Reden und Grußworte aus 2019

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Rede von Landtagspräsidentin Dr. Liedtke zur Mitgliederversammlung des Städte-
und Gemeindebundes Brandenburg am 18.11. 2019 in Brandenburg an der Havel

Exzellenz,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
liebe Abgeordnete des Landtags Brandenburg,
Mitglieder der Landesregierung,

sehr geehrter Herr Dr. Herrmann, Präsident des Städte- und Gemeindebundes,
sehr geehrter Herr Graf, Geschäftsführer,
sehr geehrte Oberbürgermeister, hauptamtliche Bürgermeisterinnen und
Bürgermeister, Amtsdirektorinnen und Amtsdirektoren,
sehr geehrte Stadtverordnete und Gemeindevertreter,

ich freue mich Sie alle herzlich zu begrüßen.

Besonders freue ich mich, Ihre Exzellenz Anne-Marie Descôtes, französische Botschafterin in Deutschland begrüßen zu können. Schön, dass Sie gekommen sind.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und Brandenburg haben eine jahrhundertelange Tradition, seit Hugenotten in Preußen mit dem Edikt von Potsdam des Großen Kurfürsten 1685 Zuflucht und Heimat fanden. Heute gibt es zahlreiche deutsch-französische Städtepartnerschaften in Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder), Potsdam, Wittenberge, Senftenberg, Bernau, Lindow oder Rüdersdorf. Auch die Deutsch-französischen Gesellschaften stehen in Frankfurt (Oder), Birkenwerder, Premnitz und Velten/Hermsdorf für die freundschaftlichen Beziehungen Brandenburgs zu Frankreich als Partner für ein geeintes Europa. Frau Botschafterin, Ihr Besuch ist uns eine Ehre und eine Freude.

Sehr geehrter Herr Dr. Herrmann, sehr geehrter Herr Graf, ich möchte mich bedanken für die Einladung zu Ihrer Mitgliederversammlung und für ein gutes, intensives Gespräch vorab bei mir im Landtag. Ich bin gern gekommen und möchte meinen Besuch beim Städte- und Gemeindebund Brandenburg mit einem großen Dankeschön beginnen.

Sehr geehrte Oberbürgermeister, hauptamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Amtsdirektorinnen und Amtsdirektoren, Stadtverordnete und Gemeindevertreter, Sie alle sichern mit Ihrer Arbeit die Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger in Ihrer Gemeinde und in ihrer Stadt.

Kommunalpolitik findet vor Ort statt, ganz nah an den Menschen. Hier geht es um Lebensqualität, Wirtschaftskraft, Bildung, Wohnen, Gesundheit oder Kultur – alles, was lebensnotwendig ist, wird in Städten und Gemeinden geplant, umgesetzt, tatsächlich verwirklicht.

Und - ganz wichtig: Ihre Orte sind das zu Hause, Heimaten – nicht nur physische, sondern auch poetische Orte, Erinnerungsorte, sinnliche Orte wie Düfte, Speisen oder Musik – die „Heimat Brandenburg“.

Hier, vor Ort, beginnt Demokratie. Sie, meine Damen und Herren, sind Expertinnen und Experten für die Demokratie. Aber nicht nur das. Sie sind Praktiker, Analytiker, Impulsgeber. Sind immer ansprechbar und werden auch jederzeit angesprochen. Sie setzen sich ein für Andere, für das Gemeinwesen, kümmern sich auch nach Feierabend, den viele von ihnen nur zu selten genießen können.

Ihre Arbeit verdient hohe Anerkennung und Respekt, Rückhalt und Unterstützung aus der ganzen Gesellschaft. Hier gibt es ein Defizit in der öffentlichen Wahrnehmung und es gibt zu wenig Wertschätzung gegenüber Ihrem unverzichtbaren Engagement. Dieses Defizit gilt es zu überwinden. Denn: Die Kommunen sind die Entstehungsorte einer freiheitlichen Gesellschaft.

Der in Substanzfragen der Demokratie hellsichtige Begründer der vergleichenden Politikwissenschaft, Alexis de Tocqueville (TOKWI), hatte schon Mitte des 19. Jahrhunderts das emanzipatorische Potential der Kommunen erkannt. In seinem Hauptwerk von 1840 „Über die Demokratie in Amerika“ schrieb er:
„Und doch ruht die Kraft der freien Völker in der Gemeinde. Die Gemeindeinstitutionen sind für die Freiheit, was die Volksschulen für die Wissenschaft sind. Sie machen die Freiheit dem Volke zugänglich. Sie wecken in ihm den Geschmack an ihrem friedlichen Gebrauch. Ohne Gemeindeinstitutionen kann sich ein Volk eine freie Regierung geben, aber den Geist der Freiheit besitzt es nicht."

Um diesen Geist der Freiheit geht es, wenn wir die emanzipatorische Qualität, das emanzipatorische Potential der kommunalen Selbstverwaltung und die zentrale Bedeutung der lokalen Demokratie verstehen wollen.

In der Friedlichen Revolution 1989 haben wir im Osten Freiheit und Demokratie für unser Land errungen. Seitdem haben die Menschen in Brandenburg einen beispiellosen gesellschaftlichen Wandel gemeistert - neue Berufe erlernt, Unternehmen gegründet, ein demokratisches Gemeinwesen aufgebaut. Verkehrs-, Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur wurden ausgebaut.

Die Wirtschaftskraft in den Ostdeutschen Ländern ist von 43 % im Jahr 1990 auf 75 % des westdeutschen Niveaus 2018 gestiegen. Viele Städte und Dörfer in Brandenburg sehen heute frisch geputzt aus. Mehr Menschen ziehen von West nach Ost als umgekehrt. Und mehr als zwei Drittel der Menschen im Osten sagen, dass sich ihre persönliche Lage seit 1990 verbessert hat und meinen, dass es auch anderen Menschen im Osten heute besser geht als vor 1989.

Trotzdem fühlt sich mehr als die Hälfte der Ostdeutschen laut einer Umfrage der Bundesregierung als Bürger zweiter Klasse. Das gilt auch für Brandenburg. Nur 38 % halten die Wiedervereinigung für gelungen. 30 Jahre nach der friedlichen Revolution ist fast die Hälfte unzufrieden mit der Demokratie.

Ich glaube nicht, dass 23 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Brandenburg „Rechts“ stehen, aber Parteien müssen sich fragen, woher ihre Stimmenverluste kommen und wie wir in unserem Land ein durch Enttäuschung und Entwertungserfahrungen verlorengegangenes Demokratiegedächtnis wiedergewinnen können. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, wieder Vertrauen in Politik aufzubauen.
Dafür brauchen wir eine mutige Politik, die hält, was sie verspricht. Dafür stehen wir in der Verantwortung – im Landtag und in den Kommunen.

Mit den politischen Entscheidungen im Landtag schaffen wir die Rahmenbedingungen für kommunales Handeln. Was im Landtag entschieden wird, hat unmittelbare Wirkungen auf die Entscheidungsprozesse in den Kommunen. Und weil in der täglichen Prozessbewältigung in den Städten und Gemeinden nicht jede der landespolitischen Entscheidungen positive Wirkungen zeitigt, will ich die kritischen Hinweise aus der kommunalen Ebene unbedingt entgegennehmen.

Wir wissen, dass Aufgabenstellungen und Loyalitäten des Mandats im Landtag und in Kommunen unterschiedlich sind. So wie kommunale Mandatsträger ihre Aufgabe und Loyalität gegenüber der eigenen Gemeinde, der eigenen Stadt und den Bürgerinnen und Bürgern sehen, stehen Landtagsabgeordnete in ihren Loyalitäten für das Land ein.

Aus dieser Differenz von Loyalitäten und Aufgaben heraus entstehen Spannungsverhältnisse und auch Konflikte. In Ihrem Positionspapier vom 29.10.2018 mit dem Titel „Brandenburgs Grundlage sind starke Städte und Gemeinden - Erwartungen des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg an die Landespolitik“ haben Sie Ihre Erwartungen sehr klar formuliert:
Sie fordern uns auf, Gesetzesinitiativen, die Partikularinteressen dienen, zu Gunsten des Gemeinwohls zurückzustellen, Vertretungskörperschaften der Städte und Gemeinden zu stärken, tragfähige  Finanzierungsmodelle zu entwickeln, gewachsene kommunale Strukturen anzuerkennen.

Landesplanung, Fachkräfte, Strukturwandel, Digitalisierung, Kommunalfinanzen – alles das sind Zukunftsaufgaben, die nur in einer intensiven Zusammenarbeit von Land und Kommunen gelingen können.

Wie können wir diese Zusammenarbeit stärken und weiterentwickeln? Was können wir besser machen?

Viele Landtagsabgeordnete kommen aus der Kommunalpolitik, sind auch gegenwärtig über die parlamentarische Arbeit im Landtag hinaus kommunalpolitisch verankert und stehen in engem Kontakt mit dem Städte- und Gemeindebund. Sie kennen die Themen und Herausforderungen in den Kommunen. Und trotz der Unterschiedlichkeit in Aufgaben und Loyalitäten sind Kommunalparlamente, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die gesamte kommunale Familie einerseits und Landtagsabgeordnete andererseits natürliche Partner. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Landtag und der kommunalen Familie ist Voraussetzung für Demokratie, die von unten nach oben funktioniert, nicht anders herum. Bürger wollen mitdenken, entscheiden, gestalten!

Es ist mir wichtig, den bestehenden Austausch mit den Kommunen in einem Dialogprozess auf Augenhöhe weiterzuentwickeln, kommunalpolitisches Engagement aufzuwerten, Städte und Gemeinden zu stärken, und die Perspektiven von Land und Kommunen in Zukunft noch stärker zu verknüpfen. Meine Abgeordnetenkolleginnen und Kollegen sind dabei wichtige Verbündete.

Mit meinem heutigen Besuch auf der Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindebunds setze ich den Anfang.
Am 13. Dezember findet im Landtag ein erstes Arbeitstreffen mit den ehrenamtlichen kommunalen Mandatsträgern und den Fraktionsvorsitzenden des Landtags statt.

Ich denke, wir brauchen in Brandenburg eine zugewandte und offensive Beteiligungs- und Demokratiepolitik. Das ist eine überparteiliche Aufgabe für das Parlament, für die ich mich gern engagiere. Was der Landtag dafür tun kann und was Kommunen und Land gemeinsam tun können, darüber will ich mit den Abgeordnetenkolleginnen und Kollegen, mit dem Städte- und Gemeindebund und mit den kommunalen Mandatsträgern ins Gespräch kommen, gemeinsam an Lösungen arbeiten und für unsere Zusammenarbeit öffentliches Interesse schaffen.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Worte des Gedenkens von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Liedtke zum Volkstrauertag
am 16. November 2019 in der Kirche zu Kotzen (Havelland)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Gorholt,
sehr geehrter Herr Oberst Olaf Detlefsen, (Kommandeur Landeskommando Brandenburg)
sehr geehrter Herr Landtagspräsident a. D. Gunter Fritsch,
sehr geehrter Herr Pfarrer Stefan Huth,
sehr geehrter Herr Breithaupt, (Landesvorstand und Geschäftsführer Volksbund)
sehr geehrte Mitglieder des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge,
sehr geehrte Gemeindemitglieder,
liebe Gäste,

ich begrüße Sie alle herzlich zum gemeinsamen Gedenken am Volkstrauertag. Besonders begrüßen möchte ich den stellvertretenden Bürgermeister Herrn Schindelhauer, Herrn von Stechow, Herrn Kommandeur Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann vom Zentrum für Militärgeschichte und  Sozialwissenschaften der Bundeswehr und Herrn Oberstleutnant Dr. Thomas Henschke vom Logistikbataillon 172. Schön, dass Sie da sind.

Hier in dieser wunderbaren Kirche – im Kern ein Feldsteinbau aus dem späten Mittelalter, erneuert Anfang des 18. Jahrhunderts - haben Generationen von Menschen gebetet und gesungen, Gottesdienst gefeiert und in Freude wie in Trauer zusammengefunden.

Auch die Mütter, Ehefrauen, Freunde, Nachbarn und Verwandte der Männer, deren Namen auf dem Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs stehen.

Wie jung viele der Männer waren, die auf den Schlachtfeldern ums Leben gekommen sind. In manchem Dorf gab es keinen, der zurückgekommen ist. Zurückgeblieben sind Frauen, Mütter, Bräute, Großmütter mit ihrer Trauer und ihrem Schmerz.

Denkmale für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges stehen in ganz Deutschland und an vielen Orten in Europa. 17 Millionen Menschen hatte der erste Weltkrieg das Leben gekostet.

Wie war es möglich, dass in einem Land, in dem das Entsetzen und die Trauer noch allgegenwärtig waren, schon zwanzig Jahre danach so viele wieder bereit waren für den Krieg?

Die Wunden waren nicht verheilt. Die Fotografien der Gefallenen in den Wohnzimmern. Die Frauen hatten die Trauerkleider noch nicht abgelegt. Der Toten wurde gedacht, jeden Tag, nicht nur am Volkstrauertag - 1922 auf Initiative des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge erstmals begangen: zum Gedenken an die deutschen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren.

Dieses Gedenken, diese Trauer, diesen Schmerz hatten sich die Nationalsozialisten zunutze machen können. Wo Trauer und Schmerz waren, hatten sie Hass geschürt und zur Vergeltung aufgerufen - Auge um Auge, Zahn um Zahn, Tote für Tote.

Wie war es möglich, dass so viele Deutschen sich nach all den Schrecken schon wieder für den Krieg begeistern ließen? An den Gräbern und Gedenkorten sehen wir diese Frage in einem harten Licht, das nichts verbirgt.

Dieses harte Licht müssen wir aushalten. Genauso wie die schreckliche Einsicht, dass auch Zivilisationen sterben können, dass in einem Land, in dem man Goethe las und Schiller, in dem es Kant gab und Beethoven, ein Land mit einem großen Traum von Freiheit, von Europa und vom Frieden, Menschlichkeit verloren gehen kann.

Wir wissen, wie es anfängt. Der Krieg beginnt damit, dass Menschen sich einreden lassen, besser als Andere zu sein, dass der Wohlstand nicht für alle reicht, dass die Fremden gefährlich sind. Krieg beginnt mit dem Hass.

Im harten Licht an den Gedenkorten zeigt sich noch eine Einsicht. Auch heute gibt es wieder Hass auf Andersdenkende, Andersglaubende, Andersaussehende. Das macht traurig und zornig und ruft uns zum Handeln auf.

Der Volkstrauertag ist nicht nur ein Tag der Trauer um die Opfer, sondern ein Tag des Nachdenkens über die Frage, wie wir unser Handeln ausrichten müssen für eine Gesellschaft, in der Hass, Gewalt und Krieg überwunden werden können.

Fangen wir damit an zu lernen, die Perspektive der Anderen mitzudenken, sorgen wir dafür, dass wir es nie wieder an Wertschätzung und Respekt gegenüber den Anderen fehlen lassen,
die anders denken, leben und glauben als wir.

Und treten wir allen mutig und besonnen entgegen, die Hass schüren.

Friedensforscher sagen:
Wenn es gelingt, das Klima zu retten,
wenn der Ressourcenverbrauch auf der Erde verringert wird,
wenn der Dialog der Religionen und Weltanschauungen gelingt,
wenn wir Bildung fördern, Wissenschaft und Kultur, wenn mehr Kooperation uns
zeigt, dass wir überall auf der Welt längst miteinander verbunden und voneinander
abhängig sind,
dann werden internationale Konflikte immer unwahrscheinlicher – so
unwahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass Demokratien gegeneinander Krieg
führen.
Ich denke, sie haben recht.

Wir wissen: Unsere freie und offene Gesellschaft ist fähig, den Krieg zu ächten. Seit 74 Jahren – so lange wie noch nie leben wir in Mitteleuropa im Frieden. Wir Menschen sind fähig zum Frieden.

Wir sind in der Lage, den Krieg zu ächten. Fassen wir Mut gegen den Hass, fassen wir Mut zum Streiten für Demokratie und Toleranz und verbünden wir uns mit allen Menschen in der Welt, die für den Frieden eintreten.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

30 Jahre Öffnung Glienicker Brücke, 10. November 2019, Nikolaikirche Potsdam,
Rede von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Verfassungsgerichtspräsident Möller,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete und ehemalige Abgeordnete aus Brandenburg
und Berlin sowie Mitglieder der Landesregierung,
Herr Erzbischof Dr. Koch und Landesbischof Dr. Dröge,
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Frau Dr. Nooke,
liebe Gemeindemitglieder, Brandenburgerinnen und Brandenburger,
liebe Gäste,

besonders freue ich mich, meinen Kollegen aus Berlin, Herrn Präsidenten Wieland, sowie den Botschafter der Ukraine, Seine Exzellenz Herrn Melnyk [spr.: Mellnik] und den Vertreter der Botschaft der Französischen Republik Herrn Jadot [spr.: Schadoo] unter uns begrüßen zu können.

Menschen liegen sich in den Armen, fröhlich, ausgelassen, unbeschwert - neugierig, ob die Welt auf der anderen Seite der Brücke tatsächlich weitergeht. Blumen, Rotkäppchen-Sektkorken am Boden, Trabbis bahnen sich im Schritttempo einen Weg. Wahnsinn. Ein Wunder. Geschichtsträchtig. Die Grenze war offen, ach was: endlich gehörten wir zur ganzen Welt! Jubel, ein Fest der Freude. Das feiern wir heute, 30 Jahre Öffnung der Glienicker Brücke am 10. November 1989. Wir haben allen Grund zu Jubel und Freude!

Und wir haben Grund zu Dankbarkeit. Dankbar dafür, dass keine Schüsse fielen. Dankbar für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte. Dankbar für ein Ende staatlicher Willkür, Staatssicherheit, Wahlfälschung, Einparteienherrschaft, Ideologisierung von Bildung. Alles veränderte sich. Die Menschen im Osten haben alles verändert.

Wo fing sie an, diese friedliche Revolution und wo stehen wir heute? Ich denke an unsere polnischen Nachbarn, die 1980 den Mut hatten zur Solidarnocz, zur freien Gewerkschaft in einem unfreien Land. Zwei Jahre später begannen die Friedensgebete montags in der Leipziger Nikolaikirche,  hervorgegangen aus der DDR-Friedensbewegung und der Auseinandersetzung um die Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ – ich hab‘ meinen noch!
Am 6. August 1985 vereinbarte Michail Gorbatschow den Teststopp mit Kernwaffen, um den „Teufelskreis des Schürens von Spannungen“ gegen „die alten Vorstellungen vom Krieg als Mittel zum Erreichen politischer Ziele“ zu beenden. Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) wurden
Schlagworte, Gorbatschow zum Hoffnungsträger.
Ungarische Soldaten begannen, den Eisernen Vorhang Meter um Meter abzubauen, in der Nacht vom 10. zum 11. September 1989 öffnete Ungarn seine Grenze.
Und dann liefen 70.000 Leipziger am 9. Oktober auf dem Ring, und es blieb friedlich. Im Kopf hatten wir noch die Bilder vom niedergeschossenen Volksaufstand am Platz des Himmlischen Friedens in Peking. In allen ostdeutschen Städten gingen die Menschen auf die Straße, die meisten am 4. November in Berlin, mit aktuellen und witzigen Botschaften auf selbst gebastelten Pappschildern. Militärhubschrauber kreisten über unseren Köpfen, Mensching und Wenzel sangen in nur 3 Minuten-Liedern, was alle dachten. Jetzt gab es kein Zurück mehr zur Diktatur. Dass die Öffnung der Grenze auf einem Zettel für eine Pressekonferenz stand, beschleunigte den Prozess.

Anfangs dachte ich, es wären die Künstler, die diese Revolution voranbrachten. Aber sie verfügten nur über Sprache und Lieder. Es waren Menschen aller Berufe und Altersgruppen in der DDR, die mit Dialog, Verständigung und auch unendlicher Geduld Veränderung wollten.

Wir haben erlebt, wie Mut wächst, wenn man zusammenhält und füreinander einsteht. Wir haben die Kraft gespürt, die daraus entstehen kann. Wir stritten um Zukunftspläne, übernahmen Ämter und Verantwortung – in Parteien, in Stadtverordnetenversammlungen, Gemeinderäten und in Verwaltungen. Wir haben erfahren, dass man Gesellschaft verändern kann.

Dabei waren wir auch uneinig: demokratischer Sozialismus, dritter Weg oder soziale Marktwirtschaft? Ein schneller Anschluss an die Bundesrepublik oder gemeinsame Arbeit an einer neuen gesamtdeutschen Verfassung? Man tritt daneben oder drauf, aber doch niemals „bei“. Große Erwartungen an blühende Landschaften und 16 Millionen individuelle Träume. Dazu konnten bundesrepublikanische Regularien nicht auf Anhieb passen, nicht die Treuhandentscheidungen, nicht ein Rückgabe-vor-Entschädigungsgesetz, nicht die Markterweiterung westlicher Unternehmen.

*****

Mein erster und bester Eindruck damals:
In der SPD-Fraktion der ersten frei gewählten SVV von Hohenschönhausen saß ich zusammen mit Menschen unterschiedlichster Berufe. Ich kam doch von der hehren Kunst! Ich kannte doch nur solche, die auch von der hehren Kunst kamen! Begeistert stellte ich fest, wie schlau die alle waren, ganz ohne Noten lesen zu können – die Pfarrersfrau, der polnische Bauingenieur, die Finanzerin, der Umweltschützer. Neue Schulen wurden gebaut, Galerien nahmen ihre Arbeit auf, das alte Handelshaus wurde durch ein Einkaufscenter ersetzt, ein Kino entstand und die Wohnungssanierung ließ Neubaublöcke bunt und schick erscheinen. Lebenswert, individuell, modern, mit weiter Sicht aus dem 12. Stock. Und grün sollte es in und um die Stadt sein.

Erzählspuren, jeder hat sie, sehr verschieden. Sie lassen sich nicht in Besitz nehmen, nicht vereinnahmen.

Eine besondere Erinnerung habe ich an die wöchentliche Sprechstunde im Rathaus. Es kamen Bauarbeiter, sehr viele. Sie hatten die neuen Overalls an, alberne Babystrampelanzüge – für Männer. Und sie haben geschimpft. Auf alles und ganz laut und auf uns, die neuen Politiker. Und dann fiel der eine Satz, der mich seither verfolgt: IHR SEID JETZT AN DER MACHT. NUN MACHT WAS DRAUS. Also: ich, Renate, Jacek, Dorette... Wir waren jeden Abend im Rathaus, es gab einfach zu viel Arbeit. Aber über MACHT hatten wir nicht nachgedacht.

Die wenigsten von uns kannten im Herbst 89 Norbert Elias soziologische Theorie der Machtbalance, das veränderliche Stärke- und Abhängigkeitsverhältnis, auch die Wirkungsmacht des einzelnen Menschen in sozialen Beziehungen.
Auch Jacques Derrida hatten wir kaum gelesen, der 1998 in einem Interview mit der ZEIT über das Unmögliche sprach, das in Zukunft an die Stelle der Utopie treten wird, das Unmögliche, L’impossible als eine Figur der Wirklichkeit mit der Härte, Nähe und Dringlichkeit des Augenblicks – im Hier und Jetzt. Das Unmögliche nicht als Verneinung,sondern als eine Bejahung, um Widerstand zu leisten gegen Pseudohandlungen, Pseudoentscheidungen und Pseudoverantwortlichkeiten, sich nicht begnügen, nicht anpassen, sondern wirklich Verantwortung übernehmen.

Wenn diese Erfahrung demokratischer Potentiale möglich war, was könnte heute alles möglich werden für eine menschenfreundliche und demokratische Gesellschaft?

***

Auch wenn nicht alle Träume von 89 bis heute wahr geworden sind, so brauchen wir umso mehr die kritischen Reflexionen und ersten Erfahrungen mit wirklicher Demokratie als machtvolles Potential für die Zukunft. Gerade erscheinen die Bücher zu Ost und West, die DDR-Geschichte nicht einfach nur weglachen. Warum jetzt? Dreißig Jahre später. Weil der Osten reflektiert, wo gelebtes Leben geblieben ist, Liebgewonnenes und Verhasstes, auch Verlust eigener Geschichte? Weil viele aus West noch nie in Ost waren? Weil die Brücke in Frankfurt (Oder) weiter führt - nach Polen, Russland, Ukraine?
Bücher wie Peggy Mädlers „Wohin gehen wir?“, Lutz Seilers „Kruso“ oder Siegbert Schefkes „Als die Angst die Seite wechselte“ spiegeln verdichtete Erfahrungen wider. Sie erzählen das Große und das Kleine, öffnen unterschiedliche Perspektiven und Erinnerungshorizonte der Träume, Hoffnungen, Enttäuschungen, Irritationen, Utopien von einer besseren Welt.

Sie beschreiben Menschen im Osten, die seit der Wiedervereinigung einen beispiellosen gesellschaftlichen Wandel meisterten. Viele haben neue Berufe erlernt, Unternehmen gegründet, ein demokratisches Gemeinwesen aufgebaut. Verkehrs-, Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur wurden ausgebaut. Neu waren Postleitzahlen, Krankenkasse, Geld, grüner Punkt, Kaufangebote, Reisen, Satellitenfernsehen, Farbkopierer, Visafreiheit, Mietpreise, Schulorganisation, Parteienvielfalt, freie Wahlen...
Die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands ist von 43 % im Jahr 1990 auf 75 % des westdeutschen Niveaus 2018 gestiegen. Viele Städte und Dörfer sehen heute frisch geputzt aus. Mehr Menschen ziehen von West nach Ost als umgekehrt. Mehr als zwei Drittel der Menschen im Osten sagen, dass sich ihre persönliche Lage seit 1990 verbessert hat und meinen, dass es auch anderen Menschen im Osten heute besser geht als vor 1989.

Aber - gleiche Lebensverhältnisse zwischen Ost und West gibt es noch nicht. Die Ost-Einkommen liegen erst bei 85 % der westlichen Länder. Macht und Reichtum sind immer noch ungleich verteilt. An den Brandenburger Hochschulen und Universitäten legten nur 205 von 899 Professoren ihren Schulabschluss im Osten ab. In den Vorständen großer Unternehmen sind Expertinnen und Experten aus dem Osten kaum vertreten. Kein einziges DAX-Unternehmen hat seinen Sitz in Ostdeutschland. Und nahezu kein internationales Großunternehmen betreibt seine Zentrale hier. Viele ostdeutsche Unternehmen gehören zu westdeutschen oder ausländischen Konzernen, selbst die meisten Supermärkte, Autohändler, Schulverlage und was man so im Alltag braucht.

Zu viele Menschen sind unzufrieden mit der aktuellen Politik.
Laut einer Umfrage im Auftrag der Bundesregierung fühlt sich mehr als die Hälfte der Ostdeutschen als Bürger zweiter Klasse. Nur 38 % halten die Wiedervereinigung für gelungen. 30 Jahre nach der friedlichen Revolution ist fast die Hälfte der Ostdeutschen unzufrieden mit der Demokratie. Und – GLÜCKLICHER können die Brandenburger auch noch werden! Schließlich gab es auch gute Gründe für den 89er Ausruf „Wir bleiben hier“.

Die Nachwende-Generation stellt viele Fragen, die mit warum beginnen. Wir haben Stück für Stück an Demokratie gebaut, wenig geredet, uns wurde ja auch nicht viel zugehört. Mit solchen Eltern erleben die Kinder Ost und West, sie mahnen den vorurteilsfreien Umgang miteinander zurecht an.
Im Unterschied dazu hat die Fridays for future-Generation ihr Thema gefunden und das ist bedeutender, größer, global.

Wenn wir wollen, dass nicht nur zusammenwächst, was zusammengehört, sondern dass Ost und West gemeinsam eine enkelfreundliche Zukunft gestalten, dann müssen wir in Ost und in West die Debatte zur Deutung der Friedlichen Revolution und ihrer Aneignung führen. Aus dieser Debatte - differenziert, wahrhaftig, respektvoll und mit möglichst vielen Beteiligten geführt - gewinnen wir ein klares Bild von gemeinsamen Zielen heute, wie will Brandenburg künftig sein. Friedliche Revolution, Aufbruch in Demokratie, epochaler Umbruch – wir stecken mittendrin. Und wir wissen, was wir mit Mut, Zuversicht, Besonnenheit und vor allem mit friedlichen Mitteln erreichen können.

*******

Meine Damen und Herren,
Ich freue mich, dass wir diese Stunde des Erinnerns miteinander teilen – gemeinsam mit Zeitzeugen und Aktivisten der Friedlichen Revolution. Besonders begrüße ich Herrn Pfarrer Christoph Polster aus Cottbus, Herrn Pfarrer i. R. Hans-Joachim Schalinski aus Potsdam und Renate Bauer aus Frankfurt (Oder). Schön, dass Sie bei uns sind und mit Dr. Maria Nooke, der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, über Ihre Erfahrungen und heutige Perspektiven sprechen werden.

Mein herzlicher Dank geht an den Nikolaikantor Herrn Kirchenmusikdirektor Björn Wiede für die Intrada an der Orgel. Wir dürfen uns auf weitere besondere musikalische Beiträge freuen, die in Verbindung stehen mit der Zeit und mit der Atmosphäre vor und nach 1989.
Wir werden Rainer Kunads Fantasie für Orgel hören mit dem Titel „Denn wir werden alle mit Feuer gesalzen werden“ (Mk. 9). Das Werk entstand 1984, als Kunad mit seiner Familie die DDR verlassen hat. Am Schluss unserer Festveranstaltung hören wir „Psalmos“ von 1988 für Flöte und Harfe des Brandenburger Komponisten Helmut Zapf, der mit den Randfestspielen in Zepernick ein großartiges und auch im besten Sinne politisches Festival Neuer Musik geschaffen hat.

Und danach müssen wir alle gemeinsam zur Glienicker Brücke – und uns ganz viel erzählen, Geschichten, die Geschichte schreiben!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Gedenkminute für die Opfer des Terrorakts in Halle am 9. Oktober 2019 und
Gedenken an das historische Datum des 9. November

ehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Verfassungsgerichtspräsident Möller,
sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung,
sehr geehrter Herr Landesrabbiner Presman,
sehr geehrter Ud Joffe,
sehr geehrte Mitglieder der jüdischen Gemeinden,
sehr geehrte Gäste,

am 9. Oktober geschah in Halle ein unfassbarer rechtsextremistischer und antisemitischer Terroranschlag auf die Synagoge, ein versuchter Massenmord an Juden am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Ein Rechtsextremist wollte die Menschen in der Synagoge töten.
Die Gottesdienstbesucher erlebten Todesangst. Als der Massenmord nicht gelang, tötete der Terrorist zwei Menschen, die zufällig in der Nähe waren.

In Freundschaft, Verbundenheit und Solidarität stehen wir in diesen Tagen an der Seite der jüdischen Gemeinden.

Wir denken an die Freunde und Familien der Opfer und trauern mit ihnen um Jana und Kevin, die an diesem Tag sterben mussten. Ich bitte Sie, sich zu einer Gedenkminute von Ihren Plätzen zu erheben.

Vielen Dank!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

30 Jahre nach der Friedlichen Revolution 1989, als die Menschen im Osten Demokratie und Freiheit erkämpft hatten, müssen wir uns eingestehen, dass es wieder Antisemitismus und Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft gibt.

Oder war das alles schon immer da und wir haben es nur übersehen? So schmerzhaft diese Wahrheit ist: Der Hass auf Andersdenkende, Andersglaubende, Andersaussehende ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt.

Aber: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“. In Hannah Arendts Satz ist von Mut die Rede. Mut zur Wahrheit und Mut zum Handeln. Diesen Mut werden wir brauchen.

In wenigen Tagen werden wir am 9. November in ganz Deutschland an die Friedliche Revolution 1989 erinnern, an den Fall der Mauer und die beginnende Wiedervereinigung.

An diesem Datum der Hoffnung und des Schreckens in der deutschen Geschichte:
Geburtsstunde der parlamentarisch-demokratischen Republik 1918, 1989 der Fall der Mauer –
1938 die Reichspogromnacht, als in Deutschland Synagogen brannten, jüdische Männer Frauen und Kinder zu Tode geprügelt wurden und die systematische Vernichtung der Juden ihren Anfang nahm.

Vielleicht verstellt der Begriff vom „Schicksalstag der Deutschen“ auch den Blick auf dieses ambivalente Datum, weil es nicht das Schicksal, sondern Menschen waren, die gehandelt haben.

Sehr geehrte Abgeordnete, lassen Sie uns wenige Tage vor dem 9. November 2019 die Gelegenheit zur Reflexion nutzen.

Fassen wir Mut zur Wahrheit und zum Handeln - gegen Antisemitismus, gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Fassen wir Mut zum Streiten für Demokratie und Toleranz.

Ich freue mich, dass heute Thomas Wernicke vom Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte unser Gast im Landtag ist und über das Erinnern am 9. November zu uns sprechen wird.

Thomas Wernicke ist Museumskundler und Ethnologe, war Abteilungsleiter im Potsdam-Museum und engagierte viele Jahre in der Gedenkstätte Lindenstraße.

Seit 2003 leitet er die Abteilung Ausstellung und wissenschaftliche Vorhaben im Haus der brandenburgisch preußischen Geschichte.

Er war Mitglied des Neuen Forums und Sprecher für die Potsdamer Arbeitsgruppe Geschichte.
2010 wurde er für seine zeithistorische Arbeit mit dem Verdienstorden des Landes Brandenburg ausgezeichnet.

Ich bitte Herrn Wernicke ans Rednerpult.

Nach der Rede:

Vielen Dank, Herr Wernicke.
Jetzt spricht zu uns Ud Joffe, Vorsitzender der Synagogengemeinde Potsdam

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Verabschiedung der bisherigen Mitglieder und Berufung der neu gewählten
Mitglieder des Rates für Angelegenheiten der Sorben/Wenden am 29.10.2019

Anreden
MdL und Beauftragte der Fraktionen
Staatssekretärin Ulrike Gutheil, Landesbeauftragte für Angelegenheiten der Sorben/Wenden
Kerstin Kossack, Beauftragte des Landkreises Spree-Neiße
Waltraud Ramoth, Beauftragte des Landkreises Oberspreewald-Lausitz,
Herbert Schirmer, Beauftragter des Landkreises Dahme-Spreewald
Mitglieder des Rates,
ehemalige Ratsmitglieder,

Ich begrüße Sie alle herzlich und freue mich, am Beginn der 7. Wahlperiode - wie es das Brandenburger Sorben/Wenden-Gesetz vorsieht - die neu gewählten Mitglieder des Rates für Angelegenheiten der Sorben/Wenden zu berufen und die bisherigen Mitglieder des Rates würdig zu verabschieden.

Das ist eine ehrenvolle Aufgabe, denn der Rat hat eine hohe Verantwortung für die Rechte der sorbisch/wendischen Bürgerinnen und Bürger und für Schutz, Erhaltung und Pflege der sorbisch/wendischen Identität. In dieser Verantwortung ist der Rat ein wichtiger Partner der Gemeinden, des Landes und des Parlaments.

Denn: Die sorbisch/wendische Kultur ist Teil unserer Brandenburger Identität. Sorbische Musik mit Dudelsack, und dreisaitiger Geige, Volkstänze und Lieder, Mythen vom Wassermann, Mittagsfrau, Zauberer Krabat und Schlangenkönig haben uns geprägt. Die Kulturlandschaft der Lausitz mit den Fließen, Bauernhäusern, Heuschobern , die sorbisch/wendische Küche, Bräuche wie Vogelhochzeit, Zampern, Zapust/ Fastnacht, Spinnte(ball), Ostersingen, Osterwasser holen, Ostereier verzieren, Osterfeuer, Ostersemmel, Osterreiten, Mai- oder Pfingstbaum aufstellen, Kokot (Hahnrupfen) Johannes- oder Stollenreiten und Kjarmuša (Kirmes) - mit der sorbisch/wendischen Kultur haben wir in Brandenburg einen weltweit einmaligen kulturellen Schatz, auf den wir stolz sind und den es zu schützen und zu bewahren gilt.

Das Recht des sorbisch/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebietes genießt bei uns Verfassungsrang. Und schließt die Mitwirkung bei der Gesetzgebung in Angelegenheiten der Sorben/Wenden genauso ein wie die Förderung der sorbischen Sprache und Kultur.

Kulturen bleiben sich niemals gleich, sondern durchlaufen vielfältige Transformationsprozesse. Dazu gehört auch der Assimilationsdruck aus den Nachbarschaften mit anderen Kulturen. Die Sorben/Wenden, die jahrhundertelang die Lausitz kulturell geprägt haben, sind heute eine gefährdete Minderheit. Und dass die sorbisch/wendische Kultur in Brandenburg heute noch lebendig sind, das verdanken wir den sorbisch/wendischen Brandenburgern, die ihre Sprachen und ihre Kultur trotz vielfältiger Assimilierungsversuche bis in unsere Zeit getragen haben. Sie haben uns Entwicklungschance für Vielfalt und Toleranz gesichert, die wir nutzen sollten.

Wenn in Brandenburg sorbisch/wendische Kultur gelebt wird, ist das ein Beispiel für die Wertschätzung gegenüber sprachlichem und kulturellem Reichtum, Toleranz und Zusammenhalt überhaupt. Diese Toleranz und Offenheit erleben wir oft in den Gemeinden im angestammten Siedlungsgebiet, die sich zum kulturellen Erbe der Sorben bekennen. Hier hat der Rat sich große Verdienste erworben, Bürger und Gemeinden zu ermutigen, sich zu ihren sorbisch/wendischen Wurzeln zu bekennen. Dafür möchte ich dem Rat herzlich Dank sagen.
Treten wir gemeinsam für gute Bedingungen ein, die es den Bürgerinnen und Bürgern sorbischer/wendischer Volkszugehörigkeit ermöglichen, ihre Sprachen und Traditionen sowie ihr kulturelles Erbe zu bewahren und weiterzuentwickeln. Sorgen wir gemeinsam dafür, die politische Mitgestaltung des sorbischen/wendischen Volkes zu sichern.

Ich freue mich, die neugewählten Mitglieder des Rates für Angelegenheiten der Sorben/Wenden in ihr Amt zu berufen und bitte Sie zu mir nach vorn:

Dieter Freihoff
Ute Henschel
Kathrin Schwella
William Janhoefer
Delia Münch

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Viel Erfolg und auf gute Zusammenarbeit!

Herzlich bedanken möchte ich bei den drei bisherigen Mitgliedern
Was Sie für den Rat geleistet haben, verdient wertgeschätzt und anerkannt zu werden. Für Ihr großes Engagement und für Ihren Einsatz einen herzlichen Dank.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort von Landtagspräsidentin Dr. Liedtke zur Festveranstaltung anlässlich
25 Jahre Fregatte Brandenburg am 31. Oktober 2019

(Anrede)
Meine Herren Kapitäne Scherrer und Hackstein
liebe Kollegen Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Minister Schröter,
lieber Landrat Kurth,
sehr geehrter Oberst Detleffsen,
Soldatinnen und Soldaten,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte Ihnen herzlich gratulieren zu Ihrem Jubiläum 25 Jahre Indienststellung der Fregatte Brandenburg. Und ich möchte Ihnen herzlich gratulieren zu unserem gemeinsamen Jubiläum 25 Jahre Partnerschaft des Landes mit der Fregatte Brandenburg. Dieses Doppeljubiläum verdient gewürdigt und gefeiert zu werden.

Seit 25 Jahren erfüllt die Fregatte Brandenburg ihren militärischen Auftrag. Generationen von Soldatinnen und Soldaten haben auf dem Schiff gelernt und erfahren, was es bedeutet, Verantwortung für sein Land und für den Frieden wahrzunehmen und diese Verantwortung an
die Jüngeren weiterzugeben.
Sie haben ihren Dienst versehen, mit Mut und Einsatzbereitschaft und in verlässlicher Kameradschaft. Das verdient Anerkennung und Respekt. Das Jubiläum ist ein guter Anlass, diese Verlässlichkeit, diesen Dienst und diese Verantwortung für den Frieden zu würdigen.

Schon seit 25 Jahren besteht eine lebendige Patenschaft zwischen dem Landtag Brandenburg und der Fregatte Brandenburg. Die Kommandanten und Patenschaftsoffiziere der Fregatte haben gewechselt, die Landesregierung und der Landtag haben sich verändert, aber unsere Kontakte mit der Fregatte haben wir immer gepflegt und weiterentwickelt.

Wir freuen uns, wenn die Soldatinnen und Soldaten unserer Patenfregatte uns besuchen und Anteil nehmen am gesellschaftlichen Leben in Brandenburg. Im Landtag zu Plenarsitzungen, im Rahmen der politischen Bildung in Brandenburg, bei Besuchen in Bundestag und Bundesrat und bei Unternehmen in Brandenburg oder wenn es bei uns im Land einen besonderen Anlass zum Feiern gibt.

Für uns Abgeordnete waren die Eindrücke, die wir vor Ort auf dem Schiff sammeln konnten, immer etwas ganz Besonderes, einmal mitzufahren auf dem stolzen Schiff mit dem roten Adler am Bug, zum Beispiel bei den Familienfahrten, bei der Begleitung von Übungsfahrten oder auch bei der beeindruckenden Fahrt der Fregatte im Jahr 2000 nach Kaliningrad, an der unser ehemaliger Landtagspräsident Dr. Knoblich teilnahm. Die Abgeordneten, die damals dabei waren, erzählen heute noch davon.

Gute Paten übernehmen Verantwortung, nehmen Anteil, und sind da, wenn sie gebraucht werden. So sehen wir in Brandenburg unsere Patenschaft mit der Fregatte – eine Patenschaft, die gewachsen ist.

Dafür stehen auch die vielen Gratulanten aus Brandenburg – eine Formation der Langen Kerls, Kinder und Jugendliche aus dem Kinderheim Trebbin, der Werderaner Tannenhof, eine Delegation des Landeskommandos der Bundeswehr, der Fachhochschule der Polizei, des THW und der Feuerwehr.

Und ich möchte auch all jenen danken, die in dem vergangenen Vierteljahrundert auf beiden Seiten die Patenschaft stets mit Leben gefüllt haben, Ideen entwickelt und eingebracht und viel Zeit investiert haben.

Für mich ist die Patenschaft mit der Fregatte Brandenburg nichts Neues. Aber es ist das erste Mal, dass ich persönlich vor Ort bin und die Gelegenheit habe, Sie und die Fregatte hautnah kennen zu lernen. Vielen Dank nochmal für den herzlichen Empfang gestern an Bord.

Wir in Brandenburg wissen: Unsere Marine trägt jeden Tag dazu bei, dass wir in unserem Land sicher leben können. Dafür möchte ich herzlich Dank sagen. Die Besatzungsmitglieder sollen sich auf uns verlassen können: Das Parlament des Landes Brandenburg steht an Ihrer Seite.

Wir Abgeordneten fühlen uns verbunden mit den Soldatinnen und Soldaten - nicht nur beim Dienst und bei den Einsätzen, sondern auch, wenn es um die berufliche Zukunft nach der Dienstzeit in der Marine geht.

Denn Brandenburger Unternehmen unterstützen die Patenschaft mit der Fregatte und haben Interesse, die hervorragend ausgebildeten Fachkräfte der Marine als künftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Unsere Türen in Brandenburg stehen den Soldatinnen und Soldaten offen.

Ich möchte der gesamten Besatzung und allen ehemaligen Besatzungsmitgliedern für ihr hohes Engagement recht herzlich danken. Ich wünsche allen Soldatinnen und Soldaten für die nächsten Jahre alles Gute, viel Glück und dass unser stolzes Schiff bald wieder auf den Meeren seinen Dienst tun kann.

Ich gratuliere Ihnen herzlich zum 25. Geburtstag der Fregatte und unserer Patenschaft. Ich hoffe, es gelingt uns, Ihnen mit unseren kleinen Geburtstagsüberraschungen eine Freude zu machen.

Herzlichen Dank.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Kurze Rede zum Empfang nach der konstituierenden Sitzung des Landtages
25. September 2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

nachdem der neue Landtag sich konstituiert hat, möchte ich meiner Amtsvorgängerin Britta Stark und allen ehemaligen Abgeordnetenkolleginnen und –kollegen herzlich Dank sagen.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin a. D., liebe Britta, du hast souverän, wahrhaftig und leidenschaftlich die Sache unseres Parlaments zu deiner Sache gemacht. Du hast Maßstäbe gesetzt mit deiner kraftvollen Sitzungsleitung und du hast Verwaltungsstrukturen modernisiert. Du hast neue Formate entwickelt wie den Frauentag, die Gedenktag 8. Mai oder das Hissen der Regenbogenfahne im Innenhof. Du hast mit Dialog P Abgeordnete in Kontakt mit den Schulen gebracht. Zusammen haben wir die Kunst im Landtag etabliert. Du hast uns Abgeordnete sehr gut unterstützt. Ich habe mich von dir unterstützt gefühlt und viel von dir gelernt. Und an Vieles, was du auf den Weg gebracht hast, werden wir anknüpfen können. Für das Weitergeben und Anknüpfen steht auch die Glocke, die du mir übergeben hast: Und ich hoffe, ich werde dieses unüberhörbare Instrument für die parlamentarische Disziplin in hitzigen Debatten nicht öfter zum Einsatz bringen als du es getan hast. Die Blumen und der Fontanetaler sind ein kleines Dankeschön für eine intensive gemeinsame Zeit.

Liebe ehemalige Kolleginnen und Kollegen,
Sie alle haben mit Ihrer parlamentarischen Arbeit unser Landesparlament mitgeprägt – mit eindrucksvollen Reden im Plenum, mit konstruktiver und geduldiger Ausschussarbeit, mit sehr viel Engagement in den Wahlkreisen vor Ort. Dafür möchte ich Ihnen herzlich Dank sagen. Das Ausscheiden aus dem Landtag bedeutet ja kein Ausscheiden aus der Politik. Ihre politische Expertise wird dringend gebraucht in dieser Zeit des Wandels. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, gutes Gelingen für ihre neuen Aufgaben und alles Gute.

Sehr geehrte neue Abgeordnete, ich gratuliere Ihnen herzlich zur Wahl. Die Bürgerinnen und Bürger haben Ihnen Ihr Vertrauen geschenkt. Auf dieses Vertrauen dürfen Sie stolz sein. Es wird Ihnen Rückhalt und Kraft geben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und viel Freude an der parlamentarischen Arbeit. Wir erfahreneren Kolleginnen und Kollegen werden Ihnen gern bei Ihrem Start zur Seite stehen. Ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen gelingt umzusetzen, wofür Sie angetreten sind, dass es Ihnen gelingt, gute Politik zu machen für unser Land Brandenburg.

Schön, dass wir uns alle jetzt kennenlernen. Ich wünsche Ihnen einen anregenden Abend.
Vielen Dank.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Antrittsrede der Landtagspräsidentin Prof. Ulrike Liedtke in der konstituierenden Sitzung des Landtags am 25.09.2019
Sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Verfassungsgerichtspräsident Möller,
sehr geehrte ehemalige Abgeordnete
sehr geehrte Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre,

besonders freue ich mich, die Gäste auf der Besuchertribüne zu begrüßen,
Herrn Bischof Dr. Dröge und Herrn Generalvikar Kollig sowie die Vertreterinnen und Vertreter
beider Kirchen, Herrn Vogel und Herrn Engelbreth,
ich begrüße den ehemaligen Landtagspräsidenten Gunter Fritsch und aus Berlin
begrüße ich den Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses Ralf Wieland.
Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter des Städte- und Gemeindebunds mit
ihrem Präsidenten Dr. Oliver Hermann
sowie den geschäftsführenden Vorstand des Landkreistages, Herrn Dr. Paul-Peter Humpert,
ich begrüße den Kommandeur des Landeskommandos Brandenburg, Herrn Oberst Olaf
Detlefsen und besonders begrüße ich unter den Gästen die Abgeordneten unserer
Partnerregionen, den Vorsitzenden des Sejmik Niederschlesien Herrn Andrzej Jaroch mit seinen
Kollegen, den Vorsitzenden des Ausschusses für Internationales des Sejmik Lubuskie, Herrn
Edward Fedko mit Vetretern der Wojedschaft,
und aus Georgien begrüße ich den Präsidenten des Parlaments von Adscharien,
Herrn Davit Gabaidze.
Herzlich willkommen heiße ich auch den Generaldelegierten von Flandern, Herrn van der
Marliere und dessen Vertreterin Frau Ysenbrandt.

Liebe Gäste der Fraktionen, der Abgeordneten und ehemaligen Abgeordneten, liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger,
ich freue mich, dass Sie unserer Einladung zur konstituierenden Sitzung des Landtags Brandenburg gefolgt sind. Herzlich willkommen!

Sehr geehrte Abgeordnete, ich danke Ihnen von Herzen für Ihr Vertrauen. Ich bin jetzt wirklich bewegt und aufgeregt. So groß ist meine Freude und meine Dankbarkeit, dass mir dieses hohe Amt anvertraut wird. Dieses besondere Amt und die Aufgabe, persönliche Verantwortung zu übernehmen für unsere repräsentative Demokratie. Und die Aufgabe, mich dafür einzusetzen, dass wir in einem lebendigen Kontakt und Austausch sind mit den Menschen im Land. Das ist für mich das schönste Amt, das unsere Demokratie zu vergeben hat.

In unserer Landesverfassung sind die Aufgaben der Präsidenten in zwei kurzen Sätzen definiert.
Der Präsident vertritt den Landtag nach außen. (Landesverfassung Art. 69 Abs. 4).
Und: Die Präsidentin wahrt die Würde und Rechte des Landtages.

Das bedeutet für mich, über die Einhaltung der parlamentarischen Regeln zu wachen und Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, nach besten Kräften verantwortungsvoll und achtsam in Ihrer Arbeit zu unterstützen. Bei der Landtagswahl 2019 haben die Brandenburgerinnen und Brandenburger sehr verschiedenen politischen Parteien ihre Stimme gegeben. Das bringt für die Präsidentin unseres Parlaments in den kommenden Jahren Herausforderungen wie Chancen mit sich. Ich werde mein Bestes geben, um in den Plenarsitzungen das Mit- oder Gegeneinander der Positionen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger fair und respektvoll zu gestalten.

Zugleich bedeutet das Amt der Präsidentin, den Landtag nach außen zu repräsentieren. Eine wunderbare Aufgabe, denn Repräsentation bedeutet etwas gegenwärtig machen, das noch nicht im vollem Maße entfaltet, sichtbar und wirksam ist.

Was ist das noch nicht Gegenwärtige, das sichtbar und wirkungsvoll werden kann durch die Repräsentationsaufgaben der Landtagspräsidentin? Die Würde und Rechte des Parlaments sind in  unserer Landesverfassung benannt, die sich die Bürgerinnen und Bürger in freier Entscheidung gegeben haben. Unsere Verfassung legt die Grundstruktur und die politische Organisation des Landes fest, regelt das Verhältnis und die der Staatsgewalten untereinander und bestimmt die Freiheits- und Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Die Landesverfassung weist dem Landtag die Rolle als gewählte und damit legitimierte Vertretung des Volkes zu. Der Landtag repräsentiert die Ziele,  Grundrechte, Verfahrensweisen der Demokratie, die in der Verfassung festgelegt sind.

Deshalb gehört alles, was wir in Brandenburg in unserer Verfassung geregelt haben, zum Repräsentationsraum des Landtags. Unser Landtag ist für mich auch ein Möglichkeitsraum, in dem vielfältige Themen, Grundsätze, Rechte, Verfahrensweisen, Staatsziele des Landes Brandenburg vergegenwärtigt werden in einem offenen gesellschaftlichen Prozess, an dem sich alle Bürgerinnen und Bürger beteiligen können.

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine starke und moderne Verwaltung, die uns Abgeordnete in unserer Arbeit unterstützt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit einer Verwaltung mit viel Expertise, Kompetenz und Engagement. Diese Ressourcen sind außerordentlich wertvoll. Ich möchte gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unsere Landtagsverwaltung weiter stärken als eine kompetente und zugewandte Serviceeinrichtung zur Unterstützung der Abgeordneten. Gemeinsam mit dem Direktor, den Führungskräften und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich eine moderne, kooperative und dialogische Verwaltungskultur weiterentwickeln.

Den Landtag nach außen repräsentieren und gegenwärtig machen, das noch nicht im vollem Maße entfaltet, sichtbar und wirksam ist – dazu gehört für mich eine politische Kultur, die Verständigung ermöglicht, aber auch Streit. Ich frage mich oft: Können wir heute noch streiten? Sie wissen ja, dass ich von der Musik herkomme. Von Arnold Schönberg, der nicht nur mit seiner Musik neue Denkräume und Freiheitsräume geöffnet hat, sondern auch ein eigensinniger Maler war, gibt es ein Bild, das heißt: Der Sieger und der Besiegte. Pastell auf Papier, entstanden 1919.
Schon bei flüchtigem Hinsehen fällt auf, wie zerbeult und verformt beide aussehen. Betrachtet man das Bild länger, kann man die Verletzung und die Verletzlichkeit des Siegers wie des Verlierers entdecken. Was meinen Sie: Können wir das überhaupt: streiten, ohne einander zu verletzen, ohne dass es Sieger und Besiegte gibt? Wir sollten uns darin üben statt den Streit aus unserer politischen Kultur zu verbannen. Das neue Stück meines Kindermusiktheaters des Tanz&Art Rheinsberg e. V. heißt Streit. Sein Ausgangspunkt ist ein jüdisches Lied mit der Bitte an Gott: „Lehre uns Streit!“
Muss man streiten können? Welche Möglichkeiten gibt es, Streit auszutragen? Wie weiter nach dem Streit?

Kann man streiten lernen? Ich meine: Ja. Streiten kann man lernen. Und es ist notwendig für eine politische Kultur der Zukunft. Eine demokratische Debatten- und Streitkultur setzt Impulse und fördert die Entwicklung neuer individueller und gesellschaftlicher Positionen. Kontroversen, die durch Zuhören und konstruktive Auseinandersetzung geprägt sind, bringen Neues in die Welt und sind unverzichtbar für die Demokratie. Konstruktive Aushandlungsprozesse setzen Kompromissfähigkeit voraus und regen dazu an, Kompromissfähigkeit zu entwickeln.

Konstruktive Aushandlungsprozesse in einer Streitkultur, die von Respekt und Wertschätzung ausgeht, bilden den radikalen Gegenpol zum Populismus, der nur die eigene Ansicht gelten lässt und nicht in der Lage ist, anzuerkennen, dass es gute Gründe gibt, andere Positionen zu vertreten.

Den Landtag nach außen repräsentieren und gegenwärtig machen, was noch nicht im vollem Maße entfaltet, sichtbar und wirksam ist – dazu gehört für mich die Frage nach Transparenz der parlamentarischen Arbeit. Wählerinnen und Wähler haben nicht nur ein Recht darauf, sich über Plenarbeschlüsse, Gesetze, Protokolle zu informieren, sondern auch zu erfahren, wie Entscheidungsprozesse zustande kommen.

Ich will, dass Bürgerinnen und Bürger die parlamentarische Demokratie in Echtzeit miterleben können. Damit ist nicht nur die Besuchertribüne gemeint oder die öffentlichen Ausschusssitzungen, sondern die gesamte Kommunikationsstrategie des Landtags richtet sich am Anspruch der Transparenz aus. Dafür übernehme ich gern Verantwortung und will gemeinsam mit der  Landtagsverwaltung, mit engagierten Menschen aus der Zivilgesellschaft, mit Organisationen,  Verbänden und mit Wissenschaftlern neue Ansätze entwickeln und umsetzen, die Transparenz und Demokratie in Echtzeit ermöglichen und verstärken. Dazu gehört, dass die Landtagspräsidentin nicht nur in Potsdam, sondern auch in den Landkreisen, in Dörfern und Städten unterwegs ist und die Themen der Menschen in den parlamentarischen Raum bringt – in Veranstaltungen und Diskussionen im Landtag, in einem konstruktiven öffentlichen Streitraum – im Landtag wie in den Dörfern und Städten. Die Kommunalparlamente mit den ehrenamtlichen Abgeordneten, die Vorsitzenden der Kreistags- und Stadtverordnetenversammlungen, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die kommunale Familie sind für mich wichtige Partner und Verbündete. Der regelmäßige intensive Austausch mit den Kommunen ist unverzichtbar für das Parlament.

Für einen lebendigen Austausch zwischen Parlament und den Bürgerinnen hat die Öffentlichkeitsarbeit der Landtagsverwaltung schon viel entwickelt, woran wir anknüpfen können. So wie das Schulprojekt dialogP, wie das Hissen der Regenbogenfahne, wie die politischen Dialogveranstaltungen zum Frauentag. Lassen sie uns gemeinsam den öffentlichen Dialog in unserem Landtag verstärken – mit all den Themen, die Menschen im Land bewegen.

Es geht darum, in unserer Kommunikation im Plenum wie mit den Bürgerinnen und Bürgern das aktive Zuhören zu üben – genauso wie das Streiten. Und wenn man hier weiterdenkt, merkt man, wie sehr beides zusammengehört. Nur wenn ich in der Lage bin, dem Anderen wirklich zuzuhören, ohne vorschnelle Bewertung und ohne Abwertung, dann verstehe ich die Intentionen meines Gegenübers und die Gründe für seine Position. Hier beginnt für mich die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit unserer politischen Kultur.

Neutralität im Amt der Präsidentin bedeutet nicht, keine Position zu beziehen. Für mich bedeutet Neutralität ein Sprechen und Aushandeln auf Augenhöhe und Wertschätzung und Respekt gegenüber den Menschen, mit denen ich in Debatten und Diskursen bin. Neutralität bedeutet für mich, Partei ergreifen für die Demokratie und Themen zu setzen wie Klimaschutz, Mobilität, Digitalisierung, Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West, Themen, die wir mit Bürgerinnen und Bürgern bewegen. Ich will mich einsetzen für Gespräche und Diskurse im Landtag, für politische Bildung, die Freude macht und das Leben bereichert und für die Kunst im Landtag, die unsere Bilder von der Welt hinterfragt und verändert, die Einsichten ermöglicht und ein Erkunden der Wirklichkeit aus unterschiedlichen Perspektiven.

Ich will dafür eintreten, dass der Landtag, dass unser Hohes Haus der Demokratie von den Menschen im Land als ein gesellschaftliches Zentrum wahrgenommen wird. Ich will meine Kraft dafür einsetzen, dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger das Plenum als Herzensraum der Demokratie erleben, wo über Zukunftsfragen öffentlich verhandelt wird. Ich möchte, dass der Landtag ein lebendiger und transparenter sozialer Raum wird, den Menschen gern und oft besuchen – um sich ein Bild zu machen, wie in Brandenburg Politik gemacht wird, um mitzureden und um ihre Vorschläge, ihre Kritik und auch ihre Sorge mit uns zu teilen. Ich möchte, dass wir hier im Landtag mit vielen Menschen ins Gespräch kommen.

Die Wahlbeteiligung 2019 lag höher als in der Landtagswahl zuvor. Das politische Interesse vieler Menschen ist gewachsen. Viele Bürger wollen sich einbringen. Es gibt so viele Brandenburgerinnen und Brandenburger, die sich in Ihrem Heimatort für Toleranz, Vielfalt, für Demokratie und Zusammenhalt engagieren. Lassen Sie uns mit ihnen gemeinsam neue kreative Formen und Formate gestalten, denen Menschen Partizipation und Demokratie erleben können. Lassen Sie uns in unserem Landtag einen Raum schaffen für Begegnung und Austausch. Wir Abgeordnete sollten einander zuhören und einander ausreden lassen. Wir sollten einander begegnen mit Wertschätzung und Respekt. Wir wollen offen sein für die Bürgerinnen und Bürger und auch Menschen eine Chance geben, die sonst oft nicht gehört werden.