wird heftig gestritten, nicht zuletzt in den Familien und Freundeskreisen.
Warum wird mehr demonstriert im Osten und wer demonstriert?
Muss aktuell pragmatischer gedacht werden, mehr Strategie und weniger Ideologie?
Wie lässt sich Vertrauen in die öffentlichen-rechtlichen Medien wieder herstellen?
Welche Ursachen hat es, dass die Menschen im Osten keine verordnete Zeitenwende wollen, sondern Verhandlungen?
Brecht schrieb: „Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft.“
Zum Feiern des Mauerfalls und der Meinungsfreiheit gehört Respekt gegenüber anderen Meinungen und zuhören können. Nicht stumm bleiben, uninteressiert, meinungslos.
Lassen Sie uns am Beispiel menschenverachtender Diktatur-Auswüchse wie im Militärgefängnis in Schwedt lernen für unsere lebendige Demokratie.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Mitgliederversammlung Städte- u. Gemeindebund Bbg, 19.10.22 Elsterwerda
„Zusammen durch schwierige Zeiten“
Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Liebe kommunale Familie,
kaum eine Versammlung wirkt so wenig homogen wie diese, weil jeder von Ihnen ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin ist, gewählt vor Ort, mit hohem Verantwortungsbewusstsein im Amt, eine Respektperson, ich stelle Sie mir in 300 Jahren gemalt an den Wänden Ihrer Rathäuser vor… Meine Damen und Herren Bürgermeister, ich empfinde die allergrößte Hochachtung vor Ihrer Arbeit!
Lieber Oliver Hermann, der Sie die vielen Individualisten zusammenhalten, lieber Herr Graf, liebe Frau Bürgermeisterin Anja Heinrich - Sie fehlen im Landtag Brandenburg, aber ich fürchte, die Bürgerinnen und Bürger von Elsterwerda werden Sie nicht so einfach wieder hergeben -
lieber Ministerpräsident Dietmar Woidke, liebe Abgeordnete!
Vielen Dank für die Einladung und für die Gelegenheit, heute zu Ihnen zu sprechen.
Zusammen in schwierigen Zeiten.
Zusammen in der Familie, in Städten und Gemeinden, in Vereinen und Verbänden.
Familien sollen entlastet werden, die Städte und Gemeinden auch. Wenn ich alles zusammenrechne, die drei Entlastungspakete des Bundes, die des Landes, alle Bremsen und Deckel und Stützen, komme ich gut und gerne auf 200 Milliarden Euro, eine 2 mit 11 Nullen. Ich kann mir diese Summe nicht mehr wirklich vorstellen. Ebenso hoch ist das Sondervermögen für die Bundeswehr. Kein anderes europäisches Land ist in der Lage, eine solche Summe in Aussicht zu stellen. Vielleicht machen es die Anderen nicht nur anders, sondern auch besser, dennoch: den starken Abwehrschirm gibt es für uns. Und schon stört mich der militärische Begriff der Abwehr. Entlastung ist besser. Ent-lastung, weil es Be-lastungen gibt.
Die Krux ist nur: Von den Belastungen wird täglich gesprochen, wir glauben sie zu kennen, aber die Ent-lastungen sind noch nicht da. Das bereitgestellte Geld muss gerecht verteilt werden. Ein kluger logistischer Plan und ein riesiger Verwaltungsapparat müssen schnell und flexibel arbeiten. Sie stehen in den Startlöchern, danke dafür!
Weltpolitisch sind wir uns doch einig – Corona wirkt nach und ist noch nicht vorbei, die tägliche Kriegsberichterstattung aus der Ukraine bedrückt immer mehr, Energiekrise und Preissteigerungen kommen, geflüchteten Menschen wollen wir helfen, auch wenn es immer mehr und werden. Es wird schwieriger. Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden. Viele von uns haben Bertolt Brecht gelesen: „Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft.“
Das ist die Beschreibung der Lage, wie wir sie alle kennen und zu spüren bekommen. In der Interpretation dieser Lage und in der Prognose, was noch kommen mag, mehren sich dagegen die Unterschiede:
Von einem „Wut-Winter“ ist die Rede, sogar von „Volksaufständen“. In solchen Prophezeiungen schwingt häufig auch Fatalismus mit, vielleicht unbewusst und ungewollt.
Auf der anderen Seite versuchen zahlreiche Verantwortliche in Politik und Gesellschaft, Lösungen der Probleme zu finden, Politiker, Bürgermeister, Landräte, auch Sie.
Unser Land steht nicht auf der Zerreißprobe.
Den Demonstranten müssen wir zuhören, viele sind besorgt, nicht rechts. Weil eben das Verhältnis von Belastungen und Entlastungen noch unklar ist.
Die Demonstrationen sind legitim. Wir müssen sie aushalten, Demokratie kann das, sie werden abebben. Wir haben sehr gerungen um diesen freiheitlichen Rechtsstaat und werden in der Krise einen klaren Kopf bewahren.
Über politische Entscheidungen darf, ja muss diskutiert werden; das tun wir im Landtag, das tut der Bundestag, und in den Gemeinden wird auch heftig gestritten.
Bei den Wahlen in diesem Jahr hat sich unser demokratisches System als überaus stabil erwiesen. In Bund und Ländern wie auch in den Kommunen arbeiten die demokratischen Kräfte in ganz unterschiedlichen Konstellationen zusammen: In den 16 Landesparlamenten gibt es derzeit 13 unterschiedliche Koalitionen (demnächst noch zwölf, wenn in Niedersachsen die letzte große Koalition abgelöst wird).
Das ist ein Beleg für die Lebendigkeit der deutschen Demokratie.
Meine Damen und Herren,
Zusammenhalt braucht aber auch einen Kitt in der Gesellschaft. Für mich sind es die Vereine und Verbände, die vielfältige Förderung aus den unterschiedlichen Töpfen bekommen können und sollen. Hier finden sich Menschen zusammen, die ein gemeinsames Ziel, ein Hobby, eine besondere Fähigkeit haben. Verbände und Vereine, von der Feuerwehr über Wohlfahrtspflege bis zu Sport- und Kulturvereinen, halten diese Gesellschaft zusammen
Deshalb möchte ich Sie ermutigen:
Halten Sie Kurs, bleiben Sie der Fels in der Brandung, verbreiten Sie Zuversicht, und fördern Sie vor Ort Ihre Verbände und Vereine, den Kitt der Gesellschaft.
Möge uns das gemeinsam gelingen!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Havelländischer Kirchentag in Brieselang, 18. September2022
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Teilnehmende u.a.:
- Abgeordnete Landtag (Funke, …)
- Landesbischof Dr. Christian Stäblein (Predigt beim Festgottesdienst)
- Landrat HVL Roger Lewandowski
- Pfarrer Dr. Bernhard Schmidt, Vorsitz. Kirchenkreis Falkensee (Organisation)
- Superintendent Thomas Tutzschke
Anrede,
für die Gelegenheit, zu Ihnen zu sprechen, möchte ich mich herzlich bedanken. Ein Kirchentag ist etwas Besonderes – auch für mich, die ich mit Kirchenmusik groß geworden bin: Die Gespräche, die Begegnungen, die Atmosphäre sind bei diesen Veranstaltungen von ganz eigener Art, ernsthaft und zugleich heiter. Sie haben Tiefe und doch auch eine gewisse Gelassenheit.
Bei einem Kirchentag geht es, im wahrsten Sinne, um Gott und die Welt. Das ist in Zeiten wie diesen noch wichtiger als sonst:
Wohl noch nie seit den Umwälzungen vor 33 Jahren, als die DDR in sich zusammenfiel und noch unklar war, wie es weitergehen soll, herrschte solche Unsicherheit bei vielen Menschen:
- Familien wissen nicht, wie sie angesichts der Inflation über die Runden kommen,
- Mieter und Hauseigentümer befürchten einen kalten Winter, womöglich ohne Heizung,
- Handwerker und Unternehmer sorgen sich um den Bestand ihrer Firma,
- Kommunen und soziale Einrichtungen suchen händeringend nach Wegen, trotz der Energiekrise ihre elementaren Dienste aufrecht zu erhalten,
- und es können keine normalen Zeiten sein, wenn wir fast täglich darüber diskutieren, welche schweren Waffen (was immer das genau ist) in einem befreundeten Land gebraucht werden, ob wir sie liefern sollen oder lieber nicht.
Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen. Insgesamt lässt sich sagen:
Nach der Corona-Pandemie, die uns alle erschüttert hat und noch nicht vorüber ist, haben uns die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ins Mark getroffen. Und auch der Schock über dieses ungeheuerliche, brutale Vorgehen sitzt noch immer tief und löst vielfältige Fragen aus:
Wie unterstützen wir die Angegriffenen, ohne den Konflikt weiter anzuheizen?
Wie umgehen mit dem Aggressor um, jetzt und in Zukunft?
Wie lassen sich Freiheit und Frieden schützen, was sind wir bereit dafür zu tun?
Diese Fragen schwingen auch mit im Motto des Havelländischen Kirchentages:
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Als Sie den Psalm 31 ausgesucht haben für diese Veranstaltung, da herrschte noch kein offener Krieg in Europa. Aber es passt hervorragend zu einer Lage, in der vieles ungewiss zu sein scheint.
Das Motto spielt ursprünglich auch auf den ländlichen Raum an, der sich in Brandenburg wandelt. Ich freue mich auf die spätere Podiumsdiskussion zu diesem Thema. Und natürlich auf die weiteren Veranstaltungen und Darbietungen bei diesem Kirchentag, besonders auch denen von Kindern und für Kinder.
Allen Teilnehmenden wünsche ich offene Ohren, gute Gespräche, interessante Begegnungen und den Mut, alte Gewissheiten in Frage zu stellen.
Vielen Dank!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke beim Besuch der Konferenz der Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten der G7 im Landtag Brandenburg
Potsdam, 17. September 2022
Anrede,
herzlich willkommen in der Herzkammer unserer Brandenburger Demokratie: dem Plenarsaal des Landtages. So viele Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten gleichzeitig haben hier noch nie Platz genommen! Das ist eine Premiere für den Landtag Brandenburg, und wir wissen diese Ehre zu schätzen.
Vielleicht hatten Sie beim Betreten des Innenhofes die Erwartung, ein Schloss zu besuchen. Da muss ich Sie enttäuschen!
Hier im Saal lässt sich erkennen, dass unser Landtag ein Neubau ist – wenn auch in historischer Hülle: Modern, funktional und ganz bestimmt nicht rückwärtsgewandt. An einer Stelle der Außenfassade steht als Kunst am Bau sogar der französische Satz, frei nach dem Surrealisten René Magritte: „Ceci n’est pas un château“, dies ist kein Schloss.
Dennoch sind wir uns in Brandenburg der Geschichte bewusst.
Dazu möchte ich Ihnen eine Anekdote von einem Wappentier erzählen, von unserem Adler. Sie sehen ihn vorne am Rednerpult, eindeutig rot.
Er ist das Brandenburger Wappentier seit dem 12. Jahrhundert, der Zeit der Askanier – also noch bevor es Preußen gab. In der Brandenburger Hymne, die tatsächlich und mit Inbrunst bei Volksfesten gesungen wird, heißt es heute: Steige hoch, du roter Adler!
Als das neue Gebäude des Landtages vor bald neun Jahren mit einem „Tag der offenen Tür“ eingeweiht wurde, prangte im Plenarsaal, sozusagen über meinem Kopf, ein Adler aus Metall: Stilisiert, schlicht, groß und vor allem – strahlend weiß!
Die Brandenburger und Brandenburgerinnen gingen an diesem Eröffnungstag zu Tausenden durch das ganze Gebäude, sie besichtigten den Hof und den Eingangsbereich, die Cafeteria und die Büros der Abgeordneten und Mitarbeiter.
Die Älteren erinnerten sich daran, wie es im früheren Stadtschloss ausgesehen hatte. Nach dem Ende der Monarchie in Deutschland waren dort das Arbeitsamt und Teile der Stadtverwaltung untergebracht.
Die Besucherinnen und Besucher nahmen also 2014 ihr neues Parlamentsgebäude in Augenschein und in Besitz, und die Reaktion war durchweg positiv. Alles gut – mit einer Ausnahme: der weiße Adler!
Das Urteil war eindeutig: So geht es nicht! Der Brandenburger Adler sei rot und müsse auch im Plenarsaal so aussehen wie das Original vom Wappen. Kunst und Stilisierung hin oder her. Der Adler muss stimmen. Das wurde wirklich über Wochen viel und heiß diskutiert, natürlich auch in den Medien.
Also musste sich das Parlament zusammensetzen und über ein Wappentier diskutieren. Das Ergebnis:
Der weiße Adler hängt in der Lobby. Da er nun mal hergestellt worden war, musste man schon irgendetwas mit ihm anfangen.
Aber hier, im Plenarsaal, begleitet uns weiter der rote Adler!
Viel könnte ich erzählen von Musik und Tanz im ehemaligen Stadtschloss, vom Zusammentreffen Johann Sebastian Bachs mit Friedrich II. hier im Konzertzimmer 1747, als der alte Bach über das vorgegebene „königliche Thema“ zu improvisieren hatte und danach das »Musikalische Opfer« schuf, ein barockes Meisterwerk aus 22 kontrapunktischen Sätzen, Weltkultur wie das Schloss Sanssouci in Potsdam.
Nicht zu vergessen die Bittsteller-Linde vor dem Schloss, an der man seine Petitionen befestigen konnte. Wir pflanzten symbolisch an gleicher Stelle wieder eine Linde am Landtag, aber unsere Petitionen treffen mittlerweile online ein.
Sie sehen: Potsdam steckt voller Geschichte und Geschichten.
Die Stadt ist mehr als 1000 Jahre alt –älter als Berlin! – und war über Jahrhunderte auch ein Schauplatz europäischer Politik.
Das frühere Fürsten-Schloss an diesem Ort, Vorbild für unseren Landtag, bewohnten bald preußische Könige, die schreckliche Kriege mit fast allen europäischen Nachbarn austrugen: Von Schweden über Polen und Österreich bis zu Frankreich und Russland.
Gegen den aufkommenden Nationalsozialismus leistete der Staat Preußen lange Widerstand, leider vergebens. Und sicher auch deshalb inszenierte Hitler gerade hier schon bald nach seiner Machtergreifung den „Tag von Potsdam“, als Bündnis der monarchistischen und der faschistischen Republikfeinde.
Millionen und Abermillionen Menschen starben im Holocaust und im Zweiten Weltkrieg. Diese Zeit war ein Tiefpunkt der europäischen Geschichte. Versöhnung über Gräbern ist bis heute eine unserer Aufgaben.
Die Nachkriegsordnung wurde auf der Potsdamer Konferenz 1945 verhandelt. Auch Brandenburg und Potsdam haben unter dem von Deutschen ausgelösten Krieg und seinen Folgen schwer gelitten. Das Land war zerstört, in der historischen Mitte der Stadt klaffte eine hässliche Lücke, die erst jetzt allmählich wieder geschlossen wird.
Heute steht das Stadtschloss mit neuer Funktion neben dem Dom und dem Museum Barberini, das Sie heute Morgen besuchen konnten.
Und gleich nebenan entsteht eine neue Synagoge für Potsdam; denn die alte, traditionsreiche Synagoge der Stadt wurde von den Nazis und durch Luftangriffe zerstört. Mit der Wiederrichtung dieses Gotteshauses und Treffpunkts für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wird eine der letzten schmerzenden Wunden im Stadtbild Potsdams geschlossen.
Umso mehr erschüttert uns der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die Menschen in der Ukraine verdienen und erhalten unsere volle Solidarität, ob sie in ihrem Land bleiben oder zu uns flüchten, um Schutz für sich und ihre Kinder zu suchen.
Dieser Angriffskrieg war ein Schock, und er stellt uns vor elementare Fragen:
Wie gehen wir mit dem Aggressor jetzt um und in Zukunft?
Wie unterstützen wir die Angegriffenen, ohne den Konflikt weiter anzuheizen?
Wie lässt sich Freiheit schützen, was sind wir bereit dafür zu tun?
Und mittelfristig:
Wie muss die künftige Friedensordnung in Europa gestaltet sein?
Wie ist sie abzusichern – politisch, diplomatisch, militärisch?
Brandenburg hat wie die anderen ostdeutschen Bundesländer ein besonderes Verhältnis zu Russland und dem russischen Volk – ein durchaus zwiespältiges Verhältnis:
Einerseits unfrei der SED-Diktatur und der starken sowjetischen Militärpräsenz rund um Berlin ausgeliefert. Allein im heutigen Brandenburg gab es im Kalten Krieg über 50 Standorte der Roten Armee; mehr als in jedem anderen Bundesland. Sie waren ein Staat im Staate.
Andererseits entstanden über die Jahrzehnte auch enge Beziehungen zu den Menschen der ehemaligen Sowjetunion, auch zu den Russinnen und Russen, zum russischen Volks. Wir Älteren haben in der Schule die russische Sprache gelernt.
Ich bin deshalb froh, dass Sie, die Parlamentspräsidenten der G7, in Ihrer Erklärung vom 16. März dieses Jahres ausdrücklich unterschieden haben zwischen dem russischen Staat und dem russischen Volk. Die Verantwortung für diesen furchtbaren Krieg und seine Gräueltaten liegt bei der politischen Führung in Moskau – auch wenn sie durch Propaganda, Einschüchterung und Unterdrückung das Bild einer Gesellschaft zu erzeugen versucht, die geschlossen hinter ihr steht. Ich bin sicher: dem ist nicht so.
Vor uns liegen große Aufgaben.
Deutschland ist ein föderaler Staat mit starken, selbstbewussten Bundesländern. Diese Länder sind unter anderem für Bildung und Kultur zuständig, sie haben jeweils eine eigene Polizei und Institutionen – wie unser Landesparlament und die Regierung. Die Außen- und Verteidigungspolitik wird durch die Bundesregierung vorbereitet und vom Bundestag kontrolliert; für viele praktische Fragen aber, die das tägliche Leben der Menschen berühren, tragen die Bundesländer Verantwortung.
Dieser föderale Aufbau hat sich im Großen und Ganzen sehr bewährt, zuletzt auch in Krisen wie der Corona-Pandemie.
Die hier anwesenden Abgeordneten des Landtages, die Vorsitzenden der politischen Fraktionen, können bestätigen: Wir diskutierten über jede einschneidende Maßnahme gegen die Seuche ganz ausführlich, oft mehrmals viele Stunden lang. Das war anstrengend, aber notwendig und richtig; um glaubwürdig zu sein und um die Bevölkerung überzeugen zu können.
Brandenburg entwickelt sich seit seiner Wiedergründung nach der Friedlichen Revolution in der DDR und der deutschen Vereinigung zu einem Bundesland, das sich dem Fortschritt stellt und in die Zukunft vorangeht:
- wir haben über Jahre mit am stärksten die erneuerbaren Energien ausgebaut, um den Klimawandel zu bremsen;
- unsere Wirtschaftskraft und Attraktivität übertreffen inzwischen manches westliche Land; die Tesla-Gigafactory ist dafür nur ein großes Beispiel;
- Potsdam ist eine Stadt der Wissenschaft, in der sich zahlreiche Forscherinnen und Forscher den Zukunftsfragen der Menschen widmen: dem Klimawandel, der Rettung der Weltmeere, der Geowissenschaft, den digitalen Technologien;
- immer mehr Menschen ziehen nach Brandenburg, ob aus Berlin oder anderen Regionen Deutschlands, aus europäischen Ländern oder aus Übersee.
Ende August feierten wir erst in Potsdam ein Einbürgerungsfest, um die neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger willkommen zu heißen – die meisten aus Polen, Syrien, der Ukraine, Indien und Russland.
Dass so viele kommen liegt auch daran, dass wir leben, wo andere Urlaub genießen – in einer liebens- und lebenswerten Region, mit großen Wäldern und vielen Seen, mit Platz für Familien. Wir haben leistungsfähige Betriebe und einen großen Bedarf an Arbeits- und Fachkräften.
Brandenburg ist modern, weltoffen und tolerant. „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“, verkündete schon Friedrich II.
Auch dazu noch eine kleine Geschichte mit einem durchaus ernsten Hintergrund: Der Grabstein von Friedrich liegt nicht weit von hier vor dem Schloss Sanssouci (wo übrigens auch die Parlamentspräsidenten der – damals noch – G8-Staaten 2007 zu Gast waren). Und auf dem Grabstein liegen – Kartoffeln.
Besucher legen sie dort ab als Erinnerung daran, dass Friedrich die Kartoffel in Deutschland eingeführt und ihren Anbau gefördert hat.
Warum er das tat? Ganz einfach: Er wollte Hungersnöten begegnen, die durch Kriege, Missernten und den Anstieg der Bevölkerung verursacht wurden.
Wie er es schaffte, diese unbeliebte Kartoffel populär zu machen? Unter anderem dadurch, dass er Felder anlegen und verbreiten ließ, die dort gezogenen Kartoffeln seien nur für die königliche Tafel bestimmt.
Das weckte die Neugierde der Bauern; sie stahlen die angeblich königlichen Kartoffeln, um sie selbst anzupflanzen. Was für den Herrscher gut war, musste ja auch seinen Untertanen schmecken.
Nun aber zum ernsten Hintergrund der Geschichte:
Wissenschaftler der Universitäten Harvard und Colorado haben herausgefunden, dass die Kartoffel in Europa tatsächlich Frieden brachte. Sie analysierten hunderte Konflikte zwischen 1700 und 1900 und kamen zu dem Schluss: Wo Kartoffeln angebaut werden, gab es weniger Hunger und deshalb weniger Kriege um Land.
So einfach ist es heute leider nicht. Im russischen Krieg gegen die Ukraine geht es zwar auch um Territorium, vor allem aber um Großmachtstreben und das Ego eines Präsidenten. Insofern allerdings passt das Vorgehen Moskaus besser ins 18. oder 19. Jahrhundert als in unsere heutige Zeit.
Wie es weitergehen soll, muss nicht zuletzt im Zusammenspiel der Partnerstaaten in der G7, in der Nato und der Europäischen Union erörtert werden. In jedem Fall sind die aufgeworfenen Fragen und die möglichen Antworten auch in den Parlamenten zu diskutieren.
Denn tragfähige, dauerhafte Lösungen wird es nur geben, wenn die Völker einbezogen und mitgenommen werden – aktuell zuallererst natürlich die Ukrainerinnen und die Ukrainer, aber letztlich auch die Russinnen und Russen und alle anderen Europäer.
Die einfachen Menschen leiden am meisten unter dem Krieg. Sie sind es deshalb, die das größte Interesse an einem Frieden haben, und sie allein können auf Dauer den Frieden sichern; das jedenfalls ist meine Hoffnung.
Lassen Sie mich mit einem Satz abschließen, den der frühere Bundeskanzler Willy Brandt 1981 formuliert hat, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen Ost und West: „Frieden ist nicht alles“, sagte er, „aber alles ist ohne den Frieden nichts.“
- Es gilt das gesprochene Wort-
Verleihung der Medaille des Landtages Brandenburg zur Anerkennung von Verdiensten für das Gemeinwesen,26.08.22 Plenarsaal Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrte Ehrenamtliche,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Gäste,
wir vergeben heute an Bürgerinnen und Bürger die Medaille des Landtages Brandenburg, mit der wir Verdienste um das Gemeinwesen würdigen.
Dazu darf ich Sie als Präsidentin des Landtages herzlich begrüßen im Herzstück der parlamentarischen Demokratie, dem Plenarsaal.
Ich freue mich sehr, dass Sie stellvertretend für zahlreiche engagierte Ehrenamtler im Land Brandenburg, heute ausgezeichnet werden.
Sie stehen im Mittelpunkt, weil Sie Großartiges geleistet haben in ihren Gemeinden und Regionen. Sie haben sich, wie es in den Richtlinien für die Medaille heißt, „in besonderer Weise um das Gemeinwesen verdient gemacht“.
Viele Ehrenamtler sind sehr bescheiden und fragen mich – warum gerade ich? Die Fraktionen des Landtages haben ein Vorschlagsrecht und das Präsidium beschließt die Liste der Auszuzeichnenden.
Nun sind Sie die Hauptpersonen unserer diesjährigen Auszeichnungsveranstaltung! Mit der Landtagsmedaille wollen wir Ihr wertvolles Engagement würdigen, das Sie der Gesellschaft zur Verfügung stellen, einige von Ihnen bis ins hohe Alter.
Wir möchten uns ganz herzlich bei Ihnen bedanken.
Als Landtag Brandenburg, als Abgeordnte des Parlaments, die vor Ort Einblick haben in die Tätigkeit von Ehrenamtlichen. Wir Parlamentarier, die ja alle eine Region oder Stadt vertreten, wir wissen:
Ohne Ihre Arbeit, ohne freiwilliges Engagement von vielen Bürgerinnen und Bürgern, wäre Brandenburg heute nicht, was es ist.
Ein lebens- und liebenswertes Land, das sich in den vergangenen Jahrzehnten hervorragend entwickelt hat. Umfragen zeigen immer wieder, dass sich fast alle Bürgerinnen und Bürger hier wohl fühlen und gerne in Brandenburg leben.
Dazu haben Sie wesentlich beigetragen:
Sie haben sich eingesetzt für andere und für das friedliche Miteinander. In ganz unterschiedlichen Bereichen:
- im Sport- oder Karnevalsverein
- in der Natur- und Landschaftspflege,
- in der Lokalpolitik oder der Bundeswehr,
- in Initiativen für Kinder oder Frauen,
- im Gesundheitsbereich,
- in der Integration von geflüchteten Menschen.
Sie haben Anerkennung verdient. Und es ist wichtig, dass Ihre ehrenamtliche Tätigkeit über Ihre Kommune hinaus sichtbar wird – als Ansporn und Vorbild für andere Menschen, vor allem Jüngere.
Wohltun wo man kann
Ludwig van Beethoven
Tagebucheintrag 1793
Verbindung von persönlicher Freiheit und Verantwortung
Ich freue mich, dass uns ein junger Musiker zur Seite steht – Emanuel Grigori Schulze, der mit dem Cello in diesem Sommer einen 1. Preis beim Bundeswettbeweb Jugend musiziert erhalten hat – dazu meinen Glückwunsch!
Begleitet wird er am Klavier durch Riccardo Bozolo von der Musikschule Frankfurt (Oder).
Als Begleiterin durch die Feierstunde konnten wir Juliane Sönnichsen von Radio Potsdam gewinnen. Das Land Brandenburg unterstützt lokale Radiosender wie ihren, weil sie dazu beitragen, ehrenamtliches Engagement vor Ort bekannt zu machen und zu würdigen.
Gestatten Sie mir – vor den einzelnen Laudationes – noch einen Gruß an Wolf Zimmermann.
Herr Wolf Zimmermann, langjähriges Verwaltungsratsmitglied der Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin, wird heute für sein Engagement in der Selbstverwaltung der Gesetzlichen Krankenversicherung – in der IKK BB – ausgezeichnet.
Leider kann er nicht bei uns sein, ich sende Genesungswünsche,
Jetzt wünsche ich Ihnen eine würdige und erbauliche Feierstunde und einen unvergesslichen Tag!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Eröffnung der Foyerausstellung DEMENSCH, 5. Juli 2022
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Teilnehmende u.a.:
- Sonja Köpf und Antje Baselau, Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg e.V. Selbsthilfe Demenz
- Gabriela Leyh, Geschäftsführerin BARMER Berlin/Brandenburg
- außerdem: Silke Nessing, Sozialdezernentin Barnim; Frau Zarling, Landkreis Oder-Spree; Brigitte Meier, Beigeordnete Potsdam; Henryk Wichmann, Landkreis Uckermark
- Musik: Beate Gatscha und Gert Anklam (Berlin)
Sehr geehrte Frau Köpf und Frau Baselau,
sehr geehrte Frau Leyh,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen,
sehr geehrte Damen und Herren,
(sehr geehrte Medienvertreter),
als ich mir die Karikaturen von Peter Gaymann angesehen habe, musste ich lachen. Das ist der Zweck von Cartoons – und hier wird er erfüllt:
Die Zeichnungen sind lustig, sympathisch, respektvoll und niemals bloßstellend.
Die Demenz wird als Krankheit dargestellt, die zwar einiges an Irrungen und Wirrungen stiftet, aber auch manche heitere Situation hervorrufen kann. Im Alltag ist das für die Betroffenen und ihre Angehörigen sicher nicht immer komisch – trotzdem hilft Humor über manche Beklommenheit hinweg.
Das ist ohnehin ein guter Weg: Was unabwendbar ist, zwar ernst zu nehmen, aber doch nicht zu ernst. Krankheiten gehören zum Leben dazu wie Geburt und Tod – die eine trifft jenes Leiden, den anderen ein anderes, mal früher und mal später. Ganz entgehen wir dem alle nicht, denn der Mensch ist kein Roboter und soll es auch bitte niemals sein.
Im Umgang mit der Demenz und mit dementen Menschen zeigt sich demnach etwas weit Größeres und Wichtigeres: Wollen und können wir tatsächlich Perfektion verlangen? Wo und von wem, wie häufig und wie lange?
Oder gelingt es uns, mit dem Unvollkommenen zu leben und sogar darüber zu lachen?
Das wäre menschlich und klug, weil niemand immer vollkommen sein kann; auch vermeintlich Gesunde nicht. Und Humor ist nun einmal die beste Art, auf Missverständnisse oder Verwicklungen zu reagieren, wie sie auch die Demenz mit sich bringt.
Ich danke den Vertreterinnen der Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg und der Barmer-Krankenkasse dafür, dass sie diese schöne Ausstellung organisiert und ermöglicht haben.
Ich danke dem leider nicht anwesenden Peter Gaymann für seine wunderbaren, heiteren Zeichnungen.
Und ich danke Ihnen allen für das Interesse an dieser Ausstellung, die noch bis zum 26. September hier im Landtagsfoyer zu sehen sein wird und der viele Besucherinnen und Besucher zu wünschen sind.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Veranstaltung „Brandenburg sagt Danke“, 2. Juli 2022 Krongut Bornstedt
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Teilnehmende u.a.:
- Abgeordnete
- Ministerpräsident Woidke
- Ministerinnen und Minister
- VertreterInnen von Gesundheitsämtern, Kliniken, DRK, Johannitern, Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr, Sport,
Altenheimen, Kitas, Tafel, Frauenhäusern...
Das alles gehörte
v o r Corona nicht zu unserem Alltag:
Pandemie, Homeoffice, AHA-Regeln, systemrelevant, Shutdown, Covid 19, 2G, 3G, Post-Covid, Long-Covid,
MRNA-Impfstoff, PCR-Test, FFP 2 Maske, OP-Maske, Triage, Hospitalisierungsrate, Superspreader,
Herdenimmunität, Aerosole, 7. Welle –
wer zählt eigentlich noch mit?
Sehr geehrte ehrenamtliche Helferinnen und Helfer,
sehr geehrte Pflegekräfte, Ärztinnen und Sanitäter,
Busfahrer, Verkäuferinnen, Lehrer,
sehr geehrte Polizistinnen, Feuerwehrleute und Soldaten,
Mitarbeitende der Tafeln, Frauenhäuser und anderer sozialer Einrichtungen,
sehr geehrte Sporttrainer und Jugendbetreuerinnen, Kulturschaffende und Gastronome, nicht zuletzt:
sehr geehrte Beschäftigte in den Gesundheitsämtern!
Ich begrüße Sie alle sehr herzlich und freue mich, dass wir uns als Brandenburger Landesparlament bei Ihnen
bedanken können – bei Ihnen persönlich und auch stellvertretend für zahlreiche andere engagierte
Menschen. Meine Aufzählung müsste um viele Berufsgruppen erweitert werden, denn die Pandemie ging an
niemandem spurlos vorüber.
In Kitas, Schulen, Betrieben und im öffentlichen Leben vom Café bis zum Konzertsaal galten plötzlich ganz
andere, ungewohnte Verhaltensregeln und Sicherheitsmaßnahmen. In die Arztpraxen und Krankenhäuser
kamen kranke Menschen in so großer Zahl, dass es alle Mitarbeiter zeitweise überforderte.
Die Belastungen für Bürgerinnen und Bürger, für Familien mit Kindern, waren enorm – besonders aber für Sie.
Sie mussten nicht nur den eigenen Alltag umkrempeln, sondern haben sich dazu noch für andere Menschen
eingesetzt, sie unterstützt und durch die schwere Zeit der Pandemie begleitet.
Dafür von Herzen einen großen Dank!
Die Fraktionen des Landtages und Landräte haben Sie vorgeschlagen, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
Gern begrüße ich heute auch
- Den Ministerpräsidenten, lieber Dietmar Woidke und Mitglieder der Landesregierung ebenso wie
Verantwortliche aus den Städten und Landkreisen;
auch Sie haben während der Pandemie ebenfalls alles Ihnen Mögliche getan, um Leben zu schützen, Betriebe,
soziale oder kulturelle Strukturen zu erhalten, die Corona-Folgen zu mildern.
- Ich begrüße Abgeordnete des Landtages, der sich intensiv immer wieder mit den Corona-Problemen befasst
hat. Keine Plenarsitzung fiel aus, Sondersitzungen prägten den Alltag:
Der Gesundheitsausschuss tagte gefühlt wöchentlich, um über Eindämmungsverordnungen, Impfkampagnen
oder notwendige Hilfen zu beraten.
Die Erwartung an Politiker war und bleibt enorm hoch:
Urteilskraft und Entscheidungsstärke.
Dabei sind die Aufgaben klar verteilt:
Pandemiewissenschaftler tragen Daten zusammen, vergleichen sie und entwickeln Statistiken.
Pandemieforscher bringen Spritzen und Pillen auf den Markt,
Pandemie-Politiker müssen Krankheitsvorsorge treffen,
und es kann sogar sein, dass sich eine Maßnahme nicht bewährt und schnell wieder geändert werden muss.
Leben mit weniger Sicherheit und mehr Risiko,
auch Angst und Sorge, sich anzustecken, krank zu werden, lange krank zu bleiben.
Und zwischen all dem fehlte etwas,
nämlich das Miteinander der Menschen, Familientreffen, Kultur, Sport, Geselligkeit und das Gespräch ganz
nebenbei beim Einkaufen, am Kopierer im Büro,
am Bett eines Kranken – ein Gespräch, das in seiner Freundlichkeit Mut macht.
Sie sind Mutmacher, Sie haben dieses Vakuum nach Ihren Kräften gefüllt,
mitten in einem zu viel an Aufgaben und Arbeit.
Und ja – Erschöpfung gehört auch dazu. Denn diese Pandemie hat Leid gebracht, Familien vermissen ihre
Angehörigen.
Es ist noch nicht alles im Gleichgewicht,
gesundheitliche und finanzielle Sorgen, Lockdown und Homeschooling wirken nach.
Dazu kommen gesellschaftliche Verwerfungen, die eine unerfüllbare Sehnsucht nach einfachen Antworten
oder die fruchtlose Suche nach Schuldigen ausgelöst haben.
Das alles wird uns noch lange beschäftigen, länger als die Pandemie selbst.
Wir können diese vielfältigen Herausforderungen nur zusammen bewältigen – mit demselben Gemeinsinn,
Mut und persönlichen Einsatz, den Sie gezeigt haben, in ihren Berufen oder im ebenso wichtigen Ehrenamt.
Wenn es uns gelingt, die Belastungen und Entbehrungen während der Corona-Zeit umzusetzen in stärker
gemeinschaftlich orientiertes Handeln für die Zukunft, dann hat auch diese Krise wenigstens ein Gutes
gehabt.
Wie können wir, die Landtagsabgeordneten, den Brandenburgerinnen und Brandenburgern danken für Ihren
Gemeinsinn, den wir weiterhin gemeinsam leben, wie viele Wellen der Pandemie auch noch kommen und
den wir gerade aktuell alle
brauchen, um ukrainischen Frauen und Kindern zu helfen, um Frieden zu stiften. Die Landtagsabgeordneten
erwarten Sie an ihren Fraktionstischen und freuen sich auf gute Gespräche mit Ihnen.
Für einen Abend sollen Sie aussteigen können aus Ihren Verpflichtungen.
Das Staatstheater Cottbus nimmt Sie mit auf eine kleine Reise durch seinen Spielplan, mit wunderbaren
Sängerinnen, Sängern und Musikerinnen und Musikern.
Später spielt „Duke Brass“ für Sie, eine junge Band aus Kleinmachnow. Die Jüngsten werden von den Klink-
Clowns erwartet.
Das Museum Barberini stellt Ihnen Freikarten zur Verfügung, den Termin Ihres Besuches bestimmen Sie selbst
und schauen ganz bestimmt bei Monets Segelschiffen aus der Impressionismus-Sammlung von Hasso
Plattner vorbei.
Ich danke der Direktorin Ortrud Westheider ganz herzlich dafür, dass sie sich begeistern ließ von unserer Idee
BRANDENBURG SAGT DANKE.
Jetzt wünsche ich Ihnen einen schönen, entspannten und anregenden Abend.
Vielen Dank und viel Vergnügen!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Heimatkreis Züllichau-Schwiebus e.V. – Treffen am 26.06.2022 im Kulturhaus Neuruppin
Grußwort von Prof. Dr. Ulrike Liedtke, Präsidentin des Landtags Brandenburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte ehemalige Züllichau-Schwiebuser,
lieber Jan-Pieter Rau!
Vielen Dank für Ihre Einladung und für die Gelegenheit, ein paar Worte an Sie zu richten.
Thema Ihrer Zusammenkünfte ist das Erinnern. So wie Ihre Heimatfreundin Annemarie Schnitt in ihrem Gedicht schreibt: „Im Erinnern bleib(en) Dir … die Gärten der Kindheit in denen immer noch Fragen blühen.“ Ein sehr schönes Bild. Erinnern heißt heute auch wieder Nachdenken, über menschliches Leid, Zerstörung und Tod. Unsere gesamteuropäischen Werte - Demokratie, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit - werden durch die russische Aggression erschüttert. Zerstörungen führen wieder zu Flucht. Das ist inakzeptabel, wir müssen die Friedensordnung in Europa bewahren.
Sie wissen, was Flucht bedeutet und Sie kennen die Folgen, haben sie am eigenen Leib oder durch Erzählungen in Ihrer Familie erlebt. Das hat Sie geprägt. Sie denken nach über Heimat und Verlust von Heimat.
Wenn Sie mich heute fragen, was Heimat für mich ist - also für jemanden, der sechs Schulen besucht und seinen Geburtsort als Kind nicht bewusst kennengelernt hat – ich würde antworten: Menschen können mehr als eine Heimat haben. Aber meine Biografie kennt keine Fluchterfahrung. Geflüchtete Menschen kamen 2015 und 2016 aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Tschetschenien zu uns nach Rheinsberg. Damals gründete ich ein deutsch-arabisches Kindermusiktheater, wohlwissend, dass sich die Nationalitäten nicht auf Arabisch und Deutsch beschränkten. Wir erarbeiteten ein Stück unter dem Titel „Heimaten“. Wo ist Heimat? Gibt es Heimaten? Vaterland? Mutterland? Freundesland? Geburtsland? Herkunftsland? Fluchtland? Dazwischen ICH. Mein Land, meine Länder, meine Musik, meine Musiken, mein Essen, meine Essen, meine Sprache, meine Sprachen. Meine Freunde und ICH.
Im ersten Bild dieses Stückes ging es um Start und Ziel einer Kinderflucht mit Spielen, Regen, fremden Klamotten, verschlafenen Wegstrecken und der Freude, die Oma irgendwann wiederzusehen. Die Kinder hielten mit Leidenschaft übergroße Fotos ihrer zurückgelassenen Angehörigen in die Höhe. Das zweite Bild hieß einfach „Allein“. Erste Eindrücke, Geschenke, verunsicherte Eltern. Hier isst man Schwein, spricht eine andere Sprache, unter vielen Menschen können Kinder sehr allein sein. Niemand kommt zum Kindergeburtstag. Andere deutsche Kinder, andere irakische Kinder, andere afghanische Kinder, andere syrische Kinder, andere tschetschenische Kinder. Immer nur andere.
Viele Fragen stellten sich – wohin gehören die Babys der Geflüchteten, die in Neuruppin geboren werden? Sind es deutsche Babys? Sind es noch syrische Babys? Eine Annonce in der Zeitung „Wir suchen Puppenwagen für unser Theaterstück“ führte zu einer wundervollen Szene auf der Bühne, in der viele Säuglinge versorgt wurden, laut schrien, Schlaflieder wurden für sie in verschiedenen Sprachen gesungen. Auch die Jungen schoben Puppenwagen. Das war lustig, aber auch sehr ernst: die zehn oder zwölf Jahre alten Mädchen hatten zu Hause drei oder vier kleinere Geschwister zu betreuen. Sie übersetzten für Mama und Papa und wurden so zu den wichtigsten Familienmitgliedern. Schule, ja Schule haben sie auch.
Wir verständigten uns darauf, dass der Heimatbegriff am besten im Urkontinent Pangaea zu erklären gewesen wäre. Alle Kontinente gehörten damals noch zu einem Superkontinent zusammen, keine Meere trennten sie voneinander. Das bedeutete auch, dass alle Menschen zu dieser Zeit nur eine Heimat gehabt hätten. Aber es war vor 325 Millionen Jahren, also noch vor den Sauriern, an Menschen war noch gar nicht zu denken. Dennoch: eine schöne Kindervorstellung.
Heute kommen ukrainische Kinder in das Kindertheater. Auch sie sind traumatisiert. Und wieder werde ich für sie in der Adventszeit keine Kerzen anzünden, weil Feuer in ihren Augen eine Bedrohung bedeuten kann. Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden. Mehr und mehr wächst der Wunsch nach Frieden, Verständnis und Solidarität füreinander, Kooperationen zwischen einstigen Gegnern gab es in vielen Zeiten. Europa muss zum Dialog zurückkehren. Frieden muss täglich neu gestiftet werden, so sah es schon Immanuel Kant.
Partnerverträge zwischen Ländern tragen ganz wesentlich dazu bei. Das Land Brandenburg pflegt viele Partnerschaften, natürlich zu den direkten Nachbarn in Lubuskie auf der anderen Seite der Oder. Georgien gehört zu unseren Partnern, auch das zwischen Polen und Litauen gelegene Kaliningrad. Zur Île-de-France rund um Paris bauen wir gerade Kontakte auf und Masowien rund um Warschau besuchen wir bald. Das Weimarer Dreieck – wir und unsere Nachbarn – kann mit Leben erfüllt werden. Brandenburg ist ein ernst zu nehmender Partner geworden. Die Tesla-Ansiedlung verschafft uns Aufmerksamkeit, kein Bauprojekt ging bisher so schnell voran und noch offene Probleme müssen wir selber lösen. Eine Parlamentarische Konferenz verbindet künftig das Land Brandenburg mit dem Land Berlin, auch diese Grenze zweier Bundesländer mit manchmal unterschiedlichen politischen Regelwerken wird durchlässig.
Sie sehen, es gibt Positives zu berichten. Heute leben und arbeiten die Menschen auf beiden Seiten von Oder und Neiße in Wissenschaft und Forschung, in Kunst und Kultur, Tourismus, Kriminalitätsbegrenzung und in gemeinsamen Wirtschaftskreisläufen. „Die Gärten der Kindheit in denen immer noch Fragen blühen“ – dieses Bild beschreibt etwas sehr Schönes, nicht nur das Unverstandene. Ich wünsche Ihnen diese guten Erinnerungen, die aufblühenden Rosen eines Sommers, den Sie damals bewusst erlebten und das Erinnern heute, wenn sie wieder dem Blühen im Garten zuschauen können. In diesem Sinne freue ich mich, Sie hier alle gesund vor mir zu sehen und wünsche Ihnen ein gutes gemeinsames 30. Heimattreffen. Zeigen Sie Haltung und Solidarität mit den Flüchtlingen der neueren Kriege, bis es irgendwann gar keine Kriege mehr gibt.
Vielen Dank.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Feierstunde 30 Jahre Landesverfassung, 22. Juni 2022 (vor dem Plenum)
Rede Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
„Wir, die Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg, haben uns in freier Entscheidung diese Verfassung gegeben, im Geiste der Traditionenvon Recht, Toleranz und Solidarität in der Mark Brandenburg (…).“
Das sind die ersten Worte der Präambel unserer Verfassung in Brandenburg, sie beschreiben das Selbstverständnis unseres Landes.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Woidke,
sehr geehrter Herr Präsident Möller,
sehr geehrte Abgeordnete und Regierungsmitglieder,
sehr geehrte Gäste hier im Saal und im Livestream,
zu unserer Festveranstaltung im Landtag Brandenburg anlässlich des Verfassungsjubiläums heiße ich Sie alle herzlich willkommen.
Ganz besonders begrüße ich als Festrednerin Frau Professorin Ines Härtel:
Sie lehrt Recht an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und sie ist seit 2020 Richterin des Bundesverfassungsgerichts – als erste Ostdeutsche überhaupt.
Vor 30 Jahren, am 14. Juni 1992, stimmten die Menschen in Brandenburg in einem Volksentscheid dem Verfassungsvorschlag zu, den zwei Monate zuvor der Landtag mit breiter Mehrheit beschlossen hatte. Die eingangs zitierten ersten Worte der Präambel beschreiben die wesentlichen Werte, denen wir uns verpflichtet sehen:
Freiheit, Recht, Toleranz,
Solidarität, Menschenwürde, Gerechtigkeit,
Gemeinwohl, Frieden, Natur- und Umweltschutz,
und ganz wichtig: Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, nicht „die da oben“.
Das war wichtig, es ist wichtig, denn unsere Verfassung entstand quasi am RUNDEN TISCH. Sie nimmt Bezug auf ein Regime, das niemand mehr wollte, und sie blickt selbstbewusst in eine neue Zeit. 1992 – im Jahr des ersten Mauerschützenprozesses, der ersten Enquete-Kommission im Bundestag zur Aufarbeitung des SED-Unrechts, Bündnis 90 und die Grünen schlossen sich zusammen, der ORB sendete zum ersten Mal, in Rostock kam es zu schweren Gewalttaten gegen Ausländer. Unter dem Motto „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ demonstrierten 350.000 Berliner gegen Ausländerhass und noch mehr in München und Potsdam und an vielen anderen Orten. Eine aufregende Zeit, in der die Menschen Orientierung brauchten.
Das bundesdeutsche Grundgesetz war und ist eine moderne, tragfähige Grundlage für Demokratie und Rechtsstaat – aber es kam eben leider ohne ostdeutsche Beteiligung zustande.
Diesen Mangel wollten kluge Menschen aus beiden deutschen Staaten bei deren Wiedervereinigung beheben:
Sie plädierten für eine neue, gesamtdeutsche Verfassung: „von dem deutschen Volke in freier Entscheidung
beschlossen“, wie es im letzten Artikel des Grundgesetzes heißt, übrigens bis heute – als Möglichkeit, als Chance, als Vision.
Wir wissen:
es sollte im Jahr der Einheit nicht sein. Die Bedenken und Widerstände gegen den mutigen Schritt einer gesamtdeutschen Verfassung überwogen.
Den neu oder wieder gegründeten Ländern wie Brandenburg blieb gar nichts anderes übrig, als selbst die Grundlagen ihrer Verfasstheit zu entwickeln – nicht in Abgrenzung vom Grundgesetz, sondern als individuelle Ausgestaltung dessen.
Anrede,
die Brandenburger Verfassung wurde aus dem Geist der friedlichen Revolution (und mancher Enttäuschungen in der unmittelbaren Folge) erarbeitet und diskutiert.
Dass dies in einem mehrstufigen Prozess geschah, gehört zum besonderen Charakter und Charme dieses Werkes.
Nach dem ersten Entwurf der „AG Landesverfassung“ erhielt die Bevölkerung ausgiebig Gelegenheit, sich zu äußern. Erst dann wurde der zweite Verfassungsentwurf veröffentlicht – noch vor der deutschen Einheit, vor der Wiedergründung des Landes Brandenburg und vor der ersten Landtagswahl.
Schließlich folgten die parlamentarischen Beratungen, an denen zunächst auch Pfarrer, Lehrer, sachkundige Juristen teilnahmen – eine Art „Runder Tisch“ im Kleinen. (Ein wenig spiegelt sich dies in der Zusammensetzung des Verfassungsgerichts wider, dem ebenfalls Laien angehören.) Und natürlich eine nochmalige Beteiligung der Öffentlichkeit (die sich noch nicht so stark in Verbände und Interessengruppen gliederte wie heute).
Auf Einladung des Verfassungsgerichtspräsidenten unterzogen sich kürzlich Studierende des Studienganges „Recht und Politik“ der Europa-Universität Viadrina und der Juristischen Fakultät an der Universität Potsdam der vergleichenden Analyse – DDR-Verfassung – Grundgesetz Deutschlands – Verfassung Brandenburgs.
Spannend! Die Prioritäten sind durchaus verschieden. Wieviel Individualität ist gut für die Gemeinschaft?
„Die Verfassung als Spiegelbild der Friedlichen Revolution 1989“, um ein Bild des ersten Brandenburger Justizministers Hans-Otto Bräutigam aufzugreifen. Gerichtsbarkeit, faire Prozesse, Achtung der Menschenwürde – das waren Themen der ersten Verfassungsdiskussionen. Die Studierenden lasen aufmerksam die Protokolle des Verfassungsausschusses im Landtag und rekonstruierten den Prozess bis zum Verfassungsbeschluss, ein Ringen um Gedanken, Positionen, Formulierungen, die heute ganz selbstverständlich erscheinen.
Am Ende stand ein abschließender, vierter Entwurf der Verfassung – und auch der wurde bis zum Landtagsbeschluss vor 30 Jahren noch mehrmals geändert.
Unser Land und die Bürgerinnen und Bürger haben es sich wahrlich nicht einfach gemacht. Heute können wir sagen: Es hat sich gelohnt!
Die Landesverfassung ist ein bürgernahes, ich würde sogar sagen: ein menschenfreundliches Regelwerk:
Modern – werteorientiert – wegweisend.
Und sie hat sich im Laufe der Zeit gleichermaßen als feste Grundlage und als lebendig erwiesen. Wo es nötig war, konnte die Verfassung behutsam und unter strengen Voraussetzungen geändert werden; seit 1992 ist das immerhin bereits zehn Mal geschehen; (als Beispiele nenne ich die Einführung des Wahlrechts mit 16 Jahren und die Klausel gegen rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut.)
Trotzdem oder eben deshalb hat die Verfassung das Land durch unruhige Zeiten begleitet und geleitet.
Heute wird in Deutschland, in ganz Europa so intensiv wie lange nicht über Grund- und Freiheitsrechte, über das Verhältnis von Bürgerinnen und Staat, über den Preis der Freiheit und die Gültigkeit universeller Werte debattiert. Die Corona-Pandemie und Russlands Überfall auf die Ukraine haben vermeintliche Gewissheiten erschüttert. Vieles, was bisher galt, steht plötzlich in Zweifel oder auf dem Prüfstand.
In dieser Lage, wenn die Nerven angespannt sind und die Emotionen manchmal hochgehen, braucht es eine grundlegende Orientierung, eine gute Verfassung. Ich bin sicher, dass sie uns alle auch künftig leiten wird - im Geiste der Traditionen von Recht, Toleranz und Solidarität in der Mark Brandenburg.
Vielen Dank!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Elbe-Kirchentag in Lenzen, 27. Mai 2022
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Woidke,
sehr geehrter Herr Minister a.D. Prof. Dr. Töpfer,
sehr geehrter Herr Präses der Landessynode Geywitz,
sehr geehrte Mitglieder des Kirchenkreises Prignitz und des BUND,
sehr geehrte Abgeordnete und Gäste,
liebe Lenzener und Lenzenerinnen!
Ein Kirchentag an einem großen Fluss – das ist eine schöne, sehr passende Idee.
„Alles fließt“, der ewige Wandel bei Heraklit, aktuell nur allzu gut zu verstehen, Panta Rhei wie die DDR-Rockband.
Wasser, Meere und gerade Flüsse sind durch Jahrtausende hinweg Sinnbild für Natur und Leben, das Gegenteil menschengemachter Grenzbefestigungen.
Am heutigen Nachmittag erinnerten Ministerpräsident Woidke, die Landesbeauftragte Dr. Maria Nooke und ich an eine undurchdringliche Grenze
zwischen DDR und Bundesrepublik.
Sie trennte Menschen und riss Familien auseinander, ermöglichte nicht den Weg zur Arbeit auf der anderen Seite der Elbe, Besuche und Urlaub auch nicht. Vollkommen unverständlich liest sich heute die vom DDR-Ministerrat am 26. Mai 1952 beschlossene „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands“, offiziell zur „Festigung“ der innerdeutschen Grenze.
Die eigene Bevölkerung einsperren und von außen nur noch Einreisepassierscheinbesitzer mit Uhrzeit zur Rückreise reinlassen, zwangsumsiedeln und bespitzeln.
Und überhaupt, irgendjemand musste doch die Grenzbefestigung anbringen, Sperrzone, Schutzstreifen, Stacheldraht, Todesstreifen,
Hunde abrichten. Darüber nachdenken heißt auch verstehen, warum Widerstand innerhalb Russlands gerade schwer ist.
Die ganze Welt kennt die Berliner Mauer und weiß von ihrem Fall, den mutige Bürgerinnen und Bürger der DDR bewirken konnten. Die Grenzschließung dagegen, die dem Mauerbau um mehr als neun Jahre vorausging, ist selten Thema.
Die Elbe trennte damals auf diesem Abschnitt die Menschen, das Land, Europa. Dabei haben Flüsse doch etwas Verbindendes: Sie sind von alters her Transportweg, Nahrungsquelle, Lebensader ganzer Regionen und Kontinente.
Deshalb finde ich auch die Idee so wundervoll bestechend, die ehemalige innerdeutsche Grenze zu einem „grünen Band“ zu erklären.
Entlang der Elbe und in anderen Regionen – an der Ostsee, im Harz und im Thüringer Wald, zwischen Fichtel- und Erzgebirge – sind Naturräume entstanden, weil der Mensch längere Zeit weg war.
Aus dem Eisernen Vorhang erwuchs ein lebendiger Grünstreifen. Das bringt die Hunderte Toten des Grenzregimes nicht zurück, schafft kein Leid an dieser Demarkationslinie aus der Welt.
Wenn jetzt aus dem grünen Band ein Nationales Naturmonument wird, entsteht vielfältiger Nutzen für Pflanzen und Tiere, die sich auf dem Grenzstreifen angesiedelt haben. Eine intakte Natur mit Artenvielfalt hilft auch dem Menschen.
Ebenso wichtig ist eine Vielfalt anderer Art: Die der Meinungen, der Auffassungen, der Lebenswege und persönlichen Geschichten.
Das Sprechen über die Grenze kann uns helfen, das früher (oder noch immer?) Trennende zu benennen und es so zu überwinden.
Das gilt nicht allein mit Blick auf die deutsche Teilung und Einheit:
Wir müssen uns stärker bemühen, Zuzuhören, andere Ansichten auszuhalten, Unterschiede anzusprechen, Probleme auszusprechen und dabei die Brandenburgische Toleranz zu üben. Denn wir brauchen viele Lösungen – zu Fragen von Krieg und Frieden, in einer Pandemie und über allem ein existenzieller Klimanotstand.
Die vergangenen beiden Jahre waren schwierig, auch Tummelplatz der Rechthaber und Alleswisser. Sicherheit als Richtschnur, nicht Menschlichkeit. Die meisten Menschen waren und sind durch die Mehrfach-Krise überfordert.
Wie sagte Goethe im „Zauberlehrling“:
„Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.“
Da haben wir wieder den Fluss, diesmal als Synonym für Gefahr, für drohenden Untergang. Manchmal scheint mir, es gebe zu viele Zauberlehrlinge – Goethe wusste, dass der alte Hexenmeister nur eine Figur der Dichtung sein konnte.
Wir müssen selbst verändern.
Mit Orientierung fängt es an.
Heraklit sagte auch: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“
Wir sind nicht gezwungen, Fehler zu wiederholen; der Mensch ist lernfähig, auch wenn manchmal Zweifel daran aufkommen mögen.
Über Grenzen werden Sie sprechen, über einen furchtbaren Angriffskrieg und die Notwendigkeit, j e t z t für Einhalt zu sorgen, „damit nie eine Mutter mehr ihren Sohn beweint“ – das stand auf meinem selbstbeschriebenen Pappschild bei einer Schwerter-zu-Pflugscharen-Demo in Leipzig. Ich habe einen Sohn.
Aber Sie werden bitte auch sprechen über den Vier-Länder-Grenzradweg, der auf 195 km Länge die Region am Grünen Band zwischen Elbe und der Hansestadt Salzwedel erschließt, fortsetzbar, nach Polen, in die Ukraine.
Ich wünsche allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieses Kirchentages offene Ohren, gute Gespräche, neue Einsichten
und den Mut, alte Gewissheiten zu prüfen.
Vielen Dank!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Internationaler Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie, 17. Mai 2022, 12 Uhr
Begrüßung Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke zum Hissen der Regenbogenflagge
im Innenhof des Landtages
Teilnehmende:
- Ministerin Soziales, Gesundheit, Integration + Verbraucherschutz Frau Nonnemacher
- gleichstellungspolitische Sprecherin des Landtages (BVB/FW) Frau Wernicke
- Leiter der Landeskoordinierungsstelle Queeres Brandenburg Herr Witschak
- Geschäftsleiter des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin Brandenburg Herr Schreiber
- Andersartig e.V. Frau Bochert-Apfelbacher und Herr Bergmann
- Marco Klingberg, Ansprechpartner für LSBTI im Polizeipräsidium
Sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Frau Ministerin Nonnemacher,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der queeren Community,
sehr geehrte Damen, Herren und Diverse,
ich freue mich, dass wir heute ein weiteres Mal im Innenhof des Landtags zusammengekommen sind, um die Regenbogen-Flagge zu hissen. Wir setzen damit gemeinsam wie jedes Jahr ein Zeichen gegen Feindschaft und Aggression gegenüber homo-, trans- und bisexuellen Menschen.
Begrüßen können wir heute auch Herrn Marco Klingberg. Er ist Polizeioberkommissar und arbeitet im Polizeipräsidium im Bereich Extremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Herr Klingberg ist dort Ansprechpartner für lesbische, schwule, bi-, trans- oder intersexuelle Menschen – in der Brandenburger Polizei oder für Externe beim Kontakt mit dieser. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!
In Ihrer Arbeit geht es um Beratung, Sensibilisierung, Prävention – wichtige Aufgaben. Die Ziele sind Gleichstellung, der Kampf gegen Mobbing und der Opferschutz. Ich freue mich, dass die Polizei in Brandenburg seit dem vorigen Jahr eine solche Stelle eingerichtet hat, und wünsche Ihnen und den Kollegen viel Erfolg bei dieser Tätigkeit.
Es ist beschämend und inakzeptabel, wenn Menschen aufgrund ihrer Lebensweise, ihres Aussehens oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt, verhöhnt und ausgegrenzt werden. Ebenso unerträglich ist es, wenn sie aus denselben Gründen gewalttätig angegriffen werden, wie es leider auch in Brandenburg noch zu häufig vorkommt.
Überdies ist die Dunkelziffer bei solchen Attacken hoch. Leider fällt die Anzeigebereitschaft der Queer-Community eher niedrig aus. Das gleiche Phänomen verzeichnen übrigens auch andere Bundesländer.
Zu den Gründen hat eine Online-Umfrage des Sozialministeriums Brandenburg vor wenigen Jahren Hinweise ergeben:
Scham und fehlende Informationen spielen eine Rolle – ebenso wie das Gefühl, bei Strafanzeigen auf sich allein gestellt zu sein. Das betrifft insbesondere Trans*-Sexuelle, die noch häufiger als Schwule, Lesben oder Bisexuelle bei der Befragung sagten, Gewalt und Übergriffe erlebt zu haben.
Straftaten im Zusammenhang mit sexueller Orientierung des Opfers gelten als politisch motiviert – und das ist gut so: Gewalt und Diskriminierung sind ein gesellschaftliches Problem und ein Thema für die Politik.
Auch aus diesem Grund hissen wir heute hier im Landtag Brandenburg die Regenbogenflagge als Symbol für Toleranz, Akzeptanz und Vielfalt.
Wir stehen gemeinsam ein gegen Homo-, Bi- und Trans*phobie!
In vielen Ländern der Welt gelten gleichgeschlechtliche Beziehungen leider noch immer als Straftatbestand. Menschen werden verhaftet und kriminalisiert, nur, weil sie anders oder andere lieben, als der Gesetzgeber das festgelegt hat.
Auch dagegen wenden wir uns an diesem Internationalen Tag der Mahnung.
Wir setzen gemeinsam wie jedes Jahr ein Zeichen gegen Feindschaft und Aggression, die sich gegen homo-, trans- und bisexuellen Menschen richtet.
Begrüßen können wir heute auch Herrn Marco Klingberg. Er ist Polizeioberkommissar und arbeitet im Polizeipräsidium im Bereich Extremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.
Herr Klingberg ist dort Ansprechpartner für lesbische, schwule, bi-, trans- oder intersexuelle Menschen – in der Brandenburger Polizei oder für Externe beim Kontakt mit der Polizei.
Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!
In Ihrer Arbeit geht es um Beratung, Sensibilisierung, Prävention – wichtige Aufgaben. Die Ziele sind Gleichstellung, der Kampf gegen Mobbing und der Opferschutz.
Ich freue mich, dass die Polizei in Brandenburg seit dem vorigen Jahr eine solche Stelle eingerichtet hat, und wünsche Ihnen und den Kollegen viel Erfolg bei dieser Tätigkeit.
Heute am 17. Mai ergeht ein Aufruf an die ganze Welt und an jeden einzelnen Menschen, bei Homophobie nicht wegzuschauen. Die Menschenrechte sind unabhängig von kulturellen Traditionen, sie müssen es sein. Sie sind unteilbar und gelten weltweit!
Mit der Regenbogen-Flagge setzen wir heute ein Zeichen für Lebensfreude, Diversität und Mut. Doch weist dieser Tag über seinen eigentlichen Anlass hinaus:
Wir wollen eine Gesellschaft, in der Unterschiede kein Problem darstellen und keinen Vorwand für Konflikte liefern – sondern eine Gelegenheit sind zum produktiven Austausch, zur Wahrnehmung verschiedener Perspektiven, zur Erweiterung des eigenen Horizonts.
Ich bin zuversichtlich: Mit Beharrlichkeit und Solidarität schaffen wir es, diese Sichtweise und mehr Toleranz zu verbreiten. Die Politik kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten – in Brandenburg ist sie dazu gerne bereit.
Vielen Dank!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Seminarveranstaltung „30 Jahre Verfassung Brandenburg“ am 12. Mai 2022
Grußwort Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrter Herr Präsident Möller,
sehr geehrter Herr Dr. Strauß,
sehr geehrte Professoren Schmidt und Haack,
liebe Studentinnen und Studenten,
vielen Dank für die Gelegenheit, kurz zu Ihnen zu sprechen. Es ist mir eine besondere Freude, weil der Anlass erfreulich ist:
Vor 30 Jahren, am 14. April 1992, hat der Landtag Brandenburg die Verfassung verabschiedet. Seither hat sie unser Land durch allerlei Stürme und unruhige Zeiten nicht nur begleitet, sondern getragen.
Es ist daher sehr zu begrüßen, dass das Verfassungsgericht und die beiden Hochschulen des Landes mit juristischer Fakultät, die Viadrina in Frankfurt an der Oder und die Universität Potsdam, das Jubiläum mit dieser Veranstaltung begehen.
Ein kritisch-konstruktiver Blick auf die Verfassung lohnt immer. Das gilt zumal in Zeiten, in denen so intensiv wie lange nicht über Grund- und Freiheitsrechte, über das Verhältnis zwischen dem Staat, seinen Institutionen und den Bürgerinnen und Bürgern geredet wird.
In solchen Situationen, in denen viele Nerven angespannt sind und die Emotionen bei manchen hochgehen, braucht es vor allem Ruhe und Klarheit. Das galt und gilt für den Umgang mit der Corona-Pandemie, und das gilt ebenso für den Krieg in der Ukraine, der auch für uns Folgen hat und uns schwierige Entscheidungen abverlangt.
Bei solchen Abwägungen, beim Suchen nach dem richtigen Weg in Krisen kann die Verfassung helfen – weil sie grundlegende Orientierung gibt. Das ist wichtig, gerade wenn viele Gewissheiten und Werte plötzlich in Frage stehen, wenn Gesetze und Verordnungen als Reaktion auf eine akute Krise in rascher Folge wechseln.
Die Brandenburger Verfassung ist selbst entstanden aus dem Geist einer unruhigen und zugleich hoffnungsvollen Zeit. Mein Vorgänger als Landtagspräsident, Gunter Fritsch, hat in der Festschrift zu ihrem 20. Jubiläum darauf hingewiesen:
„Sie trägt wie keine andere die Handschrift des Runden Tisches“, schrieb er über die Landesverfassung.
Nach 1989 war der Landtag Brandenburg das erste ostdeutsche Parlament überhaupt, das eine Verfassung verabschiedete. Darauf können wir stolz sein.
Dass sie die Erfahrungen der Runden Tische aufnahm, die in der Wendezeit den Wandel zur Demokratie ermöglichten, hatte und hat gewichtige Folgen: Unsere Verfassung ist ein sehr bürgernahes, ja menschenfreundliches Rechtswerk.
Mit einzelnen Aspekten werden Sie sich im Rahmen des heutigen Seminars eingehend befassen; dem möchte ich nicht vorgreifen.
Auf zwei Besonderheiten aber möchte ich dennoch hinweisen:
Im Mittelpunkt der Verfassung steht – gleichberechtigt neben den politischen und sozialen Grundrechten aller Einzelnen – das Ziel des friedlichen Miteinander. Nicht allein in Brandenburg, sondern in Deutschland und Europa, mit den polnischen Nachbarn und mit gesellschaftlichen Minderheiten.
Das sind schöne, zukunftsweisende Leitlinien für unser Gemeinwesen. Und sie sind durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine noch wichtiger geworden. Dieser Krieg muss und wird beendet werden, hoffentlich möglichst bald. Dann wird es unsere Aufgabe bleiben, das Miteinander in Europa friedlich zu gestalten.
Zudem ist hervorzuheben, was die Präambel gleich im ersten Satz unterstreicht:
„Wir, die Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg, haben uns in freier Entscheidung diese Verfassung gegeben.“
Sie ist nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger da, sie kommt von ihnen:
Beim Volksentscheid im Juni 1992 stimmten mehr als 94 Prozent der Bürgerinnen und Bürger dem Text zu. Auch das macht unsere Verfassung zu etwas Besonderem in Deutschland.
Dieses Besondere gilt es zu bewahren; und dazu leistet das Verfassungsgericht des Landes einen wesentlichen Beitrag. Sie, die Richterinnen und Richter, schlichten Konflikte und treffen weitreichende Entscheidungen.
Sie können das tun, weil die Verfassung eine verlässliche Grundlage dafür bietet. Und auch, weil das Verfassungsgericht selbst mit seinem Anteil an Nicht-Juristen den Geist der Teilhabe und der Mitgestaltung widerspiegelt, aus dem die Verfassung entstanden ist.
Diskussionen zwischen Profi- und Laien-Richtern sind, so vermute ich, nicht immer einfach – aber sicherlich befruchtend und eine gute Gewähr dafür, auch in den Entscheidungen des höchsten Gerichts bürgernah und menschenfreundlich zu bleiben.
Der Landtag seinerseits versucht, einen Beitrag zum Bewahren der Verfassung und ihres Geistes zu leisten: Indem er sie behutsam anpasst, wenn es nötig ist.
Eine so lebensbejahende Verfassung wie die Brandenburger lebt auch durch diese vorsichtige Veränderung im Laufe der Zeit. (nicht nach dem Zeitgeist, wohlgemerkt!)
Ich wünsche Ihnen allen eine anregende Veranstaltung – und unserem Land, dass die Verfassung und das Verfassungsgericht seine Entwicklung weiterhin gut und verlässlich begleiten und befördern mögen.
Vielen Dank!
- Es gilt das gesprochene Wort-
1. Parlament der Dörfer Brandenburg -
Grußwort von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke (Schirmfrau) am 11.05.2022
Anrede,
was lange währt, wird gut – und auf dieses erste Treffen zum Parlament der Dörfer in Brandenburg mussten wir alle wegen der Corona-Pandemie wirklich lange warten.
Dennoch: Im vergangenen Jahr gab es einen sehr gelungenen Auftakt, der mich stark beeindruckt hat: Nicht allein, dass sehr viele Menschen aus den Dörfern zusammengekommen sind, sondern auch das Niveau der Veranstaltung mit externen Vorträgen und Panel-Diskussionen fand ich außerordentlich ernsthaft und spannend.
Nun darf ich Sie hier als Schirmfrau begrüßen, alle Teilnehmerinnen und Interessierten in der Heimvolkshochschule Seddin. Wir sind hier in einer der Bildungsstätten im ländlichen Raum Brandenburgs, dafür ein großer Dank an die Verantwortlichen in Seddin.
Im ländlichen Raum sind wir mitten im Thema:
Wie lassen sich die Belange und Interessen der Menschen, die auf dem Land in kleinen Gemeinden leben, besser artikulieren und einbringen?
Wie ist zu erreichen, dass keine Region, kein Ort abgehängt wird – und dass auch niemand dort es so empfindet?
Letztlich geht es um politische Teilhabe, und die ist mir als Präsidentin des Landtages UND als Kommunalpolitikerin ein besonderes Anliegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
die Dörfer sind der Ursprungsort jeder Gemeinschaft.
Hier müssen Meinungsverschiedenheiten oder widerstreitende Interessen direkt verhandelt werden, hier geht es um pragmatische Lösungen, mit denen alle Beteiligten leben können.
Auch deshalb tun die Verantwortlichen auf anderen Ebenen – Amt, Kreis, Land, Bund – gut daran, die Anliegen der Dörfer ernst zu nehmen.
Wichtig ist tatsächlich ein Dialog auf Augenhöhe – und das ist das Ziel beim Parlament der Dörfer. Brandenburg ist hierbei ein bundesweiter Vorreiter.
Die Themen sind vielfältig:
- Der demografische Wandel hat über Jahre gerade dem ländlichen Raum zu schaffen gemacht. Prognosen sehen nach wie vor einen Rückgang der Bevölkerung, auch wenn es wohl langsamer geht als früher angenommen und von Ort zu Ort verschieden.
Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes von 2018 wird der „Speckgürtel“ bis 2030 um 8,7 Prozent wachsen, der Berlin-ferne Raum um 8,3 Prozent schrumpfen.
Nur für 38 von rund 300 Gemeinden wird Zuwachs prognostiziert, für 71 Rückgang um mindestens 15 Prozent (Landesamt für Bauen und Verkehr 2018)
- Der Anteil älterer Menschen wird weiter zunehmen, weil die Lebenserwartung gestiegen ist und weniger Kinder geboren werden. Das schafft neue Aufgaben: für den öffentlichen Nahverkehr, die Versorgung mit Ärzten und Pflegediensten, mit Heimen und Treffpunkten für Seniorinnen und Senioren.
- Dabei müssen wir darauf achten, dass die Jüngeren nicht aus dem Blick geraten – denn sie sind wichtig für das Leben auf dem Land.
Sie brauchen ebenfalls Treffpunkte, dazu Kitas, Schulen, Sporthallen und –plätze, Mobilitätsangebote.
- Die wirtschaftlichen Grundlagen des Dorflebens ändern sich, zur Landwirtschaft kommen Dienstleistungen – und über allem schwebt die Aufgabe Digitalisierung. Nötig sind mehr und neuartige Arbeitsplätze mit ordentlicher Bezahlung – und natürlich Möglichkeiten, vor Ort einzukaufen.
Sie selbst wissen, was zu tun ist – und haben viele Ideen, um es anzupacken.
Die Dorfbewegung in Brandenburg als „starke Stimme für die Dörfer“ setzt auf Vernetzung, Austausch, Weiterbildung, Sensibilisierung und Unterstützung für ehrenamtliches Engagement. Diese Dorfbewegung gibt es auch in Europa: 150.000 lokale und regionale Gebietskörperschaften der 46 Mitgliedsstaaten des Europarates treffen sich im „Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates“ (KGRE) regelmäßig auf europäischer Ebene.
Ich darf Ihnen etwas mitteilen, das noch ganz frisch ist und noch gar nicht in Pressemitteilungen steht: Der Monitoring-Ausschuss, der für die Demokratie in der Dorfbewegung zuständig ist, wird 2023 in Potsdam tagen. Nach der diesjährigen Tagung in Istanbul wird also Potsdam der nächste Austragungsort eines Ausschusses des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas sein. Die erste Sitzung dieses Kongresses fand 1957 statt, um die Aufmerksamkeit auf den ländlichen Raum und seine Menschen zu richten. Der Monitoring-Ausschuss befasst sich nun genau mit dem Thema, das uns auch beschäftigt – der Weg aus dem Dorf über die Stadt oder Gemeinde in den Kreistag, den Landtag, den Bundestag und möglicherweise sogar in das Europäische Parlament. Besondere Beachtung kommt dabei natürlich der Selbstverwaltung der Dörfer zu, der Identität der Dörfer, den Dörfern als Keimzelle der Demokratie.
Und von einem anderen Termin möchte ich Ihnen auch noch berichten: In den nächsten Tagen wird mich die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Landtag Brandenburg besuchen. Sie denkt über Bürgerräte nach, ein Modell, das auch die Beteiligung der Bürger zum Ziel hat. Per Zufallsprinzip ermittelte Bürgerinnen und Bürger werden ausgewählt, sich zu ausgewählten und vom Parlament vorgegebenen Fragen zu verhalten. Somit beraten Bürgerräte im wahrsten Sinne des Wortes ihr Parlament und können unterschiedliche Sichtweisen aus der Gesellschaft einbringen.
Parlament der Dörfer, Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, Jugendparlamente, meine Veranstaltungen im Landtag mit den ehrenamtlichen Ortsvorstehern und Stadtverordneten – Sie wissen schon, wie die Kritik dazu lautet: Das brauchen wir doch alles gar nicht! Wir haben doch ein Parlament! Nein, das sehe ich ganz anders! Das Parlament besteht ganz unzweifelhaft aus Menschen, die gewählt worden sind, die das Vertrauen sehr vieler Bürgerinnen und Bürger erwerben konnten und nun im Landtag oder in einem entsprechenden anderen Parlament professionell arbeiten. Alle Räte beraten, sind entweder freiwillig zusammen gekommen wie das Parlament der Dörfer oder werden per Zufallsprinzip ausgewählt. Das ist etwas ganz anderes und sehr Wertvolles. Gäbe es das Parlament der Dörfer nicht, müsste der Abgeordnete von Dorf zu Dorf laufen, um sich alle Probleme anzuhören. Aber es gibt das Parlament der Dörfer, dass Sie alle vereint und uns somit Gelegenheit gibt, alle Ihre Perspektiven wahrzunehmen und in das parlamentarische Geschehen einzubringen. Dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen, möchte Sie zutiefst bestärken in Ihrem Anliegen und bin gern die Schirmfrau des Parlaments der Dörfer in Brandenburg.
An dieser Stelle möchte ich Herrn Bürgermeister Schütz und allen Verantwortlichen im Oderbruch gratulieren: Sie haben es geschafft, das Europäische Kulturerbe-Siegel für das Oderbruch zu erhalten. Das ist eine große Anerkennung, ein wunderbares Zeichen – und der Lohn für Ihren Einsatz in enger Zusammenarbeit.
Ich habe großen Respekt vor allen, die sich in ihrer Freizeit engagieren für die Nachbarn, für den Zusammenhalt, für die Zukunft ihrer Gemeinde und Region, mit einem Wort: für ihre Heimat im Herzen Europas.
Und ich helfe gerne dabei, den Dialog auf Augenhöhe mit politischen Entscheidungsträgern und Fachleuten zu fördern.
Es werden sicherlich spannende, anregende Diskussion, auf die ich mich sehr freue.
Vielen Dank!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Annahme des Tätigkeitsberichts Datenschutz 2021 – 9. Mai 2022, 11.15 Uhr
Begrüßung/Dank Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
(Hinweis: nach Übergabe des Berichts in der Lobby PK der LDA in E.060 ohne LTP)
Liebe Frau Hartge,
vielen Dank für diesen Bericht. Er enthält wertvolle Hinweise für Behörden und die öffentliche Verwaltung, aber auch für private Unternehmen. Diese Hinweise und auch mögliche Maßnahmen bei Verstößen gegen Datenschutzvorschriften verstehe ich als konstruktive Kritik – im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die einen Anspruch auf sorgsamen Umgang mit ihren persönlichen Daten haben.
Der Datenschutz ist in den Jahren der Corona-Pandemie immer wieder zum Thema geworden. Tatsächlich gab und gibt es ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Menschen vor einer tödlichen Seuche und dem Schutz ihrer Privatsphäre.
Dass hier eine vernünftige Balance gefunden wurde, dazu haben auch Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Datenschutzbehörden maßgeblich beigetragen. Informationen sind wichtig im Kampf gegen Corona und andere Krankheiten – nur rechtfertigt das keinesfalls Willkür im Umgang mit sensiblen persönlichen Informationen. Datenschutz ist kein Luxus.
Darauf wird auch in den kommenden Jahren zu achten sein, wenn es etwa um Gesundheitsdaten oder Meldepflichten geht – und ich weiß, dass Sie genau darauf achten werden, liebe Frau Hartge.
Für Ihre weitere Arbeit wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Gedenkveranstaltung Kriegsende/Befreiung 1945, 8. Mai 2022
Begrüßung/Einleitung Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Teilnehmende u.a.:
- Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke
- Botschafter S.E. Andrij Dr. Melnyk
- Prof. Dr. Kerstin Susanne Jobst
- Mitglieder Landtag und Landesregierung
- Vertreter von Landesbehörden, Landeshauptstadt Potsdam, Städte- und Gemeindebund, Bundeswehr-
Landeskommando u.a.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dietmar Woidke,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich begrüßen möchte ich den Botschafter der Ukraine, Seine Exzellenz Herr Andrijs Melnyk. Sie haben
uns schon häufiger hier im Landtag beehrt, wir sprachen über Schüler- und Kulturaustausch. Ich bin froh, dass
Sie heute hier sprechen möchten, nach Ihrer französischen Amtskollegin im vergangenen Jahr. Denn unser
Dialog, das Gespräch zwischen Ukrainern und Deutschen, ist gerade jetzt – während eines eskalierenden
Angriffskrieges auf Ihr Land – ganz wichtig, selbst dann, wenn wir möglicherweise nicht bei allen Themen
einer Meinung sein sollten.
Gern begrüße ich Frau Professorin Kerstin Susanne Jobst, die als Historikerin an der Universität Wien zu
„Gesellschaften und Kulturen der Erinnerung im östlichen Europa“ forscht; wir dürfen gespannt sein auf ihre
Einordnung mit dem „Blick von außen.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
am 8. Mai gedenken wir aller Opfer des 2. Weltkrieges mit einem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus.
Endlich endete das Völkermorden, Städte lagen in Trümmern, Väter und Söhne fehlten in den Familien – und
das nicht nur in Deutschland. Noch in den letzten Tagen dieses schrecklichen Krieges starben auf
Brandenburger Boden Soldaten der Roten Armee, viele aus der Ukraine, aus Russland, aus Belorussland.
Zahlreiche Kriegsgräberstätten erinnern daran.
Wir sind auch noch nach 77 Jahren und weit darüber hinaus zu tiefem Dank verpflichtet. Gerade deshalb
schmerzt uns Deutsche und Europäer der russische Angriffskrieg auf die Ukraine so sehr: Weil Russen, deren
Urgroßväter zu den Befreiern gehörten, in brutaler Weise ein Volk überfallen haben, das selbst zu unseren
Befreiern vom Nationalsozialismus zählte.
Ein militärischer Angriff ist niemals gerechtfertigt, für den Bruch des Völkerrechts gibt es keine
Rechtfertigung. Die russische Führung ignoriert ihr eigenes Grundgesetz, sie ignoriert die europäische
Friedensordnung und versucht, sie zu sprengen. Sie belügt die eigene Bevölkerung und bürdet ihr schwere
Lasten auf, erbarmungslos, womöglich für sehr lange Zeit. Sie bedroht und zerstört das Leben der
Ukrainerinnen und Ukrainer, ebenso wie das der russischen Soldaten – auch sie meist junge Menschen, oft
fehlinformiert.
Hier fehlt Aufklärung – sie gehört zu Demokratien, nicht zu Diktaturen. „Die Würde des Menschen ist
unantastbar“, wie wichtig ist doch dieser erste Satz unseres demokratischen Grundgesetzes.
Unsere Werte sind erschüttert worden:
- Du sollst nicht töten,
- Frieden schaffen ohne Waffen,
- für Schwerter zu Pflugscharen war ich in Leipzig auf der Straße.
Die Verheißung des Völkerfriedens.
Nie wieder Krieg, das haben wir gelernt, gelebt und geglaubt.
Normalzustand Frieden, als ob es keine Kriege auf der Welt gegeben hätte.
In einer Zeit, in der die Welt gerade viele Probleme gemeinsam zu lösen hätte, fallen wir zurück in
Verhaltensmuster aus der Gewalt-Geschichte. Männer kämpfen, Frauen fliehen, Waffen werden geliefert,
neue Gräber ausgehoben, Sterben für die Nation, die Nachrichtensprache rüstet auf. Wir sollten endlich
aufhören, im Zusammenhang mit dem Krieg von Ruhm, Ehre und Heldenmut zu reden. Das hat mit der
brutalen, schmutzigen Wirklichkeit nichts zu tun.
Klar ist zugleich: Pazifismus muss man sich leisten können.
Wer im Frieden lebt, braucht keinen großen Mut, um Pazifist zu sein.
Der russische Angriff vom 24. Februar richtet sich nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen die Werte des
Völkerrechts, des modernen Europa, der internationalen Gemeinschaft, der Zivilgesellschaft insgesamt –
letztlich gegen die Werte der Demokratie. Wir können die Ukraine und diese Werte nur gemeinsam
verteidigen und schützen, mit Besonnenheit, Vernunft und Geschlossenheit.
Der Bundeskanzler hat es formuliert: „Die Friedensordnung in Europa baut darauf auf, dass Grenzen nicht
verändert werden und staatliche Souveränität zu achten ist.“ Olaf Scholz neigt nicht zu verbalen oder
politischen Eskapaden, und das finden viele Brandenburgerinnen und Brandenburger gerade gut.
Bei aller Empörung und Betroffenheit, bei allem Willen zum sofortigen Handeln brauchen wir einen klaren
Kopf und müssen uns auf das Wichtige, das Zielführende, das wirklich Hilfreiche konzentrieren.
Was ist zu tun –
einfache Antworten gibt es nicht, Schwarz-Weiß-Denken lässt die Vielfalt an Möglichkeiten außer Acht. Und
bitte – der Dialog kann nicht auf Twitter stattfinden.
Vorrang hat die Unterstützung der Menschen in der Ukraine, ihr Schutz, humanitäre Hilfe, der Wiederaufbau
zerstörter Städte und die sichere Zukunft der Ukraine in europäischen Strukturen. Nicht zuletzt gilt es, die
Friedensordnung in Europa auf feste Füße zu stellen. Dazu müssen wir auch, so kompliziert das sein wird,
einen Umgang mit Russland finden. Es hilft nicht, vor dieser Aufgabe die Augen zu verschließen.
Wir brauchen Ausstiegsszenarien, über die militärische Verteidigung hinaus. Kriege werden nicht gewonnen,
sie müssen beendet werden. „Friede muss fortwährend gestiftet werden“, sagt der Philosoph Kant. Ich denke,
wir waren nachlässig im Umgang mit dem hohen Gut des Friedens, zu unentschlossen, wer zu Europa gehört
und zu uninteressiert an den Problemen osteuropäischer Länder.
Dennoch: Europäische Integration, KSZE, OSZE, Europarat, Abrüstungsvereinbarungen, multilaterale Verträge,
Vereinte Nationen – das alles ist nicht auf einmal hinfällig oder wertlos. Im Gegenteil: Gerade wegen des
Geschehens in der Ukraine bleibt eine Politik für den Frieden in und für Europa lebensnotwendig – auch in
Zukunft. 77 Jahre weitgehend friedlicher Entwicklung in Europa sind nicht von selbst gekommen. Sie waren
das Ergebnis vielfältiger Anstrengungen, und die deutschen Regierungen hatten daran maßgeblichen Anteil. Ich wünsche mir, dass die Menschen auch in Russland auf die Straße gehen, die Studenten und alle, die
diesen Krieg nicht wollen, die auch ein jahrzehntelanges Wettrüsten nicht wollen. Es müssen viele sein, so
dass Verhaftungen nicht mehr möglich sind. Wir im Osten wissen, dass Demokratie errungen werden kann.
Nur durch Demokratie wird langfristige Stabilität zu erreichen sein – auch in Russland und denjenigen
Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die demokratische Strukturen bisher nicht kennengelernt haben.
Olena Selenska sagte kürzlich: "Das Wichtigste ist, sich nicht an den Krieg zu gewöhnen". Wir werden es nicht
tun, versprochen.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Zukunftstag im Landtag, 28. April 2022 (20. Jubiläum!)
Grußwort Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Liebe Schülerinnen und Schüler,
herzlich willkommen zum Zukunftstag im Landtag Brandenburg!
In diesem Jahr können wir Euch endlich wieder persönlich begrüßen, live und in Farbe. Ich bin darüber sehr froh, weil es doch etwas Anderes ist als online wie im vergangenen Jahr.
Schließlich seid Ihr gekommen, um selbst und unmittelbar zu erleben, wie es so zugeht in einem Landesparlament und ob es hier für Euch interessante berufliche Perspektiven geben könnte. Im Landtag arbeiten ja nicht nur Politikerinnen und Politiker als Abgeordnete, das wisst Ihr.
Es gibt jede Menge Tätigkeiten, die mit Politik nur mittelbar zu tun haben:
- die Referentinnen und Referenten der Ausschüsse sind alle Fachleute auf ihrem jeweiligen Gebiet, von Verkehr über Bildung bis zur Landwirtschaft;
- eine Verwaltung braucht immer Fachkräfte, die ihr Handwerk verstehen – ob das Computer sind, Personalangelegenheiten oder das Mitschreiben von Sitzungen im Stenogramm;
- und ein großes Gebäude wie der Landtag muss natürlich auch gut organisiert und gepflegt werden: Deshalb gibt es Verantwortliche für die Haustechnik, für die Tonanlage hier im Plenarsaal oder für notwendige Reparaturen.
Ihr seht: Der Landtag bietet Euch viele Möglichkeiten, in verschiedene Berufe hineinzuschnuppern, in denen junge Frauen ebenso wie Männer dringend gebraucht werden. Der Zukunftstag ist eine tolle Gelegenheit dazu.
Bei dem geplanten Rollenspiel könnt ihr nebenbei auch erfahren und üben, wie im Parlament Abstimmungen laufen oder Gesetze entstehen.
Otto von Bismarck, der Reichskanzler zu Kaiserzeiten, soll zwar gesagt haben:
„Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie!“
Aber das ist erstens kein verbürgtes Zitat, und außerdem verzerrt es die Dinge:
Gesetze müssen nun einmal sein, so wie Regeln beim Sport oder im Straßenverkehr. Und gemacht werden sie nach offenen Debatten hier im Landtag, im Plenum und in den Ausschüssen. Daran ist nichts Geheimnisvolles, das kann ich Euch versichern.
Ein Tipp von mir für diesen Tag:
Fragt, so viel Ihr könnt! Seid neugierig und habt keine Scheu, die Teamer und die Beschäftigten zu löchern, wenn Euch etwas interessiert oder unklar ist. Alle werden Euch gerne Auskunft geben und weiterhelfen.
Denn wir alle wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig eine fundierte Berufs- und Studienorientierung ist. Das gilt erst recht heute, denn Ihr werdet nach dem Schulabschluss so viele Möglichkeiten haben wie kaum eine Generation vor Euch. E wird eher die Qual der Wahl sein als ein Mangel an Alternativen. Umso wichtiger ist es, dass Ihr Euch gut informiert und überlegt, was Euren Neigungen und Fähigkeiten entspricht.
Eine kleine Bitte habe ich noch:
Wenn es Euch gefällt, freuen wir uns über Eure Kommentare, Bilder, Eindrücke in den sozialen Medien des Landtages. Auf unserem Instagram-Profil hatten wir übrigens eine kleine Serie von jungen Kolleginnen und Kollegen, die im Landtag an ganz unterschiedlichen Stellen arbeiten und sich vorstellen – auch da könnt Ihr gerne mal reinschauen.
Nun wünsche ich Euch einen schönen Tag,
viel Spaß und spannende Anregungen!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Ostermarsch Neuruppin, 17.4.2022
Menschen fliehen aus ihrer Heimat vor dem Krieg und müssen Angehörige zurücklassen.
Die Bilder von Toten, weinenden Kindern und kaputten Häusern sind nicht auszuhalten, die Realität nicht vorstellbar in Mariupol, Charkiw, Botscha, Odessa und zahllosen anderen Orten. Erlebnisse, die die Seele nicht aushalten kann.
Unsere Gedanken sind bei den ukrainischen Menschen zu Hause in der Ukraine, bei uns in Deutschland und in anderen Ländern. Ihnen gelten unsere Solidarität und unser Mitgefühl.
Liebe Mitstreiter,
Ein militärischer Angriff ist niemals gerechtfertigt,
für den Bruch des Völkerrechts gibt es keine Rechtfertigung.
Die russische Führung ignoriert ihr eigenes Grundgesetz, sie ignoriert die europäische Friedensordnung und versucht, sie zu sprengen. Sie belügt die eigene Bevölkerung und bürdet ihr schwere Lasten auf, womöglich für sehr lange Zeit. Sie bedroht und zerstört das Leben der Ukrainerinnen und Ukrainer, ebenso wie das der russischen Soldaten – auch sie meist junge Menschen, unschuldig, nicht selten fehlinformiert.
Deshalb wiederhole ich einen Appell, der bisher ungehört verhallt ist und dennoch immer wieder nötig:
Präsident Putin, beenden Sie unverzüglich diesen Angriffskrieg!
Ziehen Sie die Soldaten sofort zurück!
Lassen Sie ab von der Ukraine und ihren Menschen!
Und die Menschen in Russland fordere ich auf:
Glauben und folgen Sie nicht länger diesem Autokraten, der in Ihrem Namen Unheil über andere bringt!
Unsere Werte sind erschüttert worden:
- Du sollst nicht töten,
- Frieden schaffen ohne Waffen,
- für Schwerter zu Pflugscharen war ich in Leipzig auf der Straße.
Die Verheißung des Völkerfriedens.
Das Modell der Bronzeskulptur von Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch zum biblischen Motiv steht vor einer Zweigstelle der Tretjakow-Galerie für moderne Kunst in Moskau. Das Original des Heroen, der Schwerter umschmiedet zu Pflugscharen, schenkte die Sowjetunion 1959 der UNO.
Nie wieder Krieg, das haben wir gelernt gelebt und geglaubt.
Normalzustand Frieden, als ob es keine Kriege auf der Welt gegeben hätte. Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Syrien, Krim.
Aber: „Friede muss fortwährend gestiftet werden“, sagt der Philosoph Kant.
Ich denke, wir waren nachlässig im Umgang mit dem hohen Gut des Friedens, zu unentschlossen, wer zu Europa gehört und – besonders im Westen Deutschlands - zu uninteressiert an der Politik osteuropäischer Länder.
Das Recht auf Selbstverteidigung geht einher mit der Pflicht zum Beistand, notfalls militärisch. In einer Zeit, in der die Welt viele Probleme gemeinsam zu lösen hätte, fallen wir zurück in Verhaltensmuster aus der Gewalt-Geschichte. Männer kämpfen, Frauen fliehen, Waffen werden geliefert, neue Gräber ausgehoben, Sterben für die Nation, die Nachrichtensprache rüstet auf.
Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden.
Dialog, so schwer er auch sein mag, ist die einzige Alternative.
Augenmaß, Besonnenheit sind notwendig, zugleich müssen wir Haltung zeigen.
Der Bundeskanzler hat es formuliert: „Die Friedensordnung in Europa baut darauf auf, dass Grenzen nicht verändert werden und staatliche Souveränität zu achten ist.“
Was können wir tun?
Kunst und Kultur können Türen offenhalten.
Künstler melden sich mutig zu Wort, darunter Staatstänzerinnen und -tänzer des Marijnski-Theaters in St. Petersburg und des Bolschoi-Theaters in Moskau. Auch ihnen gilt unser Respekt!
Die Universität Potsdam berichtet von einer Protestresolution gegen den Krieg in der Ukraine, die über 7.000 russische Wissenschaftler unterzeichnet haben.
Ich wünsche mir, dass die Menschen auch in Russland auf die Straße gehen, die Studenten und alle, die diesen Krieg nicht wollen, die auch ein jahrzehntelanges Wettrüsten nicht wollen. Es müssen viele sein, so dass Verhaftungen nicht mehr möglich sind. Wir im Osten wissen, dass Demokratie errungen werden kann.
Verbale Abrüstung in den Medien wäre gut, Heldentum, Ruhm und Ehre scheinen mir aus der Zeit gefallen zu sein. Ich bewundere vielmehr den Mut und die unvorstellbare Energie der Ukrainer, die ihr demokratisches Land verteidigen.
Dabei sind sie nicht allein – die UN-Vollversammlung hat mit überwältigender Mehrheit den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt.
Die EU-Staaten einigten sich auf eine Richtlinie für den Schutzstatus Geflüchteter aus der Ukraine inklusive Finanzierung. Polen braucht europäische Unterstützung, weil das Land die Hauptlast an Schutzleistungen trägt.
Das Regierungskabinett bei uns in Brandenburg hat Regelungen für Unterbringung, Leistungsbezug, medizinische Versorgung und Verpflegung verabschiedet. Die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ist groß, Ehrenamtler sind rund um die Uhr im Einsatz,6 Züge am Tag kommen allein in Frankfurt (Oder) an.
Letzte Woche war ich dort, am Bahnhof und bei Vereinen für Flüchtlingshilfe. Ich erhielt eine lange Liste von Alltagsdingen, die gebraucht werden:
Hygiene- und Pflegeartikel
Kinderwagen, Laufräder, Kinderfahrräder
Neuwertige Saisonkleidung
Windeln
Spielzeug
Hilfsmittel für Behinderte (viele Kinder)
Hand- und Küchentücher
Schuhe
Tassen, Teller und Besteck
Töpfe und Pfannen
Haushaltsgeräte
Helfen Sie bitte, Leid zu lindern, spenden Sie!
Olena Selenska sagte kürzlich: "Das Wichtigste ist, sich nicht an den Krieg zu gewöhnen". Wir werden es nicht tun, versprochen.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Immatrikulationsfeier MHB 8.4.22 - Kulturkirche Neuruppin
Grußwort Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrte Ministerin Nonnemacher,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hans-Uwe Simon,
sehr geehrter Herr Professor Dr. Markus Deckert,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
und vor allem:
sehr geehrte Studierende und Familienmitglieder!
Stellen Sie sich vor, Sie hätten in der Ukraine studieren wollen.
In Kiew und in Odessa werden für junge Menschen aus anderen Ländern Medizin-Studienplätze angeboten. An der Medizinischen Universität Kiew kam vor kurzem ein Drittel aller eingeschriebenen Studierenden aus dem Ausland.
Der internationale Ruf der Ärzteausbildung in Kiew ist hervorragend. Sprachlich könnten Sie nur dazu lernen, digital müssten Sie einige Sätze nach vorn machen, menschlich könnten Sie sich auf Gastfreundschaft, gute Musik und ganz viel Liebenswürdigkeit freuen. Für Gäste kommt in der Ukraine alles auf den Tisch, die Woche danach interessiert niemanden. Und beim Essen und Trinken reden Sie über neue Medikamente, Therapien, Heilung.
Und dann ist Krieg, aus heiterem Himmel.
Es ist ein Gedankenspiel, aber nicht so weit von der Realität entfernt.
Indem wir uns selbst gedanklich in andere Räume oder Zeiten versetzen, entsteht Empathie: Wir können uns besser vorstellen, wie es anderen gehen mag.
Das ist wichtig in einer Situation wie der jetzigen, mit einem furchtbaren Krieg vor der Haustür und jeder Menge Ungewissheiten, Ängsten, Unsicherheiten im Bauch.
Gerade für Studierende der Psychologie und der Medizin gehört Empathie zum künftigen Beruf, trotz aller notwendigen Sachlichkeit, ja professionellen Distanz.
Liebe Studentinnen und Studenten,
Ich vermute, dass viele von Ihnen auch aus diesem Grund Ihr Fach gewählt haben:
Weil das Schicksal anderer Menschen Sie berührt, weil Sie helfen möchten.
Das erfordert neben Einfühlungsvermögen auch Mut und Engagement.
Wir alle kennen die Bilder aus Charkiw und Kiew, aus Butscha und Mariupol.
Wir haben in den vergangenen zwei Jahren auch genügend Berichte von den Corona-Stationen hierzulande gesehen.
Es ist kein leichtes Studium und es sind fordernde Berufe, für die Sie sich entschieden haben. Und dennoch - oder eben deshalb - möchte ich Ihnen zu dieser Wahl gratulieren und Ihnen danken, dass Sie diesen Weg gehen möchten.
Ärztinnen und Ärzte werden immer gebraucht; selten ist uns das so vor Augen geführt worden wie in der Pandemie und jetzt wieder, in diesem Frühjahr.
Dasselbe gilt für Psychologinnen und Psychologen. Auch sie werden noch lange damit zu tun haben, die Auswirkungen von Corona und die des Krieges mitten in Europa zu bewältigen.
Ich wünsche Ihnen also, dass Sie sich Ihr Einfühlungsvermögen und Ihren Mut bewahren.
Denn „am Mute hängt der Erfolg“ – so hat Theodor Fontane es gesagt, der Namenspatron der Medizinischen Hochschule Brandenburg.
Und er wäre nicht Fontane gewesen, wenn es nicht noch einen anderen, relativierenden Satz von ihm gäbe: „Courage ist gut, Ausdauer ist besser.“
So war es typisch für ihn: Ein wenig altväterlich, sehr kurz und trocken, gut gemeint.
Theodor Fontane ist in Neuruppin, seiner Geburtsstadt, allgegenwärtig:
Vom Ortsschild über sein Denkmal bis zu zahlreichen Geschäften, anderen Einrichtungen und sogar Festspielen – Sie werden ihm nicht entgehen.
Mut ebenso wie Ausdauer haben auch die Gründerväter und –mütter der Medizinischen Hochschule Brandenburg gezeigt. Die MHB ist aus dem Bedürfnis entstanden, für das Land Brandenburg eine bis dahin fehlende Ausbildung medizinischen Fachpersonals auf die Beine zu stellen.
Treibende Kraft dabei war bürgerschaftliches Engagement, und ich hoffe, dass es weiterhin trägt und belohnt wird. Es wäre schädlich, wenn die Pläne für eine Universitätsmedizin in Cottbus daran etwas ändern würden.
Die MHB (mit ihren Standorten in Neuruppin, in Brandenburg an der Havel und in Rüdersdorf sowie mit ihren Partnerkliniken wie dem Herzzentrum in Bernau) ist eine Geschichte des Erfolgs, der am Mute hängt.
Sie zieht junge Menschen an, sie verbindet und stärkt:
Die hier Studierenden ebenso wie die Region und das Land Brandenburg.
Dafür gebührt allen Beteiligten große Anerkennung und Dank.
Lassen Sie mich noch einmal auf die Ukraine zurückkommen, die uns in diesen Tagen und Wochen so sehr bewegt.
So wie Sie auf die Idee hätten kommen können, in Kiew oder Odessa zu studieren, so sind zahlreiche junge Menschen aus der Ukraine zum Studium hier bei uns.
An den Brandenburger Hochschulen lernten und forschten zu Beginn des jüngsten Wintersemesters 330 Ukrainerinnen und Ukrainer; bald dürften es noch mehr sein.
Die Landesregierung und das Studentenwerk unterstützen diese Studierenden, deren Heimat plötzlich in ein Kriegsgebiet verwandelt wurde, nach Kräften:
Mit Beratung und konkreter Hilfe, bei der Suche nach Arbeit oder der Verlängerung von Mietverträgen, in finanziellen und psychischen Notlagen.
Und auch die Brandenburgerinnen und Brandenburger zeigen eine überwältigende Bereitschaft zur Solidarität und praktischen Hilfe.
Vor einigen Tagen war ich in Frankfurt an der Oder, wo viele Menschen aus der Ukraine mit dem Zug ankommen und erstmals deutschen Boden betreten.
Empfangen werden sie von freiwilligen Helfern mit Getränken, Essen, Spielzeug für die Kinder, dem Nötigsten für die ersten Tage – Zahnbürsten, Seife, Windeln, Handtüchern, Kleidung -, mit Ratschlägen und konkreter Unterstützung, besonders durch das Rote Kreuz.
Es ist ein wenig Hilfe und Hoffnung angesichts des Grauens in der Ukraine.
Liebe Studierende,
sehr geehrte Damen und Herren,
es gibt viel zu tun in diesen Tagen. Zeigen Sie Solidarität, helfen Sie mit – und achten Sie darauf, dass trotzdem das Studium nicht zu kurz kommt.
Denn Sie werden in Zukunft gebraucht, als gut ausgebildete Ärztinnen und Psychologen. Eine größere Motivation, das Studieren mit Ernst und Eifer zu betreiben, kann es wohl nicht geben.
Ich wünsche Ihnen für die kommenden Jahre und den weiteren Weg ins Leben alles Gute.
Vielen Dank!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Eröffnung der Foyerausstellung „Camilla Plastic Ocean Plan:
Wie eine transmediale Geschichte zum Leben erwacht“ am 5. April 2022
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Teilnehmende u.a.:
- Prof. Dr. Susanne Stürmer, Präsidentin der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF
- Prof. Dr.-Ing. Carsten Busch, Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
- Prof. Angelica Böhm, Professorin für Szenografie an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Stürmer,
sehr geehrter Herr Prof. Busch,
sehr geehrte Frau Prof. Böhm,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream,
„Der Auslöser für mein Projekt war eine leere Plastikflasche. Ich fuhr mit meiner Mutter im Auto, und vor uns warf jemand seinen Müll einfach aus dem Autofenster auf die Straße. Ich dachte, das gibt es doch nicht! Wir leben auf dieser wunderschönen Karibikinsel Barbados, und dann gehen die Leute so achtlos mit ihrem Müll um. Ich musste etwas tun“1, sagt Maria. Sie ist 11, lebt mitten im Paradies, wo andere Urlaub machen, und hat einen Youtube-Kanal gegründet. Er heißt „Kleine Gedanken zu großen Themen“. Unicef veröffentlicht Marias Anliegen unter dem Titel „Wir haben nur eine Erde.“
Maria lebt am Meer. 71 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt, rund um die Karibikinseln, nördlich von Rostock und Kiel, nahe den Eisbergen. Plastikflaschen gibt es auch überall. Der Kunststoff ist formbar, kann hart und elastisch sein, bruchfest, temperaturbeständig – „Plaste und Elaste aus Schkopau“ blinkten die großen Werbebuchstaben jahrelang vor meinem Küchenfenster. Plaste für Rohre, Kabel, Bodenbeläge, Benzintanks, Leiterplatten, Textilfasern, Lacke, Klebstoffe, Folien,
als Verpackungsmaterial, Stromkabel und Wasser-flaschen. Eine weltweite Erfolgsgeschichte von Makromolekülen, die nachweislich gesundheitsschädlich sind, hormonell wirksam und über die Haut, durch Einatmen und über die menschliche Nahrung aufgenommen werden. Die Plastikteile überdauern gut 5 Menschengenerationen, eine Plastikflasche braucht 450 Jahre bis zu ihrer restlosen Zersetzung. „Die ich rief, die Geister,/ Werd ich nun nicht los. “
Den Versuch aber, die Geister auf lange Sicht zu vertreiben, wollen die UN-Mitgliedsstaaten nun unternehmen. Auf ihrer Umweltversammlung in Nairobi am 2. März dieses Jahres haben sie den
einstimmigen Beschluss gefasst, die weltweite Plastikkrise lösen zu wollen. Bis 2024 soll ein weltweit verbindlicher Vertrag ausgearbeitet werden, der die Plastikverschmutzung auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse beenden soll. Gemäß der Resolution sollen die Ziele zur Bekämpfung von Plastikmüll vor allem in den Meeren – für alle Staaten rechtsverbindlich festgelegt werden. Für ärmere Staaten sind finanzielle Hilfen vorgesehen.
Ein erster Schritt ist getan.
Deshalb ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt für unsere Foyer-Ausstellung zu diesem Thema. „Camilla Plastic Ocean Plan“ heißt sie, ein transmediales Projekt zum Müll im Meer. Zu sehen sind 19 großformatige Gemälde mit Erläuterungstexten. Sie geben einen Einblick in das gemeinsame Projekt der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung.
Erzählt wird in dem künstlerischen Forschungsprojekt die Geschichte eines Mädchens, das auf einer abenteuerlichen und fantasievollen Reise die Gefahren hautnah erlebt, die von der Plastikverschmutzung ausgehen. Es könnte eine Maria sein.
Mehr als 300 Studierende, Forschende und professionelle Filmschaffende haben mit Zeichnungen, Malerei, Videos und Film daran mitgewirkt – ihnen allen gilt ein großer Dank!
Kunst zur Zeit ist entstanden.
Ich lade alle Bürgerinnen und Bürger ein, in den Landtag zu kommen und sich von dem Projekt selbst ein Bild zu machen.
Das geht jetzt auch wieder etwas leichter, nötig ist nur eine FFP2-Maske.
Die Ausstellung läuft bis Ende Juni, und ich wünsche ihr viele interessierte Besucherinnen und Besucher.
Herzlichen Dank!
1Verena Linde, Wir haben nur eine Erde, https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/klimaschutz-auf-barbados-wir-haben-nur-eine-erde/241022, abgerufen 3.4.2022
- Es gilt das gesprochene Wort-
Schülerzeitungswettbewerb – Preisverleihung 21.03.22, Brandenburg-Saal
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Liebe Schülerinnen und Schüler,
liebe Landtagsabgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, heute die besten Schülerzeitungsredakteurinnen und -redakteure des Landes Brandenburg in Potsdam begrüßen zu können. Denn das seid Ihr alle, die unsere Jury im Schülerzeitungswettbewerb 2021/22 nach intensiver Beratung ausgewählt hat.
Herzlich begrüßen möchte ich die Bildungsministerin Britta Ernst, deren Haus diesen Wettbewerb in Zusammenarbeit mit mehreren Institutionen und Organisationen ausrichtet; darunter die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, deren Vertreterin Dr. Susanne Stracke-Neumann ich ebenfalls begrüße.
Ich möchte außerdem den Mitgliedern der Jury danken, die so viele tolle Schülerzeitungen gesichtet und eine Auswahl getroffen haben. Das war wie immer nicht leicht, weil jede eingesandte Zeitung ihre Stärken hat und man sich kaum entscheiden kann.
Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, was alles entsteht an den Schulen in Brandenburg: Tolle Publikationen, die informieren und unterhalten, die ihre Leserinnen und Leser fesseln und für Diskussionsstoff sorgen.
Ich selbst bin eine begeisterte Zeitungsleserin und kann gut abtauchen in einen Text, der die Gedanken anregt und klüger macht – oder auch einfach Spaß. Auch darum freue ich mich, dass an den Schulen so viele Jugendliche und Kinder an den Zeitungen mitarbeiten.
Ihr denkt Euch Themen aus, geht für Reportagen nach draußen, führt Interviews, fertigt Fotos und Zeichnungen an, erfindet Rätsel und Spiele – und bringt das alles mit viel Einsatz und Liebe zu Papier. Zeitung muss aktuell sein. Gerade jetzt gibt es viele aktuelle Themen, und bestimmt denkt Ihr an die Schülerinnen und Schüler in der Ukraine.
Ganz herzlichen Dank und meine Hochachtung für die wunderbaren Zeitungen, die entstanden sind!
Mein Dank gilt auch den Lehrerinnen und Lehrern, die diese Projekte unterstützen und dafür ebenfalls viel Zeit, Geduld und Verständnis mitbringen.
Schülerzeitungen holen die Welt in die Schule und bringen die Schule in die Welt.
Sie tragen dazu bei, dass Schülerinnen und Schülern den Umgang mit Nachrichten, mit verschiedenen Ansichten und auch mit irreführenden Informationen lernen. Verschwörungstheorien haben keinen Platz in unserer aufgeklärten Gesellschaft.
Bei Schülerzeitungen können alle Beteiligten im Team üben, mit widerstreitenden Interessen und mit manchmal etwas sperriger Technik umzugehen.
Sie kümmern sich um Probleme und Missstände an ihrer Schule, zeigen im besten Fall Lösungswege auf und geben Tipps für den Alltag:
Was tun bei Mobbing, Diskriminierung, bei Liebeskummer oder Schulstress?
Schülerzeitungen können so, wie auch die Schulen selbst, zu einem Lernfeld der demokratischen Gesellschaft werden. Das Miteinander, auf das es auch im täglichen Leben ankommt, findet hier einen Ausdruck und ein Forum.
Liebe Redakteurinnen und Redakteure,
aus all diesen Gründen habe ich eine große Bitte an Euch:
Bleibt dran und macht weiter! Ermutigt andere an Eurer Schule, ebenso mitzumachen. Die lange Geschichte einiger Schülerzeitungen wird sich fortsetzen. Bleibt kritisch und streitbar!
Wenn es soweit ist, nehmt Ihr Eure Erfahrungen bei der Zeitung mit ins Leben. Viele bekannte Journalistinnen und Journalisten haben mal angefangen wie Ihr.
Nun wünsche ich allen hier eine schöne, spannende Preisverleihung und übergebe das Wort an die Bildungsministerin Britta Ernst.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Konzert Landesjugendchor für den Frieden, 6.3.22 in Brandenburg/Havel
Eröffnung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrte Gäste,
liebe Claudia Jennings,
liebe Mitglieder des Landesjugendchores Brandenburg,
liebe Landtagsabgeordnete Britta Kornmesser,
danke auch, dass die Hausleitung des Theaters Brandenburg heute dabei ist!
Jugendliche singen gemeinsam, machen Musik, erfreuen sich daran und bereiten anderen Freude.
So soll es sein. So wird es heute sein, hier im friedlichen Brandenburg.
In der Ukraine ist das heute nicht möglich:
Nur tausend Kilometer entfernt von hier müssen junge Menschen um ihr Leben bangen und kämpfen. Jugendliche, Frauen und Männer, die so alt sind wie die Mitglieder unseres Landesjugendchores.
Sie sitzen mit ihren Familien und Freunden in Kellern und U-Bahn-Schächten,
zum Schutz vor russischen Raketen;
sie hocken in notdürftig ausgehobenen Schützengräben, um ihre Städte zu verteidigen: Charkiw, Mariupol, Lemberg, Kiew und viele andere.
Viele sind auch schon geflohen vor dem Krieg, haben vorübergehendes Obdach gefunden in Polen, Rumänien, der Slowakei, Tausende von ihnen in Deutschland.
In jedem Fall fürchten sie um Geschwister, Geliebte, Eltern, Großeltern, Cousinen, Onkel – und nicht zuletzt fürchten sie um ihr eigenes Leben.
An Musik, ein Chorkonzert, unbeschwertes Zuhören können sie derzeit nicht denken.
Wenn sie lauschen, dann auf heranfliegende Geschosse und die Einschläge von Granaten; oder auf die schrecklichen Nachrichten aus ihrer Heimat.
Diesen jungen Menschen und ihren Familien, allen Bewohnerinnen und Bewohnern der Ukraine ist unser Konzert heute gewidmet.
Bei Ihnen sind jetzt unsere Gedanken, ihnen gelten unsere Solidarität und unser Mitgefühl.
Wir hoffen und wollen alles uns Mögliche dazu beitragen, dass so schnell wie möglich wieder Frieden einkehrt in der Ukraine.
Um es klar zu sagen: Was Präsident Putin entfesselt hat, ist ein Angriffskrieg, unter Bruch des Völkerrechts und jeglichen Vertrauens, das er noch genoss.
Die russische Führung ignoriert ihr eigenes Grundgesetz,
sie ignoriert die europäische Friedensordnung und versucht, sie zu sprengen.
Sie belügt die eigene Bevölkerung und bürdet ihr schwere Lasten auf,
womöglich für sehr lange Zeit.
Sie bedroht und zerstört das Leben der Ukrainerinnen und Ukrainer, ebenso wie das der russischen Soldaten – auch sie meist junge Menschen, unschuldig, nicht selten fehlinformiert.
Deshalb wiederhole ich einen Appell, der bisher ungehört verhallt ist und dennoch immer wieder nötig:
Präsident Putin, beenden Sie unverzüglich diesen Angriffskrieg!
Ziehen Sie die Soldaten sofort zurück!
Lassen Sie ab von der Ukraine und ihren Menschen!
Und die Menschen in Russland fordere ich auf:
Glauben und folgen Sie nicht länger diesem Herrscher, der in Ihrem Namen
Unheil über andere bringt!
Ich weiß, solche Botschaften haben in einem Konzert wie diesem eigentlich nichts verloren. Dennoch bitte ich um Verständnis:
Es ist ein moralischer Appell, von Herzen.
Die Lage ist bitter, sie ist dramatisch, und sie lässt uns alle nicht ruhen.
In dieser Woche hatte ich einen Termin, von dem ich erzählen möchte: Soldaten der Bundeswehr und ihr Kommandeur überreichten mir eine Spende für die Deutsche
Kriegsgräberfürsorge. Die Soldaten hatten gesammelt und selbst gespendet. Noch immer werden bei dem Bau einer Tankstelle oder Sportanlage außerhalb des Ortes die sterblichen Überreste von gefallenen Soldaten aus dem 2. Weltkrieg gefunden. Anhand von Blechmarken, sofern vorhanden, werden sie identifiziert und würdevoll eingebettet in Halbe, auf dem Friedhof. Versöhnung über Gräbern, nach wie vor sehr wichtig für Hinterbliebene und für die Partner Deutschlands. Auch nach gut 75 Jahren noch, und es finden sich auch noch Kinder oder Enkelkinder der Gefallenen.
Nie wieder Krieg – das haben wir gelernt, gelebt und geglaubt!
Jetzt - werden neue Gräber ausgehoben. Und wieder fehlen in den Familien Menschen, und wieder gibt es die Mütter und Väter, Kinder, Lebenspartner, Freunde. Alles ist so anders geworden in den letzten Tagen, auch bei uns - die Debatten über Nachhaltigkeit, Diversität, Klimaschutz, über Marssonden, Mikrochips, Corona, es gäbe so viel Gutes zu tun.
Was können wir tun?
Spenden – Medikamente werden gebraucht. Das Klinikum Ernst von Bergmann Potsdam schickte Medikamente zur Krebs-Kinderstation in Kiew.
Aufnahmestellen brauchen Bettzeug, für Eisenhüttenstadt haben Potsdamer Babybetten gespendet.
Bald können wir auch spenden für Musikinstrumente, die in Kiew oder an den Fluchtorten gebraucht werden.
Kunst und Kultur können Türen offenhalten, titelte der Deutsche Kulturrat.
Die Universität Potsdam berichtet von einer Protestresolution gegen den Krieg in der Ukraine, die über 7.000 russische Wissenschaftler unterzeichnet haben. Auch iKünstler melden sich mutig zu Wort, darunter
Startänzerinnen und -tänzer des Mariinsik-Theaters in St. Petersburg und des Bolschoi-Theaters in Moskaus. Ihnen gilt unser tiefer Respekt!
Ich wünsche mir, dass die Menschen auch in Russland auf die Straße gehen, die Studenten und alle, die diesen Krieg nicht wollen, die auch ein jahrzehntelanges Wettrüsten nicht wollen. Es müssen viele sein, so dass Verhaftungen nicht mehr möglich sind. Wir im Osten wissen, dass Demokratie errungen werden kann.
Verbale Abrüstung in den Medien wäre gut, Heldentum, Ruhm und Ehre scheinen mir aus der Zeit gefallen zu sein. Ich bewundere vielmehr den Mut und die unvorstellbare Energie der Ukrainer, die ihr demokratisches Land verteidigen.
Dabei sind sie nicht allein – die UN-Vollversammlung hat mit überwältigender Mehrheit den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt.
Die EU-Staaten einigten sich auf eine Richtlinie für den Schutzstatus Geflüchteter aus der Ukraine. Polen braucht europäische Unterstützung, weil das Land gegenwärtig die Hauptlast an Schutzleistungen trägt.
Das Regierungskabinett bei uns in Brandenburg hat entsprechende Regelungen für Unterbringung, Leistungsbezug, medizinische Versorgung und Verpflegung verabschiedet. Die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ist groß.
Dennoch: nichts darf unversucht bleiben, den Dialog mit Russland weiter zu führen und ein Ausstiegsszenario zu entwickeln.
Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden.
Für eine friedliche Welt, in der auch Musik wieder ihren Platz findet.
Ich bin sicher: Wenn wir jetzt den Sängerinnen und Sängern des Landesjugendchores Brandenburg zuhören, dann werden unsere Gedanken in die Ukraine und zu den Menschen dort gehen. Unsere Beklommenheit, die Empörung und Ratlosigkeit werden nicht weichen.
Aber gerade in dunklen Stunden braucht es Licht.
Wenn der Hass zu triumphieren droht, ist Gemeinsamkeit in der Kunst ein Gegenmittel. Gegen den Schrecken setzt der Landesjugendchor seine einzelnen, kräftigen und schönen Stimmen gemeinsam.
Es ist eine Botschaft der Hoffnung, die von diesem Konzert ausgehen soll.
Der Hoffnung auf Frieden, die wir nicht aufgeben.
Vielen Dank.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Zur Eröffnung der Plenartagung des Landtags Brandenburg, 23.2.2022
Präsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Die schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden.
Letzte Nacht gab es einen russischen Angriff auf die Ukraine.
Sirenen in Kiew, der ukrainische Präsident hat das Kriegsrecht ausgerufen.
Die Meldungen überschlagen sich gerade.
In einer Zeit, in der die Welt viele Probleme gemeinsam zu lösen hätte,
werden wir erschüttert von Aggression, Zerstörung und Lebensgefahr für Menschen unweit von uns.
Ein militärischer Angriff ist niemals gerechtfertigt,
für den Bruch des Völkerrechts gibt es keine Rechtfertigung.
Wir nehmen die Lehren aus der Geschichte ernst, an die im Landtag Brandenburg an jedem 8. Mai und an vielen anderen Tagen zusammen mit Vertretern der mittel- und osteuropäischen Länder – auch Russlands - erinnert wird. „Nie wieder Krieg“ – haben wir gelernt, gelebt und geglaubt.
Jetzt werden Solidaritätsresolutionen verabschiedet –
Aufrufe, die Friedensordnung in Europa zu bewahren.
Waffen tragen dazu nicht bei.
Dialog muss wieder möglich werden.
Augenmaß, Besonnenheit sind notwendig, zugleich müssen wir Haltung zeigen.
Das aktuelle Vorgehen der russischen Führung ist absolut inakzeptabel.
Uns Demokraten eint das Wort des Bundeskanzlers: Die Friedensordnung in Europa baut darauf auf,
dass Grenzen nicht verändert werden und staatliche Souveränität zu achten ist.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Safer Internet Day 2022
Fokusthema „Stabil bleiben – Vielfalt ermöglichen in digitalen Räumen“
Themenskizze des Veranstalters:
Manipulationen, Deep Fakes und Hasskampagnen können Jugendliche von der aktiven Teilhabe und der Gestaltung digitaler Räume abhalten. Diese problematischen Verhaltensweisen stellen eine wachsende Gefahr für die demokratische Teilhabe und eine freie und offene Persönlichkeitsentwicklung für Jugendliche dar. Sie können sich eingeschüchtert und verunsichert fühlen, sodass Gestaltungsmöglichkeiten nicht wahrgenommen werden. Das Erkennen von Manipulation, gegenseitiger Respekt und Unterstützung kann Jugendliche im souveränen Gestalten digitaler Räume stärken. Doch reicht das? Was erwarten sie und was brauchen sie an Unterstützung?
Mitwirkende:
• Ministerin Britta Ernst hat Rede vorab als Videobotschaft geschickt
• MdL Gordon Hoffmann (bildungspolitischer Sprecher der CDU) und Carla Kniestedt (Vorsitzende des Petitionsausschusses) nehmen an Podiumsdiskussion mit Schülerinnen und Schülern teil
• Moderation: Magdalena Grundmann
• Dr. Eva Flecken und Steffen Schroeder, Medienanstalt Berlin-Brandenburg
• Jessica Euler, AKJS-Aktion Kinder- und Jugendschutz Brandenburg e.V.
• Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Klassen der Maxim-Gorki-Gesamtschule Kleinmachnow, des Goethe-Schiller-Gymnasiums Jüterbog und der Schule am Waldblick Mahlow
(Anreden)
Ich begrüße Euch herzlich zum Safer Internet Day 2022. Es freut mich sehr, dass dieser wichtige Aktionstag in diesem Jahr wieder stattfinden kann. Natürlich hätte ich Euch noch lieber – wie vor der Pandemie – im Landtag begrüßt. Aber wenn es um Internetsicherheit geht, passt es doch auch ganz gut, dass wir uns in einer Online-Konferenz treffen, denn so sind wir schon mitten im Thema.
In Workshops habt Ihr Euch in den vergangenen Wochen mit Euren Mitschülerinnen und Mitschülern viel Wissen erarbeitet. Ihr habt Euch unter anderem damit beschäftigt, wie man Fake News erkennt und was man tun kann, wenn man auf manipulierte Inhalte im Netz stößt.
Heute stellt Ihr Eure Ergebnisse vor und könnt in der digitalen Podiumsdiskussion Eure Fragen und Erfahrungen mit Abgeordneten, Jugendvertreterinnen und -vertretern und jungen Medienmachern diskutieren.
Das Motto des Safer Internet Days lautet in diesem Jahr: „Stabil bleiben – Vielfalt ermöglichen in digitalen Räumen“. Wie wichtig dieses Thema ist, zeigt ein Fall, über den die Medien in diesen Tagen wieder berichten:
Die Grünen-Politikerin Renate Künast wurde auf Facebook mit Hass-Kommentaren überhäuft, die so widerwärtig und abscheulich waren, dass ich sie hier nicht zitieren möchte. Die Politikerin wollte sich wehren und verlangte von Facebook die Daten der Nutzerinnen und Nutzer, die sie beschimpft hatten. Das erste Gericht, das mit dem Fall befasst war, wertete manche Kommentare als Teil der freien Meinungsäußerung und damit als erlaubt, was in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wurde.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht im selben Fall anders entschieden: Es macht sich stark für die Persönlichkeitsrechte von Politikerinnen und Politikern. Wörtlich heißt es im Beschluss: „Eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.“
Das klingt erst einmal abstrakt, aber im Grunde geht es genau um unser heutiges Thema. Mit Hasskommentaren oder regelrechten Hasskampagnen können Menschen mürbe gemacht werden. Das gilt für junge Menschen genauso wie für Erwachsene, für Schülerinnen und Schüler ebenso wie für Politikerinnen und Politiker.
Wenn junge Leute Opfer von Cybermobbing oder Hasspostings werden, besteht aber noch eine andere Gefahr: Denn wer als junger Mensch die Erfahrung macht, dass man völlig wehrlos ist, wenn man online Beleidigungen oder Hass ausgesetzt ist, wird möglicherweise davor zurückschrecken, sich politisch zu engagieren. Soweit darf es nicht kommen! Jede und jeder, die oder der sich in die Gesellschaft aktiv einbringen möchte, soll das uneingeschränkt und vor allem unbesorgt tun können. Ihr, die jungen Menschen, seid es, die die Zukunft gestalten werden! Ihr werdet gebraucht!
Wir kommunizieren heute auf vielfältigen Wegen miteinander. Die digitalen Kanäle lassen Entfernungen zwischen Menschen kleiner werden und bieten uns neue Möglichkeiten, die sehr wertvoll sind. Aber wir müssen uns auch mit den Schattenseiten der digitalen Kommunikation auseinandersetzen. Wie können sich Nutzerinnen und Nutzer vor hasserfüllten E-Mails oder Cybermobbing im Klassenchat schützen? Wie verteidigen wir unsere Demokratie gegen jene Kräfte, die Fake News und Verschwörungstheorien verbreiten und gegen anders Aussehende oder anders Glaubende hetzen?
Wie sicher das Internet für uns alle ist, darüber entscheidet auch unser Umgang damit. Der Safer Internet Day bietet Euch eine wunderbare Gelegenheit, Eure digitalen Kompetenzen zu stärken. Also nutzt ihn, tauscht Euch mit den Expertinnen und Experten aus und nehmt möglichst viel mit für Euren täglichen Umgang mit Smartphone, Laptop oder Tablet.
Herzlichen Dank an die Aktion Kinder- und Jugendschutz für die Ausrichtung des Safer Internet Day und an die Medienanstalt Berlin-Babelsberg für die Unterstützung.
Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel Freude und gutes Gelingen!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Verleihung des Abraham-Geiger-Preises, BBAW 31.01.22
Grußwort von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Ramelow,
sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Pau,
sehr geehrte Ministerin Prien und Minister Beermann,
sehr geehrter Herr Homolka,
sehr geehrter Herr Markschies,
verehrte Exzellenzen, Rabbiner und Bischöfe,
sehr geehrter Herr Mazyek,
meine Damen und Herren!
Der Abraham-Geiger-Preis ist wichtig, gerade jetzt.
Ich danke Ihnen herzlich, dazu sprechen zu können.
Zum 12. Mal wird er verliehen, für „Verdienste um das Judentum in seiner Vielfalt“.
Christian Stückl erhielt ihn zuletzt für „Passionsspiele ohne christlichen Antijudaismus.“ Der Intendant konnte gerade sein neues Münchner Volkstheater eröffnen und steht als Preisträger in einer Reihe mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die für ihren europaweiten Schutz demokratischer Grundrechte ausgezeichnet wurde. Daneben der Schriftsteller Amos Oz, der in seinen Texten für Offenheit, Mut, Toleranz und Gedankenfreiheit eintritt. Ein wichtiger Preis.
Toleranz ist das Brandenburger Thema schlechthin – vom Toleranzedikt von 1664 über das Aktionstionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit 1992, bis zur aktuellen Kampagne „Brandenburg zeigt Haltung“ im Rahmen der Aktivitäten von „Tolerantes Brandenburg“.
Gerade wenn politische Verhandlungen schwierig werden, gewinnt zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit an Bedeutung - miteinander reden, versuchen zu verstehen, Dialog nicht abreißen lassen - in Kirchen und Vereinen und Musikverbänden. Konflikte sind militärisch nicht zu lösen, Panik nützt nichts. Dass die Lage nicht einfach ist, sondern eher unübersichtlich, macht es schwierig. Corona hat dem nur noch eine weitere Dimension hinzugefügt.
Wie viele offene Fragen und Meinungsverschiedenheiten sind vermittelbar?
Wieviel neue Themen wie Klimawandel, Nachhaltigkeit und Diversität verkraftet die Gesellschaft?
Stimmt unsere Navigation durch diese moderne hochkomplexe Gesellschaft?
Gerade jetzt ist es wichtig, Seine Eminenz Jean-Claude Kardinal Hollerich SJ auszuzeichnen - um der Komplexität mit Aufklärung und barrierefreiem Dialog zu begegnen, sich vor „Zorn und Eifer“ zu hüten, wie Tacitus das ausdrückte.
Dafür steht nach meinem Verständnis auch der Abraham-Geiger-Preis.
Die bisherigen Ausgezeichneten waren auf jeweils eigene Weise Brückenbauer und Wanderer zwischen verschiedenen Welten. Sie haben versucht zu verbinden, wo andere trennen und teilen wollten. Und sie taten dies mit Vernunft, sachlich, manchmal heiter – „ohne Zorn und Eifer“ eben.
Für diesen Ansatz, diese Denkweise stand auch der Namensgeber des Preises, Abraham Geiger: Ein religiöser Reformer, ein beharrlicher Liberaler,
ein Mann des Geistes und des Wortes, aber ebenso der Tat.
Wir können uns glücklich schätzen, dass Abraham Geiger in seinen letzten Jahren in Berlin wirkte und hier die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums mitbegründete. Diese angesehene Institution brachte bedeutende Denker und zahllose Rabbiner hervor – und sogar die weltweit erste Rabbinerin, Regina Jonas. Sie wurde in Auschwitz ermordet.
Die Hochschule musste schließen. Vor wenigen Tagen erst gedachten wir der Opfer des Nationalsozialismus. Erinnern und Gestalten gehören zusammen.
Umso mehr darf Brandenburg sich freuen, dass schon vor mehr als 20 Jahren das Abraham Geiger Kolleg in Potsdam gegründet wurde. Es setzt die Arbeit der Berliner Hochschule auf eigene Weise fort:
Hier werden wieder Rabbiner und Rabbinerinnen ausgebildet, seit 2008 auch Kantoren und Kantorinnen, was mich als Musikerin besonders freut, eint doch die jüdische Musik Stilelemente vieler Nationen. Es wird geforscht und gelehrt, im Geiste des Namensgebers Abraham Geiger.
Die Brandenburger Politik hat das Kolleg von Beginn an unterstützt. Nach Potsdam kommen junge Menschen aus allen Himmelsrichtungen, um zu lernen und zu studieren. Das Einander-Begegnen und Zuhören, die vertiefte Auseinandersetzung stehen dabei im Mittelpunkt, bevor sie weiterziehen. Was könnte zukunftsträchtiger sein?
Blicken wir wie diese Studierenden nach vorn und fördern das friedliche Miteinander von Christen, Atheisten und Juden, ebenso mit Muslimen, mit anderen Religionsgemeinschaften und ethnischen Gruppen.
Vielfalt ist unsere Zukunft – und jeder, der anderes behauptet oder anstrebt, irrt.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Holocaust-Gedenktag 27. Januar 2022,
Statement der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Erinnern heißt, die Opfer zu würdigen, ihr Leid wahrzunehmen – und neuen Gräueltaten durch Aufklärung vorzubeugen. Gerade junge Menschen brauchen den Blick in die Vergangenheit, um für die Gegenwart zu lernen und die Zukunft gut zu gestalten. Sie interessieren sich sehr für das, was war, wie es geschehen konnte. Und sie ziehen ihre Schlüsse daraus: Hass und Hetze dürfen nie wieder siegen über Menschenrechte und Toleranz. Das ist für mich die wichtigste Botschaft des Holocaust-Gedenktages.
Vor wenigen Tagen habe ich Peter Gardosch in Borkwalde besucht, 91 Jahre alt, gebürtiger Ungar, Jude, ein Holocaust-Opfer. Er ging 13jährig durch die Hölle von Auschwitz. Ein Video hält den Besuch fest (Youtube). Am Ende des sehr bewegenden Gespräches sagte er: „Ihr seid nicht schuldig. Aber erinnert Euch, sagt es Euren Kindern weiter: so etwas darf nie wieder passieren“. Und das habe ich ihm in seinem Wohnzimmer versprochen und wir müssen es alle versprechen.
Der Landtag Brandenburg und die Stiftung Gedenkstätte Sachsenhausen begehen jedes Jahr am 27. Januar gemeinsam den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Uns ist es wichtig, die Erinnerung wachzuhalten – als Mahnung für heute und für kommende Generationen.
- Es gilt das gesprochene Wort-
Eröffnung der Jahresausstellung „Die Zukunft hat schon begonnen“, 19.01.22
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke (Lobby Landtag)
Teilnehmende u.a.:
- Vorsitzende des BLMK und Kuratorin der Ausstellung, Frau Ulrike Kremeier
Anrede (ggf. MP, Ministerinnen und Minister),
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Frau Kremeier,
sehr geehrte Damen und Herren,
zur Eröffnung der neuen Jahresausstellung im Landtag Brandenburg begrüße ich Sie alle recht herzlich.
Die Ausstellungen hier im Hohen Haus sind jedes Mal etwas Besonderes:
In Ihnen stecken viele Ideen, sehr viel künstlerische Arbeit – Reflektieren der eigenen Zeit, Leidenschaft.
Das merkt man auch der Jahresausstellung 2022 an:
Allein der Titel regt die Phantasie an und weckt zugleich Erinnerungen.
Das „Leben in Industrielandschaften“ – davon können viele Brandenburgerinnen und Brandenburger erzählen.
Vor allem in der Lausitz natürlich, in der sich die Strukturen schon seit Jahren wandeln; auch das spricht ja die Ausstellung direkt an.
Schließlich die große Überschrift: „Die Zukunft hat schon begonnen“ – so könnte ein James-Bond-Film heißen.
Hoffen wir nur, dass der Strukturwandel für die Menschen in der Lausitz ruhiger und harmonischer verläuft als ein Action-Film. Und dass am Ende ein Happy End steht, wovon ich allerdings fest überzeugt bin.
Anrede,
die Bilder dieser Ausstellung muten dem Betrachter einiges zu.
Von der Landschaft, die auch in der Lausitz und anderen Kohlerevieren durchaus lieblich sein kann, sind gleichsam die brauchbaren, die benutzten Teile dargestellt, die oft bereits ausgedient haben:
Aufgerissene Erde, wo Bagger Kohle aus dem Boden holten;
rauchende Fabrikschlote und Kraftwerkstürme;
verlassene Industriehallen und Abraumhalden.
Schöne Bilder im herkömmlichen Sinne sind das nicht – aber sie treffen einen Nerv. Das Wichtigste dabei sind die Menschen:
Sie werden gezeigt in ihren Anstrengungen, ihrer täglichen Mühe – und in ihrem Stolz auf geleistete Arbeit.
Denn Arbeit prägt den Menschen, sie kann ganze Regionen prägen wie die Lausitz.
Und neben vielen schwierigen Seiten hat das auch eine sehr positive Seite, die in diesen Bildern zu finden ist: Arbeit für eine Gemeinschaft gibt Halt.
Das Gleichgewicht von Arbeit und Leben muss jede Generation für sich neu finden.
Heute ist vielen die Freizeit mit Familie und Freunden wichtiger als die Selbstverwirklichung durch Arbeit, wichtiger vielleicht als ihren Eltern oder Großeltern.
Ihren Wert als wichtiger Faktor in einem erfüllten Leben hat und wird die Arbeit aber behalten, auch in Zukunft durch neue Branchen, neue Betriebe, neue Arbeitsplätze.
Anrede,
im Namen des Landtages bedanke ich mich sehr herzlich beim Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst, bei seiner Direktorin Ulrike Kremeier und allen, die zu dieser Ausstellung beigetragen haben:
Künstlerinnen und Künstler, Mitarbeitende im Landesmuseum und hier vor Ort.
Ich wünsche der Ausstellung ein großes Publikum, viele Besucher – nur bitte nicht alle auf einmal, sondern über das Jahr verteilt. Die Hoffnung besteht ja fort, dass uns Corona irgendwann in Ruhe lässt und wir uns dann wieder ausgiebiger solchen grundsätzlichen, wichtigen Dingen wie der Kunst widmen können.
Vielen Dank und viele spannende Erlebnisse mit Bildender Kunst!
- Es gilt das gesprochene Wort-
Fototermin zur Eröffnung der Foyerausstellung „Unvollendete Leben“ (11.01.22.)
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sehr geehrte Europaministerin Lange,
sehr geehrte Frau Kahan,
sehr geehrte Damen und Herren,
„Überleben ist ein Privileg, das verpflichtet.“
Simon Wiesenthal hat das gesagt, um seine Arbeit nach 1945 zu erläutern. Studiert hatte er Architektur, wurde aber nach dem Weltkrieg zum bekanntesten Holocaust-Rechercheur und einflussreichen Publizisten. Wiesenthal hat die Shoah überlebt; er sah sich gegenüber den Ermordeten in der Pflicht, aufzuklären und zu erinnern.
Darum geht es auch in der Ausstellung, die die Bente-Kahan-Stiftung konzipiert hat und die nun fast drei Monate lang im Landtag zu sehen sein wird.
Die Künstlerinnen und Künstler, die hier porträtiert werden, haben den Holocaust nicht überlebt. Sie konnten ihr Leben, ihre Arbeit nicht fortsetzen:
nicht lachen und weinen, lieben und streiten,
nicht schreiben oder malen, komponieren und musizieren,
keine Filme machen und kein Theater.
Ihr gewaltsamer Tod – im Ghetto, im Konzentrationslager, bei der Zwangsarbeit oder im Widerstand gegen die Nazis – hat jäh alles mit sich gerissen:
Hoffnungen, Fähigkeiten, Energie und Inspiration, die sie in sich trugen und äußern wollten, wie es Künstler und überhaupt Menschen tun.
Die Welt ist ärmer ohne sie, im Kleinen wie im Großen. Jedes Leben, das nicht gelebt wird, ist ein Verlust – auch für alle nachfolgenden Generationen.
Anrede,
der Holocaust ist und bleibt ein Verbrechen ohnegleichen, unbegreiflich mit bloßem Verstand. Umso wichtiger ist es, immer wieder einige der Millionen Opfer vorzustellen, sie sich vorzustellen:
Was wäre aus Ihnen noch geworden?
Was hätten sie vollbracht, wie hätten sie gelebt?
Die Ausstellung wagt diesen Versuch, unvollendete Leben zu porträtieren:
Das von Zusanna Ginzanka aus Polen zum Beispiel,
von Hanna Shenes aus Ungarn,
das Leben des Tschechen Gideon Klein und vieler anderer.
Sie fehlen ihren Familien, ihren Freunden, ihren Ländern und der Menschheit bis heute und für immer, weil sie ihre Leben nicht vollenden durften.
Die Erinnerung an die hier vorgestellten Opfer – und damit an alle anderen – ist auch eine Mahnung:
Nie wieder dürfen wir Hass und Hetze Raum geben!
Verbrecherische Taten wachsen aus bösen Ideen und Worten – das soll uns heute wie in Zukunft eine Warnung sein.
„Information ist Abwehr“, auch dieser Satz stammt von Simon Wiesenthal.
Das Erinnern an Unheil, an Leid und ja, auch an die unvollendeten Leben ist unerlässlich: Es schafft die Grundlage dafür, heute und in Zukunft neues Leid und Unheil zu verhindern.
Ich danke der Stiftung und ihrer Gründerin Bente Kahan, den Kuratorinnen und Projektbeteiligten und dem Europaministerium Brandenburg, das diese Wanderausstellung ermöglicht hat. Und ich wünsche Ihnen und mir, dass die Ausstellung trotz der Corona-Beschränkungen ein breites Echo findet, dass zahlreiche Besucherinnen und Besucher sie anschauen und sich berühren lassen.
Vielen Dank!