Reden und Grußworte aus 2023

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Rede zur Eröffnung der Ausstellung zum Baukulturpreis am 13. Dezember 2023, 12:45 Uhr, in der Lobby des Landtages

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Minister Genilke,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Schüler,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Ranft,
sehr geehrter Herr Rieger,
sehr geehrter Herr Krebs,
sehr geehrte Herren Habermann,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, Sie zur Eröffnung der Ausstellung zum Brandenburgischen Baukulturpreis 2023 im Landtag begrüßen zu können.

Das Jahr 2023 ist in Brandenburg das „Jahr der Baukultur“.

Bereits im März haben wir als Beitrag zum Jahr der Baukultur gemeinsam mit der Architektenkammer eine Podiumsdiskussion zur Baukultur und zum Klimaplan durchgeführt. Im Kontext zu unser Jahresausstellung zur baubezogenen Kunst aus der DDR im Land Brandenburg.

Lieber Herr Rieger,
es hat mich ganz besonders gefreut, dass Sie zu unserer gelungenen Veranstaltung einen Beitrag im Deutschen Architektenblatt veröffentlichen konnten. Sie haben damit unsere Veranstaltung auch über die Grenzen Brandenburgs der Fachöffentlichkeit bekannt gemacht. Vielen Dank!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
unsere Jahresausstellung zur baubezogenen Kunst endete am 8. Dezember. Aber wir knüpfen weiterhin an das Jahr der Baukultur an und haben – bis zur nächsten Jahresausstellung - Platz geschaffen für eine Ausstellung zum Brandenburgischen Baukulturpreis 2023. Dieser wurde von der Brandenburgischen Architektenkammer gemeinsam mit der Branden­burgischen Ingenieurkammer und unterstützt vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung ausgelobt. Die 38 eingereichten Projekte für den Baukulturpreis sowie die Preisträger und Preisträgerinnen sind - bis zum 15. Januar 2024 - im Landtag als Ausstellung auf Projekttafeln zu sehen.

Mir ist der Hinweis wichtig, dass der Landtag nicht nur Ausstellungsräume zur Verfügung stellt. Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, die Ausstellung zum Baukulturpreis am Ort der Demokratie zu zeigen. Das entspricht meinem Verständnis von Baukultur. Und damit bin ich nicht allein.

Seit der Erklärung von Davos ist es ein europaweites, politisches Anliegen, unsere gebaute Umwelt zu verbessern. Im Jahr 2018 trafen sich dort die europäischen Kulturminister, um ein „neues Verständnis von Baukultur“ zu definieren.

Baukultur sei „die Summe der menschlichen Tätigkeiten, welche die gebaute Umwelt verändern“, ist in der Erklärung zu lesen. Damit ist gemeint, dass Menschen seit jeher die Welt um sich herum gestaltet, verändert und zu ihren Gunsten geformt haben. Diese Veränderungen hielten Einzug in das kulturelle Erbe, das wiederum die nachfolgenden Generationen bis heute prägt. An dieser Stelle bleibt die Erklärung jedoch nicht stehen. Sie beklagt, dass sich „überall in Europa ein allgemeiner Verlust an Qualität der gebauten Umwelt und der offenen Landschaften abzeichnet“, was sich

  • in einer Trivialisierung des Bauens,in fehlenden gestalterischen Werten und
  • einem fehlenden Interesse für Nachhaltigkeit,
  • in zunehmend gesichtslosen Ballungsgebieten und
  • verantwortungslosem Landverbrauch,
  • in einer Vernachlässigung des historischen Bestandes und
  • im Verlust regionaler Identitäten und Traditionen

zeige.

Die Erklärung unterstreicht deshalb das Erfordernis politischer Strategien, um „überall und auf allen Ebenen nachhaltige, und auf Kultur ausgerichtete Entwicklungsansätze zu erarbeiten“. Das neue Verständnis zielt dabei auf eine „Hohe Baukultur“ ab,

  • die einen neuen integrierten Ansatz verfolgt, um unsere gebaute Umwelt zu gestalten,
  • einen Ansatz, der in der Kultur verankert ist,
  • der densozialen Zusammenhalt aktiv stärkt,
  • eine nachhaltige Umwelt sicherstellt und
  • zu Gesundheit und Wohlbefinden der gesamten Bevölkerung beiträgt.

Zur Umsetzung dieser Ziele seien interdisziplinäre, breit debattierte Wettbewerbe, die Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie eine umfassend informierte und mündige Öffentlichkeit unerlässlich.

Den Werten der Kultur und der Bürgerbeteiligung kommt somit eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer zukunftsorientierten hohen Baukultur zu. So greift auch der zum Themenjahr Kulturland Brandenburg 2023 von der Baukulturinitiative Brandenburg und Kulturland Brandenburg verfasste Aufruf „Baukultur leben“ diese Forderungder Erklärung von Davos für Brandenburg auf. Ich zitiere:

Kultur ermöglicht und fördert wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Sie formt Identität. Sie stellt die drängenden Fragen der Gegenwart und Zukunft. Sie fokussiert Transformationsprozesse als gemeinschaftliche Chance und bietet Lösungsansätze jenseits von Gewinnoptimierung und Effizienzsteigerung. Kultur beeinflusst, was wir den nachkommenden Generationen hinterlassen. Es gibt keine demokratische, friedliche und nachhaltige Entwicklung ohne Kultur. … Baukultur ist Beteiligungskultur. Sie lebt davon, dass Menschen sich für ihr Umfeld, ihr Quartier, ihr Dorf, ihre Stadt interessieren und engagieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

die ausgezeichneten Arbeiten sind Werke hoher Baukultur, wovon Sie sich bei uns im Landtag überzeugen können. Dies gilt exemplarisch für den „Baukulturpreis 2023“, der an die „Kulturweberei“ in Finsterwalde verliehen wurde.

Das Projekt der Finsterwalder Stadthalle "Kulturweberei" war ein jahrelanger Zankapfel in der Sängerstadt. 15 Jahre lang wurde gestritten und gekämpft. 2007 kam die Idee erstmals auf, Diskussionen und ein Bürgerentscheid, der sich für den Bau aussprach, folgten. Die kontroverse Diskussion rund um den Bau der heutigen Stadthalle hat dabei auch das Finsterwalder Architektenduo Clemens und Jürgen Habermann - Sohn und Vater, die beide heute hier sind - beeinflusst.

"Die Erwartungshaltung zu erfüllen war die größte Herausforderung. Die Zufriedenheit sollte da sein, und auch der Stolz, in der Stadt so eine Einrichtung zu haben", sagte der Vater zur Fertigstellung des Projektes.

Und dieser Preis zeigt einmal mehr, wie wichtig die Bürgerbeteiligung von Bauprojekten ist. Und erklärt, weshalb der Baukulturpreis im Landtag gezeigt wird. Schön, dass der Baukulturpreis ein versöhnliches Ende für den schwierigen Geburtsprozess bildet.

Schön, dass wir uns über das Ergebnis des Wettbewerbs am Ort der Demokratie ein Bild davon machen können. Als „umfassend informierte und mündige Öffentlichkeit“ im Sinne der Erklärung von Davos.

Mein Dank gilt allen Beteiligten, die diese Ausstellung ermöglicht haben und in dem genannten Sinne allen, die das Interesse an einer demokratischen hohen Baukultur teilen!

Ich wünsche Ihnen viel Freude mit dieser Ausstellung!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Anzünden des Chanukka-Lichtes
am 7.12.2020 um 17:00 Uhr vor dem Landtag (Steubenplatz)
Begrüßung durch die Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Sehr geehrter Herr Joffe,
sehr geehrte Gemeindemitglieder,
sehr geehrte Damen und Herren,

ein Licht gegen die Dunkelheit, ein Licht für die Hoffnung. Mehr denn je brauchen wir Zuversicht. Mehr denn je müssen wir ein Zeichen setzen für Gemeinschaft und Solidarität. Das Chanukka-Fest ist eine besondere Tradition und es steht für Hoffnung und Widerstand gegen die Dunkelheit.

Noch immer überschattet der Angriff der Hamas auf Israel unsere Gedanken, noch immer haben wir die furchtbaren Bilder des Krieges in Nahost im Kopf. Und mit Schrecken müssen wir feststellen, dass auch hier bei uns in Deutschland, in Brandenburg Jüdinnen und Juden Angst um ihr Leben haben. Antisemitische Übergriffe und Straftaten haben zugenommen. Das dürfen wir nicht zulassen. Hier muss der Rechtsstaat energisch eingreifen.

Aber auch wir als Gesellschaft sind gefragt. Lassen Sie uns verbünden gegen Hass und Antisemitismus. Möge das Licht der Chanukka-Kerzen uns daran erinnern, dass die Gemeinschaft und Solidarität uns stark machen.

Der Landtag hat sich klar gegen Antisemitismus positioniert und setzt sich verstärkt ein für den Schutz jüdischen Lebens in Brandenburg. Erst vor zwei Wochen wurde das Gesetz zur Einrichtung eines Antisemitismusbeauftragten verabschiedet. Mit Beschluss des Parlaments vom Juli 2022 steht die Stärkung Jüdischen Lebens und der Kampf gegen Antisemitismus als Staatsziel in der Verfassung Brandenburgs.
Die Eröffnung der Synagoge direkt gegenüber dem Landtag im kommenden Jahr wird ein sichtbares Zeichen des jüdischen Lebens in unserer Mitte, im Herzen Potsdams, sein.

Und sichtbar ist nun auch das erste Licht des Chanukka-Leuchters. Inmitten der aktuellen Unsicherheiten, Spannungen und Unruhen strecken wir die Hände aus, um Liebe und Frieden zu verbreiten. Lassen Sie uns gemeinsam das Licht entzünden und Hoffnung in die Welt bringen. Möge Chanukka uns inspirieren, für Gerechtigkeit und Zusammenhalt einzutreten und nach Frieden zu streben.

Chag Sameach!
(Ein Frohes Fest)

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- Es gilt das gesprochene Wort-

20jähriges Jubiläum der Partnerschaft zwischen Brandenburg und Großpolen
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke zur Eröffnung der Plenartagung, 22.11.2023, Plenarsaal

Sehr geehrter Herr Marschall Wozniak,
sehr geehrte Vorsitzende des Sejmiks von Großpolen,
liebe Frau Ministerin Lange,
liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete des Sejmiks von Großpolen und des Landtages Brandenburg,
meine Damen und Herren der Landesregierung,
liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger,
sehr geehrte Damen und Herren,

wie selbstverständlich der Austausch zwischen Polen und Brandenburg geworden ist, das sehen wir dankbar jeden Tag. Immer mehr Menschen leben ihren Alltag auf beiden Seiten von Oder und Neiße, arbeiten, kaufen ein, studieren, besuchen Freunde und Kultur hüben wie drüben. Mehr als 870 Tausend Polinnen und Polen leben in Deutschland – die zweitgrößte Gruppe ausländischer Staatsbürger. Die Europa-Universität Viadrina wird von polnischen und deutschen Forschenden und Lehrenden geprägt. Umweltschutzverbände aus Polen und Brandenburg engagieren sich gemeinsam für den Schutz der Oder.

Polen ist fünftgrößter Handelspartner Deutschlands und für Brandenburg die Nummer 1 bei den Exporten.

Herzlich willkommen, ich freue mich, mit Ihnen allen heute hier in unserem Plenarsaal des Brandenburger Landtages ein besonderes Jubiläum zu feiern:

Vor 20 Jahren haben Brandenburg und Wielkopolska (Großpolen) ihre Partnerschaft begründet. Eine Partnerschaft, die Herzenssache ist für uns in Brandenburg, die unserer Verbundenheit mit Polen eine lebendige Gestalt verleiht, eine Partnerschaft, die alle Bereiche der Gesellschaft umfasst – Wirtschaft, Landwirtschaft, Kultur, Bildung, Demokratie, Verwaltung, Zivilgesellschaft.

In der gemeinsamen Erklärung, unterschrieben vom damaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und Marschall Stefan Mikołajczak - noch vor dem Beitritt Polens zu EU und ganz im Geiste des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrages - vereinbarten beide Seiten eine enge Zusammenarbeit in der Wirtschaft zur Förderung von Innovationen und Technologietransfer, in Forschung und Kultur u.a. mit dem Centrum Polonicum, zu Themenkomplexen wie Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen, Jugendarbeit und Sport. Jährliche Spitzentreffen fanden statt, gemeinsame Arbeitsprogramme wurden entwickelt. Schulkooperationen entstanden. Energiewirtschaft und Wasserstofftechnologie bieten Chancen für eine grenzüberschreitende Regionalentwicklung. Brandenburg und Großpolen arbeiten in der Initiative „Oderpartnerschaft“ zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Sachsen, Westpommern, Lebus und Niederschlesien in einer projektorientierten Kooperation im grenznahen Raum.
Aus der gemeinsamen Erklärung entwickelten sich Arbeitsprogramme. Aus Arbeitsprogrammen wurde lebendige Arbeitspraxis.

Heute zum 20jährigen Bestehen unserer Partnerschaft sind unsere beiden Regionen gut vernetzt. Zukunftsweisende Kooperationen zum Klimaschutz, zu Innovativen in der Wirtschaft wurden auf den Weg gebracht und weiterentwickelt. Großpolen und Brandenburg kooperieren auf vielen gesellschaftlichen

Feldern. Das stärkt beide Regionen und ist ein gelingendes Praxismodell für die Zukunft interregionaler Zusammenarbeit in Europa. Dafür möchte ich unseren polnischen Partnern herzlich Dank sagen!

Wir Brandenburger und Brandenburgerinnen sind sehr froh, dass die Beziehungen zu Polen in unserem Bundesland seit 2021 Verfassungsrang haben. Unsere Freundschaft mit Polen gehört schon sehr lange zum Selbstverständnis in Brandenburg, sie begann in den Regionen weit vor der Deutschen Einheit. Partnerschaft mit Polen, das bedeutet für uns Freundschaft, Verbundenheit und eine Nachbarschaft, in der sich einer auf den anderen verlassen kann. In unseren Partnerschaften mit Großpolen, Lebus, Niederschlesien, Westpommern, Masowien, mit Städten wie Krakau, Posen und Gnesen erleben wir immer wieder mit Freude, wie Europa tiefer und reicher wird.

Es ist noch nicht einmal drei Jahrzehnte her, da haben in Deutschland wie in Polen nur wenige Menschen daran geglaubt, dass Versöhnung, Verständigung und Austausch zwischen beiden Ländern so schnell und gut gelingen würden.

Der Nachbarschaftsvertrag zwischen Polen und Deutschland legte wesentliche Grundlagen dafür. Willy Brandts Kniefall vor den Opfern des Warschauer Ghettos war mehr als eine Geste, er sprach den Menschen aus dem Herzen. Und wir wissen heute von deutschen Massakern an der polnischen Zivilbevölkerung und schämen uns für Großväter, für Urgroßväter. Ohne die Anerkennung dieser Schuld und die Übernahme von Verantwortung gibt es keine Versöhnung. Für uns mit unserer deutschen Geschichte ist die Versöhnung mit Polen nicht nur notwendig, sie ist ein Teil unserer Identität.

Dass Deutschland und Polen wieder zusammenfinden konnten, kommt einem Wunder gleich. Es gibt tiefe Wurzeln, die beide Länder verbinden. Wer genau hinguckt findet die gegenseitigen Einflüsse – in der Baukunst, in Musik, Literatur. Immer wieder begegnet uns Überraschendes und Fremd-Vertrautes – der romanische Dom in Posen, das Renaissance-Rathaus, das historische Zentrum mit den Laubengängen – fast wie in Brandenburg an der Havel. Polen lebt seine große Kultur.

Am berühmten Wielki Teatr Posen wird gerade Verdis Othello gespielt. Auf der Gala der International Opera Awards, die in diesem Jahr im Teatr Wielki stattfand, wurde Stanisław Moniuszkos Oper Jawnut als Wiederentdeckung des Jahres auf der Awards ausgezeichnet. Überraschend neu war für mich die Entdeckung Moniuszkos Oper Paria. Auf Einladung des Polnischen Instituts Berlin gastierte das Teatr Wielki kürzlich konzertant in der Berliner Philharmonie. Ein großer Abend. Ein Fest der Stimmen und der musikalischen Meisterschaft mit Solisten der weltweit größten Opernbühnen, alle ursprünglich aus Polen. Wer Lyrik liebt, kennt Adam Zagejewski und Czeslaw Milosz. Lassen Sie uns nicht nur Jubiläen feiern, sondern auch Karel Szymanowski Violinkonzert, Witold Lutoslawskis Sinfonien und die „Goethe-Briefe“ von Tadeusz Baird hören, Krzysztof Pendereckis „Polnisches Requiem“ mit dem „Lacrimosa“ auf Lech Wałesa. Lassen Sie uns Andrzej Stasiuk oder Dorota Masłowska lesen und Dranbleiben an den jungen, neuen Ideen heute! Filme werden gemeinsam produziert, Chöre reisen seit Jahrzehnten zu ihren Partnerchören.

Es gab in der deutsch-polnisch-europäischen Geschichte im 19. Jahrhundert eine „Polenbegeisterung“, die Spuren bis in die Gegenwart hinterlassen hat. Kennt man den Begriff in Polen? Nach den Novemberaufstand 1830 hatten sich deutsche Liberale an die Seite der Polen und gegen Russland gestellt. Die eigene Freiheitssehnsucht fand Verbündete. Theodor Fontane erzählt davon im Roman „Meine Kinderjahre“ - Geschichten, Andenken und polnische Lieder aus dieser Zeit blieben noch weit bis in die 1880er Jahre präsent. Vom Empfang der Polen in Leipzig 1832 für Ratsherren und Kaufleute ließ sich der noch jugendliche Richard

Wagner zu seiner „Polonia-Ouvertüre“ voller polnischer Musikzitate inspirieren. Viele Geschichten erzählen die Geschichte unserer Freundschaft. Wir sollten sie aufschreiben, die vielen kleinen Geschichten, Entdeckungen, Erlebnisse diesseits und jenseits der Oder über einen langen Zeitraum hinweg bis heute.

Mich und meine Generation beeindruckte der Mut der Solidarność- Aktivisten zutiefst. Die Streikwelle 1980 auf der Danziger Lenin-Werft riss erste Löcher in den Eisernen Vorhang und veränderte schließlich ganz Europa. Zivilen Ungehorsam, das Miteinander unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, Runde Tische – das konnten wir von den Polen und Polinnen lernen. Wir in Ostdeutschland werden niemals vergessen, was wir der Solidarność verdanken.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges steht Polen ohne Wenn und Aber an der Seite der Ukraine und leistet jede erdenkliche Hilfe – militärisch, humanitär, logistisch. Viele Familien halfen mit Spenden und nahmen Kriegsflüchtlinge in ihre Wohnungen auf. In Polen muss man nicht erklären, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zugleich ein Angriff ist auf die Werte von Freiheit und Demokratie in Europa.

Ja, Polen ist ein Land der Freiheit, der Mutigen, ein Land der Revolutionäre. Die Menschen in Polen wissen, haben immer gewusst, dass Freiheit erkämpft werden muss. Sie wissen auch heute, dass Demokratie wehrhaft sein muss und wie sehr es darauf ankommt, dass die Demokratie stark genug ist, um sich zu verteidigen. Diese Einsicht verbindet uns – in Polen und Deutschland, in Europa.

Werte wie Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie sind ein kraftvolles Fundament, das wir stärken und ausbauen müssen, das sind Werte, die wir in Europa miteinander teilen, für unser gemeinsames Handeln. Gerade in Zeiten dramatischer Krisen und Katastrophen, die wir gerade durchleben – Krieg in der Ukraine, Terrorangriff der Hamas auf Israel, Krieg in Gaza - müssen liberale Demokratien einander beistehen, einander stärken, vereint handeln.

Wir stehen vor Herausforderungen, die wir nur gemeinsam in Europa und mit unseren Partnern meistern können. Deutschland und Polen, Brandenburg und Großpolen. Wo Menschen leben, arbeiten, in Städten und ländlichen Räumen, in Unternehmen, Rathäusern, Kommunalparlamenten wird Demokratie immer wieder neu ausgehandelt, praktiziert. Hier werden Konflikte ausgetragen, Lösungen erarbeitet, Herausforderungen angenommen, Transformationsprozesse gestaltet. Für moderne europäische Regionen, in denen auch unsere Enkel und Urenkel gut mit ihren Nachbarn leben können, für ein starkes, selbstbewusstes Europa in einer friedlichen Welt.

(Anrede)

Liebe Freunde, lassen Sie uns dafür zusammenstehen, unsere Partnerschaft zwischen Wielkopolska und Brandenburg weiter stärken, miteinander reden, nachdenken, gemeinsam handeln, unsere Unterschiede achten und zusammen Zukunft gestalten. Wir gehen durch eine harte Zeit. Europa wird gebraucht, muss strategisch groß denken und darf wichtige Ziele wie Frieden, Klimaschutz und Chancengleichheit junger Menschen nicht aus den Augen verlieren. Lassen Sie uns in diesem Sinne die ersten 20 Jahre unserer Partnerschaft feiern – für uns in Brandenburg ist das ein Tag der Freude und Dankbarkeit.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Eröffnung Foyerausstellung „Familienunternehmen in Ostdeutschland“ 13. November 2023 Landtag
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Teilnehmende u.a.
- Landtagsabgeordnete (Initiator war Steven Bretz), Regierungsmitglieder (?)
- Dr. David Deißner, Geschäftsführer Stiftung Familienunternehmen
- Podium:
* Renate Lewerken (Inhaberin und Geschäftsführerin der Familienunternehmen Kiebitzberg, Sachsen-
Anhalt)
* Andreas Lewerken (Gründer, Inhaber, Geschäftsführer der Familienunternehmen Kiebitzberg)
* Catherine Loclair (Vorstand ORAFOL Group, Oranienburg)
* Dr. Max Trecker (Wirtschaftshistoriker, Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa)
* Moderation: Dr. Bettina Wurster (Moderatorin, Stiftung Familienunternehmen)
- Pianist Volker Jaekel

Anrede,

Familienunternehmen in Ostdeutschland, ja, die gab es. Sie hatten es nicht leicht, weil sie nicht zum System passten, sich nicht rumkommandieren ließen, selbst entscheiden und ihren Betrieb alleine führen wollten. Kinder aus den Unternehmen, meine Schulfreunde, mussten besser sein als andere, um auf die EOS kommen zu können. Sie waren keine Arbeiter- und Bauernkinder. Sie waren SONSTIGE, ich auch, obwohl meine Eltern studiert hatten. Was heute unvorstellbar ist, die Ungleichheit und Ungerechtigkeit schon während der Ausbildung, das war Alltag.

Die heute beginnende Ausstellung verbindet Themen, die jeweils für sich allein schon viel Stoff für Diskussionen bieten:
- Was brauchen kleine bis mittelgroße Firmen für ihren Erfolg?
- Sind familiengeführte Unternehmen anders als andere – vielleicht sogar besser?
- Wie viel Staat verträgt die Wirtschaft, wofür braucht sie ihn
- und wie viel Freiheit von staatlichem Einfluss ist notwendig?

Der historische Rückblick auf einzelne Firmengeschichten in Ostdeutschland liefert hierzu Anschauungsmaterial. Ein Beispiel: Die Vorläuferin der heutigen ORAFOL-Gruppe wurde vor mehr als 200 Jahren gegründet als Wibelitz-Farbenwerkstatt; sie stellte Farben für preußische Poststempel her. Daraus entwickelte sich in Oranienburg ein großes Unternehmen mit einer bewegten Geschichte, zumal in der DDR: erst Teilverstaatlichung, dann Namensänderung und Produktumstellung, 1972 schließlich die komplette Verstaatlichung.

In Oranienburg ist ORAFOL auch nach der Friedlichen Revolution und der Vereinigung geblieben – jetzt wieder als privater Betrieb. Respekt! Ein international aufgestelltes Unternehmen aus Brandenburg, europaweit führend in seiner Branche, der Kunststoffveredelung, mit Kunden in mehr als 100 Ländern.

Das ist nur ein imposantes Beispiel für das, was viele Familienunternehmen auszeichnet: Beharrlichkeit, Kreativität, Verlässlichkeit, Unabhängigkeit und Bodenhaftung zugleich.

In Ostdeutschland kommt etwas hinzu, was alle ehemaligen DDR-Bürgerinnen und -Bürger geprägt hat: Improvisationsvermögen in Ermangelung von Zulieferungen und das Wissen und die Erfahrung, dass Schwierigkeiten überwunden werden können.
Dass vermeintliche Platzhirsche und Alleskönner auch nur mit Wasser kochen mag eine Binsenweisheit sein, allerdings eine wertvolle.
Wenn wir die DDR überstanden haben, dann schaffen wir es auch in der Marktwirtschaft – das mag ein Grundgedanke gewesen sein.

Nach der deutschen Wiedervereinigung kam es in der ostdeutschen Wirtschaft zu einer Welle von Re-Privatisierungen und Neugründungen. Zudem kehrten etliche Firmeninhaber, die die DDR unfreiwillig verlassen hatten, an die alten Produktionsstandorte zurück und bauten die Betriebe neu auf.

Der gesamte Prozess der Umstellung einer Volkswirtschaft verlief nicht reibungslos, Arbeitslosigkeit belastete nahezu jede Familie, Traumata entstanden, die noch nachwirken. Die Aufarbeitung läuft und ist wichtig - Treuhand, Rückgabe vor Entschädigung, De-Industriealisierung, Betriebsbesetzung als Widerstandsform, Bischofferode tut noch immer weh und die Liste der Betriebsschließungen ist lang, Kündigung der Vertragsarbeiter aus anderen Ländern, dafür Übernahmen und Besserwisser aus dem Westen. Die Demokratie hatte es sehr schwer in den Jahren 1990-1994 und manche Enttäuschung blieb bis heute. In solch einer Phase den Mut nicht verlieren, der eigenen Firma eine Perspektive geben, Mitarbeitende auffangen – kleine flexible Familienfirmen haben das geschafft.

Die Erfolge sind unübersehbar. Brandenburg wies zuletzt im Bundesvergleich mit 6 % das stärkste Wirtschaftswachstum auf – mit deutlichem Abstand. Heute haben wir nicht zu wenig Arbeit, sondern zu wenig Arbeitskräfte. 92 % aller ostdeutschen Betriebe sind Familienunternehmen, mehr als im Westen der Republik. Und weit häufiger als dort stehen Frauen in der Verantwortung.

Die familiengeführten Firmen zeigen:
Mutige, tatkräftige Menschen können viel bewegen, sind schnell in der praktischen Umsetzung von Ideen und Erfindungen, unverzichtbar in einer vielgestaltigen Wirtschaft, die nicht endlos Wohlstand produzieren kann. Rahmenbedingungen ändern sich, Regeln für Klimaschutz, Artenvielfalt und gesunde Umwelt müssen auf der ganzen Welt entwickelt werden. Firmen und Politik sind gemeinsam verantwortlich für fairen Wettbewerb und für sozialen Ausgleich, bis hin zu den ganz großen Themen Handelspartnerschaften und Frieden.

Die Ausstellung legt davon Zeugnis ab; ich wünsche ihr zahlreiche interessierte Besucherinnen und Besucher,
Ihnen allen einen gelungenen Abend und spannende Gespräche!

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Enthüllung des Portraits von Dr. Herbert Knoblich in der Galerie ehemaliger Landtagspräsidentinnen und -präsidenten, 19. Oktober 2023
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Sehr geehrte Frau Caterina Wurzinger, schön dass Sie als Tochter von Dr. Herbert Knoblich heute bei uns Im Landtag sind!
Liebe Familie,
lieber Maler Christian Heinze,
sehr geehrte Abgeordnete des Landtages Brandenburg sowie Regierungsvertreterinnen und –vertreter,
liebe Weggefährten des Landtagspräsidenten Knoblich, liebe Gäste!

Es gibt dieses wunderbare, aussagekräftige Foto:
Herbert Knoblich sitzt an einem schweren Holztisch, neben sich nur ein kleines Fähnchen in den Brandenburger Farben mit dem Adlerwappen. Der Teppichboden ist grau, die Wand schmucklos, die Tür im Hintergrund getäfelt.

Die Krawatten waren ein bisschen bunter damals, viele Brillengestelle dafür etwas dezenter. Aber er benutzte schon solche schwarzen Mappen, in denen das Parlament wichtige Dokumente aufbewahrte, transportierte und bearbeitete, ähnlich wie heute.

Auf dem Foto vom 20. August 1992 ist es die Verfassung des Landes Brandenburg, die in der Mappe vor dem Präsidenten auf dem Tisch liegt. Er unterzeichnet sie gerade – und legt damit für unser Land einen Grundstein, das Fundament, das uns bis heute sicher trägt. Was für ein großer, großartiger, erhabener Moment – und doch so schlicht arrangiert: Teppich, Tisch, Fähnchen, das war’s.

So habe auch ich Herbert Knoblich kennengelernt:
Unprätentiös, geradeheraus, auf die Sache konzentriert.
Er war ein Mann mit klaren Grundsätzen, der Präsident der ersten Stunde, der allererste Landtagspräsident Brandenburgs, Baumeister der Demokratie.

Ihm verdanken wir ganz wesentlich das Ansehen unseres jungen Landes in den anderen Bundesländern. Geholfen hat ihm dabei, dass er gut persönliche Beziehungen knüpfen konnte. Zum Beispiel durfte er seine Berliner Amtskollegin Laurien bei ihrem Spitznamen „Hanna Granata“ nennen – ungestraft, wie er gerne betonte.

Lebenskunst bestehe „im richtigen Umgang mit Chancen, denen wir begegnen oder begegnen werden“, hat er in einem Interview gesagt. Das umschreibt auch seinen eigenen Weg:

Knoblich kam aus der Naturwissenschaft, hatte Physik und Mathematik studiert. In diesen Fächern arbeitete er zunächst als Lehrer, dann als promovierter Dozent in Potsdam. An den Naturgesetzen konnte schließlich auch die SED nichts ändern – das machte die Wissenschaft zu DDR-Zeiten attraktiv für unabhängig denkende Köpfe. Das Thema Bildung brachte ihn erst an den Runden Tisch im Bezirk Potsdam und dann in die Politik.

Auch vor diesem persönlichen Hintergrund hat Herbert Knoblich später davon geschwärmt, wie eng der Zusammenhalt im Landtag in den ersten Jahren nach 1990 war, vom Wettbewerb der Ideen: „Kooperationsbereitschaft wurde großgeschrieben“, erinnerte er sich beim Festakt zum 20jährigen Jubiläum unseres Parlaments im Nikolaisaal 2010, das klang schon fast wehmütig. Davon könnten wir uns heute sicherlich auch noch eine Scheibe abschneiden.

Dr. Herbert Knoblich war der erste Landtagspräsident Brandenburgs, und er übte dieses Amt bisher am längsten von allen aus: 14 Jahre lang, von Oktober 1990 bis Oktober 2004.

Jetzt haben wir Oktober 2023, immerhin 19 Jahre später, und ich freue mich, dass wir den Präsidenten a.D. heute mit einem Gemälde in der Portraitgalerie des Landtages ehren können (fast hätte ich „endlich“ gesagt).

Mein herzlicher Dank geht an die Familie, die beim Erstellen des Bildes wesentlich geholfen hat; und natürlich an den von ihr ausgesuchten Künstler Christian Heinze, den mit Dr. Knoblich manches im Werdegang verbindet, etwa das Studium in Dresden; darüber kann er selbst gleich berichten.

Liebe Gäste, liebe Familie, lieber Herr Heinze,
ich wünsche Ihnen alles Gute und eine schöne kleine Einweihungsfeier.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Parlamentarischer Abend des Landesfeuerwehrverbands, 18. Oktober 2023
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Dietmar Woidke,
sehr geehrter Herr Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Rolf Fünning,
liebe Feuerwehrleute aus den Regionen und Gemeinden, liebe Gäste!

Herzlich willkommen im Brandenburger Landtag
Schön, Sie wiederzusehen, stellvertretend für
- über 38.000 KameradInnen ehrenamtlich bei
den Freiwilligen Feuerwehren
- außerdem: 700 Feuerwehrleute in 5
Berufsfeuerwehren
- 300 Hauptamtliche bei Freiwilligen Feuerwehren
- 900 Einsatzkräfte in neun Werkfeuerwehren
und 13.000 junge Menschen in Jugendfeuerwehren.

Ihnen allen gebühren Lob und Anerkennung, das wichtigste überhaupt, nicht zu ersetzen durch Ausrüstungsgegenstände oder ein neues Auto.

Danke für Ihre Verlässlichkeit, mit der Sie für Sicherheit sorgen - Retten, Löschen, Bergen und Schützen.
Danke für die vielen Stunden nachts, an Sonn- und Feiertagen, wenn andere frei haben.
Danke ihren Familien, die Sie bei Ihrer haupt- oder ehrenamtlichen Arbeit unterstützen.

Wir als Parlament können es nicht hoch genug schätzen, welchen Gemeinschaftssinn Sie entwickeln müssen, um im Ernstfall schnell, ohne Diskussionen und oft auf Kommando zu arbeiten.

Eine gute Feuerwehrkarriere ist länger als die Berufskarriere, Generationen müssen sich verstehen, unterschiedliche Charaktere, verschiedene Menschen.
Ihre Kameradschaft ist ein ganz hohes Gut,
Ihr Gemeinsinn ist beispielgebend.

Deshalb brauchen wir neue Formen der Anerkennung:
• Das Schreiben an Ihren Arbeitgeber vielleicht, das Ihren Einsatz würdigt
• Ein Zusatzzeugnis am Zeugnistag für Schüler und Schülerinnen in der Feuerwehr
• Vielleicht Freies Fahren im ÖPNV
• Freien Eintritt in kommunale Einrichtungen wie Museen, Stadtbad, Bibliotheken
• Beteiligung an der privaten Rente

Die Feuerwehr-Prämie ist ein guter Anfang, ein Anfang.

Manche Kommunen sind da schon erfinderisch, aber nicht alle.

Zu meiner Veranstaltungsreihe „Sie haben das Wort“ habe ich 3 Mal kommunale ehrenamtliche Politiker aus Gemeinden, Ortsbeiräten und SVV eingeladen.
Die häufigsten Themen waren Radwege und Ausrüstung der Feuerwehr.

Radwege dauern, die Feuerwehr braucht eine angemessene Ausstattung, aber auch diese Wünsche können nicht schnell erfüllt werden, werden aber von uns sehr ernst genommen.

Ihre Einsätze verändern sich, ich denke, man muss mehr wissen als noch vor ein paar Jahren. Was ist
z.B. zu beachten bei einem Hausbrand mit Photovoltaikanlage?
Oder PKW-Unfälle: Die Autos sind heute sicherer, aber vielfältiger, mehr Fachkenntnis wird benötigt über Diesel, Elektro, Hybrid oder Wasserstofffahrzeug.

Permanent müssen Sie dazu lernen, Fachwissen, ebenso aber auch Sozialverhalten.

Der Landesfeuerwehrverband hat ein eigenes Projekt ins Leben gerufen mit dem schönen Namen „Ohne Blaulicht“. Es geht in Fortbildungen und Workshops um das Gemeindeleben, Konfliktberatung, Teilhabe: die demokratische Kultur wird gefördert und geübt - etwa mit Unterschieden umzugehen und andere zu Wort kommen zu lassen.

Das Besondere an der Feuerwehr ist ihr Gemeinsinn. Die Feuerwehren sind eine tragende Säule der Gemeinschaft in den ländlichen Regionen. Dorffeste, Sportveranstaltungen, Feiern und Wettkämpfe – das alles wäre nicht denkbar ohne Ihre Unterstützung.

Nicht überall ist bekannt, wie sehr sich die Feuerwehren in Brandenburg für die Menschen in der Ukraine engagieren seit dem russischen Überfall. Schon gut eine Woche nach dem ersten Angriff wurde die „Feuerwehr-Hilfsbrücke Ukraine“ eingerichtet, zur Unterstützung der Kameraden im Kriegsgebiet. Zusammen mit anderen Partnern – auch in Polen – haben Sie 12 Konvois mit 700 Tonnen Ausrüstung und Gerät, Dutzende Einsatzfahrzeuge und weitere Hilfsgüter in die Ukraine gebracht.

„Hilfe kennt keine Grenzen“ lautet das Motto; der nächste Hilfstransport ist für Anfang Dezember geplant.

Ich hoffe, dass alles benötigte Material zusammenkommt, und bin sicher: Die Abgeordneten des Landtages werden diese Aktion in ihren Regionen nach Kräften unterstützen. Geld kann auch jede und jeder spenden; die Kontodaten stehen im Internet auf der Seite des Feuerwehrverbands.

Anrede,

Der Landtag kann versprechen, mit Weitblick und Großzügigkeit die Finanzierung der Ausstattung und der Infrastruktur für den Brand- und Katastrophenschutz zu behandeln. Der Zukunftsinvestitionsfonds in Brandenburg ist dafür ein gutes Beispiel.

Und schließlich: Indem wir uns mit den Feuerwehrleuten austauschen, ihnen zuhören und ihre Erfahrungen, Einschätzungen und Sorgen ernst nehmen. Das wollen wir heute Abend tun und dabei das Feiern nicht vergessen.

Vielen Dank Ihnen allen, noch einmal herzlich willkommen

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Erntekrone im Plenum: Begrüßung der Landfrauen aus Oberhavel am 18.10.23 durch Landtagspräsidentin
Prof. Dr. Ulrike Liedtke in der Plenarsitzung

Die schönste Brandenburger Erntekrone des Jahres 2023 steht bei uns im Landtag. Sie ging hervor aus dem
28. Erntekronenwettbewerb des Brandenburger Landfrauenverbandes. 16 Erntekronen aus 7 Landkreisen
nahmen am Wettbewerb teil, eine schöner als die andere. Die Jury hatte es nicht leicht:
• Platz3 ging nach Falkenberg
• Platz 2 nach Michelsdorf
• Platz 1 nach Oberhavel
Diese erstplatzierte Erntekrone Krone wird unseren Plenarsaal in den nächsten Wochen schmücken. Manuela
Scheil, die Vorsitzende des Landfrauenvereins Oberhavel erzählte bei der Übergabe von der Arbeit an dieser
Erntekrone:
Zuerst müssen Roggen, Hafer, Weizen und Gerste geschnitten werden;
im August haben die Landfrauen dann die Ähren zu kleinen Sträußen gebunden und zum weiteren Trocknen
aufgehängt; sich dann im August ganze 17 Mal getroffen, um die Krone zu binden – von oben nach unten,
habe ich gelernt, Runde für Runde, bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen.
Beim Dorf- und Erntefest in Kremmen hat sie den 1. Preis gewonnen; bestimmt auch dank der schönen
Schleifen (selbstgenäht mit Stoff aus Polen) und der kleinen roten Strohblumen unten am Ring. Wer genau
hinsieht, kann die Liebe zum Detail erkennen.
Liebe Landfrauen,
vielen herzlichen Dank für diese wunderbare Erntekrone, alles Gute und heute noch einen schönen Tag im im
Landtag Brandenburg!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Gedenken an die Opfer in Israel
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke vor der Plenarsitzung am 18. Oktober 2023

Sehr geehrte Damen und Herrn Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Regierungsvertreter,
liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger!

Die Fernsehbilder sind nicht zu ertragen. Kinder, die auf der Straße erschossen worden sind, Familien wahllos
verschleppt, Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser von Raketen getroffen. Das ist Terror, unvorstellbar in
seinem Ausmaß, ungezählt die Opfer, so viel Verlust, so viel Leid, so viele Tränen.

Es sind nicht nur schreckliche Bilder, denn viele Brandenburgerinnen und Brandenburger pflegen persönliche
Kontakte nach Israel – Austauschstudenten, Mitarbeiter in Firmen, Wissenschaftler, Musiker, ganze
Schulklassen, Freunde, auch Familien.

Am 7. Oktober, am Morgen des jüdischen Feiertags Simchat Tora, begann die Hamas einen mörderischen
Angriff auf Israel, seine Soldaten und sein Volk. Es gibt nichts, was Terror rechtfertigen könnte, was den Terror
der Hamas rechtfertigen könnte – kein Aber, gar nichts, Terror kann nicht relativiert werden.
Wir verurteilen den Terrorakt der Hamas in aller Schärfe und stehen stark und verlässlich an der Seite Israels,
das sich und seine Bürgerinnen und Bürger gegen diesen barbarischen Angriff verteidigt. Und wir sagen ganz
klar: Israels Sicherheit wiederherzustellen und die Sicherheit seiner Bewohner, das ist völkerrechtlich
verbrieftes Recht.

Noch im Mai dieses Jahres sprach S.E. der Botschafter des Staates Israel, Ron Prosor, anlässlich des 75.
Jahrestages der Gründung Israels hier im Plenarsaal des Landtages zu den Abgeordneten. Er erzählte von
seinem wunderbaren vielgestaltigen Land, von Erfindern, Lehrern und Soldaten, von mutigen, engagierten
Menschen, die ihre Heimat Israel gestalten, von der israelischen Demokratie und vom Stolz der Israeli auf ihre
Geschichte, ihre Identität, ihr Land.

Es war ein festlicher Tag. Wir Abgeordneten haben mit unseren Freunden aus Israel, mit Brandenburgern, mit
internationalen Gästen Geburtstag gefeiert. Niemand hier im Saal hätte sich vorstellen können, dass nur
wenige Monate später ein Krieg über Israel hereinbrechen würde. Israel sei wie ein Phönix aus der Asche des
Holocausts aufgestiegen, sagte S. E. der Botschafter anlässlich des Jubiläums. Damals, in dieser festlichen
Stunde tat es weh, darüber nachzudenken.

Nach dem Schrecken des Holocaust ist die Existenz Israels in Gefahr, ist Krieg in Israel, wurden Jüdinnen und
Juden wieder Opfer von antisemitischer Gewalt, ermordet, verschleppt, in Geiselhaft genommen, weil sie
Juden sind, weil sie Israeli sind.

Diese schreckliche Wahrheit nimmt uns den Atem, es fehlen die Worte. Wir trauern mit unseren Freunden in
Israel und wir sind in großer Sorge. Wir werden Israel mit allem unterstützen, was nötig wird und was wir
irgend leisten können.

Das ist gemeint, wenn wir sagen, die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Das ist ein Teil unserer
Identität. Denn aus unserer eigenen Geschichte heraus und aus der Verantwortung, die aus dieser Geschichte
entsteht, sind wir dafür schlichtweg zuständig. Dass es bei uns noch immer Antisemitismus gibt, dass sich
Antisemitismus in Schulen zeigt, erfüllt uns mit Scham und großer Sorge.

Wenn Menschen auf den Straßen den Terror der Hamas feiern und ihren Hass gegen Israel und gegen
Jüdinnen und Juden zeigen, dann ist das ein Alarmsignal für das Zusammenleben in unserem Land.
Antisemitische Straftaten müssen geahndet werden mit einer klaren Antwort des Rechtsstaates.
Wer die Verbrechen der Hamas verherrlicht oder ihre Symbole verwendet, macht sich in Deutschland strafbar.
Wer Mord und Totschlag billigt oder zu Straftaten aufruft, macht sich strafbar.
Wer israelische Flaggen verbrennt, der macht sich strafbar.
Wer eine Terrororganisation wie die Hamas unterstützt, der macht sich strafbar. Unser wehrhafter
Rechtsstaat wird jeden, der so etwas tut, zur Rechenschaft ziehen.

Antisemitismus ist keine Meinung, sondern Diskriminierung, Herabwürdigung, physische und psychische
Gewalt. Lassen Sie uns in Brandenburg Grenzen setzen, wo antisemitische Gewalt und Ausgrenzung ihren
Anfang nehmen. Lassen Sie uns wach sein für Situationen, in denen Ausgrenzung beginnt oder zugelassen
wird zwischen denen, die dazugehören und denen, die nicht dazugehören. Denn hier beginnt – ganz banal
und unauffällig – das Böse.

Der Krieg macht, dass wir uns hilflos fühlen. Aber wir dürfen uns nicht der Hilflosigkeit überlassen. Die
Möglichkeiten der internationalen Diplomatie können Hoffnung geben, die UN ist gefordert und die Freunde
Israels auf der ganzen Welt. Vielleicht müssen wir neue und ungewöhnliche Wege gehen, und neue
Friedensallianzen der internationalen Zivilgesellschaften bilden, uns mit Friedensforschern beraten, junge
Menschen miteinander ins Gespräch bringen, Muslime, Christen und Juden.

Denn wir können auch nicht mit ansehen, wie sich der barbarische Krieg der Hamas gegen ihr eigenes Volk,
gegen Palästinenser und Palästinenserinnen richtet. Humanitäre Korridore für die Zivílgesellschaft im
Gazagebiet sind unerlässlich, Menschen, die unschuldig in einen Krieg geraten sind, deren Tod von der Hamas
in Kauf genommen wird. Mord an Israelis und Mord an der eigenen Bevölkerung.

Terroristen müssen besiegt werden. Aber das palästinensische Volk besteht nicht überwiegend aus
Terroristen. Es braucht eine Perspektive. Mehr als 30 Friedensinitiativen in Israel fordern die Einstellung der
Kriegshandlungen. Es gibt eine Alternative zum Krieg, das ist Frieden, international verhandelt und
notwendig für alle Menschen.

Es macht mich traurig, zutiefst traurig, dass Völkermord heute noch möglich ist.
Wir müssen uns fragen: Tun wir schon alles, was wir tun können? Tun wir schon das Richtige? Wie schaffen
wir es, dass sich in unserem Land Jüdinnen und Juden sicher fühlen? Dass jüdisches Leben in der
Öffentlichkeit selbstverständlich ist? Dafür, dass wir einander mit Wertschätzung und Respekt begegnen –
Deutsche, Jüdinnen und Juden, Palästinenserinnen und Palästinenser? Vielleicht können wir inDeutschland
Möglichkeiten für Begegnungen und Austausch schaffen, die Verständigung, den Respekt und ein
freundliches Interesse aneinander, unabhängig von Herkunft und Religion zur Folge haben. Dialog fördern, wo
es gewünscht oder möglich ist. Heute erscheint das noch wie eine Utopie, aber gesellschaftliche
Entwicklungen können Möglichkeitsräume eröffnen, in denen Neues entsteht.

Politik ist nicht hilflos, sondern kann aufklären, für politische Bildung sorgen, Verhandlungen fördern,
Eskalation vermeiden. Die Zivilgesellschaften können die Politik dabei maßgeblich unterstützen.
Ein Gesetz zur Schaffung eines Antisemitismusbeauftragten steht im Landtag vor der Verabschiedung und
erscheint nötiger denn je. Die Synagoge in Potsdam wird zum Jahresanfang eröffnet. Mit Beschluss des
Parlaments vom 5. Juli 2022 steht die Stärkung Jüdischen Lebens und der Kampf gegen Antisemitismus als
Staatsziel in der Verfassung Brandenburgs.

Erst zu Beginn des Jahres lud ich die Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und des
parlamentarischen Freundeskreises Israel zu einem Gedankenaustausch und Empfang in den Landtag ein.
Viele herzliche Begegnungen fanden statt, Kontakte wurden geknüpft, Bündnisse geschmiedet. Der
parlamentarische Freundeskreis Israel sorgt als dauerhafter Zusammenschluss von Abgeordneten für die
Vertiefung der Beziehungen zwischen Brandenburg und Israel.

Ich danke dem Freundeskreis Israel ausdrücklich für seine Resolution und darf daraus zitieren:
„Wir rufen zu anhaltender Solidarität mit Israel auf. Die Unterstützung für Israel muss gerade in diesen Tagen
unser Handeln bestimmen und darf auch in den kommenden Tagen und Wochen nicht nachlassen.“
Die Reise der Landesregierung sowie der Vorsitzenden des Europa-Ausschusses und der Präsidentin nach
Israel soll ein Zeichen setzen für unsere Verbundenheit, ganz gleich ob sie jetzt oder später stattfindet. Ich
hoffe von ganzem Herzen, dass wir diese Reise bald antreten können.

Wenn wir uns fragen, was uns jetzt Halt geben kann, dann sind es die Beziehungen zwischen den Menschen.
Wir denken an die Familien, die der Terror auseinandergerissen oder gar ausgelöscht hat, an Verletzte, an
Kinder ohne Eltern. Auch an die Angst vor Krieg, an unschuldige Menschen, Frauen, Babys, Kinder, Alte, deren
Leben bedroht ist, die um ihre Liebsten bangen, die nicht wissen, ob ihr Haus am Morgen noch steht.
Die Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg fühlen mit den Menschen in Israel, wir trauern. Uns verbindet der
tiefe Wunsch nach Frieden. Ja, es muss Frieden werden. Der Frieden beginnt mit uns. Mit Empathie, mit
Solidarität. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe solange die Telefonate noch von Luftangriffen unterbrochen
werden.


Meine Damen und Herren,
Ich darf Sie bitten, sich zu erheben zu einer Schweigeminute für die unschuldigen Opfer des Angriffskrieges
der Hamas gegen Israel.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

30 Jahre Eingemeindung Alt Ruppin, 14.10.2023, Feuerwehr Alt Ruppin
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Liebe Alt Ruppiner,
liebe Heidi Ahlers, lieber Bürgermeister Nico Ruhle,
lieber Möhring-Chor!

Länder fusionieren, Firmen fusionieren, Menschen fusionieren.
Länder geben Heimat, Firmen schreiben Geschichte, Menschen brauchen Wurzeln.

Ja, wir waren fusionsgeschädigt vor 30 Jahren.
Die friedliche Revolution öffnete ungeahnte Tore in die Freiheit, eines davon führte in die kommunale Selbstverwaltung.

Am 20. August 1992 trat die erste Kommunalverfassung des neuen Landes Brandenburg in Kraft. Es änderte sich alles - außer den Wurzeln der Menschen und ihren Beziehungen zueinander. Und dann auch noch eine Eingemeindung, der Verlust von Eigenständigkeit, selbst der Name sollte sich wandeln vom Alt Ruppin zum Neuruppin. Das war nicht einfach.

Mit wem sollte man zusammen gehen, mit wem vielleicht nicht. Möglicherweise käme auch eine Verordnung von oben, eine Zwangsehe sozusagen. Das will niemand.
Die ersten Ortsbeiräte hatten schwierige Aufgaben zu meistern. Mit dem Flächennutzungsplan ging es los. Ehrenamtliche Bürgermeister und Gemeindevertreter aus Alt Ruppin, Krangen und Molchow entschlossen sich, gemeinsam mit dem Planungsamt des Kreises Neuruppin die Nutzung der Flächen festzulegen und für die Zukunft zu planen. Aber wo sollte der Amtssitz sein? Im großen Neuruppin? Würde es die kleinen Ortsteile schlucken oder ihnen ausreichend Gestaltungsraum geben?

Am 5.12.1993 erweiterte sich die Stadt Neuruppin um 13 Ortsteile. Die Eingemeindung. Genau genommen vergrößerte sich damit Neuruppin zur fünftgrößten Stadt Deutschlands nach Berlin, Hamburg, Köln und Neustadt am Rübenberge. Aber andere wurden auch größer, so dass Neuruppin nun auf Rang 18 unter den deutschen Städten rutschte. Welche Vor- und Nachteile brachte diese Eingemeindung? Sehr lange Straße, nicht in besonders gutem Zustand, also nicht wirklich ein Vorteil. Damit einhergehend natürlich auch lange Linienbusstrecken. Der Anschluss an das Wasser und Abwassernetz – ein Vorteil. Gemeinsame Verwaltungsarbeit, also ein gemeinsames Bauamt, Schulamt, Naturschutzamt, Denkmalpflege, Kulturamt und noch mehr. Da stellt sich schon die Frage, was man alleine darf und was nicht. Das Selbstbewusstsein der Alt Ruppiner wurde gehörig auf die Probe gestellt. Immerhin erhielt Alt Ruppin sein Stadtrecht bereits im Jahr 1809, es gab drei Wassermühlen und die 1000 Einwohner lebten von Fischerei und Ackerbau. Alt Ruppin gehört zu den ältesten Städten in der Mark als „Olden Ruppyn“, die Geschichte vom Grafen von Arnstein und seiner Burg am nördlichen Ende des Ruppiner Sees geht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Also mal ganz ehrlich: einen solchen Grafen hat Neuruppin nicht zu bieten. Der frühgotische Backsteinbau der Nikolaikirche stammt im Ostteil aus dem 13. Jahrhundert.

500 Jahre später wanderte Fontane einen Bogen um Alt-Ruppin herum, dafür durfte der erst zehnjährige Ferdinand Möhring seinen Kantor schon an einer Scholtze-Orgel vertreten, von der noch der Prospekt steht. Rheinsberg verfügt über alte Orgelpfeifen mit warmem Scholtze-Klang. Luft-Kurort war Alt Ruppin 1931 für die Berliner, vielleicht unter Beachtung der CO 2-Neutralität bald wieder diskutabel. Man darf die Brötchen nicht zu klein backen. Eine stolze Stadt, dieses Alt Ruppin. 2600 Einwohner heute sind nicht wenig.

Sie werden erzählen von der Korsofahrt, der Wald-Zentrale Alt Ruppin und dem Möhring Chor, der jährlich am Denkmal des Komponisten singt. Natürlich kennt man das Hotel und Restaurant "Am alten Rhin" und hat sich schon im Seebad erfrischt, das gut und gerne eine Schönheitskur vertragen könnte. Das Seniorenschlösschen "Am Rhinufer" sieht man schon auf der Durchfahrt und wer einmal hinter die Häuser schleicht, findet sich in einer fast unwirklichen Landschaft am Ufer des Rhin mit Bootchen und Mücken wieder. Sogar eine Schleuse gibt es, wichtige Voraussetzung für den Wasserweg vom Rhin zum Molchowsee.
Die Grundschule "Am Weinberg" bleibt für Alt Ruppiner lebenslange Erinnerung, natürlich nur gute, 2005 vollständig saniert einschließlich Turnhalle, Sportplatz und Schulhof.

Alt Ruppin ist schon etwas Besonderes unter den Ortsteilen Neuruppin. Dieses Selbstbewusstsein muss man pflegen, vielleicht sogar noch etwas mehr, weil man eingemeindet worden ist. Dazu gehört auch ein stabiles Vereins- und Stadtleben, das Miteinander der Generationen, heute ganz wesentlich geprägt durch die Feuerwehr und Sportvereine wie die Ruderer. Straßen, Wege Radwege und Plätze wurden saniert, niemandem aus unserer Region entgingen die Straßensperrungen, Umleitungen und Baustellen, notwendige Voraussetzungen für Verbesserung, Veränderung, ein neues Stadtgefühl.

So etwas muss organisiert werden, nach der Arbeit, ehrenamtlich im Ortsbeirat und engagiert vorgetragen bei den Neuruppinern.

Seit der Eingemeindung hat Ernst Tolg für 3 Jahre die Geschicke des Ortes geleitet. Sein Nachfolger war 1996-2003 Siegfried Wittkopf. Seitdem hat Heidi Ahlers Alt Ruppin fest in ihrer Hand, seit 20 Jahren, nahezu jeden Tag ein Termin im Ehrenamt. Durchsetzungsstark und voller Ideen für Alt Ruppin.
Als sie mich fragte, ob man nicht mal ein großes Konzert für Möhring veranstalten könnte, kannte ich das Möhring-Denkmal, den Möhring-Chor und die Möhring-Straße. Inzwischen gibt es eine Möhring-Gesellschaft, der Märkische Jugendchor des Schinkel-Gymnasiums, der Neuruppiner A cappella-Chor, die Ruppiner Kantorei und natürlich der Möhring-Chor singen Möhrings romantische Chorsätze und tragen Alt Ruppin musikalisch in die Welt. Sieben Tagebücher Möhrings liegen transkribiert vor und geben ganz nebenbei Aufschluss über Fontanes Jugendjahre und Ausbildung, die Uni Potsdam fördert eine Notenausgabe. Alt Ruppin ist eine Kulturstadt! Ganz klar – neben Fontane und Schinkel steht Möhring auf dem Sockel!
Davon war der Geschäftsführer des Deutschen Chorverbandes so begeistert, dass er die Ortsvorsteherin in seiner Konzert-Rede in der Kulturkirche pausenlos als Oberbürgermeisterin von Alt Ruppin ansprach! In solchen Situationen sollte man einfach einmal nicht widersprechen!

In Alt Ruppin sind 179 Gewerbe ansässig - Apotheke, Autohaus, Lebensmitteldiscounter, Friseur, Fahrradladen, Garten- und Landschaftsbau, Hotels und Gaststätten, Kosmetik, Handwerker und Taxiunternehmen – alles was man so braucht.
Herzlichen Glückwunsch Ihnen und Euch allen zu dieser Entwicklung der Stadt Alt Ruppin in den letzten 30 Jahren! Schreiben Sie Ihre Geschichte weiter und pflegen Sie die guten, gesunden Wurzeln der Alt Ruppiner!

 

 

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Jugend- und Auszubildendenversammlung in der Waldarbeitsschule Kunsterspring, 10.10.2023
Rede der Landtagspräsidentin Brandenburg Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Boudon,
liebe Kollegen Abgeordnete Domres und Brüning,
sehr geehrte Herren Kraut und Gruner,
sehr geehrte Frau Dr. Hagemann,
liebe Auszubildende!

Eine Kiefer wird durchschnittlich 200 bis 300 Jahre alt, manche bis zu 600 Jahre.
Menschen erreichen das Alter eines Baumes nicht.
Kiefern können 35 m hochwachsen, auch das schaffen Menschen nicht.

Über 76 % aller Bäume in Brandenburgs Wäldern sind Kiefern. Sie passen zu den sandigen Böden und fühlen sich bei uns wohl,
wenn die Sommer nicht gar zu heiß werden, Schädlingsfraß bekämpft werden kann und der Wald nicht brennt. Das liegt weitgehend in Menschenhand -
die globale Erwärmung muss von 2 auf 1,5 Grad runter, für die Pflege des Waldes gibt es Waldschutzberichte zur Orientierung, die Ursachen von Waldbränden
sind oft fahrlässige Brandstiftung und Munitionsbelastung.

Im Forstrevier Gühlen-Glienicke überstand eine Waldkiefer am westlichen Ufer des Kalksees viele Gefahren und brachte es auf 160 Jahre und fast 41 Meter Höhe.
Vielleicht ist das die Ausnahme, vielleicht werden aber auch zukünftige Bäume in einem klimageschützten, artenvielfältigen und gesunden Umfeld größer und älter.

Dafür werden Forstwirte gebraucht, die Bäume lieben und ihnen eine Zeit ihres eigenen Lebens widmen. Ihre Ausbildung dauert 3 Jahre, dann sind Sie Waldarbeiter
im öffentlichen und privaten Bereich in Brandenburg. Und Sie können Meister werden, Forstmeister brauchen wir in Brandenburg. Später studieren können Sie natürlich auch.

Sie werden mit dafür sorgen, dass die Waldfläche in Brandenburg nahezu konstant bleibt.
Sie werden das Moorschutzprogramm mit Ihrem Wissen begleiten und erneuerbare Energie ermöglichen ohne Waldschaden.
Sie werden Ihren Wald so umbauen, dass die Pflanzen zu den Böden passen, immer deren Langlebigkeit im Blick, die keine kurzfristigen Strukturveränderungen durch Menschen erträgt.
Sie werden ein maßvolles Verhältnis zwischen Stilllegung von Wald, befahrbaren Wegen für die Feuerwehr und Kaskadennutzung von Holz finden.
Sie werden aufforsten und den Mut nicht verlieren, wenn Sie 2 oder 3 Mal aufforsten müssen, um einen dichten, geschlossenen Wald zu sehen.
Am schönsten wird Ihr Kiefernwald aussehen, wenn Naturverjüngung für neue kleine Bäumchen sorgt.

Für alles das und noch sehr viel mehr lernen Sie, und wir können gern auch Ihre Freunde und Nachbarinnen in die Waldarbeitsschule aufnehmen,
denn wir brauchen junge Menschen wie Sie, die mit den Bäumen leben wollen.
Wir brauchen für die Ziele der Nachhaltigkeit Ihre gesunden Bäume, der Umgang mit dem Waldbestand ist die Voraussetzung zur Erreichung der Klimaziele.

Auf jeden Brandenburger kommen ca. 4.500 Quadratmeter Wald. Mit 37 Prozent Waldanteil gehört Brandenburg zu den fünf Bundesländern mit dem größten Waldanteil
an der Landesfläche (Bundesdurchschnitt: 32 Prozent). Zehn Prozent der Waldfläche in Deutschland liegt in Brandenburg. Für 16 Prozent der Waldfläche gelten Nutzungseinschränkungen.

Es wird Kompromisse geben müssen, aber ebenso klare Entscheidungen für Nachhaltigkeit. Brandenburg ist weiter das Kiefernland Nummer Eins in Deutschland.

„Steige hoch, du roter Adler, über Sumpf und Sand. Über dunkle Kiefernwälder“, heißt es in der Märkischen Heide, unserer heimlichen Brandenburger Hymne.
Ich wünsche Ihnen von Herzen Freude und Erfolg in ihrer Ausbildung und etwas, das Sie brauchen, um Ihre Erfolge im Beruf zu sehen – weil Sie nämlich nicht so „alt werden können
wie ein Baum“ -: nämlich viel Geduld.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Erntedank – Gottesdienst und Marktfest in Perleberg, 1. Oktober 2023
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Teilnehmende u.a.:
• Bischof Dr. Christian Stäblein
• Eva-Maria Menard, Superintendentin Kirchenkreis Prignitz
• Bundesbauministerin Klara Geywitz
• Ministerin Katrin Lange
• Minister Axel Vogel
• Henrik Wendorff, Präsident Bauerverband
• Antje Schulze, Landfrauenverband BRB e.V.
• Christine Wernecke, MdL BVB/Freie Wähler
• Johannes Funke, MdL SPD mit Ehefrau
• Thomas Domres, MdL Die Linke
• Wiebke Papenbrock, MdB SPD
• Axel Schmidt, Bürgermeister Perleberg
• Gäste des MarktfestesAnreden,

Lieber Bürgermeister Axel Schmidt,
lieber Minister Axel Vogel, liebe Ministerinnen Klara Geywitz und Katrin Lange,
liebe Kollegen Abgeordnete Wiebke Papenbrock, Johannes Funke, Thomas Domres, Christine Wernicke,
ganz herzlich begrüße ich den Präsidenten des Bauernverbandes Henrik Wendorf und Antje Schulze von den Landfrauen,
und ganz herzlich danke ich Herrn Bischof Christian Stäblein und Superintendentin Eva-Maria Menard für den bewegenden Erntedankgottesdienst
liebe Gäste,
sehr geehrte Damen und Herren,

Das schönste an der Ernte ist … das Erntedankfest!
Die mit Obst, Gemüse und Blumen geschmückte Kirche, gut gefüllte Scheunen, fröhliches Markttreiben.
Ab jetzt nicht mehr so sehr früh aufstehen müssen, kein Stau auf den Straßen durch Landmaschinen, endlich wieder unabhängig vom Wetter den Tag planen können. Das wünsche ich allen Landwirten, die im Sommer gar nicht oder nur wenig Urlaub hatten und ihre Arbeit nicht in Stunden abrechnen.

Die Ernte war gut, der Mai zu trocken, dann viel Regen, jetzt ein traumhafter Herbst. Insgesamt belegt das Jahr 2023 Platz 5 der heißesten Sommer. Hätte ich nicht gedacht. Das heißt ja wieder: Nachdenken über Wetter- und bodenangepasste Pflanzen, Fruchtfolgen, kürzere Lieferketten. Also - ich stelle mir vor, so viel wie möglich direkt von meinem Landwirt um die Ecke kriegen zu können, gerne auch weniger als im Supermarkt. Es ist ja genug … für alle da. In der Tat, viel mehr als noch zu meiner Kindheit und sehr viel vielfältiger, mit wiederentdeckten alten Apfelsorten und Lavendel wie in Frankreich. Schön ist das! Kein Stillstand, immer wieder neues Obst, neues Getreide und Gemüse.

Während meines Musik-Studium mussten wir in die Ernte. Blumenkohl habe ich geerntet und - ehrlich - ich esse ihn noch immer gerne. Traktor konnte ich fahren, ob heute noch kommt auf einen Versuch an. Seither hat sich die Landwirtschaft stark verändert. Klimaschutz, Artenvielfalt und gesunde Umwelt sind uns wichtiger geworden als der höchstmögliche Ertrag durch Chemie. Eine junge Generation wächst heran., die eigene Maßstäbe entwickelt. Gut ist das!

Aber die Zeiten sind alles andere als einfach. Es gibt wichtige Aufgaben, die Bauern und Politiker gemeinsam zu lösen haben – wieviel erneuerbare Energie passt auf die Felder, wie sieht die Tierhaltung der Zukunft aus, über Verpachtungen und sinnvolle Förderungen müssen wir reden. Im Plenarsaal des Landtags in Potsdam steht ein preisgekrönter Erntekranz, danke den Landfrauen dafür, er verpflichtet uns zu guten Beratungen!

Das Weltmühlenrad dreht sich gerade unrund. Gerade deshalb ist ein Fest wie hier in Perleberg willkommen.

Heute ehren wir den Berufsstand der Landwirte, der durch seine Erträge mit uns allen verbunden ist. Und fröhlich feiern kann, wenn die Arbeit getan ist. Das ist - jetzt!

Lassen Sie uns diesen schönen Tag mit Köstlichkeiten, Musik und Tanz gestalten und nun - nach dem Gottesdienst - das Leben feiern. Ich wünsche Ihnen ein herrliches Fest und neue Kraft, neue Ideen und gutes Wetter für die nächste Saison!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Festkonzert zum 150. Jubiläum des Möhring-Chores, Kulturkirche Neuruppin
26.9.2023 - Laudatio der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

 

Liebe 1. und 2. Tenöre,
liebe 1. und 2. Bässe,
lieber Chorleiter Dieter Winterle,
lieber Vorsitzender Manfred Kuhn,
liebe Sängerinnen und Sänger,
singende Geburtstagsgäste,
liebe Chorfreunde!

1873 fängt alles an. Johann Strauß (Sohn) komponiert Walzer, Johannes Brahms Streichquartette, Enrico Caruso wird geboren, ein gutes Omen für Tenöre. Der Elektroingenieur Martin Cooper telefoniert zum ersten Mal mobil, Levi Strauss und Jacob Davis lassen die Jeans patentieren. Heinrich Schliemann entdeckt in Troja den „Schatz des Priamos“ und schmuggelt ihn in sein Privathaus, Goldschmuck und silberne Vasen. Die Berliner Siegessäule wird eingeweiht als Denkmal der deutschen Reichsgründung nach dem Sieg über Frankreich. Bismarck regiert in Berlin, Ferdinand Möhring in Neuruppin - am Gymnasium mit 120 aktiven Mitgliedern des Gymnasialgesangsverein und Konzerten aller sechs Wochen, als Chorleiter und Organist von St. Marien, der heutigen Kulturkirche.

Der Männergesangsverein zu Alt Ruppin gibt sein 1. Konzert unter Möhring mit 37 Mitgliedern, davon 28 aktive Sänger. Das Vermögen des Chores beläuft sich auf 64 Mark und 12 Pfennige, aus den Beiträgen, Eintrittsgeldern und sonstigen Summen.
Der Schatzmeister des Chores war auf Draht, aber wir wissen nicht, welches Programm der Chor sang, vielleicht „Herr ich hab auf Dich vertraut“ und „Es ist so still geworden“ von Ferdinand Möhring, wie im Festkonzert heute.
Wir wissen aber, dass sich der Männergesangsverein schon während seiner Gründungsphase in die Herzen der Ruppiner sang, denn Möhring ging nach Wiesbaden, der Chor aber blieb.
Die Verehrung für Möhring hielt an - für den Chorleiter, Kantor, Musikpädagogen und Komponisten so vieler Chorwerke und Kirchenmusik, der Oper „Das Pfarrhaus“, der im Gewandhaus zu Leipzig unter Mendelssohn uraufgeführten Sinfonie.

Ferdinand Möhring, der Mitbegründer des Deutschen Sängerbundes, konnte Menschen binden, faszinierte mit seiner geselligen Art, ein lauterer Mensch, so wird er beschrieben. Er war Ehrenmitglied von rund 70 Gesangsvereinen. Eine Neuruppiner Postkarte von 1899 stellt Ferdinand Möhring in eine Reihe mit Friedrich Schinkel und Theodor Fontane.

Zehn Jahre nach Möhrings Tod wird angekündigt: „Am 29. August 1897 nachmittags um halb zwei Uhr, wird hier in seiner Heimatstadt unserm Ferdinand Möhring, einem der größten Schöpfer und Förderer des deutschen Männergesangs, ein Denkmal enthüllt. Die deutsche Sängerwelt entledigt sich hiermit einer der größten Ehrenpflichten“. Es gibt ein Festprogramm von vier Chören, zu den Gästen gehören die Witwe und andere Verwandte Ferdinand Möhrings.
1904 widmete Hedwig Möhring dem Chor ein Bildnis ihres Mannes. Es wurde durch den Sänger und Malermeister Becker mit einem Schmuckrahmen versehen und zum Anlass genommen, sich von nun an „Männergesangsverein Möhring-Chor“ zu nennen.

Opernchöre gehören jetzt zum Chorrepertoire, der Gefangenenchor aus „Fidelio“, der „Jägerchor“ aus dem „Freischütz“, den Möhring gar nicht so überzeugend fand, weil sein eigener Lehrer Taubert auch einen Jägerchor geschrieben hatte, Das wissen wir heute aus den Tagbüchern des jungen Möhring, seit Dezember 2022 auf den Seiten der Ferdinand Möhring Gesellschaft nachzulesen.

Liebe Chorfreunde,
Ich freue mich, dass ich diese Laudatio zu Ehren des Möhring-Chores halten darf. Weil mir das Chorsingen, ganz besonders in Brandenburg am Herzen liegt, weil ich selbst viele Jahre begeisterte Chorsängerin war, im Landesmusikrat wie im Deutschen Musikrat das Chorschaffen unterstützen darf. Weil ich das Glück hatte, etwas von der Magie zu erfahren, die manchmal beim Chorsingen wie beim Zuhören entsteht –
plötzlich leuchtet etwas auf, ein Glanz legt sich auf die Welt, das Herz wird leicht.
Musik ist eine Sprache, die verbindet. Mit anderen und mit sich selbst. Das kann man beim Chorsingen erleben. Die Qualitäten des Lebens, Lebensfreude, fröhliche Stimmung, Festlichkeit, aber auch Melancholie und Mut, Trauer, Hoffnung und Trost, Himmel und Erde, der spiegelglatte See und die flirrende Hitze, die Jahreszeiten, die Farben des Herzens und der Welt - alles wird Rhythmus, Melodie, fein gestimmter Klang. So richtig beschreiben kann man es nicht. Man kann es nur erleben – am besten gemeinsam mit anderen im Konzert beim Singen und Zuhören.
Wie schön, dass Sie, liebe Mitglieder, sich dem Singen verschrieben haben und mit Ihren Liedern vielen Menschen Freude bereiten.

Bei einem Jubiläum blickt man ja gern zurück auf die Geschichte, auf Entwicklungen, auf besondere Ereignisse und Menschen, denen wir es verdanken, dass es diese Tradition gibt. In 150 Jahren gab es nicht nur gute Zeiten. Chorsänger wurden zum Kriegsdienst eingezogen, politisch bedenkliches Liedgut beschlagnahmt. 1953 kam es zur Neugründung des Männerchores. Erich Roschner übernahm für 20 Jahre den Vorsitz des Chores mit über 40 Sängern. Erinnerungen verbinden sich mit dem Neuruppiner Chortreffen 1962 im Stadtpark mit 500 Sängern aus 17 Chören.

Chöre singen so gut wie ihre Chorleiter sind – Musikdirektor Mesenberg und der Uhrmachermeister Karl-Heinz Wollina, der Werke von Johannes Brahms einbrachte. Das 120. Gründungsjubiläum wurde gefeiert mit der „Kreuznacher Liedertafel 1862“ und dem Männergesangsverein Eintracht Cladow. Der Sportler Joachim Mandernach übernahm den Chor-Vorsitz. Klaus Miehan war 1979 – 1991 erster Vorsitzender, der Möhring-Chor wurde eingetragener gemeinnütziger Verein. Zu den Dirigenten gehörten der vielfach mit seinen Chören ausgezeichnete Prof. Hans-Peter Schurz, Musikschuldirektor Peter Brüssow und seit 1993 für 26 Jahre Armin Jungbluth. Es gab Reisen nach Prag, Budapest und Moskau, Sommerkonzerte im Krankenhaus,
in der Klosterkirche Neuruppin und im Stadtgarten. Auszeichnungen trafen ein - der Fontane-Preis 1997, das Bronzediplom beim internationalen Chorwettbewerb in Riva del Garda 1998 und gemeinsam feierten wir 2016 den 200. Geburtstag Ferdinand Möhrings, ein Jahr zu spät, wie wir heute aus den Tagebüchern wissen.
Seit dem 22. August 2019 leitet Dieter Winterle den Möhring-Chor, auch schon wieder 4 Jahre. Viel wird noch zu entdecken sein im Werk Möhrings und im Repertoire seines Chores.

Heute ist der Möhring-Chor aus dem Kulturleben Neuruppins nicht mehr wegzudenken. Er ist unverwechselbar, denn er ist authentisch, der Möhring-Chor singt Möhring, „seinen“ Ruppiner Möhring.
Und man hört ihm die Freude am Singen an, den Zusammenklang einer musikalischen Gemeinschaft. Das steckt an – der Arbeitergesangsverein „Vorwärts Rheinsberg mit Siegfried Schweitzer, der Frauenchor Rheinsberg mit Annette Schellenberg und der Kammerchor Chorisma mit Dieter Winterle gratulieren heute. Jeder gibt sein Bestes.
Für dieses Engagement – über die Anforderungen und Leistungen des Berufes hinaus, nicht in Geld ausrechenbar – wurde der Möhring-Chor 1998 mit der Zelter-Plakette ausgezeichnet. Zelter von der Berliner Singakademie, bei dem Mendelssohn studierte, der wiederrum Ferdinand Möhring prägte. Der Kreis schließt sich bis heute.

Wenn man die 150jährige Geschichte des Chores liest oder hört, dann spürt man deutlich, wieviel sie erzählt von Zusammenhalt, von Zuversicht, von Engagement, von der Kraft der Gemeinschaft. Eine große Geschichte vom Ehrenamt. Mehr noch: Wie manches Meisterwerk der Chormusik erzählt die Möhring - Chorgeschichte von Liebe, Leidenschaft und Engagement – Liebe zur Musik, Leidenschaft für das Chorsingen und Engagement für die Gemeinschaft.

Liebe Sänger,
beim letzten Deutschen Chorwettbewerb im Mai durfte ich die Gewinnerchöre ehren. Ein Männerchor gehörte dazu, bestehend aus Studenten der Universität Jena. 25 schlanke, hübsche junge Männer, die ganz wunderbar miteinander singen können! So war das vor 150 Jahren auch bei Ferdinand Möhring. Und weil das so war, gibt es den Möhring-Chor heute noch, deshalb gibt es das Repertoire der Männerchöre. Seit dem Deutschen Chorwettbewerb 2023 bin ich vom Fortleben der Männerchöre wieder überzeugt. Zu schön sind die Chorsätze, zu reizvoll der Zusammenklang der Männerstimmen.

Goldschmuck und silberne Vasen wie 1873 bei Schliemann wären ja ganz schön, aber Chorgesang an sich ist ein Schatz. Die Strauss-Walzer und Brahms‘ Musik haben wir ja auch noch und Möhrings Musik dazu, mobil telefonieren wir noch immer und Jeans sind auch Mode. Halten wir das Gute von damals fest, der Möhring-Chor gehört dazu.

Ich wünsche dem Möhring-Chor und allen seinen Sängern und Unterstützern, dass Sie ihre Liebe zur Musik, ihre Leidenschaft für das Chorsingen, ihr Engagement für die Gemeinde weitertragen - zusammen mit vielen jungen Sängern, die den Chor hoffentlich in den nächsten Jahren verstärken. Ich wünsche Ihnen, dass der Möhring-Chor auch in Zukunft mit ganz besonderen, schönen Konzerten sein Publikum begeistert.

Vielen Dank

 

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Parlamentarischer Abend Stiftung Entwicklung und Frieden (sef:),
21. September 2023 nach dem Plenum
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Liebe Abgeordnete, und Mitglieder der Landesregierung,
lieber Martin Gorholt, sehr geehrte Herren Prof. Dr. Jakob Rhyner, Heinz-Joachim Lohmann und Dr. Marcus Kaplan, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste!
 

Entwicklung, Frieden und Demokratie bedingen einander. Wenn eines dieser Elemente fehlt, kommt es zur Unwucht. Die Stiftung Entwicklung und Frieden gehört in die Herzkammer der Demokratie Brandenburgs, in den Landtag Brandenburg.
Herzlich willkommen! Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, diesen Parlamentarischen Abend zu eröffnen, zu dem die Stiftung Entwicklung und Frieden eingeladen hat.

„Förderung von Völkerverständigung, internationaler Zusammenarbeit und Entwicklung“ ist lt. Satzung der Stiftungszweck, heute würde man vermutlich viel konkreter vom friedlichen Miteinander als Basis für die Zusammenarbeit sprechen.

Auch muss man sich fragen, ob man etwas übersehen hat, Zeichen missdeutet oder nicht ernst genommen. Vor gut 20 Jahren Transnistrien, dann Abchasien, Tschetschenien, Tadschikistan, Georgien, Krim, Bergkarabach in Aserbaidschan, der Angriff auf die Ukraine – die Welt hat sich verändert.
Und jede Friedensinitiative ist gut.

Verändert haben sich auch die Mittel der Auseinandersetzung. Willy Brandt, 1986 Initiator der Stiftung „Entwicklung und Frieden,“ dachte schon früh darüber nach, was den Frieden bedrohen könnte.

Entwicklung geht nicht ohne Frieden, Frieden nicht ohne Demokratie.
Eine aktuelle Krise haben wir im Fall der Getreidetransporte aus der Ukraine vor Augen. In Afrika hungern Menschen, auch weil das Getreide nicht ankommt. „Wer den Krieg ächten will, muss auch den Hunger ächten“, sagte Willy Brandt schon 1973, noch als Kanzler. 50 Jahre ist das jetzt her, und der Satz hat nichts an Aktualität eingebüßt. Zu ergänzen wäre heute noch, dass auch die Ignoranz von Klimazielen den Frieden bedroht durch Folgekatastrophen, Not und Hunger.
Unsere Potsdamer Erklärung vom Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, untersetzt diesen Gedanken, hier im Haus im Juli von Vertretern aus 46 Ländern einstimmig verabschiedet.

Die Stiftung Entwicklung und Frieden will das öffentliche Bewusstsein für diese Zusammenhänge schärfen. Völkerverständigung und internationale Zusammenarbeit auf allen gesellschaftlichen Ebenen sind heute wichtiger denn je, zu viele Krisen überlagern einander und verursachen menschliches Leid. Allein 108 Millionen Menschen waren am Ende des vergangenen Jahres weltweit auf der Flucht vor Verfolgung, Konflikten, Gewalt und Elend.

In Brandenburg steht die Zusammenarbeit der Völker, der Frieden und der Schutz der Umwelt in der Verfassung. Der Landtag hat diese Verfassung mehrmals angepasst, um neuere Entwicklungen aufzugreifen. Wir wissen, dass Augenverschließen oder Abschottung keines der Probleme löst, die auch uns mehr oder minder direkt betreffen.

Ihre Stiftung stärkt mit ihren Potsdamer Frühjahrsgesprächen politisches Wissen.
In diesem Frühjahr ging es um Ernährungssicherheit; in den Vorjahren um Klimawandel und Konfliktprävention oder um die Chancen der Digitalisierung für die Friedenspolitik.

Nutzen wir die Gelegenheit für fruchtbare Gespräche, wertvolle Anregungen und neue Ideen. Ihnen allen wünsche ich einen gelungenen Abend,

vielen Dank!

 

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- Es gilt das gesprochene Wort-

30 Jahre Landkreis Ostprignitz-Ruppin – Kulturkirche Neuruppin 20.09.23
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Liebe Ostprignitz-Ruppiner,
liebe Gäste,
lieber Herr Landrat, liebe Bürgermeister, Amtsdirektoren, Gemeindevertreter und Stadtverordnete!

Wo wohnen Sie?
In Lindow, Kyritz, Herzsprung, Neuruppin, Heiligengrabe…
Da gibt es Marktplätze mit Babys in Kinderwagen, den einen Kastanienbaum für die KITAMännchen, den guten Bäcker, auch italienisches Eis, Wasser und Kinder mit Schwimmflossen, Bootchenfahrer, Angler und Anglerinnen, natürlich, Dorffeste und Sieger in Sportwettkämpfen.

Und was heißt bitteschön OPR?
Ostdeutsche Parlamentarische Republik?
Ober-Polizei-Revier,
Oralte Prinzen Region,
Oldenburg-Parchim-Rosenheim?
Ostprovinz Rhin.
Ob ich aus Ostpreußen sei, wurde ich auch schon gefragt.

Rhin ist richtig, Ost auch. Prignitz heißt althergebracht „ungangbares Waldgebiet“.
der Ruppiner“ ist ein See.

Sie merken es schon, es geht nicht so einfach alles rein in dieses OPR, also: die fleißigen Handwerker, nur hier zu sehn, die Überzahl an Gerichtsjuristen, ununterbrochen studierende Mediziner, engagierte Stadtwerker, die kein Heizungsgesetz brauchen, Zugführer, die öfter fahren wollen, Taxifahrer, die nur so über die L 15 schweben, Theaterleute mit Bühnenbildern nach Schinkel, Texten von Fontane und Musik von Möhring, Lehrerinnen in Deutschlands bester Schule und nebenan.

Sie merken auch: für so viel Gutes braucht man einen Landrat, um ihn herum eine gute Verwaltung, einen kreativen Kreistag und im drittgrößten Kreis Brandenburgs nur die besten Bürgermeister und Ämterchefs. Hier gibt es das, sonst wären wir ja nicht heute zum Feiern zusammengekommen.

30 Jahre OPR, älter als die meisten Scater und Digital-Experten und doch noch jung genug, um fit zu sein für alle sinnvollen Transformationsprozesse. Eigenständig wollten wir sein nach 89, selbstverantwortlich, im Aufbruch voller Gestaltungswille. Daran erinnern wir uns gern, daran können wir mutig weiter anknüpfen, wir wissen es doch: „Am Mute hängt der Erfolg.“ Das Kreisentwicklungskonzept 35 + stellt die Weichen.

Es sind in Menschen, die hier leben,
die ihre Lieblingsplätze haben, die unseren Landkreis lebens- und liebenswert machen,
für ein gutes Miteinander sorgen in Vereinen, Initiativen, Verbänden; im Sport, in der Kultur, bei den Feuerwehren und Kirchengemeinden. So schließt sich der Kreis als Landkreis und kann ein stabiler Partner für alle anderen sein, weltoffen und modern,
zugewandt, freundlich, lösungsorientiert.
Eben ostprigniz-ruppinisch.

Herzlichen Glückwunsch uns allen!

 

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Eröffnung der Foyerausstellung „Bräuche in der Niederlausitz“, 12.09.23
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Dobry wjacor, guten Abend!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

Lsehr geehrte Frau Schwella, Vorsitzende des Rates für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden,
sehr geehrter Herr Bürgermeister von Dissen-Striesow, Herr Fred Kaiser,
sehr geehrte Frau Zenker, Leiterin des Heimatmuseums Dissen,
sehr geehrter Herr Gefreiter, Bürgermeister der Gemeinde Schönwald im Spreewald,
sehr geehrter Herr Engel, Projektleiter „Inwertsetzung des immateriellen Kulturerbes im deutsch-slawischen Kontext“,
lieber Herr Choritz, Fotograf der Ausstellung!

Gerade erst konnten die Besucher der sommerlichen Reihe „Kunst zur Zeit“ im Landtagsinnenhof das Musikerensemble des Sorbischen Nationalensembles hören. Das war spannend, weil es so anders ist, gewachsen aus Jahrhunderten, Eigenes und von den Nachbarn angenommenes. Es ist spannend mit Menschen aus der Niederlausitz zusammen zu leben, die in 2 Kulturen sprechen, denken, arbeiten – und stolz auf das Eigene sind.

Ich freue mich, Sie alle im Landtag Brandenburg begrüßen zu dürfen. Und ich freue mich, dass wir die Ausstellung über das Brauchtum der Sorben/Wenden zeigen können.
Dem Landtag und der gesamten Landespolitik ist der Schutz der Minderheitenrechte und die Pflege der kulturellen Traditionen ganz wichtig. Nicht zum ersten Mal stellen wir mit Ihnen zusammen aus.

Beim Betreten des Innenhofes haben Sie sicherlich das zweisprachige Schild am Fortunaportal bemerkt: Darauf steht nicht nur „Landtag Brandenburg“, sondern dasselbe auch in sorbischer Sprache: „Krajny Sejm Bramborska“. Deshalb passt diese Ausstellung so gut in dieses Gebäude, in die Vertretung für alle Menschen und damit auch für die nationale Minderheit in Brandenburg.

Um die Traditionen, die Bräuche und die kulturellen Besonderheiten zu bewahren und zu schützen, braucht es aber mehr als zweisprachige Schilder. Traditionen müssen gelebt werden, im Alltag, von den Kindern und den Jungen wie den Älteren – sonst geraten sie allmählich in Vergessenheit.

Die Sorben/Wenden leben ihre Traditionen, ihre Bräuche; das zeigen die Fotos der Ausstellung sehr eindringlich. Ob es die Trachten sind, die auch junge Menschen an Festtagen gerne anziehen, die Musik und die Tänze, die Sprache oder das Kunsthandwerk oder die besonderen Feiern selbst – etwa die Vogelhochzeit oder das Johannisreiten. 250.000 Kornblumen trägt Johannis in seinem Wams und jeder Festbesucher will eine haben, denn sie bringen Glück, und das kann man immer gebrauchen. In der Lausitz gehört die reiche Geschichte der Region zur Gegenwart. Und ich bin mir sicher: Sie wird auch die Zukunft der Lausitz prägen.

Dafür setzt sich der Brandenburger Landtag seit langem ein.
Die Rechte des sorbischen/wendischen Volkes sind in der Landesverfassung festgeschrieben. Dazu gehört das Recht auf kulturelle Eigenständigkeit und auf Förderung von Sprache und Kultur. Im kommenden Jahr können wir das 30. Jubiläum des Gesetzes feiern, das diese verfassungsmäßigen Rechte ausgestaltet und näher bestimmt.

Gesetze müssen umgesetzt werden von uns allen. Eigenständigkeit will täglich gelebt werden. Das tun mit großem Engagement die Mitglieder des Rates, die Angehörigen der Domowina, die Stiftung für das sorbische Volk, die Kulturinformation „Lodka“, das Sorbische Institut,
das Wendische Museum – und natürlich das Heimatmuseum Dissen, dessen Leiterin Babette Zenker Sie gleich noch begrüßen wird.

Diese Einrichtungen haben viele Unterstützerinnen und Helfer, die sich im Ehrenamt um die Pflege des Brauchtums kümmern. Ihnen allen gilt heute mein Dank, denn ohne sie würde es diese Ausstellung und das, was sie zeigt, wohl nicht geben. Sie haben sich um die Lausitz und um das Volk der Sorben/Wenden verdient gemacht und können ganz gelassen stolz darauf sein!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich wünsche der Ausstellung viele interessierte Besucherinnen und Besucher und den am Projekt Beteiligten alles Gute.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Präsentation des Memorandums WIR IM NORDWESTEN am 04.09.23 in der Kulturkirche Neuruppin
Berlin / Oberhavel / Ostprignitz-Ruppin / Prignitz
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Sehr geehrter Herr Dr. Richard Meng,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Nico Ruhle, liebe Bürgermeister, Stadtverordnete, Gemeinderäte, Kreistagmitglieder und ganz besonders liebe VertreterInnen von Wirtschaft und Zivilgesellschaft in Nordwest-Brandenburg!

WIR IM NORDWESTEN - ich begrüße Sie herzlich hier in der Kulturkirche Neuruppin zur Präsentation des Memorandums. Die Einladung von Bürgermeister Nico Ruhle war an alle gerichtet, die an einer positiven Entwicklung und Zusammenarbeit im Nordwesten Brandenburgs interessiert sind. Viele sind gekommen, auch ich bin gern gekommen und bedanke mich für die Einladung.
Besonders begrüßen möchte ich die Vertreterinnen und Vertreter des Zukunftsforums Berlin- Brandenburg innerhalb der Stiftung Zukunft Berlin. Die Stiftung versteht sich als Ort des Austauschs und Nachdenkens über Zukunftsprojekte – aus der Zivilgesellschaft heraus und im Dialog mit den politisch Verantwortlichen. Mit 500 Persönlichkeiten aus der Stadtgesellschaft Berlin, die sich in vielen Projekten und Initiativen engagieren, gibt die Stiftung bürgerschaftlichem Engagement eine Stimme.
Das Zukunftsforum Berlin-Brandenburg möchte das gutnachbarschaftliche Verhältnis der beiden Länder verbessern und Kooperationsformen etablieren, die die Potenziale beider Länder zum gemeinsamen Nutzen der Gesamtregion zur Entfaltung bringen. Keine Tagespolitik, sondern die gemeinsame Entwicklung von Zukunftsstrategien steht im Fokus.
Die Initiative Zukunftsforum Berlin-Brandenburg führt mit Partner:innen aus der Gesellschaft, die in beiden Ländern „zu Hause“ sind, Themengespräche durch; mit Bürger:innen, Abgeordneten sowie Vertreter:innen der beiden Landesregierungen. Ein neues Format für den Dialog auf Augenhöhe zwischen Zivilgesellschaft und Politik zu den strategischen Zukunftsthemen der Hauptstadtregion ist etabliert.

Ich finde, dieser Dialog zwischen Zivilgesellschaft und Politik ist ein guter Anfang und das Zukunftsforum selbst ein Zukunftsprojekt, das Lust auf Beteiligung macht.

Das Memorandum markiert den Beginn einer wichtigen Entwicklung für den Nordwesten Berlin und Brandenburg, für neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik.

Ein innovativer Ansatz, um entlang der Verkehrsachsen im Berliner und Brandenburger Nordwesten Zukunftsperspektiven für eine bessere Kooperation, Verbindung, Vernetzung zwischen den Berliner Außenbezirken und Brandenburg zu entwickeln.

In der Lausitz hat das Zukunftsforum Berlin Brandenburg mit Knowhow und großzügiger finanzieller Förderung durch den Bund bereits wirkungsmächtige Impulse gesetzt - für neue Entwicklungen für die Zeit nach der Kohle, für wirtschaftliche und soziale Transformationsprozesse, die inzwischen schon begonnen haben –- hin zu einer innovativen nachhaltigen Wirtschafts- und Strukturentwicklung.

Eine transformative Kernzone ist dabei die Entwicklungsachse Berlin Adlershof – Cottbus.

Ich bin zuversichtlich: Was in der Lausitz schon erprobt und begonnen wurde, kann auch im Nordwesten gelingen.

Und: es ist höchste Zeit, dass wir in Brandenburg jetzt auch den Nordwesten in den Blick nehmen, wenn es um Zukunftsstrategien für die Region geht.

Denn die Prignitz, Ostprignitz/Ruppin und Oberhavel haben noch mehr als einzigartige Landschaften zu bieten, alte Kirchen, preußisches Erbe mit Schinkel, Fontane, Schloss Rheinsberg. Der Nordwesten ist ein Natur-, Lebens- und Wirtschaftsraum mit Perspektive.

Mit Raum für Kreativität in allen Fragen des gesellschaftlichen Lebens. Für Ansiedlungen und neue Ideen. Vieles ist schon da. Vieles ist im Werden. Vieles will auf den Weg gebracht werden: Zum Beispiel Potentiale an erneuerbaren Energien,

auch unter Nutzung der Wasserstoffpipeline, die den Entwicklungskorridor durchkreuzt.

Das Memorandum entwickelt Ideen füreine Region, je globaler wir leben umso wichtiger werden die Wirtschaftskreisläufe für eine Region, nicht an ihr vorbei. Entwicklungskorridore geben Orientierung, Entwicklungsräume werden entstehen.

Die MHB mit vier Universitätskliniken bietet eine moderne praxisorientierte und wissenschaftsbasierte Mediziner- und Psychotherapeutenausbildung in Brandenburg, gemeinsam mit dem Immanuel Klinikum Bernau, Herzzentrum Brandenburg, der Immanuel Klinik Rüdersdorf, den Ruppiner Kliniken und dem Städtischen Klinikum Brandenburg,
mit mehr als 35 kooperierenden Krankenhäusern und mehr als 170 Lehrpraxen,
mit der Salusklinik Lindow als einem möglichen Lehrkrankenhaus für Psychologie.

Eine medizinische Universität, die mit ihrer gemeinnützig-unternehmerischen Struktur seit 2016 einen wachsenden Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung des Landes und zur Zukunft der Gesundheitsversorgung in Brandenburg leistet. 60 neue Ärzte und Therapeuten wurden bisher an der MHB ausgebildet. 2/3 von ihnen arbeiten in Brandenburg. Und wenn zum Sommersemester 2024 auch der Studiengang Zahnmedizin startet, ergeben sich zugleich Möglichkeiten für Unternehmensansiedlungen im medizinisch-technischen Bereich.

Zur Zukunftsstrategie gehören Kultur und Tourismus. Die Kammeroper Schloss Rheinsberg, die Musikakademie Rheinsberg, das Seefestival Wustrau, der Theatersommer Netzeband, die Lotte-Lehmann-Akademie Perleberg, Kirchen mit ihren vielfältigen Konzerten, das Kloster Lindow, Ausstellungen, Museen, Maler und Keramikwerkstätten.

Ja, der Nordwesten ist eine Zukunftsregion in Brandenburg und hat schon viel zu bieten, woran man anknüpfen kann. Deshalb begrüße ich es sehr, dass mit dem Memorandum jetzt auch Perspektiven des Entwicklungskorridors Berlin-Prignitz in den Blick genommen werden.

Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltungen und Politik haben beraten und gemeinsame Ziele für die Region erarbeitet, von unterschiedlichen Perspektiven ausgehend. Beides, die gegenseitige Wertschätzung gleichberechtigter Partner und der Blick über den eigenen Referenzrahmen hinaus hin zu einem multiperspektivischen Denken, sind ganz entscheidend, wenn etwas Neues und Gemeinsames entstehen soll.

Das Memorandum ist eine wichtige zivilgesellschaftliche Initiative, die den Prozess der gemeinsamen Landesplanung Berlin Brandenburg ebenso wie die künftige Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg zur Strategie der Entwicklungskorridore entlang großer Verkehrsachsen unterstützt.

Das Zukunftsforum arbeitet dabei von der Basis aus, aus Städten und Gemeinden, aus Unternehmen und Rathäusern. Hier sind Bürgerinnen und Bürger, Unternehmerinnen und Unternehmer,Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Akteure.

Für das Gelingen eines so tiefgreifenden Transformationsprozesses, wie dem vor uns liegenden, sind die Stimmen, die Perspektiven und das Engagement der Beteiligten aus der Region, der Menschen, die hier arbeiten, leben, Politik gestalten, eine ganz wesentliche Voraussetzung. Denn ohne multiperspektivisches Denken, Kooperationen und Vernetzungen, ohne die Einsicht, dass oft gerade aus den Unterschieden, ihrer Akzeptanz und Wertschätzung neue Iden und Zukunftsvisionen entstehen, geht es nicht.

Der Nordwesten von Berlin und der Nordwesten von Brandenburg - zwei Regionen, fast drei Jahrzehnte durch Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen voneinander getrennt, am 9. November 1989 wie durch ein Wunder von einem Tag zum anderen in neuer Nachbarschaft miteinander. Ich erinnere mich noch an meine ersten Besuche im Westen Berlins und an das Gefühl großer Freiheit in einer großen Stadt, eine bisher verborgende Welt von einem zum anderen Tag vor der Haustür.

Und die Berliner fuhren über die Brandenburger Dörfer und entdeckten vor ihren Haustüren ein unbekanntes weites Land, alte Dorfkirchen, Marktplätze und zugewandte freundliche Menschen.

Gerade in der Unterschiedlichkeit und Vielfalt liegen die Stärken, die Potentiale und die Schönheit unserer gemeinsamen Region Nordwest.

Und mit dieser Unterschiedlichkeit stehen wir im Nordwesten in Brandenburg wie in Berlin vor gleichen oder ähnlichen Herausforderungen. In gleicher Verantwortung: Für das Klima, für Artenschutz, für gesunde Umwelt, Lebensqualität, gesellschaftlichen Zusammenhalt, Bildung, Kultur, den Schutz einer einzigartigen Kulturlandschaft.

Der Landtag Brandenburg ist Partner. Gemeinsam mit dem Berliner Präsidenten Dennis Buchner vom Abgeordnetenhaus habe ich vor zwei Jahren eine Berlin-Brandenburgische Parlamentarische Konferenz initiiert, die von mir und der neuen Präsidentin Cornelia Seibelt fortgeführt wird. Der nächste Termin ist im November. Themen kommen aus den Fachausschüssen und werden gemeinsam beraten.

Nicht hoch genug kann die „Potsdamer Erklärung“ des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas zu Klimaschutz, Artenvielfalt und gesunder Umwelt geschätzt werden. Auf meine Einladung führte der Monitoring-Ausschuss seine Sitzung im Juli im Potsdamer Landtag mit Vertretern aus 46 Ländern durch. Die Verabschiedung der „Potsdamer Erklärung“ erfolgte einstimmig – nach dem Pariser Abkommen, New York und Rejkjavik nehmen. Vertreter der Gemeinden und Regionen das Thema auf, denn Maßnahmen für unser Ökosystem werden vor Ort umgesetzt.

Sie sehen: wir sind in unseren Zielen nicht weit voneinander entfernt.

In unserer so krisenreichen und komplizierten Zeit und ihren Herausforderungen, für die es noch keinen Referenzrahmen gibt, können wir gar nicht anders als Neuland betreten, nichts anderes als uns ins Offene zu wagen.

Wir brauchen dafür Mut und Zuversicht und haben Grund, zuversichtlich zu sein. Wie die Lausitz ist auch die Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel ein spannender Zukunftsort, auch wenn das noch nicht so wahrgenommen wird, wenn die Stärken und Potentiale unserer Region erst nach und nach sichtbar werden.

Mit der Strategiearbeit, wie sie mit dem Memorandum schon begonnen hat, kann diese Sichtbarkeit gestärkt werden.

Ein entscheidender Punkt für das Gelingen der Zukunftsstrategie hier im Brandenburger und Berliner Nordwesten ist das gemeinsame Handeln – länderübergreifend, über die eigene Institution hinaus, interdisziplinär, mit neuen Formen von Zusammenarbeit.

Das Memorandum zu Perspektiven des Entwicklungskorridors Berlin-Prignitz will hier Impulse setzen. Dafür braucht es viel Unterstützung und viele engagierte Partner.

Vernetztes Denken zwischen Metropole und Land, zwischen unterschiedlichen Identitäten, lokalen Initiativen, zwischen Kommunal- und Landespolitik.

So können wir im gemeinsamen Handeln Entwicklungsmodelle entwerfen, Transformationsprozesse in Gang bringen für innovative und nachhaltige Wirtschaftsstrukturen.

Wir können Kultur stärken und weiterentwickeln, Natur schützen, wirtschaftliche Rahmenbedingungen verbessern, für gute Bildung sorgen. Daseinsvorsorge sichern, für nachhaltige Mobilität sorgen. Für die Einheimischen, für die Neuangekommen und die Zuwanderer der nächsten 20 Jahre.

Vielleicht ist es gar kein Entwicklungskorridor, sondern eher ein weites Entwicklungsfeld der Begegnung, ein Transitraum für Ideen, Visionen, Strategien und Anfänge, um sie in die Wirklichkeit zu bringen. Ein Feld der Begegnung für die Vita Aktiva. Das Zusammenwirken vieler engagierter verantwortungsvoller Akteure stärkt die Demokratie.

 

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Laudation auf Lothar Vogtländer am 3. September 2023
80. Geburtstag des Komponisten, Bezirksamt Berlin Hellersdorf-Marzahn

Einmal den Mund voller Träume haben“
Rede der Musikwissenschaftlerin, Buch-Autorin und Landtagspräsidentin Brandenburgs

Einmal
den Mund voller Träume haben und
ein Netz Nacht für
kommende Jahre.

Dort sein, den Sommer im Rücken in den Augen ein Spätmeer.
Und in den Gräsern
den Wind mähen für die Ernte der Segler.“

Friedemann Berger hat diesen Text geschrieben, „Einfache Sätze“ heißt sein Gedichtband. 1977 verwendete Lothar Voigtländer den Text schon einmal für einen Liederzyklus für hohen Sopran und Harfe, heute mit Klavier. Text ist wichtig, über Träume, Liebe, Frieden, Zeit und Raum.
Es ist eine gute Idee, unsere heutige Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Zeit zum Träumen“ von Armgard Röhl stattfinden zu lassen.

Das Lebenswerk von Lothar Voigtländer lässt sich nicht in einer Laudatio erfassen. Dafür braucht es Bücher, Noten, eine umfangreiche Audiothek und aufgeschriebene Erinnerungen an Konzerte, Theater und Bildende Kunst.

Lieber Lothar, liebe Geburtstagsgäste!
Es braucht auch keinen Geburtstag um Lothar Vogtländer zu ehren. Und doch führt uns ein runder Geburtstag zusammen. Man soll die Feste feiern wie sie fallen. Das stimmt.
Was ist das Besondere an ihm, an seiner Musik?

Expressivität, dramatischer Zugriff, tabulos, genre- und grenzüberschreitend. Klang steht im Raum. Er muss das jetzt sagen, in seiner Sprache klanglich-strukturell entwickeln. Ganz gleich ob elektroakustisch oder im Sopran oder mit der Harfe, die gar nicht zur großen Leidenschaft zu passen scheint, aber genau deshalb passt.
Originalität fernab des Spektakulären. Er ist authentisch, schnell zu begeistern, aber dann: konsequent, stringent, durchsetzungsstark.

Wer mit ihm gearbeitet hat kennt die E-Mails mit den dicken Buchstaben, dann unterstrichen, Steigerung in Schriftgröße 24-36. Das ist wichtig, heißt das.
Und dann wieder wird seine Musik ganz zerbrechlich, die Harmonie von Landschaft, Bildern, Texten, in die man sich mit allen wirren Gedanken und Ideen nur noch hineinfallen lassen muss. Das alles braucht Voigtländer. „Voici“, „Hier ist“ - die Kammermusik mit Feuerwerk über dem Grienericksee, alle Einsätze komponiert. Die Schlagzeugbatterien standen am Ufer, die Sängerin sang unter den Schloss-Kolonnaden und der Kontrabassist Matthias Bauer musste lange bis zu seinem Einsatz frieren, wir hatten ihn weit hinaus auf einem Ponton in den See geschickt. Heute kann man gern zugeben, dass die Starts der Zuspiele in Rheinsberg allesamt nicht geklappt haben, Rainer Morawietz, Heinz Rödger und Lothar Voigtländer, gleich drei Tonmeister am Mischpult, waren einfach zu viel des Guten.
Das mag lange her sein, bleibt aber präsent wie viele Kammermusiken, wunderbare Chorwerke. Wunderbar sagt man nicht, habe ich bei einem Chefredakteur gelernt. Aber hier stimmt es. Voigtländer klingt. In seinen Sinfonien, Orchestermusiken, Oratorien, Orchesterlieder, Kantaten, Kammermusiken, Chorsätzen, Klanginstallationen, elektroakustischen und multimedialen Kompositionen, in der Kammeroper: „VISAGES“. „Nichts besitzt man niemals außer ein wenig Zeit“ heißt es im Text von Eugène Guillevic, in Stein gehauen, wie Voigtländers Klang dazu.

Sein Klangideal entstand früh. Als Mitglied des Dresdner Kreuzchores wuchs er mit einem prägenden Repertoire auf, mit führenden Interpreten und Dirigenten, bestmöglicher Intonation, Mehrstimmigkeit, Klangschönheit, Liturgie und Glaubensbekenntnis. Vierzehnjährig dirigierte er schon als Chorpräfekt, mit Fünfzehn komponierte er die „Hommage an R. Mauersberger“, einen Sinfoniesatz, der laut Voigtländer bis heute Bestand hat. Freundschaften und musikalische Partnerschaften aus der Dresdner Zeit hielten, neue kamen hinzu.

Voigtländer komponiert für Interpreten, ihren Klang und ihre Spieltechnik: für die Harfenistin Katharina Hanstedt, den Cellisten Matias de Oliveira Pinto, den Kontrabassisten Matthias Bauer, den Schlagzeuger Hermann Naehring, den Flötisten Klaus Schöpp und das Modern Art Ensemble, oder auch für die Choreografin und Tänzerin Iris Sputh, den Videokünstler Veit Lup. und Maler-Freunde.

Zeitweilig leitete Voigtländer das elektronische Studio der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden. Er tauschte sich freundschaftlich mit Komponistenkollegen aus, besonders mit Georg Katzer, der auch in den Studios in Bratislava, im polnischen Rundfunk und in Bourges gearbeitet hatte. Voigtländer gehörte zu den „Tagen der Neuen Musik“ bei Klaus Bernbacher in Bremen, heute wird er regelmäßig in den „Randfestspielen“ Zepernick bei Helmut Zapf gespielt - und besucht neugierig die Uraufführungen anderer Komponisten. Er ist Brandenburger im Brandenburgischen Verein für Neue Musik bei den „intersonanzen“ Potsdam und Berliner in seinem Zuhause in Kaulsdorf. Eine neue Komponistengeneration lehrte er als Professor für Komposition in Dresden, entdeckte Begabungen und förderte sie durch Empfehlungen und Aufführungen weit über den Rahmen der Hochschule hinaus. Zu seinen Schülern gehören Tomaz Bajzelj, Nana Forte, Michael Jordan, Nina Šenk, Vito Zuraj und Karoline Schultz, einige von ihnen brachte er von Gastprofessuren nach Dresden mit.

Vielleicht gab es in seinem Leben günstige Entwicklungsmöglichkeiten für Komponisten, weil die Akademie der Künste zu Meisterklassen einlud und der Lehrer Fritz Geißler der Richtige war, weil Orchester ebenso wie der Rundfunk Aufträge für Komponisten erteilten, weil die Berliner Musikbiennale und die DDR-Musiktage Aufführungen und Gespräche anboten und zugleich ein Tor zur Welt öffneten.
Er gründete die Gesellschaft für elektroakustische Musik in Deutschland und stand ihr als Vizepräsident vor, sieben Jahre lang leitete er eine Komponistenklasse bei den Geraer Ferienkursen, war Vorsitzender des Komponistenverbandes Berlin, Präsident und dann Vizepräsident des Deutschen Komponistenverbandes. Als GEMA-Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender des Werkausschusses gründete er die Fachgruppe E-Musik.
Komponist, Vertreter der Kollegen, Jurymitglied, Live-Elektroniker, Praktiker als Musiker und Dirigent – alles gehört bei Voigtländer zusammen wie seine Klangerkundungen, Wirkungen und Botschaften zur Zeit.

Und immer wieder gibt es – auch bei ihm – noch Unbekanntes zu entdecken. Eckehard Klemm fand Voigtländers „Harfensinfonie“ von 1989 wieder und führte sie in diesem Geburtstags-Jahr mit der Elbland Philharmonie Sachsen zur Uraufführung. 24 Jahre nach ihrer Entstehung, zeitgenössische Musik aus der DDR im internationalen Avantgarde-Kontext.

Nach Cage, Zimmermann, Nono, Kagel, Ligeti, Stockhausen - und so weiter - war es schwer geworden, ins Feuilleton zu gelangen. Es gibt eine Generation der unbekannten Komponisten, vielleicht sogar mehrere. Wir müssen aber anders denken: Der Globalität - Regionalität entgegensetzen, dem Einmal-Erfolg die Kontinuität, Nachhaltigkeit ist keine Worthülse.
Die Dresdner Musikhochschule hat genau das verstanden und setzt dem ehemaligen Mitglied des Dresdner Kreuzchores, dem Dresdner Studenten und späteren Dresdner Kompositions-Professor ein Denkmal. Heute ist es ein Buch, das wir vorstellen wollen. Häufig waren es Uraufführungen, Wiederaufführungen, Konzerte mit Kompositionen seiner Schüler. Auch wenn Lothar Vogtländer viele Jahre in Berlin verbracht hat, blieb er im Herzen seiner Heimatstadt stets verbunden.

Ein Dresdner Buch über die Musik von Lothar Voigtländer spiegelt den Wunsch aller Autoren wider, den Komponisten zu würdigen und - es ist allen eine Herzenssache. Mögen Dirigenten, Interpreten und Theaterleute nach Voigtländers Musik fragen, sie spielen und weitergeben.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

15 Jahre Lotte Lehmann Akademie, Abschlussgala, Marktplatz Perleberg, 2.9.2023;
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Liebe Opernfreunde,
heute ganz besonders:
liebe Sängerinnen und Sänger,
lieber Angelo Raciti, lieber Scott Curry!
Lieber Landtags-Kollege Harald Pohle!
Sehr geehrte Frau Ute Reinicke,
sehr geehrter Herr Landrat Christian Müller!

Um Heiraten geht es heute. »Die Ehe ist ein Versuch, zu zweit mit den Problemen fertig zu werden, die man allein niemals gehabt hätte«, sagte einst der amerikanische Komiker und Schriftsteller Eddie Cantor.

Also - irgendwie kein Spaß!

Der alte Don Pasquale kriegt das zu spüren bei seiner zänkischen Frau Norina, weil sie einen anderen liebt. Fast zerbricht die Freundschaft zwischen Perlenfischer und Jäger an dem Aufflammen der Jugendliebe.

Am Ende des „Figaro“ bekräftigt der Graf seine Liebe zur Gräfin und keiner glaubt ihm mehr, hat er doch das Recht der 1. Nacht vor der Heirat für sich in Anspruch nehmen wollen. Heiraten ist also ein dankbares Thema für einen Opernabend! Und Verdi mag schon Recht haben, wenn er 80jährig in seiner letzten Oper „Falstaff“ sechsstimmig in der Schlussfuge singen lässt: „Alles ist Spaß auf Erden!“

Lotte Lehmann heiratete 1926. Ihr Mann Otto Krause liebte die Ausritte mit ihr und hatte das Leben eines Opernstars zu begleiten. Das tat er aus tiefer Überzeugung. Sie war die Elsa in Wagners „Lohengrin“ unter Otto Klemperer, später die Sieglinde in der „Walküre“ unter Bruno Walter, sie sang die Leonore im „Fidelio“ und war der Star von Richard Strauss in „Arabella“ und als Marschallin im „Rosenkavalier“. Sie sang unter Toscanini und mit Enrico Caruso.

Als Lotte Lehmann Nationalsängerin der Nazis werden sollte lehnte sie ab, wurde enteignet, emigrierte 1938. In erster Ehe war ihr Mann Otto Krause mit einer Jüdin verheiratet gewesen, die vier halbjüdischen Kinder nahm das Paar mit nach Amerika.

Hier sang Lotte Lehmann 1940/41 als erste Frau die „Winterreise“ von Franz Schubert für eine Schallplatte ein. Ihre Karriere ging weiter, die Metropolitan Opera in New York wurde ihr Zuhause. Sie sang und führte Regie, Erich Korngold und Thomas Mann gehörten zu Gästen des Ehepaars Lehmann/Krause.

Lotte Lehmann, geboren 1888 in Perleberg, führt uns in eine vergangene Zeit und lebt zugleich in Perleberg fort. Weit weg, Lotte Lehmann war schon US-amerikanische Staatsbürgerin, eröffnete sie die „Music Academy of the West in Santa Barbara“ für junge Sängerinnen und Sänger. Meine Schallplatten-Aida Grace Bumbry und Karan Armstrong von der Deutschen Oper Berlin gingen aus dieser Akademie hervor.

Die Perleberger Akademie fühlt sich der Philosophie Lotte Lehmanns verpflichtet,
"Stimmen mit Persönlichkeit und Persönlichkeiten mit Stimme"
zu entwickeln, seit 15 Jahren im Sommer, mit hochkarätigen Dozenten aus allen Sparten des Opernbetriebes. Konzertauftritte an den schönsten historischen Orten der Region gehören dazu und bereichern die Kultur in der Prignitz, auch das Konzert auf der Pfarrwiese der Kirche Groß Gottschow, verbunden mit einer Radtour durch Wälder und Felder.

2023 nahmen 17 junge Opernsängerinnen und -sängeraus 12 Ländern an der 15. Lotte Lehmann Akademie teil, 16 Stipendien konnten vergeben werden. Die Stadt Perleberg wird ihrem kulturellen Ruf als Perle im Norden Brandenburgs gerecht.

Es war eine gute Entscheidung der Stadt, 2010 die 100%iger Trägerschaft der Akademie zu übernehmen. Über 200 Absolventen gingen bisher aus der Lotte-Lehmann-Akademie hervor und bestimmt ist eine spätere Aida oder Marschallin dabei.

Und: es war eine sehr mutige Entscheidung von Angelo Raciti und Scot Curry, diese Akademie zu gründen. Angelo Raciti sang als Tenor in Rheinsberg als ich die Musikakademie dort leitete, und mit Scott Curry am Klavier haben wir ein zauberhaftes Ballett von Erich Korngold auf die Bühne gebracht, die Choreographie entwickelte damals Primaballerina Jutta Deutschland mit Kindern der Jugendkunstschule Neuruppin.

Ich darf sagen, junge Künstler und Künstlerinnen befinden sich bei Raciti und Curry in den allerbesten Händen. Beide kommen aus dem Opernbetrieb, kennen ihn und seine Freuden und Tücken. Sie verfügen über ein umfangreiches musikalisches Wissen und praktische Erfahrung. Lehrer, die tatsächlich auf der Bühne standen. Sie wissen, was es heißt "Stimmen mit Persönlichkeit und Persönlichkeiten mit Stimme" behutsamauszubilden.

Die Programmideen werden ihnen nicht ausgehen und ich bin gespannt, was nach der Idee vom „Heiraten in der Oper“ kommt. Von ganzem Herzen freue ich mich über den Erfolg aus 15 Jahren Lotte-Lehmann-Akademie mit Angelo Raciti und Scott Curry.

In diesem Jahr kommt es zu einer ganz besonderen Zusammenarbeit: die Brandenburger Symphoniker begleiten erstmals Arien, Duette und ganze Ensembles der jungen Künstler hier auf dem historischen Markt - Perleberg im Opernfieber!

Ich wünsche Ihnen eine auskömmliche Landesunterstützung und hilfreiche Sponsoren sowie weitere Kooperationen, auch mit der Kammeroper Schloss Rheinsberg, der Oper im Kloster Neuzelle und der Uckeroper Angermünde. Opern und Akademien gedeihen im ländlichen Raum bestens.

Aber heute erst einmal: toi, toi toi beim Heiraten, dem „Spaß auf Erden!“

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Eröffnungsveranstaltung der Brandenburgischen Kommunalakademie zum Einstellungsjahrgang 2023 für Verwaltungsfachangestellte, 30.8.2023
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Anrede,

ich freue mich sehr, Sie begrüßen zu dürfen und falle mal eben mit der Tür ins Haus: Sie werden dringend gebraucht! Wann immer ich in eine kommunale Verwaltung komme wird mir gesagt: es fehlen Fachkräfte, ebenso in Unternehmen, bei Organisationen und Institutionen. Auch in der Landtagsverwaltung brauchen wir fähigen Nachwuchs.

Umso erfreulicher ist es, dass Sie sich für eine Ausbildung in einem wichtigen Bereich des öffentlichen Dienstes entschieden haben. Mit vielen Vorschriften werden Sie zu tun haben, Vermerke schreiben und lesen, Vorgänge einstudieren, sie zeichnen und vielleicht auch endzeichnen. Diese Ordnung mag merkwürdig erscheinen, aber schnell werden Sie ihren Sinn begreifen bis hin zur Ablage, als Papier oder digital. Dabei ist Ihre Arbeit eine Arbeit für Bürger und Bürgerinnen, Sie sind Ansprechpartner.

In den Kommunen zeigt sich ganz unmittelbar, wie gut das Miteinander in der Demokratie klappt und wo es Nachbesserungsbedarf gibt.
Die Gemeinden, Städte und Landkreise sind die Basis der demokratischen Gesellschaft: Hier haben Bürgerinnen und Bürger direkten Kontakt mit „dem Staat“, hier treffen unterschiedliche Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse direkt aufeinander.

Und hier entscheidet sich auch wesentlich, wie die Menschen „den Staat“ wahrnehmen“ - eher bürgerfern, unnahbar und unflexibel – oder lösungsorientiert, ansprechbar und beweglich. Mit ihrem Handeln werden Sie künftig viel dazu beitragen, wie gut unser Gemeinwesen funktioniert – und wie es bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt und geachtet wird.
Ich bin mir sicher, Sie sind sich dieser Verantwortung sehr bewusst.
„Herrschaft ist im Alltag primär: Verwaltung.“

Max Weber (1864 - 1920) hat das gesagt, ein Gründervater der Verwaltungsstruktur, Soziologe. Es geht um den Alltag, um das tägliche Erleben der Umsetzung von politischen Entscheidungen. Die können gut und richtig sein, aber vielleicht nicht für alle Menschengruppen gleichermaßen. Sie können auch noch lückenhaft sein und erweisen sich in der Umsetzung eben nicht als alltagstauglich. Oder sie sind schwer verständlich und bedürfen geduldiger Erläuterung. Sie sind in jedem Falle menschengemacht, von Menschen für Menschen. Und die Menschen in der Verwaltung setzen diese politischen Entscheidung um.

Wie wünschen Sie sich als Bürger Ihre Verwaltung?

- Freundlich, korrekt, gerecht, zugewandt, offen, engagiert, nicht ganz so streng, kommunikativ, kooperativ, grundoptimistisch, glücklich. Das mit dem Glück ist jetzt nicht von mir. Aristoteles definiert Glück als gut leben und gut handeln, Glück als Ziel des Lebens. Und die Philosophie streitet ausführlich darüber, ob ARBEIT glücklich macht.

Die Antwort muss jeder selbst finden. Ich sage JA.

Ein besonderes inhaltliches Thema möchte ich Ihnen heute noch ans Herz legen, weil es so aktuell ist:

Brandenburg deckt heute mehr als 95 Prozent seines eigenen Stromverbrauchs aus klimafreundlichen Quellen, es gibt bereits energieautarke Gemeinden. Auf meine Einladung als Landtagspräsidentin tagte der Monitoring-Ausschuss des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas im Juli im Landtag. Europäische Vertreter aus 46 Ländern nahmen an einem Klima-Symposium teil und verabschiedeten einstimmig im Monitoring-Ausschuss die „Potsdamer Erklärung“ , die von der Ausschussvorsitzenden Gudrun Mosler-Törnström und mir unterzeichnet wurde. Unsere „Potsdamer Erklärung“ ist ein wichtiger Baustein nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015, der UN-Resolution zum Klimaschutz als Menschenrecht 2022 in New York und dem Klima-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Mai in Reykjavik. Zu uns kamen die kommunalen Vertreter, diejenigen, die die Maßnahmen für Klimaschutz, Artenschutz und gesunde Umwelt vor Ort umsetzen. Unser Brandenburgischer Anteil an diesem Papier war die Einbringung der notwendigen Bürgerbeteiligung, denn Klima-Vorhaben gelingen nur mit den Bürgern und in jedem einzelnen Haushalt. Also in den Kommunen, im Landkreis, mit Ortbürgermeistern, nicht in einem von oben nach unten durchregierten Gesetz, das die Wirtschaft und die Familien verunsichert.

Vorbildhafte Beispiele konnten wir im Landtag kennenlernen – aus den Niederlanden, Großbritannien, Georgien – und nicht zuletzt auch aus Brandenburg, etwa im „Energiedorf Nechlin“ in der Uckermark.

Der Klimawandel wird Sie alle begleiten, in der Ausbildung wie im Beruf und in Ihrem weiteren Leben. Auch andere große Themen werden eine Rolle spielen - die Verkehrspolitik, die Energieversorgung, Fragen rund um Wasser und Abwasser, sicherlich auch Bildung in Kita, Schule und für den Beruf.

Liebe Auszubildende,

ich wünsche Ihnen allen eine gute Zeit an der Brandenburgischen Kommunalakademie und ihren Ausbildungsstellen.
Und ich würde mich freuen, die eine oder den anderen von Ihnen einmal im Landtag begrüßen zu dürfen – sei es bei einem Rundgang durch das Haus oder auf einer beruflichen Station.
In jedem Fall alles Gute, viel Erfolg und natürlich viel Freude!

Herzlichen Dank.

 

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Rede zum Abschlusskonzert des 60. Choriner Musiksommer, 27.8.2023
Orchester der Komischen Oper Berlin mit Penny Sofroniadou (Sopran) und
Peter Gülke (Dirigent) spielt
Felix Mendelssohn Bartholdy "Meeresstille und glückliche Fahrt" op. 27
Richard Strauss "Die vier letzten Lieder" AV 150
Johannes Brahms Sinfonie Nr. 4, e-Moll op. 98

Liebe Musikfreunde!

Die besten künstlerischen Projekte entstehen aus Leidenschaft, gepaart mit unbändigem Ausdruckswillenund in der Überzeugung, dass die Welt diese eine, große Ideebraucht – den Choriner Musiksommer! Vor 60 Jahren musizierte das Erben-Quartett in der Klosterruine, mit Friedemann Erben am Cello, sein Sohn ist heute der 1. Konzertmeister des Gewandhausorchesters zu Leipzig. Gute Wahl von Anfang an, kann man nur sagen.

Am 23. Mai 1964 spielte zur offiziellen Eröffnung des Choriner Musiksommers das Staatl. Kulturorchester Eberswalde Bachs „Air“ und das Klarinettenkonzert von Mozart. Beides würde Ihnen heute auch gefallen. Damals saßen Mitarbeiter des Instituts für Forstwissenschaften Eberswalde auf geborgten Stühlen und Bänken und ganz bestimmt vergaßen sie vollkommen, wie bequem oder unbequem das war.

Die Klosterruine wurde vom Forst verwaltet, Irene Vahl und Gunther Wolff gebührt noch heute Dank für die ersten Konzertvorbereitungen. Aufräumen, Saubermachen, Dach decken, Geld beschaffen, gute Musiker gewinnen und attraktive Programme gestalten über fast 50 lange Jahre hin. Und der Bezug zum Forst und zur Hochschule für Nachhaltige Entwicklung liegt doch auf der Hand: Kultur ist per se nachhaltig!

Aus den anfangs zwei jährlichen Konzerten wurden immer mehr, neben Waldarbeitern, Förstern und Forstwissenschaftlern saßen bald Berliner und Musikfreunde, die gern die Reise nach Chorin auf sich genommen hatten.
Denn: Im Sommer ist jede Aufführungsstätte reizvoller als ein Theater oder Konzertsaal.

Etiketten entfallen, jeder kann Musik hören wie er mag. Und dabei vielleicht an Goethes Gedichte „Meeresstille“ und „Glückliche Fahrt“ denken:

„Tiefe Stille herrscht im Wasser,
ohne Regung ruht das Meer“.

Hier mag es die spiegelglatte Oberfläche vom Großen Schwarzen See sein, oder vom Werbellinsee.

„Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne;
Schon seh ich das Land!“

Bei Goethe in der „Glücklichen Fahrt“.
Felix Mendelssohn Bartholdy führte die Konzertouvertüre zu den beiden Goethe-Gedichten 1832 erstmals in Berlin auf und dachte vermutlich an das Wasser rund um die schottischen Hebriden-Inseln, die ihn so beeindruckt hatten, aber – wer weiß – so weit war Chorin auch damals nicht entfernt von der Singakademie, auf jeden Fall passt seine Ouvertüre vom Wasser und Land-in-Sicht in die Gegend um Chorin.

Und Ruhe, Unaufgeregtheit, Verlässlichkeit wünsche ich dem Choriner Musiksommer ebenso wie eine glückliche Fahrt in die nächsten 60 Jahre Musik! Getragen von Klangwogen wie bei Richard Strauss aus Garmisch-Partenkirchen oder stringent thematische Verarbeitungen des Hamburger Ehrenbürgers Johannes Brahms.

Der Geiger Joseph Joachim, der Brahms Violinkonzert uraufgeführt hatte, schrieb nach der Generalprobe der 4. Sinfonie von Brahms:
„Ich darf hoffen, daß sie abends mit Sicherheit und Hingebung gespielt werden kann.
Sie hat sich mir und dem Orchester immer tiefer in die Seele gesenkt. Der geradezu packende Zug des Ganzen, die Dichtigkeit der Erfindung, das wunderbar verschlungene Wachstum der Motive noch mehr als der Reichtum und die Schönheit einzelner Stellen, haben mir’s geradezu angetan, so daß ich fast glaube, die e-moll ist mein Liebling unter den vier Sinfonien.“

Und dann kommt noch ein Hinweis an alle Dirigenten:

„Ich glaube auch, wer Augen zu sehen und ein musikalisches Gemüt hat, kann nicht leicht als Dirigent dabei fehlgehen.“ 1

Ich bin sicher, Peter Gülke wird dem Choriner Musiksommer heute Sicherheit und Hingebung schenken.

Es ist ein großes Glück, ihn an diesem Pult zu wissen. Und – es ist sein längst überfälliges Debut mit dem Orchester der Komischen Oper Berlin. 

Solange große Musiker wie er, hervorragende Orchester wie das der Komischen Oper und ein breites Publikum wie Sie heute den Choriner Musiksommer gestalten, mache ich mir keine Sorgen um seine Zukunft.

Der Choriner Musiksommer hat viel erlebt. Drei Jahre nach dem Mauerbau ins Leben gerufen, gab es sicher so manche beziks-partei-organisations-technische Programmbedenken. Ja, ich kenne die „Festliche Blechbläserintrada“ von Joachim Thurm, die Stadt Eberswalde feierte 725. Geburtstag, die Arbeiterfestspiele brachten Profis und Amateure zusammen. Ich weiß auch, was ein Flügel zu DDR-Zeiten kostete und was er jetzt kostet. Strawinskys Noten gab es nur gegen Valuta, die von Schostakowitsch auch nur so. Für mich liest sich die Chronik wie ein Who is Who: Gustav Schmahl geigte, der einzige Schüler von David Oistrach. Kreuzchor, Ludwig Güttler, Otmar Suitner, das ehemalige RMO, das Rundfunk-Musikschulorchester – ein Gütesiegel, heute die Deutsche Streicherphilharmonie noch unstudierter Talente, für die es nach 89 lange keine Trägerschaft gab und die Jörg-Peter Weigle in die Einheit führte.

Endlich der Fall der Mauer, Währungsunion, Claudio Abbado dirigiert in Chorin. Jetzt kamen sie alle von überall her und ließen sich verzaubern.

Zahlen wurden wichtiger als zuvor, Ausgaben sollten den Besucherköpfen entgegen gerechnet werden, ich denke: besser den Ohren, rechnerisch günstiger!

Dazu Winterschäden, Sommergewitter und Stürme am Gemäuer, ein Virus an den Menschen. Programmplaner müssen sich und ihr Festival dauernd neu erfinden.

Als „Ort der offenen Räume“ sieht sich der Choriner Musiksommer 2023; offen für Kreatives, für Diskurs und Neues. Es bleibt spannend.

Der Choriner Musiksommer hat in seinen 60 Jahren viel erlebt.

Zugegeben, wer kommt schon gegen bald 800 Jahre Klostergeschichte an. Andererseits – was sind Klostermauern ohne Inhalt! Auf die Gefahr hin, mir jetzt auch den jüngsten Praktikanten der Denkmalpflege zu verärgern:
Kloster Chorin lebt vom Interesse der Menschen, die einen guten Grund brauchen, herzukommen. Welcher Grund könnte überzeugender sein als - MUSIK!!!

Herzlicher Dank gebührt allen, die den Choriner Musiksommer unterstützen, seinen Künstlerischen Leitern Christoph Drescher und Peter Sauerbaum, den Mitgliedern des Vorstandes um Norman Reichelt und dem Kuratorium unter Vorsitz von Wolfgang Thierse, dem Beirat, den Gemeindevertretern und Herrn Bürgermeister Martin Horst, dem Landrat Daniel Kurth, den Landesministerien, dem Präsidenten des Ostdeutschen Sparkassenverbandes Ludger Weskamp, den vielen Geldgebern und vor allem dem Publikum, das treu ist.

Der Choriner Musiksommer ist nicht nur ein musikalisches Schmuckstück im Land Brandenburg, er ist ein ganzer Batzen Gold!


1 Joseph Joachim: [Berlin], Montagmittag, [1. Februar 1886]

 

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Gedenken anlässlich des Baus der Berliner Mauer
Rede der Landtagspräsidentin, 13. August,
Rathaus Teltow, Ernst-von-Stubbenrauch-Saal

Liebe Frau Linow,
herzlichen Dank dafür, dass Sie gekommen sind, um mit uns, mit fremden Menschen, Ihres Bruders Karl-Heinz Kube zu gedenken. Es ist wichtig zu erinnern, es ist wichtig der Opfer des Mauerbaus zu gedenken.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Dietmar Woidke,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Schmidt,
sehr geehrte Abgeordnete des Landtages und der kommunalen Vertretungen,
liebe Frau Dr. Nooke, lieber Herr Landrat Köhler,
Herr Bezirksverordnetenvorsteher Rögner-Francke aus Steglitz-Zehlendorf,
Frau Staatssekretärin,
liebe Teltower und Teltowerinnen, Brandenburgerinnen und Brandenburger!

Wie war es möglich, Deutschland zu teilen!? Junge Leute fragen das und wir fragen es uns sogar selbst, 33 Jahre nach dem Beitritts-Beschluss der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR.

Längst haben wir uns gewöhnt an die Freiheit der Meinung, der Wissenschaft, der Lehre, der Kunst, der Religionsausübung -und nicht zuletzt des Reisens.

Wir leben in demokratischen Verhältnissen und es gibt viele Stellen, an denen Bürger und Bürgerinnen ihre Sorgen und ihre Kritik anbringen können – bei uns im Landtag über ihre Wahlkreisabgeordneten, im Petitionsausschuss, bei den Beauftragten für Datenschutz, Polizei und Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur. In dieser kommunistischen Diktatur war es möglich, dass ein Staatsoberhaupt den Befehl zum Bau einer Mauer gab, Menschen einmauerte, ihr Denken, ihre Träume. 28 Jahre lang. Deutlicher kann man den Gegensatz zwischen Diktatur und Demokratie nicht erleben.

Am 13. August wachten die Menschen in einer geteilten Stadt Berlin auf, entsetzt, verzweifelt, sprachlos. Plötzlich waren sie voneinander getrennt - Familien, Freundschaften, Liebespaare. Gewaltsam, brutal und rücksichtslos. Lebenswege durchkreuzt, das einzelne Schicksal zählte nicht.

Immer wieder wagten einige todesmutig die Flucht, fast alle jung. Mindestens 140 Menschen kamen bei ihrer Flucht ums Leben, allein an der Mauer in und um Berlin. Auch hier, in Brandenburg, starben Menschen bei dem Versuch, in die Freiheit zu gelangen, aus der Diktatur in die Demokratie zu flüchten. Das erste Opfer am Teltowkanal war Roland Hoff: Ein junger Rohrleger, der erst im Juni 1961 in die DDR übergesiedelt war. Seine Familie lebte weiter im Niedersächsischen. Ob es seine Sehnsucht nach den Verwandten jenseits der innerdeutschen Grenze war oder das Leben in der DDR, anders als erwartet – jedenfalls dachte Hoff schon bald über eine Rückkehr in den Westen nach. Und er kritisierte den Mauerbau, öffentlich, in seinem Betrieb in Forst. Er wurde entlassen. Zwei Wochen später, am 29. August, versuchte er die Flucht über den Teltowkanal: Er sprang ins Wasser, schwamm Richtung Berlin-Lichterfelde. Grenzpolizisten eröffneten das Feuer. Roland Hoff wurde tödlich getroffen und versank im Teltow-Kanal. Er war 27 Jahre alt. In einem DDR-Flugblatt wurde er danach als „Handlanger der Kalten Krieger“ geschmäht und beleidigt. Die Familie von Roland Hoff erfuhr erst nach 1989 von seinem Schicksal.

Peter Mädler starb 19jährig 1963 im Teltowkanal, er wurde erschossen. Karl-Heinz Kube, der nur 17 Jahre alt wurde fiel 1966 an den Sperranlagen nahe Teltower Hafen Schüssen zum Opfer. Über diese beiden jungen Männer und ihr Schicksal, das stellvertretend für viele andere steht, werden wir heute mehr erfahren. Wir gedenken heute der Opfer an der Mauer, deren Leben willkürlich beendet wurde, zur Abschreckung, menschenverachtend. Es ist wichtig – auch um unser selbst willen –, an ihre Namen zu erinnern und ihr Andenken zu ehren und sie nicht zu vergessen.
Auf den Stelen am Mauerweg können wir ihre Geschichten nachlesen. Sie sind geprägt von der Sehnsucht nach Freiheit und einem besseren Leben, vom Wunsch nach Selbstbestimmung, von Angst vor den Sicherheitsbehörden in ihrem Heimatort. Die Mauer und die innerdeutsche Grenze wurden im Laufe der Jahre immer ausgeklügelter befestigt, undurchdringlich, die diktatorische Staatsführung konnte sich auf eine ebenso ausgeklügelte SED-Machtstruktur stützen. Wer das Land verlassen wollte, wurde kriminalisiert. Republikflucht war strafbar. Auch für die Helfer.

In dem Land, in dem wir lebten, unsere Kinder großzogen, uns in Berufen engagierten, ins Konzert gingen und ins Theater, in diesem Land, das unsere Heimat war, wurden Menschen getötet, nur weil sie nicht mehr in diesem Land leben wollten. Tod auf staatlichen Schießbefehl. Wer öffentlich darüber sprach, brachte sich in Gefahr. Heute unvorstellbar, aber genau so war es. Das ist die unhintergehbare Tatsache, die vergegenwärtigt wird in der Erinnerung an den 13. August.

Und doch ist heute die Erinnerung vieler Menschen an den Mauerbau verblasst. Überlagert von der Geschichte und von Lebensereignissen, überschrieben von der Erinnerung an den Fall der Mauer am 9. November 1989. Dabei war der Mauerbau, der 13. August 1961, doch auch der Beginn unserer ostdeutschen Geschichte, von der wir sagen, dass nicht alles schlecht war.

Kindheit, Jugendjahre, Ost-Sozialisation, die Einheit Deutschlands als Lebensthema meiner Generation.

Für die Jüngeren sind es Klimaschutz, Artenvielfalt und gesunde Umwelt - unter der Bedingung einer geglückten Einheit Deutschlands. Daran müssen wir arbeiten. Aktiv. Nicht zurückgezogen in Nischen. Nicht enttäuscht, auch nicht schimpfend wie früher im geschützten Raum auf die da oben, nicht lauthals auf der Straße. Weil Demokratie kein Zustand ist, sondern ein permanenter Prozess.

Jetzt haben wir sie doch, die parlamentarische Demokratie, das Regierungssystem, in dem die vom Volk gewählten Vertreter die Herrschaft ausüben, Gesetze und Anträge für das gesellschaftliche Miteinander beschließen. Und ich frage mich immer wieder, ob wir diese im Herbst 89 schwer errungene Demokratie genug pflegen, schützen und - nutzen. Ob wir Parlamentarier der Bürgerbeteiligung ausreichend Raum geben, auch wenn wir irgendwann entscheiden müssen und es nicht jedem recht machen können. Ob sich die Bürgerinnen und Bürger, für die wir unsere Arbeit machen, ausreichend einbringen mit ihren Ideen, ihrer Kritik, ihren Visionen.

Sind unsere politischen Verfahren durchlässig genug, um die Positionen von BürgerInnen und ParlamentarierInnen wahrzunehmen, auszutauschen?

Diese Fragen müssen wir uns in der Demokratie stellen, gerade lange 33 Jahre nach dem Fall der Mauer, nach dem Abriss der innerdeutschen Grenze. Es ist unsere Aufgabe, Politik attraktiv zu machen für die Menschen vor Ort, nicht nur für Juristen und Politikwissenschaftler, auch nicht einfach für einen Musterbürger, sondern ganz konkret für Brandenburger und Brandenburgerinnen. Und da kann Politik anders sein als anderswo, typisch brandenburgisch, typisch ost und bürgernah.

Wie gewinnen wir Bürgerinnen und Bürger nicht nur bei Wahlen, bei denen mehr denn je jede Stimme zählt, sondern auch für das Engagement in Ortsvereinen, Parteien, Gemeinderäten im geduldigen und zähen Ringen um gute Lösungen und tragfähige Kompromisse. Demokratiearbeit bedeutet, sich darüber zu verständigen, wie wir in Zukunft in einer sich schnell verändernden Welt miteinander leben wollen – in Brandenburg, in Europa. Wie wir Demokratie und Nachhaltigkeit verbinden, Wirtschaftsentwicklung und Wohlstand. Wie wir - ohne das Bild von der Mauer in den Köpfen - immer noch vorhandene strukturelle Unterschiede zwischen Ost und West überwinden können und gleichwertige Lebensverhältnisse gestalten.

Die Erinnerung an den Bau der Mauer 61 vergegenwärtigt uns wie eine bis dahin für unmöglich gehaltene Form von Repression und Gewalt plötzlich Wirklichkeit wurde.
Die Erinnerung an den Fall der Mauer 89 vergegenwärtigt uns, wie ein unmöglich scheinender Traum durch eine friedliche Revolution Wirklichkeit werden konnte.

Wenn wir beide Ereignisse einander gegenüberstellen, wird sichtbar, wie das bis dahin Unmögliche wirklich werden konnte – im Schlechten wie im Guten - am 13. August als Unterdrückungsakt der SED-Diktatur, am 9. November als Befreiung von der Diktatur, als ihre Überwindung. Demokratie und Freiheit wurden möglich durch gemeinsames Handeln von vielen mutigen Menschen. Demokratie – ein kostbares Gut, das wir niemals aufs Spiel setzen sollten, sondern weiterentwickeln, auch wenn sie niemals perfekt, nie ganz fertig ist, wenn sie anstrengend ist, manchmal eine Zumutung, wenn sie uns vieles abverlangt, weil sie immer im Werden ist – eine große Gestaltungsaufgabe für alle - die Politik, Institutionen, Verwaltungen, Bürgerinnen und Bürger. Damit Demokratie heute gelingt, gerade auch in schwierigen Zeiten, in Krisen, wie wir sie gerade erleben, braucht sie aktive Bürgerbeteiligung und gegenseitiges Vertrauen zwischen den Menschen und ihrer Politik.

Ich möchte Sie ermutigen: Lassen Sie uns dieses Vertrauen stärken. Seien wir zuversichtlich, dass es gelingt. Auch weil Menschen ihr Leben riskierten für Freiheit.

Wir gedenken der Opfer.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Gedenken anlässlich des Baus der Berliner Mauer
Rede der Landtagspräsidentin, 13. August, NIKE an der Glienicker Brücke, Potsdam

Sehr geehrter Frau Ministerin Dr. Schüle,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Exner,
lieber Herr Ladner!

Sehr geehrte Abgeordnete der Stadtverordnetenversammlung
und des Landtages.
liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,
meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wie war es möglich, Deutschland zu teilen!? Junge Leute fragen das und wir fragen es uns sogar selbst, 33 Jahre nach dem Beitritts-Beschluss der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Längst haben wir uns gewöhnt an die Freiheit der Meinung, der Wissenschaft, der Lehre, der Kunst, der Religionsausübung -und nicht zuletzt des Reisens. Wir leben in Gewaltenteilung, und es gibt viele Stellen, an denen Bürger und Bürgerinnen ihre Sorgen und ihre Kritik anbringen können – bei uns im Landtag über ihre Wahlkreisabgeordneten, im Petitionsausschuss, bei den Beauftragten für Datenschutz, Polizei und Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur. In dieser Diktatur war es möglich, dass ein Staatsoberhaupt den Befehl zum Bau einer Mauer gab, Menschen einmauerte, ihr Denken, ihre Träume. 28 Jahre lang. Deutlicher kann man den Gegensatz zwischen Diktatur und Demokratie nicht erleben.

Schon in der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 waren Polizei und Kampfgruppen am Brandenburger Tor aufgezogen. Wenige Stunden später trennten Stacheldrahtsperren Berlin in Ost und West. Straßenpflaster und Bahngleise wurden aufgerissen, Verkehrsverbindungen ausgebremst. Am 13. August wachten die Menschen in einer geteilten Welt auf, entsetzt, verzweifelt, sprachlos. Plötzlich waren sie voneinander getrennt - Familien, Freundschaften, Liebespaare. Gewaltsam, brutal und rücksichtslos. Lebenswege durchkreuzt, das einzelne Schicksal zählte nicht. Immer wieder wagten einige todesmutig die Flucht, fast alle jung. Mindestens 140 Menschen kamen bei ihrer Flucht alleine an der Berliner Mauer ums Leben.

In dem Land, in dem wir lebten, unsere Kinder großzogen, uns in Berufen engagierten, ins Konzert gingen und ins Theater, in diesem Land, das unsere Heimat war, wurden Menschen getötet, nur weil sie nicht mehr in diesem Land leben wollten. Tod auf staatlichen Schießbefehl. Wer öffentlich darüber sprach, brachte sich in Gefahr. Heute unvorstellbar, aber genau so war es. Das ist die unhintergehbare Tatsache, die vergegenwärtigt wird in der Erinnerung an den 13. August.

Jetzt haben wir die parlamentarische Demokratie, das Regierungssystem, in dem die vom Volk gewählten Vertreter die Herrschaft ausüben, Gesetze und Anträge für das gesellschaftliche Miteinander beschließen. Und ich frage mich immer wieder, ob wir diese im Herbst 89 schwer errungene Demokratie optimal nutzen. Ob wir Parlamentarier der Bürgerbeteiligung ausreichend Raum geben, auch wenn wir irgendwann entscheiden müssen und es nicht jedem recht machen können. Ob sich die Bürgerinnen und Bürger, für die wir unsere Arbeit machen, ausreichend einbringen mit ihren Ideen, ihrer Kritik, ihren Visionen. Sind unsere politischen Verfahren durchlässig genug, um die Positionen von BürgerInnen und ParlamentarierInnen wahrzunehmen, auszutauschen?

Diese Fragen müssen wir uns in der Demokratie stellen, gerade lange 33 Jahre nach dem Fall der Mauer, nach dem Abriss der innerdeutschen Grenze. Es ist unsere Aufgabe, Politik attraktiv zu machen für die Menschen vor Ort, nicht nur für Juristen und Politikwissenschaftler, auch nicht einfach für einen Musterbürger, sondern ganz konkret für Brandenburger und Brandenburgerinnen. Und da kann Politik anders sein als anderswo, typisch brandenburgisch, typisch ost und bürgernah. Es gibt viel zu tun, um demokratisch zu überzeugen. Die Voraussetzungen sind da. Lassen Sie uns weiter daran arbeiten und die Demokratie schützen.

Auch weil Menschen ihr Leben riskierten für die Freiheit.
Wir gedenken der Opfer.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Eröffnung Foyerausstellung „Drängende Gegenwart“, 11. Juli 2023
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Teilnehmende u.a.:
- Abgeordnete
- Fachhochschulpräsidentin
Prof. Dr. Eva Schmitt-Rodermund
- Dekanin des Fachbereichs Design,
Prof. Wiebke Loeper
- Studierende
- Musiker
Anas Homsi

Anrede,

zur Eröffnung der Fotoausstellung "Drängende Gegenwart" heiße ich Sie herzlich willkommen. Ich freue mich vor allem, dass wir heute Werke junger Fotografinnen und Fotografen vorstellen können.

Sie studieren an der Fachhochschule Potsdam und beschäftigen sich mit drängenden Fragen der Zeit – wie wir alle das notgedrungen tun müssen. Die Nachrichten in Fernsehen und Radio, die Zeitungen und die sogenannten Sozialen Medien sind voll von unerhörten, unerwarteten, oft auch unglaublichen Meldungen.

Es ist eine Zeit, geprägt von vielfachen Krisen und Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass junge Menschen ihre Stimmen erheben und ihre Perspektiven auf die Welt mit uns teilen. Diese Ausstellung ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Fotografie als Ausdrucksform genutzt werden kann, um die drängenden Themen der Zeit auszudrücken und sie anderen näherzubringen.

Mit den Fotografien, die Sie in den kommenden Wochen hier im Eingangsbereich des Landtages betrachten können, erzählen junge Menschen Geschichten von Verlust, Angst und Unsicherheit. Aber auch von Widerstandskraft und Hoffnung. Durch das Objektiv der Kamera werden uns auf diese Weise Einblicke gewährt in die Gedanken- und Gefühlswelten junger Menschen.

Die Studierenden werfen mit ihren Arbeiten zugleich Fragen auf:

Wie lässt sich die zwiespältige Realität fotografisch einfangen – zwischen großem Wohlstand, ja Überfluss auf der einen Seite und bitterer Not und Zerstörung auf der anderen?
Wie lassen sich Erfahrungen teilen, verarbeiten, vielleicht gesellschaftlich nutzbar machen?

Die Ausstellung wurde eigens für den Landtag Brandenburg kon­zipiert, darüber freue mich sehr. Sie regt zum Nachdenken an, zum Innehalten und dazu, die eigene

Wahrnehmung der Welt zu hinterfragen. Die gezeigten Arbeiten sind mehr als Momentaufnahmen, sie sind Reflektionen unserer Zeit.

Ich möchte den Studierenden der Fachhochschule Potsdam meinen herzlichen Dank aussprechen für ihre Kreativität und ihr Engagement.

Zudem danke ich der Präsidentin der Fachhochschule, Frau Prof. Dr. Schmitt-Rodermund, und der Dekanin des Fachbereichs Design, Frau Prof. Loeper.

Allen Gästen möchte ich für ihr Kommen danken, und natürlich dem Musiker Anas Homsi aus Potsdam für seinen künstlerischen Beitrag.

Ich wünsche Ihnen einen spannenden Abend
und der Ausstellung zahlreiche Besucherinnen und Besucher.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Liebe Musikfreundinnen, liebe Musikfreunde,

noch vor einem Jahr war es kaum zu glauben, dass die Zepernicker Randfestspiele ihr 30. Jubiläum feierten. Viel zu frisch, zu experimentell, zu jung im Geiste, mit vielen jungen Musikerinnen und Musikern, Komponistinnen und Komponisten, bestens besucht, fest im Jahreskalender vermerkt. Wie weiter? Ein bisschen anders, als Biennale, aber das Festival mit seiner Randlage von Brandenburg und Berlin wird auch weiterhin nach allem suchen, was im alltäglichen Hören eher am Rande liegt.

Die Mauern der fast 900 Jahre alten Feldsteinkirche mit ihrer außergewöhnlichen Akustik haben schon vieles an Klängen aufgenommen und geben sie den Hörern zurück. Es ist schön, dass die Evangelische Kirche nun im 31. Jahr des Festivals einen ersten eigenen Kompositionspreis ausloben konnte, einen Wettbewerb für neue Chormusik, mit oder ohne Instrumente. Vokales rückt in den Mittelpunkt des diesjährigen Festivals - das vertonte Wort, der Gesang zieht sich nahezu durch alle elf Konzerte. Das Motto des Wettbewerbs war das Gebet „In tenebris nostrae“ von Joachim Camerarius (1500-1574): In den Finsternissen und dem dichten Nebel unseres Geistes, wenn in der ganzen Brust kein Rat sich findet, erheben wir verwirrt die Augen unseres Herzens, Gott, zu dir, und deinen Beistand allein erbittet der Glaube. Lenke du mit Weisungen unsere Taten, bester Vater, damit unser ganzes Tun zu deinem Lob diene.

Helmut Zapf, Erfinder und rastloser künstlerischer Motor der Randspiele, sagt: „Dieser Text trifft unsere Ratlosigkeit in heutigem Sein: Krieg vor der Haustür, unsere Umwelt in Nöten...“ Hochpolitisch bereits das Eröffnungsstück „Lady Lazarus“ - für Sopran solo – des britischen Komponisten Darly Runswick, der die gedemütigte Figur des Lazarus aus dem Neuen Testament in einem Gleichnis Jesu auf eine nach Gerechtigkeit schreiende Frau überträgt. Klingender und szenischer Ausdruck des Schicksals von Frauen, die in Diktaturen leben müssen. Im Abschlusskonzert endet das Festival mit der Orgelfantasie Nr. II von Helmut Zapf über den Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich.“ Ein Musikfestival als aktuelle Kunst zur Zeit.

Ich freue mich sehr, dass das Land Brandenburg die Randfestspiele – einen uneitel und doch ganz internationalen Klangtreffpunkt von Akteuren neuer Musik - auch in diesem Jahr wieder fördert. Möge es gelingen, dass die 31. Randfestspiele mit dem nun neuen zweijährigen Rhythmus als Biennale ihre Konzertgeschichte in die nächsten Jahrzehnte tragen können. Dafür wünsche ich der Ev. Kirchengemeinde hier vor Ort stetigen Mut, Ausdauer und die andauernde Gewissheit, dass dieser Klangtreffpunkt Zepernick etwas Kostbares und Einmaliges ist.

Allen Konzertbesucherinnen und –besuchern wünsche ich anregende Tage voll mit neuen Klangerlebnissen. Lassen Sie sich anstecken von der Kreativität und der besonderen Atmosphäre des Festivals, genießen Sie neue Musik live und die Begegnung untereinander.

Ihre Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Präsidentin des Landtags Brandenburg

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Galadinner zum Monitoringausschuss KGRE, Orangerie Sanssouci 4. Juli 2023
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke zur Begrüßung

Anrede,

kennen Sie den Kaiser Friedhelm? Nein?
Kein Grund zur Sorge: Es gibt und gab ihn nicht, jedenfalls nicht in der Wirklichkeit.

Wohl aber im Märchen:
In der jüngsten Verfilmung des berühmten Märchens „Des Kaisers neue Kleider“ hieß der Protagonist Friedhelm (und wurde übrigens von einem Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt gespielt).

In dem Film stolziert Kaiser Friedhelm in den teuren Kleidern, die niemand sehen kann, durch den Schlosspark Sanssouci und über die herrliche Freitreppe vor dem Orangerieschloss, in dem wir gerade sitzen. Eine wahrlich kaiserliche Kulisse – selbst für einen unbekleideten Herrscher, der sich von Betrügern täuschen lässt.

Der Drehort hier vor dem Schloss ist allerdings nicht der einzige Grund, warum ich das Märchen erwähne. Es ist in seiner Entstehung auch ein wirklich europäisches Gemeinschaftswerk:

Erstmals veröffentlicht wurde die Geschichte in einer spanischen Sammlung des 14. Jahrhunderts. Dort gefunden und übersetzt hat sie Karl Eduard von Bülow, ein deutscher Novellendichter. Und von dieser Veröffentlichung wiederum hat sich Hans Christian Andersen inspirieren lassen – und das Märchen unter dem Titel „Des Kaisers neue Kleider“ unsterblich gemacht.

Wir sehen daran:
Kluge Menschen hatten noch nie ein Problem damit, über Länder- und Sprachgrenzen hinweg Einflüsse aufzunehmen und weiterzuspinnen – von Spanien über Deutschland nach Dänemark. Die Dichter und Denker, die Musiker und Maler und viele andere Künstler, waren wohl die ersten und seit jeher die besten Europäer.

Aber auch die Geschichte selbst kann uns interessante Einsichten vermitteln:
In dem Märchen wollen ja alle glauben, dass es so ist – dass der Kaiser wunderschöne neue Kleider hat, die allerdings nur kluge Leute sehen können. Und weil niemand als dumm dastehen will, traut sich niemand, die Wahrheit auszusprechen – außer einem kleinen Kind, das bei einem festlichen Umzug ausruft: „Der Kaiser hat ja gar nichts an!“

Und nun möchte ich Sie fragen:
Sind wir selbst vor solchen Täuschungen immer gefeit?
Fragen wir kritisch nach, wenn uns jemand eine tolldreiste Geschichte erzählt?
Folgen wir nicht auch allzu gerne dem, was heute „Mainstream“ heißt: Weil alle es sagen, muss es richtig sein, auch wenn der Verstand oder das Bauchgefühl etwas Anderes signalisieren?

Anrede,

wir alle treten ein für die Verständigung in Europa. Und wir setzen uns ein für einen Maßnahmen gegen den Klimawandel – dazu wurde heute die „Potsdamer Erklärung“ verabschiedet und feierlich unterzeichnet.

Beide Themen, das geeinte Europa und der Umweltschutz, galten noch vor wenigen Jahrzehnten als Spinnerei, fast wie ein Märchen. Die wenigen Wissenschaftler und Politiker, die früh dafür warben, wurden bestenfalls belächelt. Man kann auch sagen: Sie galten als dumm, weil sie die Wahrheit aussprachen, die niemand hören wollte.

Diese Wahrheit lautet schlicht und einfach:
Kein Land, keine Region und keine Kommune in Europa kommt alleine zurecht.
Und beim Klimaschutz müssen alle mitmachen, damit wir vorankommen und die Erde bewohnbar bleibt. Ohne die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, geht es nicht.

Das wissen inzwischen nicht mehr nur die Kinder, und das ist gut so.
Unsere Kinder und Enkel aber haben das größte Interesse daran, dass wir die Wahrheit zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln:
Für Frieden, für ein gutes Miteinander und für einen wirksamen Klimaschutz.
Wir sollten sie unterstützen und alles tun, um ihnen eine gute Zukunft zu sichern.

Anrede,

Vorstellen möchte ich Ihnen noch kurz die Musiker, die heute Abend für uns spielen:
Das Ensemble Jacaranda nimmt Einflüsse aus allen Himmelsrichtungen und Kulturen auf, ähnlich den Märchenerzählern. In der Musik von Jacaranda erklingt die Welt in Harmonie; musikalische Grenzen spielen keine Rolle. Das ist schön zu hören, und es soll uns inspirieren, Vielfalt zu schätzen und das Gemeinsame zu entdecken.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen
Einen wunderbaren Abend,
anregende Gespräche
und einen weiterhin schönen Aufenthalt in Potsdam.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Sitzung Monitoringausschuss KGRE im Plenarsaal, 4. Juli 2023
Eröffnungsrede Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Anrede,

In Europa gibt es nur zwei Typen von Staaten: Kleine Staaten . . . und kleine Staaten, die noch nicht verstanden haben, dass sie klein sind.“

Paul-Henri Spaak hat das gesagt, der erste Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (1949 bis 1951).

Spaak gilt zu Recht als einer der Gründerväter des vereinigten Europa, wirkte in hohen Ämtern in seiner belgischen Heimat und in europäischen Institutionen.

Vor allem gehörte er zu jenen klugen, ebenso hellsichtigen wie tatkräftigen Politiker, die die richtigen Lehren aus dem Grauen des Zweiten Weltkriegs zogen:

Nur gemeinsam ist Europa stark, nur gemeinsam kann es den Frieden und das Wohlergehen seiner Menschen sichern – das war ihr Leitgedanke.

Am Europarat sehen wir den Erfolg des friedlichen Austauschs:

Wohl kein Zusammenschluss ist so schnell gewachsen, von anfangs zehn auf heute 46 Mitgliedstaaten. Im Europarat arbeiten heute alle kooperationswilligen Nationen des Kontinents an Lösungen für die Zukunft.

Dabei haben auch die Regionen und die Kommunen Mitsprachemöglichkeiten und Mitwirkungsrechte. Im Geiste Paul-Henri Spaaks bedeutet das:

Keine Gemeinde, kein Bezirk, keine Provinz, kein Bundesland ist zu klein, um wichtig zu sein – und das Geheimnis des Erfolges liegt in der Zusammenarbeit.

Deshalb freue ich mich sehr, dass Sie als Mitglieder des Monitoring-Ausschusses unserer Einladung ins kleine, wenn auch weite Land Brandenburg und seine mittelgroße Hauptstadt Potsdam gefolgt sind.

Als Präsidentin des Brandenburger Parlaments begrüße ich Sie herzlich!

Es soll bei Ihren Beratungen wesentlich um den Klimaschutz in den Regionen und Kommunen Europas gehen. Für dieses Thema ist Brandenburg prädestiniert:

Zum einen, weil unser Land im Herzen des europäischen Kontinents liegt und eine enge, weit zurückreichende Verbindung zu Europa pflegt. Auch der Landtag engagiert sich in vielfältiger Weise für unseren gemeinsamen Kontinent:

Im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, auch im Ausschuss der Regionen auf Ebene der Europäischen Union und in zahlreichen Gremien.

An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Heiner Klemp bedanken, dem Vertreter des Landtages im Kongress.

Als Landesparlament beteiligten wir uns gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern an der Konferenz zur Zukunft Europas. Das ist aus meiner Sicht der beste Weg, um Zukunftsfragen zu klären und tragfähige Lösungen zu entwickeln: Die Menschen wissen in aller Regel recht gut, wo der Schuh drückt und was dagegen zu tun ist.

Die Bürgerbeteiligung ist auch im Klimaschutz ein unverzichtbares Instrument. Es gibt auf regionaler und kommunaler Ebene viele gute Beispiele für eine neue Energiepolitik und weitere Maßnahmen gegen die Erderwärmung; in unserem Symposium gestern durften wir einige wegweisende Projekte kennenlernen.

Womit ich schon beim zweiten Grund bin, warum sich Potsdam für dieses Treffen angeboten hat: Das Land Brandenburg ist in Deutschland ein Vorreiter beim Klimaschutz, etwa durch den zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Unser Bundesland deckt heute mehr als 95 Prozent seines eigenen Stromverbrauchs aus klimafreundlichen Quellen. Es gibt Gemeinden in Brandenburg, die schon seit einiger Zeit energieautark sind.

Dort, wo es funktioniert mit dem Klimaschutz, sind die Anwohner selbst aktiv. Sie sehen und erleben die Vorteile des Umsteuerns. Deshalb ist es wichtig, dass die „Potsdamer Erklärung“, über die Sie gleich beraten und die wir nachher unterzeichnen wollen, eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vorsieht.

Das gilt besonders für junge Menschen, ihre Kinder und Kindeskinder. Ich freue mich deshalb besonders, dass an der Sitzung hier auch Jugenddelegierte teilnehmen und sich einbringen können.

Anrede,

Den jungen Teilnehmenden, Ihnen allen als Mitgliedern des Ausschusses und den Mitarbeitenden danken wir herzlich, dass Sie gekommen sind. Ich wünsche Ihnen fruchtbare Diskussionen,

einen angenehmen Aufenthalt im Brandenburger Landtag

und eine gute Zeit in unserem schönen Potsdam.

Vielen Dank,
thank you very much,
merci beaucoup!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Symposium Klimaschutz regional/kommunal, Kongresshotel 3. Juli 2023
Eröffnung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Anrede,
herzlich willkommen – im Land Brandenburg, in der Hauptstadt Potsdam und natürlich zu unserem Symposium über das Thema „Klimaschutz auf regionaler und kommunaler Ebene“.
Es ist eine Ehre und ein Vergnügen für mich als Präsidentin des Landesparlaments, hochrangige Gäste aus so vielen europäischen Ländern und Regionen begrüßen zu dürfen.
Brandenburg liegt im Herzen des europäischen Kontinents, und die Menschen hier fühlen sich dem europäischen Gedanken eng verbunden. Hier kreuzen sich seit jeher Straßen und Wasserwege zwischen Ost und West, Nord und Süd. Über Jahrzehnte lag die Region nahe am Eisernen Vorhang, der Trennlinie zwischen den politischen Systemen und Ideologien. Heute pflegen wir sehr gute Beziehungen zu zahlreichen Staaten, allen voran zu unserem Nachbarn Polen, zu Frankreich und Georgien.
Brandenburg und seine Hauptstadt Potsdam sind daher als Ort besonders geeignet, um über Verbindendes zu sprechen und über neue Perspektiven: Gemeinsame Lösungen für Probleme, die uns alle betreffen – und dazu gehört ganz sicherlich der Klimawandel.
Er beeinträchtigt, ja gefährdet das europäische Modell von Wohlstand und Wachstum. Und noch mehr: Die Folgen der Klimaveränderungen haben schon jetzt gesellschaftliche Auswirkungen, sie verschärfen das soziale Klima und werfen Fragen nach Verantwortung, Einschränkungen, Beteiligungsrechten auf:

  • Wie und mit welchen Maßnahmen lässt sich die Erderwärmung am wirksamsten verlangsamen, am besten stoppen?
  • Was können die verschiedenen Parlamente, von der europäischen Ebene über die nationalen Versammlungen bis hin zu den Regionen und Kommunen dazu beitragen?
  • Wie lassen sich die Menschen in diesem Prozess mitnehmen und einbeziehen, mit ihren Ideen und Initiativen, ihren Wünschen und Sorgen?

Denn eines ist klar: Wenn der Klimaschutz gelingen soll, müssen alle an einem Strang ziehen. Klimaschutz nur von oben durch Gesetze verordnet gelingt ebenso wenig wie bloßes Vertrauen auf Einsicht und freiwillige Umstellungen im täglichen Verhalten.
Wir brauchen beides: Auf der einen Seite grundlegende, Veränderungen bei der Warenproduktion, Lieferwegen, bei Baumaßnahmen oder in der Landwirtschaft. Und auf der anderen Seite die vielen kleinen Beiträge:
Ein Umsteigen vom Auto aufs Fahrrad; ein neues Energiekonzept für kleine Dörfer oder ganze Städte;
die Bereitschaft von Siedlungen, ihre bisher zubetonierten Parkplätze zu entsiegeln;
eine klimaschonende Ernährung ohne verordneten „Veggie-Day“.
Das sind nur einige wenige Beispiele, es gibt viele mehr.
Nur durch das Zusammenwirken aller werden wir Europa, unseren gesamten Planeten bewohnbar zu erhalten. Wir haben nur diese eine Erde!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort zur Konzertsaison 2023/2024, Preußisches Kammerorchester Prenzlau

Liebe Musikfreundinnen, liebe Musikfreunde!
Die Programme für die neue Spielzeit 2023/2024 liegen vor, drei Zyklen, deren Konzerte sich aufeinander beziehen. Eigentlich möchte man nichts verpassen! Andererseits richten sich die Klassikreihe, Groschenreihe und beschwingte Unterhaltung an Freundinnen und Freunde des Preußischen Kammerorchesters, die genau diese Musik von ihrem Orchester erwarten. Denn diese zwölf Streicher, Jeder und Jede auch solistisch ausgewiesen, können unter Leitung ihres Chefdirigenten Jürgen Bruns nicht nur klangschön und berührend miteinander musizieren, sie reagieren auch flexivel und vielseitig auf ihr Publikum, reisen in ländliche Räume oder denken sich spannende Programme für Kinder aus. So etwas spricht sich schnell herum und führt zu neuen musikalischen Partnern und Einladungen an andere Aufführungsorte oder zu CD-Einspielen. Schon am Beginn der Saison wird es eine Kooperation mit den Brandenburgischen Sommerkonzerten und eine Opernproduktion mit der Uckeroper geben, "Come together" verbindet Profis und Amateure und die Vorbereitungen für eine Kinderoper laufen auch bereits. Das Preußische Kammerorchester spielt bei "Klassik in Dorfkirchen" und in gemeinsamen Projekten mit den Chören der Region und aus Polen, der Kinderchor singt in zwei Konzerten der Unterhaltungsreihe. Alles für das Publikum! Nichts ist schöner als der Beifall nach einem Konzert, das in seinen Hörern mehr anrühren konnte als alle Worte.

Dem Preußischen Kammerorchester ein kräftiges toi, toi, toi!
Ihre Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Präsidentin des Landtags Brandenburg

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- Es gilt das gesprochene Wort-

30Orgel, 1 - Eröffnung des Symposiums „Der authentische Klang“
im Rahmen der Feierlichkeiten zum 300. Jubiläum der Joachim Wagner Orgel im Dom zu Brandenburg, Dom-Aula 22. Juni 2023

Vor einem Jahr dachten wir darüber nach, ob wir feiern sollten oder nicht. Letztlich entschieden wir uns, das 300. Jubiläum der Joachim Wagner Orgel im Dom zu Brandenburg nicht einfach vorübergehen zu lassen. Gründe gibt es viele. Der Hauptgrund ist der authentische Klang dieser Wagner Orgel, der am besten erhaltenen von allen 52 Orgeln, die Joachim Wagner baute. Was macht ihn aus, diesen authentischen Klang? Die Orgel wurde gebaut, als Johann Sebastian Bach noch lebte, also „seine“ Orgel, auch wenn er nie daran gespielt hat.

Die Gründe für ein Symposium sind weit vielfältiger: Wir haben es zu tun mit einem Meisterstück des Handwerks, das Metallbau, Holzbau und viele weitere Gewerke verbindet. Eine Orgel ist Meisterstück und Kunstwerk zugleich, Ergebnis wissenschaftlicher Erkundungen, bildkünstlerische Arbeit und akustisches Rechnen und Wissen. Die Orgel im Kirchenraum steht für Raum und Zeit, um Unendlichkeit hörbar zu machen. Jede besondere Orgel entstand für eine besondere Kirche. Darüber hinaus hat die Orgel liturgische und konzertante Funktion zugleich, Orgellandschaften in Deutschland wurden zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Heute geht es um die Besonderheit dieser Joachim Wagner Orgel.

So entstand ein Festprogramm, das der Musikbeirat des Domstifts zusammenstellte. Ein Kuratorium vereint Spezialisten aus Musik, Kirche, Handwerk, Lehre und Politik. Referenten und Moderatoren wurden gefunden und nicht zuletzt auch Unterstützer wie das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und die Ostdeutsche Sparkassenstiftung. Herzlich danken wir dafür!

In unserem Symposium widmet sich der erste Tag der historischen Orgel und der zweite Tag der Verwendung dieser Orgel heute. Dabei war es wichtig, auch die Orgelgesellschaften in Brandenburg und darüber hinaus zusammenzuführen, die Joachim Wagner Gesellschaft, die Gottfried-Silbermann-Gesellschaft, das Institut für Orgelforschung Berlin-Brandenburg und natürlich Organisten, Komponisten, Musikwissenschaftler und Orgelbaumeister, allen voran die Firma Schuke in Werder. Denn Brandenburg ist ein Orgel-Land.

Als Musikwissenschaftlerin durfte ich schon öfter Symposien konzipieren und durchführen – diesmal hat kein Referent sein Thema geändert, niemand benötigt die gesamte Bühnentechnik mindestens der Berliner Staatsoper für seine Vortragspräsentation, es hat auch niemand erklärt, dass er so tief im Thema steckt, dass sein Vortrag erst im nächsten Jahr reif für die Öffentlichkeit sei. Das zeigt, ein Ziel eint uns: auf die Joachim Wagner Orgel aufmerksam zu machen, sie in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu rücken in Brandenburg als Land und als Stadt, dazu gehört unzweifelhaft die wissenschaftliche Reflektion und der Diskurs.

Danke, dass Sie sich alle beteiligen.

30Orgel, 2 – Zum Abschluss des Symposiums, 23. Juni 2023

Ganz herzlich möchte ich mich bei allen bedanken, die dieses Symposium vorbereitet und durchgeführt haben. Gestatten Sie mir eine Zusammenfassung der Ergebnisse, soweit ich Sie verstanden habe, in gebotener Knappheit:

Erstens: Joachim Wagner ist kein „märkischer Silbermann“, diese Formulierung wird in unseren Texten zur Orgel nicht wieder auftauchen, weil sie Joachim Wagner nicht gerecht wird. Er braucht nicht die Unterstützung von Silbermann, nur weil dessen Werkstatt quasi bei uns um die Ecke lag. Wagner war auch kein Geselle, sondern schon ein erfahrener Orgelbaumeister, als er bei Silbermann arbeitete.

Zweitens: Interessant für die Entwicklung Joachim Wagners ist die norddeutsche Orgelschule, wir müssen uns beschäftigen mit Arp Schnittger, mit seinem Lehrer Cord Kröger und Rückschlüsse auf den Orgelbau Joachim Wagners ziehen.

Drittens: Interessant scheint mir zu sein, w e r die Joachim Wagner Orgel im Dom zu Brandenburg gespielt hat, w a s er gespielt hat und w i e er gespielt hat.

Viertens: Wir dürfen nicht nachlassen, nach neuen Formaten zu suchen für die Orgelkonzerte. Die Orgel im Raum, Standortwechsel des Publikums, neue Musik für Orgel, alle derzeit prominenten Organisten in einem Konzert an einem Tag usw.

Fünftens und das ist der Werbeblock: Parallel zu unserem Symposium findet die Ausstellung Curie Eleison in der Petrikapelle gegenüber dem Dom statt. Die Anrufung Gottes steht auch für Curie als Maßeinheit in der Radiologie und sie ist eine Hommage an Marie Curie, die Radiologin. Für die Ausstellung wurden Pflanzen geröntgt und Musik zu jeder einzelnen Pflanze komponiert. Es gibt 10 Bilder von geröntgten Pflanzen, zu jedem Bild gehört eine Musik, ein Licht zeigt an, zu welchem Bild gerade die Musik erklingt. Sehens- und hörenswert! Die Vernissage eröffnete ein Röntgenarzt!

Nun möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei unseren beiden Moderatoren Claus Fischer und Juliane Felsch, bei allen Referenten, beim Musikbeirat des Domstifts und beim Kuratorium 300rgel. Ganz besonders danke ich Herrn Kirchenmusikdirektor Marcell Fladerer-Armbrecht. Ich möchte ihm zwei Broschüren schenken, die erste ist vom Verein Neue Musik Brandenburg und beinhaltet Porträts aller aktuellen Komponistinnen und Komponisten im Land Brandenburg, Helmut Zapf ist der letzte mit dem Buchstaben Z. Und das zweite Büchlein beinhaltet einen Aufsatz von mir zum Thema „Welche Kirche braucht Kirchenmusik“, wir haben uns darüber ausgetauscht und ich fragte Marcell Fladerer-Armbrecht, wie provokant ich sein darf. Er meinte, das darf man immer!

Vielen herzlichen Dank Ihnen allen und nun wünsche ich uns gute Konzerte.

30Orgel, 3 – Musikfest am Dom,
Dom, Petrikapelle, Dom, Kreuzgang, Friedgarten 24. Juni 2023

Eine 300-Jährige hat uns alle zu ihrem Geburtstag eingeladen, mit warmer Stimme voller Schönheit und weise. Sie hat viel erlebt, die Königin der Instrumente, ihr Holz arbeitet seit 300 Jahren in ihr, sie hat sich verändert, ist vollkommener geworden. Und sie hat die Schäden in ihrem Kirchenraum ebenso erlebt wie deren liebevolle Restaurierung. Wir lauschen ihr und staunen über das ganze Orchester der Königin der Instrumente, 2010 Pfeifen, 33 Register. Bestens geeignet für die Werke von Johann Sebastian Bach, nahezu authentisch.

Wir ehren auch ihren Erbauer Joachim Wagner. 52 Orgeln hat er geschaffen, 15 davon sind noch erhalten, die im Dom zu Brandenburg am besten. Ständig unterwegs mit Gesellen, Fuhrwerken und Pferden, das Handwerkszeug stets im Gepäck, auf der Suche nach dem idealen Klangbild einer Orgel. Das suchen wir heute auch hier im Dom zu Brandenburg - mit den Klängen der 300-jährigen Joachim- Wagner-Orgel und Kirchenmusikdirektor Marcell Fladerer-Armbrecht, mit den Klängen eines Vibrafons und Oli Bott und mit dem Blechbläserensemble Hauptstadtblech. Danach gibt es die Möglichkeit, die Klänge von Bajan, Bandoneon und Accordina mit denen der Orgel zu vergleichen in der Petrikapelle, im Kreuzgang erwarten uns gregorianische Choräle mit Vox Nostria. Improvisationswünsche an den Organisten David Franke können Sie am Eingang zum Dom abgeben und er wird entsprechende Orgelstücke für Sie spielen. Wenn Sie dann immer noch nicht genug haben, erwartet Sie Jazz im Friedgarten mit Organic four.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Musikfest!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Landestreffen Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schulen mit Courage“
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke, 15. Juni 2023

Liebe Schülerinnen und Schüler,
sehr geehrte Lehrkräfte,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Brandt vom Bildungsministerium,

Alles was das Böse benötigt
Um zu triumphieren
Ist das Schweigen der Mehrheit.“

Kofi Anan aus Ghana hat das auf den Punkt gebracht, von 1997-2006 war er der Generalsekretär der Vereinten Nationen. Das gefährliche Schweigen der Mehrheit. Ihr kennt das. Eine Ungerechtigkeit geschieht und niemand sagt etwas. Vielleicht meldet sich nur jemand von Euch zu Wort, vielleicht auch ganz alleine. Diesen Mut brauchen wir und deshalb sind wir heute zusammengekommen.

Herzlich willkommen zum Landestreffen des Netzwerkes „Schulen ohne Rassismus – Schulen mit Courage“.

Wir können heute zwei runde Jubiläen feiern, und das freut mich sehr:
Zum einen besteht das Netzwerk in Brandenburg seit genau 25 Jahren.
Kaum zu glauben, dass Rassismus immer noch ein Thema ist, im Alltag, als Mobbing und rechtsextreme Aktionen an Schulen.

Wie notwendig das ist, hat jüngst der Brandbrief zweier Lehrkräfte aus dem Spreewald gezeigt. Sie kritisierten, dass das Zeigen des Hitler-Grußes, Hakenkreuz-Schmiererei und rassistische, rechte Sprüche in der Schule unbeanstandet blieben:
Kein Widerspruch der Umstehenden,
kein Gespräch mit den Betreffenden,
keinerlei Maßnahmen gegen solches Verhalten.
Das Schweigen der Mehrheit.

Nach dem Brief aus Burg meldeten sich weitere Schulen im Land Brandenburg, an denen es ähnliche Vorkommnisse gab. Rechtsextreme, rassistische Umtriebe an Schulen sind kein Einzelfall, und wer das behauptet, der verharmlost sie.

Verharmlosen und Vertuschen aber ist nicht nur beschämend, es ist falsch:
Weil Schweigen die Übeltäter ermutigt weiterzumachen.
Und weil Schweigen diejenigen zusätzlich einschüchtert, gegen die diese bösen Sprüche und Aktionen zielen: Mitschüler mit anderem Aussehen, anderer Hautfarbe, anderer Religion, anderen Ansichten.
Sie brauchen Solidarität und Unterstützung. Verharmlosung ist das Gegenteil.

Anrede,

ich trage da gerade ein wenig Eulen nach Athen, denn Ihr alle wisst das. Denn Eure Mitschülerinnen und Mitschüler wie auch die Lehrkräfte Eurer Schulen haben sich mit großer Mehrheit dafür entschieden, mitzumachen beim Netzwerk gegen Rassismus und für Courage.

Damit sind wie beim zweiten Jubiläum, das nur ganz knapp kein ganz rundes ist.
Ende April hat die Grund- und Gesamtschule Lehnin „Heinrich Julius Bruns“ den Titel „Schule ohne Rassismus“ verliehen bekommen – als Nummer 100 in Brandenburg.
Die Patenschaft hat der Landtagsabgeordnete Udo Wernitz übernommen, dafür herzlichen Dank.

Dass es trotzdem keine ganz runde Zahl beteiligter Brandenburger Schulen gibt, daran ist die Medizinische Schule Uckermark aus Prenzlau schuld:
Sie ist einen Tag später als 101. Mitglied dem Netzwerk beigetreten. Natürlich freuen wir uns darüber und heißen auch diese Schule herzlich willkommen.

Der Pate in Prenzlau war übrigens ebenfalls mal Abgeordneter dieses Parlaments: Henryk Wichmann – auch ihm vielen Dank für das Engagement.

Bundesweit sind es inzwischen weit über 4000 Schulen, die couragiert gegen Rassismus und Rechtsextremismus eintreten. Ich finde dieses Engagement großartig. Es zeigt, dass Deutschland ein tolerantes, weltoffenes Land ist – auch wenn manche das vielleicht ändern wollen.
Wir müssen sie daran hindern, gemeinsam und solidarisch.

Abschließend möchte ich die Künstler begrüßen, die uns heute begleiten werden:
- den Gitarristen Aleksandr Marasov und
- Marjam Zenichowski mit Poetry Slam

Vielen Dank für ihren Beitrag – und großen Dank auch an die Moderatorinnen Andrea Rauch von der Landeskoordination Brandenburg und Maria Waligora, die heute durch das Treffen leiten.

Und ich danke der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie, die seit nunmehr 20 Jahren die Koordination des Netzwerkes in Brandenburg übernommen hat.

Liebe Schülerinnen und Schüler,

Vor allem danke ich Euch für Euren Einsatz gegen Ausgrenzung und für ein gutes Miteinander. Ihr könnt stolz sein auf Eure Schulen. Dieses Treffen zeigt:
Ihr seid nicht allein, wir sind viele – in den Schulen, Betrieben, Vereinen, Kirchen, auch hier im Landtag. Gemeinsam treten wir Rassismus und rechter Hetze entgegen;
täglich wieder neu.

Vielen Dank und einen schönen, interessanten Tag!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Einbürgerungsfest 2023 am 11. Juni im Hans Otto Theater
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Anrede,

herzlich willkommen zum Einbürgerungsfest des Landes Brandenburg!

Gemeinsam können wir heute zahlreiche neue Mitbürgerinnen und Mitbürger unseres Landes begrüßen. Ihnen vor allem gilt mein Willkommen, und ich freue mich, dass so viele von Ihnen hierhergekommen sind!

Es ist wunderbar, dass Sie sich für unser Land entschieden haben – für das liebens- und lebenswerte Brandenburg mit seinen freundlichen und engagierten Menschen, mit starken Unternehmen, guten Schulen und Universitäten. Ich selbst bin nicht in Brandenburg geboren worden. Ich komme aus Thüringen und habe 6 Schulen in verschiedenen ostdeutschen Ländern besucht. Ich weiß, dass man mehrere Heimaten haben kann. Aber ich habe es nie bereut, in dieses schöne Land Brandenburg gekommen zu sein und hier Wurzeln geschlagen zu haben.

In Umfragen, die ja nicht immer ganz falsch liegen, hat sich gezeigt: Die allermeisten Menschen in Brandenburg fühlen sich hier wohl. Das gilt für Alteingesessene ebenso wie später Zugezogene. Und nun haben auch Sie beschlossen, das Land zu Ihrer zweiten, neuen Heimat zu machen.

Das ist auch ein Vertrauensvorschuss für alle anderen, die hier leben. Gemeinsam wollen wir versuchen, die positive Entwicklung Brandenburgs fortzusetzen, unsere Gemeinden und das Land insgesamt voranzubringen:

Als Region, die ihre Zukunft in die Hand nimmt und gestaltet.

Den Deutschen sagt man gerne nach, dass sie sich aufgrund der Geschichte schwertäten mit dem Stolz auf die eigene Heimat. Aber wenn Menschen zu uns kommen, um hier mit uns zu leben – so wie Sie! -, dann ist das ein Hinweis darauf, dass es gute Gründe gibt, dankbar und auch stolz zu sein auf das Erreichte.

Seit dem vergangenen Jahr haben auch Sie den deutschen Pass. Aber angekommen sind Sie natürlich schon lange vorher in Brandenburg – als gute Nachbarn, verlässliche Kollegen, engagierte Bürgerinnen und Bürger. Sie haben Deutsch gelernt, eine wirklich schwierige Sprache, und dazu einiges über die Geschichte und Gesellschaftsordnung hier.

Was dazu gekommen ist durch Ihre Einbürgerung:

Sie besitzen die vollen Rechte, dürfen an allen Wahlen teilnehmen und sich selbst zur Wahl stellen als Kandidatin oder als Kandidat: In den Gemeinden und Landkreisen, in Land und Bund. Sie können auf diese Weise unser demokratisches Gemeinwesen mitgestalten, ihre Erfahrungen und Wünschen einbringen.

Bitte nutzen Sie diese Rechte!

Deutschland ist entgegen manchen Unkenrufen ein offenes, tolerantes Land. Und es bietet jede Menge Chancen. Wir alle kennen die Geschichten von Menschen, die hier ihr Glück gesucht und gefunden haben. Ein prominentes Beispiel ist der Mitbegründer der Impfstoff-Firma Biontech, Ugur Sahin.

Es gibt inzwischen auch etliche Abgeordnete im Bundestag und in den Landesparlamenten, die ihren deutschen Pass nicht von Geburt an hatten. Sie leisten als Volksvertreter großartige Arbeit und tragen dazu bei, das Miteinander aller hier Lebenden zu stärken. Im Landtag Brandenburg, das darf ich als seine Präsidentin wohl sagen, können durchaus noch einige dazukommen.

Deshalb begrüße ich die Pläne der Koalitionsparteien im Bund für eine erleichterte Einbürgerung. Sie ist richtig – weil viele Menschen zu uns kommen, die eine klare Perspektive für ihr Leben brauchen und erhalten sollen. Das ist eine Frage des Respekts vor diesen Menschen, die oft große Mühen auf sich genommen haben.

Und es liegt im Interesse Deutschlands, dass Zugezogene mit Bleibeperspektive hier schneller arbeiten können. Denn Ausbildung und Arbeit sind der beste Weg zum Erlernen der Sprache, zum Austausch, zur gelungenen Integration.

Die große Mehrheit der Bevölkerung hat längst erkannt und anerkannt, wie wichtig Vielfalt ist: Im täglichen Leben ebenso wie in den Betrieben, in den Sportvereinen oder im Kulturleben, in den Medien – und eben auch in den Gemeindevertretungen und Parlamenten.

Daher noch einmal mein Appell, meine Bitte:

Engagieren Sie sich, seien Sie aktiv, tragen Sie dazu bei, dass Brandenburg auch künftig ein attraktives Land bleibt, in das die Menschen gerne kommen.

Engagement bedeutet zugleich, die gemeinsamen Werte hochzuhalten und zu schützen. Die Entscheidung für eine neue Heimat ist auch ein Bekenntnis zu ihr: Als Ort, an dem jede und jeder auf seine Art glücklich werden kann, wie es ein Preußenkönig einmal ausdrückte. Ein Ort der Toleranz und der Freiheit – die nur dort an Grenzen stößt, wo die Freiheiten der Mitmenschen berührt sind.

Anrede,

unser Fest heute wird musikalisch begleitet und umrahmt vom Paul-Dessau-Chor der Gesamtschule in Zeuthen – vielen Dank an die Sängerinnen und Sänger!

Die „Ode an die Freude“ haben wir eben schon gehört, sie passt als Europahymne hervorragend zum Anlass unseres Festes. Ich freue mich auf die weiteren Stücke und darauf, mit Ihnen gemeinsam die Nationalhymne zu singen.

Anschließend sind Sie eingeladen, beim Sommerfest auf den Terrassen des Hans Otto Theaters zu feiern und ins Gespräch zu kommen. Auch dazu ist für musikalische Begleitung gesorgt: Die Potsdamer Band „Tree Men“ wird Jazz spielen.

Liebe Neu-Brandenburgerinnen und Neu-Brandenburger,

ich wünsche Ihnen, Ihren Familien und Begleitungen eine schöne Feier anlässlich der Einbürgerung, weiterhin alles Gute in unserem gemeinsamen Land Brandenburg und viel Erfolg dabei, Ihre Wünsche und Träume zu verwirklichen.

Herzlich willkommen!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort anlässlich des Deutscher Chorwettbewerb Hannover, 10.6.2023,

Liebe Soprane und Altistinnen,
liebe Tenöre und Bässe!

Zuerst habe ich den Auftrag, alle angemessen zu begrüßen – das dürfte hiermit erledigt sein!

Herzlich willkommen zum Abschlusskonzert des 11. Deutschen Chorwettbewerbs im 40. Jahr des Wettbewerbs!

Jugendchöre soll ich besonders begrüßen: Hey!!

Ich weiß ziemlich genau, wie es Euch und Ihnen jetzt geht: die Preise sind verkündet worden und dann – noch mal singen! Auf Preisniveau. Ich kann das nachfühlen. Ich war im Kinderchor von Musiklehrer Sandmann in Lutherstadt Eisleben, in den Frischmuth–Chören in Erfurt, in Opernchören und später habe ich den Gewandhaus-Chor Leipzig mit den Chorleitern Pieske und Biller durchlaufen,
Höhepunkt: Meistersinger auf der Leipziger Opernbühne mit Peter Schreier und Theo Adam in den Hauptpartien. IX. unter Masur. Was habe ich am meisten mitgesungen? „Wenn die Not aufs höchste steigt, Gott der Herr die Hand uns reicht!“ - reimt sich gar nicht, trotzdem über 100 Mal im Chor gesungen, meine Leipziger Freundin hat mitgezählt, Humperdincks „Hänsel und Gretel.“
Dann durfte ich als Musikakademiedirektorin in Rheinsberg Gastgeberin vieler Chöre sein, Chorkonzerte und Chorfeste vorbereiten.
Jetzt bin ich das einzige weibliche Mitglied im Männerchor Arbeitergesangsverein „Vorwärts“ Rheinsberg e.V. – steile Karriere!

Aber ich bin auch Musikwissenschaftlerin, Vizepräsidentin des Deutschen Musikrates und Landtagspräsidentin des schönen Landes Brandenburg. Ich finde es gut, wenn Chorsängerinnen und Chorsänger in den Parlamenten sitzen!

3 Gedanken vor den Preisen – Zelter, Chorleitung, vrede.

Der erste Gedanke:
Um 1803 verfasste Carl Friedrich Zelter „scharfsichtige Denkschriften zur Verbesserung des öffentlichen Musiklebens“ und gründete ein Institut für Kirchen- und Schulmusik nach dem anderen. 220 Jahre später denken wir Schule neu. Wer scharfsichtig denkt, wird Musik zu den Kernfächern zählen!

Der 2. Gedanke:
Chorleiter und -leiterinnen sind Magier. Sie binden Menschen an die Musik und verbinden sie untereinander. Sonst würden demokratisch bewegte Leute niemals machen, was Chorleiter und Chorleiterinnen wollen. Also: schützen, hegen und pflegen wir die unzeitgemäßen Zeitgenossen, die Chorleiterinnen und Chorleiter!

Der 3. Gedanke:
Vor 2 Wochen besuchte ich eine UA des Komponisten Helmut Zapf unter dem Titel „vrede,“ altgermanisch. Ich fragte, warum er auf eine alte Sprache zurückgreift und Zapf sagte: weil es schon immer so war und ist und sein wird – alle Musik ist dem Frieden gewidmet!

Auch unsere heute.

Nach diesen scharfsichtigen, lobenden und friedvollen Gedanken kommen jetzt die Dankeswort. Das ist wie im Fußball: Die Mannschaften kommen vom Feld, haben ihr Bestes gegeben und wem wird gedankt? Den Funktionären, Trainern, Linienrichtern, Physiotherapeuten und Schiedsrichtern.

Bei uns ist das auch so. Der Deutsche Chorwettbewerb ist ein Projekt des Deutschen Musikrates. Unser gemeinsamer Dank gilt den Förderern des Wettbewerbs:

  • Der Beauftragten für Kultur und Medien Claudia Roth für die Grundfinanzierung des Chorwettbewerbes

  • Dem Land Niedersachsen

  • Der Gastgeberstadt Hannover, seit 2013 Unesco City of Music

  • Der Sparkasse Hannover, sie ist Hauptsponsor und feiert in diesem Jahr ihren 200. Geburtstag mit vielen Choraktivitäten, das muss sie nicht, kann ihr Geld auch anders ausgeben

  • Den Juroren, 42 aus 7 Ländern

  • Danke allen Preisstiftern

  • Dem Beirat Chor mit Chorfachleuten aus allen Bundesländern und insbesondere Jan Schumacher als Vorsitzendem der Jury und des Beirates Chor im DMR

  • Irene Schwalb und ihrem Team – 12 aus Bonn und 20 aus Hannover

  • Danke allen Chorleitern, Stimmbildnern, den Freundeskreisen der Chöre und den Familien, die diesen Wettbewerbsstress ausgehalten haben

  • Dank an Euch alle und Sie alle, die Sie durch ihre Teilnahme den Wettbewerb so lebendig und vielfältig machen.

Insgesamt sind im Wettbewerb 94 Chöre aus allen Bundesländern angetreten. Im ersten Wettbewerbsteil 41 Chöre, im zweiten Wettbewerbsteil 53 Chöre. Insgesamt etwa 4.000 Choristen und Choristinnen. 1861 trafen sich in Nürnberg 5.000 Sänger aus 197 Städten zur Gründung des Deutschen Sängerbundes, der 2005 in den Deutschen Chorverband umbenannt wurde. Von 4.000 bis 5.000 ist noch ein bisschen Luft - lassen Sie uns weitere Kinder- und Jugendchöre gründen!

Im ersten Teil gab es 8 Kategorien und insgesamt
Sieben 1. Preise
Sieben 2. Preise
Acht 3. Preise

Im zweiten Wettbewerbsteil waren es 6 Kategorien und in allen gibt es einen 1., 2. und einen 3. Preis.

Preisträger hören wir heute Abend in einem hochkarätigen und abwechslungsreichen Programm. „Singen ist das Fundament in allen Dingen“, sagt Telemann.

Recht hat er!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Verleihung der Landtagsmedaille,
Laudatio für Frank Heinze

Frank Heinze ist Fußballer. Frank Heinze ist Trainer. Frank Heinze ist Präsident und Geschäftsführer des Sportvereins Rot-Weiß Werneuchen e. V. und somit zuständig für Fußball, Badminton, Handball, Kindersport, Thaiboxen, Volleyball, Zumba, Darts, Frauenfitness, Gymnastik, Karate, Leichtathletik und Tischtennis.

Der Sportverein Rot-Weiß Werneuchen unterhält vier verschiedene Trainings- und Wettkampfstätten – die Sporthalle Hangar 3, die Sporthalle an der Europaschule, die Sporthalle an der alten Schule und den Sportplatz.

Außerdem ist Frank Heinze Chef einer Bautischlerei in Werneuchen. Handwerker.

Als ich ihn vor knapp einem Jahr erstmals besuchte, beeindruckte mich die Praktikabilität zwischen dem neuen Vereinsgebäude und dem Sportplatz – dass man nicht mit schmutzigen Schuhen durch das ganze Gebäude vom Sportplatz in die Umkleidekabine gelangt, sondern über eine Außenleiter, dass es ein Café für wartende Eltern der jungen Sportler gibt, dass ausreichend Begegnungsräume im Haus zu Gesprächen und sogar musikalischen Aktionen einladen. Beheizt wird die ganze Anlage mit Biomasse vom Bauern nebenan, ist doch logisch. Ich war total begeistert!

Es ist klar, dass so etwas nicht von heute auf morgen entstehen kann. 2 ½ Jahrzehnte ist Frank Heinze dabei. Er spielte schon als Kind Fußball und kam 1997 - nach einem Abstecher in das 10 km entfernte Tiefensee - wieder an seinen Heimatort zurück. Nichts hatte sich auf dem Sportplatz verändert, aber die Freunde aus der Kindergarten- und Schulzeit waren noch da. Also mussten die Ärmel hochgekrempelt werden, das Vordach wurde repariert, die Garage saniert. Frank Heinze muss alle Werneuchner einbezogen haben, die keine linken Hände hatten. Er spendete Holz, Spendenquittungen wollte er nicht haben. Später kam die Flutlichtanlage dazu. Ingrid Friese, damals Landtagsabgeordnete und Petra Bierwirth, Bundestagsabgeordnete, halfen wo sie konnten.

Neuer Anziehungspunkt heute ist der Jugendklub auf dem Sportgelände – nicht Bushalte oder ferngucken, sondern Hausaufgaben machen und ab 16:00 Uhr trainieren. Das ist ein Ganztagskonzept für Jugendliche in Werneuchen.

Als ich Frank Heinze besuchte, gehörten zu seinem Verein 600 Mitglieder. Anfang des Jahres 2023 waren es schon 803 Mitglieder. Das übersteigt alles, was ein Ehrenamtler in seiner Freizeit schaffen kann. Frank Heinze bewirbt sich bei „Aktion Mensch“ mit seinem Sportverein, um vollberuflich dem Verein zur Verfügung stehen zu können. Es hat noch nicht geklappt.

„Ich will das nicht für mich, ich will das für meinen Verein“, sagt er. Ich hoffe sehr, dass die Landtagsmedaille dazu beitragen kann, dass der Sportverein Rot-Weiß Werneuchen e. V. als gesellschaftliches Zentrum der Region mit Frank Heinze Aufmerksamkeit und einen hauptberuflichen Geschäftsführer bekommt.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke zur Verleihung der Verdienstmedaille des Landes Brandenburg zur Anerkennung von Verdiensten für das Gemeinwesen am 2. Juni 2023

Sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Ehrenamtliche,
liebe Gäste,

ich freue mich, Sie zu dieser festlichen Stunde im Plenarsaal zu begrüßen. Heute sind Sie – liebe Ehrenamtliche – unsere Ehrengäste.

Vielen Dank an Jaspar Libuda für den musikalischen Auftakt.

Einmal im Jahr ehrt der Landtag auf Beschluss des Präsidiums des Landtages verdienstvolle Bürgerinnen und Bürger, die viel für unser Land im Rahmen Ihres Ehrenamtes geleistet haben. Und heute wird Ihnen diese Ehre zuteil.

Wenn ich in unserem Land unterwegs bin, begegnen mir regelmäßig Brandenburgerinnen und Brandenburger, für die es ganz selbstverständlich ist, über ihre beruflichen Verpflichtungen hinaus für Andere da zu sein und ihre Fähigkeiten, ihre Kraft und ihre Zeit in die Gemeinschaft einzubringen.

Aber – liebe Gäste – was für Sie sicher selbstverständlich ist, ist für Andere nicht unbedingt selbstverständlich. Der Eine duckt sich weg, die Andere zieht sich zurück, will seine Ruhe.

Sie aber sind aktiv. Ohne Sie gäbe es in manchem Ort keinen Sportverein, in dem alle mitmachen können, keine Unterstützung für schwangere Frauen, die besonderer Hilfe bedürfen.

Sie sorgen mit Ihrem ehrenamtlichen Wirken dafür, dass es Freizeitangebote für Kinder und ältere Menschen gibt, dass Geflüchtete Hilfe bekommen, dass die Freiwilligen Feuerwehren funktionieren und dass es in den Gemeinden und Dörfern einen wachsenden Zusammenhalt gibt.

Sie tragen dazu bei, dass Brandenburger Städte und Dörfer zu lebenswerten Orten werden.

Und da geht es nicht nur um eine gute Infrastruktur, Handy-Netz, gute Arbeit oder sanierte Ortszentren, sondern es geht vor allem auch um das Wir-Gefühl, das entsteht, wenn Menschen wie Sie Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen.

Sie handeln in Freiheit aus Freiheit und Verantwortung.

Sie treten für das Miteinander und Füreinander ein und stellen in Ihrem Leben Achtsamkeit, Gemeinsinn und Solidarität in den Mittelpunkt. Sie schenken Anderen Zeit und bekommen etwas dafür zurück.

Vielen Dank dafür.

Sehr geehrte Gäste,

was kann Politik für Sie tun?

Diese Frage ist umfangreich zu beantworten. Doch ich glaube, kurz und auf einen Nenner gebracht:

Politik kann den Rahmen dafür schaffen, dass besondere Leistungen – wie die Ihren - ermöglicht werden können. Politik kann dafür sorgen, dass Leistung und Engagement gewürdigt werden und dass dieses Engagement öffentlich Anerkennung findet.

Die Politik kann den Aufbau von Netzwerken und die Zusammenarbeit zwischen den Ehrenamtlichen, staatlichen Einrichtungen und weiteren Akteuren weiter fördern. Durch den Austausch von Informationen können Synergien entstehen, die die Effektivität und den Spaß der ehrenamtlichen Arbeit steigern können.

Und Politik sollte dafür sorgen, dass neben den täglichen Aufgaben, die der Beruf oder die Familie mit sich bringen, trotzdem genügend Zeit bleibt, für ehrenamtliches Engagement.

Hierfür werde ich mich auch zukünftig weiter einsetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe zu Ehrende,

wenn wir die Leistungen der Frauen und Männer betrachten, die wir heute mit der Verdienstmedaille ehren, dann macht das Mut und stimmt uns zuversichtlich, dass es mit Brandenburg weiter gut vorangeht und wir gut vorbereitet sind für die Zukunft - für eine lebendige Demokratie und für einen starken Zusammenhalt.

Vielen Dank.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi -, und Transphobie
Hissen der Regenbogenfahne

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Frau Ministerin Ursula Nonnemacher,
Herr Jirka Witschak, Leiter der Landeskoordinierungsstelle queeres Brandenburg,
Herr Lars Bergmann AndersARTIG e. V.,
liebe LSBTTIQ - Community,

ich begrüße Sie alle sehr herzlich und freue mich, dass wir heute anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi -, und Transphobie zusammen die Regenbogenfahne hissen. In den Mythen ist der Regenbogen die Brücke zwischen Himmel und Erde, in der Genesis das Zeichen des Bundes zwischen Gott und Welt.

Judy Garland sang „Over the Rainbow“ und Marusha machte eine Technohymne daraus, die Stones sangen „She’s a Rainbow“, „Fly to the Rainbow“ die Scorpions – kein anderes Erkennungszeichen als der Regenbogen hätte besser gepasst zur internationalen LGBT-Community, einer Bürgerrechtsbewegung, weltweit aktiv und im Osten gewachsen in der Friedlichen Revolution 1989. Eine Community, die leidenschaftlich für Selbstbestimmung und Gleichstellung aller Menschen streitet, für Emanzipation und Empowerment aller, die wegen Ihrer sexuellen Orientierung, wegen ihrer Individualität diskriminiert werden.

In Brandenburg engagieren sich der Lesben-Schwulen-Verband Berlin-Brandenburg, die Landeskoordinierungsstelle, Katte e. V. und AndersARTIG e.V. gemeinsam mit vielen Ehrenamtlichen für die Gleichstellung queerer Menschen. Sie beraten, ermutigen, machen queere Themen sichtbar und sind ein wichtiger Partner der Politik. Dafür möchte ich Ihnen allen, herzlich Dank sagen.

Wir hissen die Regenbogenfahne für alle, die noch immer wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden, Gewalt erfahren, die kriminalisiert werden für ihren Mut zur eigenen Identität.

Am 17. Mai dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie erinnern Menschen an vielen Orten der Welt an den 17. Mai 1990, als Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation gestrichen wurde und seither nicht mehr als Krankheit gilt. Das ist noch gar nicht so lange her. Wie konnte man vor 1990 so denken!

Aber noch immer werden LSBTI in 69 Staaten strafrechtlich verfolgt, in 11 Ländern sind sie von der Todesstrafe bedroht, oft sind staatliche Strukturen an der Unterdrückung von LGBT beteiligt, verweigern ihnen jeglichen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt.

Homophobie, Transphobie – was ist das für eine Angst? Ich stimme Klaus Theweleit zu: Individuelle Angst vor einem Menschen aufgrund seiner sexuellen Identität gibt es genaugenommen gar nicht. Homophobie, Transphobie – das ist die Angst vor dem Verlust männlicher Macht, vor der Instabilität gesellschaftlicher Bezüge, vor der Zerstörung traditioneller Machtstereotype von Familien, Partnerschaft, durch das Beispiel andersgeschlechtlichen Lebensformen.

Autokratische Systeme sehen darin eine existentielle Bedrohung. Demokratien dagegen nicht.

Einstehen gegen Homo-, Bi -, und Transphobie – das bedeutet sich engagieren für uneingeschränkte Gleichstellung – im Parlament, in der Landesregierung, in den Kommunen wie in Unternehmen und Hochschulen. Der Landtag, die Landesregierung, die LGBT-Community mit ihren Vereinen und Initiativen, Politik und die Zivilgesellschaft – nicht nur am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi -, und Transphobie, aber mit großer Entschiedenheit.

Das heißt auch, Hasskriminalität bekämpfen, Diskriminierung überwinden, Empowerment für queere Menschen und Regenbogenfamilien stärken, queere Geflüchtete anerkennen und Respekt in der Bildung zu vermitteln.

Die Regenbogenfahne im Innenhof des Landtags – das ist ein festliches fröhliches Zeichen der Ermutigung und Zuversicht, ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz. Anerkennung der Vielfalt, Respekt vor dem Anderen und Gleichstellung sind Entwicklungschancen für eine freiheitliche partizipative und inklusive Gesellschaft, in der jeder Mensch willkommen ist. Gleichstellung aller Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung öffnet Zukunftsperspektiven für alle in einer lebenswerten Welt. Lassen sie uns Gleichstellung verwirklichen – Politik, Vereine, Bürgerinnen und Bürger, mit all unseren unterschiedlichen Perspektiven, Denkweisen, Ideen und Erfahrungen.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Eröffnung der Foyerausstellung „NVA-Soldaten hinter Gittern. Der Armeeknast Schwedt als Ort der Repression“, 16. Mai 2023
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Anreden,

im Landtag Brandenburg begrüße ich Sie sehr herzlich.

Schwedt ist eine freundliche, beliebte und belebte Stadt an der Oder. Nahe dem Naturpark, Sitz der PCK-Raffinerie – und deshalb seit dem vergangenen Jahr auch manchen im Westen Deutschlands ein Begriff, wenn auch eher vage.

Für viele Menschen – vor allem Männer – in Ostdeutschland ist „Schwedt“ dagegen bis heute ein Synonym für Schikane, Unterdrückung, Angst.
Ein Ort des Schreckens, beschwiegen und tabuisiert.

Denn neben der modernen Raffinerie richtete die DDR hier Ende der 60er Jahre auch das Militärgefängnis ein für Angehörige der Nationalen Volksarmee. In Schwedt wurden Soldaten eingesperrt, die zu Strafarrest oder Freiheitsentzug verurteilt waren. Schwedt war kein ausschließlich politisches Gefängnis.

Hier saßen junge Männer ein, die „Dienst in der Disziplinareinheit“ leisten mussten. Solche Disziplinarstrafen konnten bis zu drei Monaten von Kommandeuren der NVA verhängt werden, ohne Anklage, ohne Militärstrafprozess.
Eigenmächtig, willkürlich, selbstherrlich.

Ein politischer Witz oder flapsiger Spruch reichte dafür oft aus. Noch härter geahndet wurden vermeintliche Delikte wie staatsbürgerliche Hetze, Staatsverleumdung, Befehlsverweigerung, Widerstand gegen Vorgesetzte, Fahnenflucht…

So hanebüchen oft die Haftgründe waren, so schrecklich waren die Haftbedingungen:
Isolierhaftzelle, „Mumpe“ genannt, etwa 1 Meter 50 im Quadrat. Hinter Stacheldraht, dann Hundestaffel, wieder Stacheldraht, Schleuse mit zwei elektrischen Türen.

Das körperliche Leid und die psychische Gewalt hinterließen Spuren, bis heute.
Manche sind an der Haft in Schwedt zerbrochen.
Wer aus Schwedt zurückkam, der blieb stumm.
War anders geworden.

Es ist ein dunkler Fleck in der DDR-Geschichte, der bis heute nur unzureichend beleuchtet und aufgearbeitet ist. Und es muss beschämen, dass die letzten Insassen erst Ende April 1990 aus Schwedt entlassen wurden – fast sechs Monate nach dem Mauerfall!

Das Militärgefängnis Schwedt hat dazu beigetragen, dass die DDR heute allgemein als Unrechtsstaat gilt. Anders als in der Bundeswehr gab es in der NVA keine „Staatsbürger in Uniform“. Die Soldaten waren der politischen Indoktrination und der Willkür ihrer Vorgesetzten ausgeliefert.
Wohin das führen kann, sehen wir heute wieder in Russland.

Die Ausstellung im Landtag zeigt die Zustände im NVA-Knast Schwedt: Mit Bildern, Dokumenten und Audio-Zeugnissen. Das Militärgefängnis in Schwedt gehört zur Erinnerungskultur im Land Brandenburg. Es braucht die Erinnerung in der Stadt Schwedt. Es gehört auch zur Militärgeschichte eines geeinten Deutschlands und muss Eingang finden in das Militärhistorische Museum Dresden – als Beitrag gegen das Vergessen, Verdrängen, das nachträgliche Verharmlosen oder Schönreden.

Anrede,

Zu danken ist dem Verein „Militärgefängnis Schwedt e.V.“, der sich ehrenamtlich für die Aufarbeitung der Geschichte dieses Ortes engagiert und dabei Großartiges leistet: Führungen über das Gelände, Schautafeln, eine Internetseite und der die wissenschaftliche Aufarbeitung angeregt hat. Erinnerung nach Jahrzehnten, weil sie heute erst zu ertragen ist!
Aufarbeitung von unbequemer Geschichte.

Auch die Beschäftigten des Stadtmuseums Schwedt haben ihren Anteil: Sie retteten Akten der NVA. Mit Hilfe von Forschenden werden diese ausgewertet, um ein genaueres Bild von der DDR-Militärstrafjustiz zu erhalten. Bewahren!

Schließlich danke ich der Aufarbeitungsbeauftragten Dr. Nooke dafür, dass sie sich diesem schwierigen Thema widmet – auch heute wie schon am 9. November vorigen Jahres zum Tag des Mauerfalls; da waren wir gemeinsam in Schwedt.
Anerkennen, Würdigen – um der Würde der Betroffenen willen!

Die Opfer der DDR-Militärjustiz brauchen Unterstützung. Und sie brauchen das Zuhören, das Hinschauen der Jüngeren. Kaum etwas wirkt giftiger als verdrängtes, vergessenes, unbeachtetes Leid – auch wenn es lange zurückliegt.

Deshalb wünsche ich dieser Ausstellung viele interessierte Besucherinnen und Besucher und eine große Resonanz.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke zur
Feierstunde anlässlich 75 Jahre Israel am 10. Mai 2023

Anreden,

es ist mir eine Ehre und eine große Freude, dass wir heute mit Ihnen, Exzellenz, im Landtag Brandenburg den 75. Geburtstag Israels feiern dürfen.
Wenn viele Gratulanten kommen, ein ganzer Landtag aus Brandenburg, muss es ein besonderer Jubilar sein: ein junger Staat, ein Vielvölkerstaat an der Schnittstelle von Europa, Asien und Afrika, der einzige in der Region mit parlamentarischer Demokratie. Ein Staat der Juden, Araber, Christen, Drusen, Beduinen und vieler weiterer Herkünfte.

Auf der Website der Botschaft steht zu lesen, dass in Israel das erste Handy von Motorola erfunden, die Systeme von Windows NT und XP ebenso entwickelt wurden wie Intel Prozessoren und der USB-Stick, und - dass schon 10 Nobelpreisträger aus Israel gekommen sind!
Diesen hochentwickelten starken Staat mit seinen Erfolgen, seinen weltweiten Kontakten und Freundschaften feiern wir heute! Sie dürfen stolz sein auf das Geleistete und wir freuen uns, so nah dabei zu sein mit Ihnen als dem höchsten Repräsentanten Israels in Deutschland. Von Herzen sagen wir:
Mazel tov, alles Gute, ganz viel Glück, herzlichen Glückwunsch!

Dieses Jahr ist für Ihr Land ein ganz besonderes. Jedes Frühjahr begehen Sie drei Nationale Feiertage: An Yom HaShoa wird der Opfer des Holocaust gedacht, an Yom HaZikaron um die gefallenen israelischen Soldatinnen und Soldaten sowie Terroropfer getrauert. Schon am 25. April begannen die Feierlichkeiten für Yom Haatzmaut, den israelischen Unabhängigkeitstag, die israelische Staatsgründung. Diese drei Gedenktage markieren die große Erzählung Israels vom Holocaust über Aufopferung und Trauer bis hin zu Freiheit und Selbstbestimmung. Gestern formulierten Sie, Herr Botschafter, anlässlich Ihres Empfangs zum Jubiläum:
„Israel ist aus der Asche des Holocaust wie Phönix emporgestiegen.“ Darüber nachzudenken tut weh, auch wenn Phönix für Erneuerung steht, Auferstehung, Wiedergeburt. Dafür soll der Wundervogel 500 bis 1000 Jahre brauchen, eine annehmbare Option bei 75 Jahren.

Aus deutscher Sicht klingt die junge Geschichte Israels wie ein wunderbarer und zugleich verletzlicher Traum. 1948 gegründet – als sicherer Hafen für Jüdinnen und Juden aus aller Welt, für das jüdische Volk, nie wieder fremdbestimmt sein wollen. Und zugleich ein Traum, der von Beginn an gefährdet war: Ein Land, dem die Nachbarn gleich nach der Gründung den Krieg erklärt hatten. Friedensprozesse sind anstrengend und dauern - es gibt Verträge mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994), die bis heute bestehen. Mit den Abraham-Abkommen 2020 gelang die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Marokko und dem Sudan. Damit gibt es auch neue Hoffnung für den israelisch-palästinensischen Friedensprozess.

Ich erinnere mich gut an meine erste Reise nach Israel, ich hatte nach Spuren aus dem Alten Testament und der Passionsgeschichte gesucht und ein heutiges, an Erfolgen, Spannungen und Widersprüchen reiches Land gefunden. Gestatten Sie bitte, einen kurzen Tagebuch-Auszug:

„Steinige Bergplateaus, sonnenverbrannte Sträucher und im Tal die gut 2000 Jahre alte Stadt: Nazareth in Galiläa. Hier der arabische Markt, Klöster, Konvente und zahllose Fotoapparate von Touristen, auf der Höhe das "Obere Nazareth", eine jüdische Einwandererstadt mit Kaufhaus, Computerfachgeschäften und Tankstelle. Leben miteinander - Araber und Juden, wie auch im 5000 Jahre alten Akko. Schon Josua teilte im Alten Testament mit, dass die Kinder Israels vom Stamm Ascher unter den Kanaanitern wohnten ­- gemeinsam. Die israelischen Reisebegleiter berichteten ebenso gelassen wie stolz vom völlig normalen Leben im friedlichen Vielvölkerstaat.
Wir besuchten Städte, Weltkulturerbe, Siedlungsgebiete, baden im toten Meer und fahren auf die Golanhöhen. In einem unterirdischen Gewölbe befinden sich Bücher, schwarz eingebundene Plastikhüllen, in jeder Hülle Erinnerungen an einen gefallenen Soldaten: Fotos, Zeugnisse, ein Brief an die Mutter, die Freundin, das Kind. Jedes Buch ein Mensch, der Raum ist voll von schwarzen Büchern. Keines passt mehr in die Regale. Ich schreibe in das Besucherbuch: "Es muss Frieden werden", alle unterzeichnen.“

Das war 1996. Wir erleben gerade, wie aktuell die Grundgedanken der Unabhängigkeitserklärung - anstelle einer Verfassung - für die israelische Gesellschaft und ihre parlamentarische Demokratie bis heute sind: Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit. Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen. Soziale und politische Gleichberechtigung für alle Bürger ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht. Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache und der Meinung. Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz. Dafür gehen Menschen in Israel mit ihren Kindern auf die Straße, dafür sind sie bei uns 1989 auf die Straße gegangen, sind wir auf die Straße gegangen. Die israelische Hymne, HaTikvah, bedeutet „Hoffnung“.

Das Engagement für die deutsch-israelischen Beziehungen wie das vielfältige jüdische Leben in Deutschland machen zuversichtlich, dass wir die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Israel weiter vertiefen können. Dafür engagieren sich die deutsch-israelischen Gesellschaften. Dafür engagiert sich der Freundeskreis Israel des Landtages Brandenburg – für die Erinnerung an früheres jüdisches Leben, an dessen historische Orte und für neues jüdisches Leben. Ganz herzlich danke ich Jascha Nemtsov, Professor für die Geschichte der jüdischen Musik am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena und Mitglied des Instituts für Jüdische Theologie an der Universität Potsdam, der uns dies heute musikalisch vermittelt.

Herr Botschafter, es ist ein Geschenk an uns, dass es die tiefe Freundschaft zu Israel gibt, dass so viele Menschen in Israel und in Deutschland mit ihrem Engagement diese Freundschaft möglich gemacht haben. Mich berührt es noch immer, dass Überlebende der Shoa unter den Ersten waren, die schon wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das Gespräch mit den Tätern gesucht hatten. Wir dürfen dankbar sein - nach allem, was geschehen ist und wofür wir in Deutschland Verantwortung tragen.
Dass es noch immer und immer wieder verstärkt Antisemitismus in Deutschland gibt, erfüllt viele Menschen in Brandenburg mit großer Sorge und auch mit Scham. Auch mich, denn eigentlich ist das doch gar nicht möglich, nach allem, was geschehen ist. Wer in unserem Land verantwortungsvoll mit der Geschichte umgeht, der kann doch gar nicht anders als Freundschaft mit Israel pflegen. Wir müssen die Grenzen des Sagbaren neu ziehen. Anders geht es nicht. Denn Antisemitismus ist keine Meinung, sondern Ausgrenzung, Dämonisierung und letztlich verbale und physische Gewalt. Mit Beschluss des Parlaments am 5. Juli 2022 steht die Stärkung des jüdischen Lebens und der Kampf gegen Antisemitismus in Brandenburg als Staatsziel in der Verfassung Brandenburgs.

Es liegt an uns und unseren Kindern, Zukunft mit Toleranz, ohne Antisemitismus zu gestalten – das beginnt mit einem Bild des Neuen, entworfen von jener Zukunft her, in der wir leben wollen. Mit exakter Wissenschaft, Annahmen, Hypothesen, Theorien, aber auch mit Wünschen, hinter denen Werte stehen, von denen wir uns leiten lassen, mit unserem Bild vom Menschen in seiner Freiheit und Verantwortung, seiner Würde, seiner Verwurzelung in den Kulturen und Geschichten, in denen jeder Einzelne, in denen ganze Gesellschaften leben.
Wir haben eine gemeinsame Aufgabe: Demokratie stärken. Zukunft wagen und gestalten.

Masel tov!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke zum 8. Mai,
Tag der Befreiung 2023 , Innenhof Landtag

Exzellenz, sehr geehrter Herr Botschafter Dariusz PAWŁOŚ,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
liebe Ministerinnen und Minister!
Herzlich begrüße ich auch den Kommandeur des Landeskommandos Brandenburg Herrn Oberst Detlefsen,
den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung von Potsdam, Herrn Heuer,
sowie den stellvertretenden Vorsitzenden der deutsch-polnischen Gesellschaft Herrn Dr. Meyer zu Uptrup.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger!

Herzlich willkommen an diesem 8. Mai hier im Innenhof unseres Brandenburger Landtages.

Dass wir heute gemeinsam mit Ihnen, sehr geehrter Herr Botschafter Dariusz PAWŁOŚ, der Opfer des Krieges gedenken und an die Befreiung vom deutschen Nationalsozialismus erinnern, das bedeutet mir sehr viel.
Die Historiker gehen von 60 bis 65 Millionen Menschen aus, die ihr Leben verloren haben, ermordet im KZ, ums Leben gekommen auf der Flucht, im Bombenhagel oder durch den Terror der SS. Auf Schlachtfeldern gefallen.

Sowjetische, polnische, französische, britische, amerikanische Soldaten, Opfer auch weit weg von hier. 6 Millionen Polen, darunter 3 Millionen Juden, 27 Millionen Menschen aus den Sowjetrepubliken. Unvorstellbare Zahlen. Ungenaue Zahlen, denn das einzelne Leben kann gar nicht ermittelt werden. Es zählt wenig im Krieg.

Warschau hatte die Wehrmacht von den ersten Kriegstagen an unter Beschuss genommen. Wir gedenken der Opfer des Warschauer Ghettos, die Hölle vor dem Transport in das Vernichtungslager. Wir gedenken der Opfer des vergessenen Massakers in Wola 1944, wo in wenigen Tagen mehrere Tausend Menschen, fast alle Zivilisten, Frauen und Männer, Kinder, Greise ermordet wurden. Die Bestrafung der Verantwortlichen blieb aus. Polnische Divisionen kämpften in der Roten Armee, viele dieser Soldaten hatten schon die Deportation nach Sibirien 1939 hinter sich. Sie gehörten auch zu den Befreiern des KZ Sachsenhausen.

In der Schlacht um Berlin war jeder Zehnte ein polnischer Soldat.

Auf den Seelower Höhen starben in nur vier Tagen mehr als 70.000 sowjetische und polnische Soldaten und mehr als 12.000 deutsche Soldaten. Nördlich von Fürstenberg und südlich durch Forst erreichte die Rote Armee die Berliner Stadtgrenze vermutlich bei Malchow und Spandau, am 30. April hissten Soldaten der Roten Armee die erste Rote Fahne auf dem Reichstag.

Endlich Frieden, kaum noch vorstellbar. Zu groß der Schmerz, die Todesangst, die Trauer, die Verluste. Auch und gerade in unserem Nachbarland Polen: 17 Prozent der Bevölkerung des Landes hatten ihr Leben verloren. Polnische Fahnen wurde auf der Siegessäule und dem Brandenburger Tor gehisst. Eine DDR-Gedenksäule im Volkspark Friedrichshain erinnert daran. Das gesamtdeutsche Denkmal für die polnischen Befreier ist überfällig, vielleicht muss es nicht in Berlin stehen, sondern in Brandenburg.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ Opfer in der ganzen Welt, rein rechnerisch 19 Tote pro Minute. Hinter den Zahlen stehen Namen, Biografien und Geschichten von Menschen, deren Leben ausgelöscht wurde.

Vor diesem Hintergrund ist es ein Wunder, dass Europa wieder zusammengehört, dass Polen und Deutschland eine tiefe Freundschaft verbindet.

Für Brandenburg ist der 8. Mai der Tag der Befreiung, seit 2015 ein Gedenktag. Die Befreiung Europas von Faschismus, Krieg und Nationalsozialismus verlangt nach 80 Jahren eine umfassende Aufarbeitung aus unterschiedlicher Perspektive – die bisherigen Gedenkstunden mit den Botschaftern aus Russland, Frankreich, der Ukraine und in diesem Jahr aus Polen tragen im Landtag Brandenburg wesentlich dazu bei.

Unsere Freundschaft, unsere vertrauensvolle Partnerschaft wird gerade jeden Tag bestärkt und erneuert im Zusammenstehen mit der Ukraine, damit dieses gebeutelte Land befreit wird von den russischen Besatzern und seinen freiheitlich demokratischen Weg in Europa gehen kann. Seien Sie versichert, Herr Botschafter, dass die Menschen in Brandenburg Ihren Bürgerinnen und Bürgern Hochachtung, wenn nicht sogar Bewunderung, zollen für die Bewältigung der vielfachen Herausforderungen im Zusammenhang mit Flüchtlingen aus der Ukraine.

Seit dem 24. Februar 2022, seit dem russischen Überfall auf die Ukraine steht der 8. Mai in anderem Licht. Hart und gnadenlos. Das „Nie wieder!“ nach dem Zweiten Weltkrieg war trügerisch. Wieder gibt es Krieg, Gräber werden ausgehoben. Die Bilder von den russischen Verbrechen in Butscha und Mariupol und jene Bilder von der Zerstörung Warschaus durch die Nationalsozialisten gleichen einander auf unheimliche Weise. In der Ukraine sterben jeden Tag Menschen, Ukrainer setzten ihr Leben ein für die Befreiung ihres Heimatlandes. Jeden Tag sterben auch russische Soldaten, die mit Lügen und falschen Versprechungen in einen sinnlosen Krieg gezwungen wurden. Der Aggressor wird seine Ziele nicht erreichen. Weil die Ukraine sich verteidigt, weil Polen, Deutschland, Europa, die USA die Ukraine unterstützen, die Vereinten Nationen mehrheitlich an der Seite der Ukraine stehen.

Der Krieg in der Ukraine macht am Tag der Befreiung für uns in Deutschland einen großen Konflikt sichtbar, einen Konflikt mit unserem Selbstverständnis und mit unserer Geschichte: Am 8. Mai 1945 haben uns Soldaten der Roten Armee - darunter viele aus der Ukraine, aus Russland, aus Belorussland - vom Nationalsozialismus befreit. Heute kämpfen Russen, deren Urgroßväter zu den Befreiern gehörten, in brutaler Weise gegen ein Volk, das selbst zu unseren Befreiern vom Nationalsozialismus gehörte.

Was bedeutet das für uns? Wir hatten ein anderes Russland kennengelernt. Gastfreundliche Menschen, die mit Deutschen von Vergebung sprachen. Mit der Sowjetunion wurde die offiziell verordnete deutsch-sowjetische Freundschaft gepflegt, und: es gab die vielen menschlichen Begegnungen, die aufrichtig waren. Noch immer nach allem ist da eine tiefe Empathie für russische Literatur und Musik, für Tschechow, Dostojewski, Tolstoi. Für Tschaikowski, Mussorgski, Schostakowitsch, für neue aktuelle Kunst. Empathie für emotionale und geistige Tiefe.

Heute müssen wir uns eingestehen: Unser Russlandbild war romantisch und kulturhistorisch geprägt. Und unvollständig, wir haben das Beunruhigende ausgeblendet. Zu sorglos, zu nachlässig waren wir mit dem hohen Gut des Friedens, mit dem „Nie wieder!“ Wir sind den Sorgen und Warnungen unserer osteuropäischen Nachbarn nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit begegnet.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Geschichte gibt es nicht. Es gibt sie als Gesamtheit von Studien, unterschiedlichen Erinnerungen und Perspektiven. Auch wenn sich die Perspektiven voneinander unterscheiden, liegt gerader darin eine große Chance. Geschichten erzählen Geschichte, hören wir einander zu.

In unserer Welt, die mit dem deutschen Nationalsozialismus den eigenen Untergang überlebt hat, müssen wir neu darüber nachdenken, was Frieden bedeutet. Auch dass wir die Freiheit und die Demokratie 1989 nur mit unseren Nachbarn in Polen und Partnern in Europa wiedergewinnen konnten, dass polnische Bürgerinnen und Bürger zuerst Mut und Kraft zur Revolution hatten. Tun wir genug, das Wissen um die eigene Geschichte weiterzugeben? Wenden wir uns ausreichend gegen Autokratie, Rassismus, Antisemitismus? Wie groß ist die individuelle Bereitschaft zur Verantwortung für Frieden, Freiheit, Demokratie?

Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist fundamental für ein tiefgründiges und differenziertes Verständnis alarmierender Tendenzen in unserer Gegenwart. Wir müssen die Quellen und Ursachen von Menschenverachtung und Faschismus benennen und unsere freie Gesellschaft vor dem Gift faschistischer Ideologien und Rechtsextremismus schützen.

Ich wünsche mir nicht nur den Gedenktag 8. Mai in Brandenburg, sondern den 8. Mai frei von Alltagsgeschäften – zum Gedenken und zum Nachdenken über Zukunftsfragen. Ganz bewusst, ganz wach.

Mit Beschluss des Brandenburger Parlaments am 5. Juli 2022 erhielt die Freundschaft zum Nachbarland Polen als Staatsziel Verfassungsrang. Wir in Brandenburg sind sehr dankbar dafür, dass die Parlamente, die Sejmiks unserer polnischen Nachbarwojewodschaften Großpolen, Westpommern, Lebus, Niederschlesien herzliche freundschaftliche Partnerschaften mit dem Landtag pflegen. Die Ländergrenzen sind durchlässig geworden für Kita- und Schulbesuch, Krankenhäuser, Feuerwehr, Kultur und vertrautes Miteinander.

Gemeinsam mit dem Europa-Ausschuss unseres Landtages durfte ich im Februar die deutsch-polnische Begegnungsschule Willy-Brandt in Warschau besuchen, es ist an der Zeit für eine polnisch-deutsche Begegnungsschule bei uns.

Mit dem Sejmik von Masowien bereiten wir im Geiste des Weimarer Dreiecks eine gemeinsame Zusammenarbeit mit der französischen Hauptstadtregion Ile de France vor. Unsere Regionen um Paris, um Warschau und um Berlin vereinen gleiche und ähnliche Aufgaben. Der Austausch untereinander – philosophisch, kulturell, wirtschaftlich, auf den unterschiedlichsten Gebieten wie Sport, Gesundheit, Zugverkehr oder Klimaschutz – ist unter Nachbarn normal und wird zivilgesellschaftlich längst gelebt. Ich denke, dass diese lebendige Zusammenarbeit eine Basis für Frieden ist.

Das Weimarer Dreieck mit Deutschland, Frankreich und Polen - in dem Parlamente, Regierungen, und Zivilgesellschaften zusammenarbeiten - macht mir Mut, auf vielen verschiedenen Ebenen gemeinsam und über Grenzen hinweg Zukunft gestalten zu können.

Wann wenn nicht jetzt, sollten wir uns in Deutschland, Polen, Frankreich, in Europa über Zukunftsfragen austauschen, unsere Freundschaft stärken – aufrichtig, verlässlich, zuversichtlich, auch mit unseren Differenzen. Wann wenn nicht jetzt sollten wir fest zusammenstehen. Deutschland, Frankreich und Polen mit der Ukraine und mit allen demokratischen Partnern in Europa für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Hauptversammlung der Domowina, 22. April 2023 in Cottbus/Chóśebuz
Grußwort der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Teilnehmende laut Veranstalter (Domowina):
- Vorsitzender Domowina, Dawid Statnik ((Vorsitz seit 2011, eigentl. Bühnenmeister))
- Delegierte der Domowina
- ehemaliger Vorsitzender der Domowina, Erwin Hanusch (Ehrengast)
- MdB Maja Wallstein (SPD), Knut Abraham (CDU)
- OB Cottbus Tobias Schick
- Staatssekretär MWFK Tobias Dünow, Landesbeauftragter für Sorben/Wenden
- Direktor der Stiftung für das sorbische Volk, Jan Budar, sowie Vorsitzende des Stiftungsrates, Susann Schenk
- Vorsitzender des Rates für sorbische Angelegenheiten Sachsen, Marko Suchy
- Mitglieder Räte für Sorben/Wenden bzw. sorbische Angelegenh. Bbg und Sachsen
Dobre zajtšo! Guten Morgen
Sehr geehrter Herr Vorsitzender Statnik,
sehr geehrte Delegierte der Domowina,
sehr geehrte Abgeordnete,
lieber Herr Oberbürgermeister Schick,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Dünow,
sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die Gelegenheit, zur heutigen Hauptversammlung der Domowina ein Grußwort an Sie zu
richten. Ich freue mich darüber sehr, denn für mich steht fest:
Vielfalt, Tradition und Toleranz gehören zu Brandenburg.
Die Domowina als Vertretung der Sorben/Wenden ist ein Eckpfeiler der Vielfalt in unserem Land wie auch in
Sachsen.
Wie langweilig wäre die Lausitz doch, wie viel ärmer in kultureller und sprachlicher Hinsicht, wenn Sie nicht
das Erbe des sorbischen Volkes hier in der Region bewahren, schützen und pflegen würden!
Dazu gehören die besonderen Traditionen. Gerade zu Ostern haben sie wieder größere Beachtung gefunden,
bis hin zu überregionalen Berichten über das Oster-Reiten. Im Landtag präsentierten Sie uns kürzlich am
Rande der Plenarsitzung sorbische/wendische Osterbräuche, die Begeisterung bei den Abgeordneten
auslöste.
Solche Traditionspflege wie auch der Schutz der sorbischen/wendischen Sprache sind von großer Bedeutung
über den Tag hinaus: Sie zeigen allen, ob sie Sorben/Wenden sind oder nicht, dass Vielfalt etwas Gutes,
Bereicherndes ist.
So wird Toleranz gefördert und ein großer Beitrag zum Miteinander in unserer Gesellschaft geleistet.
Und diese Gesellschaft ist ja in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten noch vielfältiger geworden, auch
durch den Zuzug von Menschen aus anderen Regionen, Ländern und Kulturen.
Die Erfahrung zeigt: Die Integration dieser Menschen gelingt dort am leichtesten und besten, wo sich die Gesellschaft ihrer eigenen Traditionen bewusst ist, ohne sie absolut zu setzen oder anderen
vorgeben zu wollen.
Der Philosoph Odo Marquard hat das einmal so ausgedrückt: „Zukunft braucht Herkunft“. Daraus hat
Matthias Platzeck einen Buchtitel gemacht; schließlich passt das Motto hervorragend auf Brandenburg und
besonders auf die Lausitz.
Anrede,
Traditionelle Wurzeln sind ein Schatz für die Zukunft. Vor dem Hintergrund heutiger Integration lohnt es sich,
in die Geschichte der sorbischen Kultur zu blicken. Ihre geografische Lage und politische Zuordnungen führten
zu allen Zeiten auch zum Austausch mit Nachbar-Kulturen.
Das lässt sich gut am Beispiel der Musik darstellen – an den Volksliedern in Strophen, an den sogenannten
Bockstrillern und melismatischen Verzierungen, an Einflüssen von polnischer Mazurka und Polonaise, an
klanglich-strukturellen Elementen der westslawischen Musik aus Prag und Bratislava.
Alles zusammen ermöglicht eine wieder neue Komposition aller Bestandteile, Musik, die ihre Herkunft nicht
verleugnet und eigene Identität weiterentwickelt. Schalmeien und Oboen- bzw. Klarinetteninstrumente, den
in F gestimmten sorbischen Dudelsack und die wendische Fidel und Tanzmeistergeigen gehören dazu oder
lassen sich erahnen. Eigenes und Fremdes, Erbe und heutige Ausdrucksformen zeitgenössischer Kunst –
genau das beschreibt die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Pflege der kulturellen Vielfalt. Sie leben es.
Um so mehr freue ich mich, dass wir im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Landtags Brandenburg „Kunst
zur Zeit“ das Sorbische National-Ensemble begrüßen können. Es wird eine der insgesamt sechs
Sommerveranstaltungen im Innenhof des Landtags gestalten.
Anrede,
Ihnen allen möchte ich meine Wertschätzung und meinen Respekt aussprechen für die Arbeit, die Sie als
Mitglieder der Domowina leisten.
Es ist bewundernswert, wie Sie sich dafür einsetzen, dass die Identität der Volksgruppe auch in der sich
wandelnden Welt einen Platz hat und respektiert wird.
Der Landtag Brandenburg unterstützt die Sorben/Wenden dabei seit jeher und wird dies auch weiterhin tun.
Gemeinsam konnten wir vor einigen Jahren das Sorben/Wenden-Gesetz verbessern. Der Rat für
Angelegenheiten der Sorben/Wenden ist eine wichtige Stimme im Landtag, er berät Abgeordnete und
Fraktionen sowie die Landesbehörden, wenn Belange der Volksgruppe berührt sind.
Im Brandenburger Landtag haben die Sorben/Wenden und ihre Domowina einen starken Partner für eine
gute Zukunft der Region und ihrer Menschen.
Das bezieht sich auch auf den Strukturwandel in der Lausitz, den wir als Parlament begleiten und gestalten
zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger vor Ort.
Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Hauptversammlung und für Ihre länderübergreifende Arbeit in den
kommenden Jahren.
Vielen Dank!
Wutšobny źěk! Herzlichen Dank

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Eröffnung der Kulturweberei Finsterwalde, 21. April 2023
Grußwort von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsitzender Andreas Holfeld,
sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Jürgen Gampe,
bisher trafen wir uns aus musikalischem Anlass, heute komme ich, um zu gratulieren.
Sehr geehrte Abgeordnete, Stadtverordnete, Ortsbeiräte,
sehr geehrter Herr Minister Stübgen, meine Damen und Herren Landräte, Bürgermeister,
liebe Gäste!
Es ist mir eine Ehre, zur offiziellen Eröffnung der Kulturweberei in Finsterwalde zu sein und ein paar Worte zu
Ihnen sprechen zu können.
Eine Kulturweberei, was für ein schöner Name. Kultur weben, sich untereinander verweben, Webkunst als
eines der ältesten Handwerke der Menschheit mitten in der Sängerstadt Finsterwalde verwandeln in Leben.
Die antike Göttin Athene erlernte das Weben bei der sterblichen Arachne, Weil Arachne besser weben konnte,
verwandelte die Göttin sie in eine Spinne. Arachnida heißen Spinnentiere bis heute. Spinnen und Weben
gehören zusammen, wie das Spinnen von Gedanken, dichten, träumen, erfinden, Gedankenfäden
zusammenweben. Aber das Weben braucht immer einen Rahmen, in dem das Schiffchen fliegt, nicht ganz
frei. Es ist Arbeit von Händen und Füßen, mit verschiedenen Materialien und Farben, in wiederkehrenden
Rhythmen, es kann lange dauern bis zur Vollendung des Kunstwerkes, Monate oder gar Jahre.
Vom ersten Gedanken an die Kulturweberei Finsterwalde bis heute vergingen nachweisbar 16 Jahre,
mindestens. Viel zu lange. Aber die Sängerstadt weiß was sie will und hat einen langen Atem, eben den der
Sänger und Sängerinnen. Finsterwalde bietet seinen Einwohnern und Gästen ab heute einen neuen,
attraktiven Anziehungspunkt und erinnert zugleich an eigene Geschichte. Die Textilfabrikation geht hier bis
ins 19. Jahrhundert zurück, als die „Schaefersche Tuchfabrik“ entstand. Das Weben prägte das Leben der
Stadt.
„Leben und Weben“ heißt ein Dokumentarfilm der DEFA von 1981, der schonungslos die anderthalbjährige
Berufsausbildung am Obertrikotagenbetrieb Wittstock beschreibt, kein Traumjob, Maschinenarbeit ohne
Phantasie, absichtlich in schwarz-weiß gedreht. Und trotzdem fehlte etwas, als die Textilindustrie 1990 weg
war. Was für unbegrenzte Möglichkeiten bietet hingegen eine Kulturweberei! Chorfeste, Begegnungen mit
Menschen aus den Partnerstädten in Frankreich und Schweden, Stars und Sternchen.
Da trifft es sich gut, dass Finsterwalde in diesem Jahr ein ganzes Wochenende lang im Zentrum der
Brandenburger Aufmerksamkeit stehen wird: Anfang September kommen Gäste aus allen Regionen des
Landes hierher zum Brandenburg-Tag, und natürlich auch aus anderen Bundesländern wie Berlin oder
Sachsen. Der Landtag Brandenburg beteiligt sich wie schon in früheren Jahren an dieser großen
Veranstaltung, wir freuen uns auf den Brandenburg-Tag in Finsterwalde!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
weben und leben gehören in einem wunderbaren Gedicht zusammen, das sich vielleicht für das ein oder
andere Programm der Kulturweberei eignet, deshalb soll es heute nicht fehlen:
„Das Beet, schon lockert
Sich's in die Höh',
Da wanken Glöckchen
So weiß wie Schnee;
Safran entfaltet
Gewalt'ge Glut,
Smaragden keimt es
und keimt wie Blut.

Primeln stolzieren
So naseweis,
Schalkhafte Veilchen,
Versteckt mit Fleiß;
Was auch noch alles
Da regt und webt,
Genug, der Frühling
Er wirkt und lebt.“
Ich bin sicher, Johann Wolfgang von Goethe hat das genau für den heutigen Tag gedichtet. „Frühling übers
Jahr“ heißt es, beständiges Weben und neues Leben. Das wünsche ich Ihnen!
Ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen zur Kulturweberei in Finsterwalde.
Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Haus- und Straßensammlung 2022 – Der Volksbund sagt DANKE
Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke am 18.4.2023
in der Henning von Tresckow-Kaserne Geltow

Sehr geehrter Herr Oberst Detlefsen,
sehr geehrte Mitstreiter des Volksbundes
der Deutschen Kriegsgräberfürsorge im Land Brandenburg,
liebe Soldatinnen und Soldaten, Reservisten und Reservistinnen,
lieber Herr Breithaupt!

Es mir eine besondere Freude, diesen Scheck der Straßensammlung 2022 über 22.143,50 € entgegenzunehmen. Soldatinnen und Soldaten, Reservistinnen und Reservisten haben Spenden gesammelt für die Kriegsgräber – gesammelt auf Brandenburger Marktplätzen, in Einkaufsstraßen, haben an Haustüren geklingelt. Damit Kriegstote nicht namenlose Opfer bleiben, sondern ihren Namen und ihre Geschichte zurückbekommen. Damit es einen Ort gibt, an dem Angehörige trauern können. Damit wir uns daran erinnern, was Krieg bedeutet.

Ich empfinde Hochachtung und Respekt vor dieser ehrenamtlichen Arbeit. Wenn Soldaten und Soldatinnen, Reservistinnen und Reservisten sich für Kriegsopfer einsetzen, ist das ein ganz besonderes Engagement. Wenn Soldaten Spenden für das Gedenken an Kriegstote sammeln, Kriegsopfer bestatten, dann ist Ihre Perspektive eine ganz besondere. Das Gedenken des Volksbunds schließt auch die Opfer von Auslandseinsätzen der Bundeswehr ein, die gefährlich waren, in denen Soldaten und Soldatinnen ihr Leben riskierten. Traumata und Trauer können das Leben überschatten.

Und wie stehen wir in Deutschland zu unseren Soldatinnen und Soldaten, wie zur Bundeswehr?

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Deutschen genug vom Militär. Wir kennen Martin Niemöllers Haltung: Wer Soldat wird, wird zum Verbrecher ausgebildet. Dagegen das Leitbild der Bundeswehr vom Staatsbürger in Uniform und innerer Führung. In der DDR waren offiziell alle für die NVA, aber es gab auch viele, die den Dienst als Gefängnis erlebt hatten oder als Bausoldaten Mut bewiesen. Die westdeutschen 68er wandten sich nicht nur gegen den Vietnamkrieg, sondern auch gegen die Bundeswehr, als Protest gegen den Nato-Doppelbeschluss. Nach Glasnost und Perestroika schien die Welt eine andere. Wir dachten, dass wir bald keine Armee mehr brauchen würden. Dann zogen 1999 deutsche Soldaten in den Kosovo, 2001 nach Afghanistan. Aber kämpfen, töten, sterben – das war für viele Menschen in unserem Land weit weg. Auch was Soldaten erleben, denken und fühlen. Die Frage was wir machen, wenn es zu einem Krieg kommt, wurde in Deutschland nicht mehr ernsthaft gestellt. Der Krieg in der Ukraine hat unseren Blick auf die Bundeswehr grundlegend verändert.

Heute ist uns klar, es ist gut und wichtig, eine starke und einsatzfähige Bundeswehr zu haben, die mit unseren Verbündeten den Frieden in Europa sichert. Eine Parlamentsarmee, die in der Demokratie entstanden ist, Bürgerinnen und Bürger, die eine besondere Verantwortung übernommen haben, die weit über andere Berufe hinausgeht: wenn es darauf ankommt, werden sie Europa und uns schützen.

Wenn Soldaten der Bundeswehr heute die Gebeine Gefallener aus dem Zweiten Weltkrieg bergen und Kriegsopfern aus Deutschland, Polen, Russland, aus der Ukraine nach vielen Jahrzehnten in Würde bestatten, dann berührt das mich auf eine Weise, die schwer in Worte zu fassen ist. Eine freie Tat. Selbstlos. Von Mensch zu Mensch, wissend vom Anderen, In Respekt und Achtung vor dem fremden Schicksal. Die Toten erzählen ihre Geschichte. Wie wäre es, wenn es die eigene Geschichte wäre. Wie wichtig, wenn dann jemand da wäre.

Hunderttausende Gefallene wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Brandenburg gefunden. Auf den Seelower Höhen, in Halbe. An vielen Orten. Ums Leben gekommen in hoffnungslosen Schlachten. Vermutlich sind 12.000 Soldaten noch nicht identifiziert worden. Noch immer werden in jedem Jahr 300 Opfer gefunden. Die Erinnerung knüpft sich an Namen, an Orte. Die Trauer braucht Orte. Es sind Gräber – von jungen Menschen mit ihren Träumen und Lebensentwürfen, Schmerz, Entsetzen, Todesangst, 16jährige von der Schulbank in den Krieg, in den Tod, erfahrene ältere und alte Männer, kurz vor Kriegsende noch an die Front geschickt. In einen sinnlosen Kampf. Soviel Schmerz, so viel ungelebtes Leben. So viel Trauer. So viele Fragen nach dem Warum.

Die Sammlung von Gebeinen, das Wissen um die Namen auf Gedenktafeln, die Kriegsgräberstätten, die würdevollen Bestattungen - das alles hilft den Angehörigen, den Kindern, Enkeln und Urenkeln.Diese Kinder sind wir Heutigen, die wir die Bilder von Butscha, von der Front in Bachmut nicht mehr aus dem Kopf kriegen. Die Opfer vom letzten Krieg noch nicht gefunden, geborgen, bestattet, erleben wir, dass wieder Krieg ist in Europa. Nicht weit weg. Der Krieg hat unser Leben verändert.

Es muss Frieden werden. Aber wie?

Wenn wir uns das fragen, dann sehen wir klar und dringlich, was wir eigentlich wissen und was so schwer zu machen ist: Frieden beginnt zwischen den Menschen und im Dialog. An internationalen Verhandlungstischen, in Gremien, Parlamenten, Bürgerräten, Rathäusern und Regierungssitzen. An den Kriegsgräberstätten. Zwischen Staatsoberhäuptern und zwischen Bürgerinnen und Bürgern. Friedensarbeit - das ist eine lebendige humanistische Praxis für eine lebenswerte Gesellschaft – eine Praxis für den Weg von der Kriegslogik zur Friedenslogik. Zur Versöhnung, die einen langen Atem braucht. Zu dieser Friedensarbeit leistet der Volksbund, leisten Sie alle einen wichtigen Beitrag.

Oliver Breithaupt hat mir erzählt, dass manche Soldaten im Volksbund gesagt haben:
Von Halbe geht man weg mit mehr Fragen als Antworten. Mit solchen Fragen, die an die Stelle der Antworten treten, beginnt die Selbstreflexion, das Zwiegespräch mit sich selbst, in dem wir erkennen können, was gut ist, was man tun soll und was nicht, wie Hannah Arendt in ihren Vorlesungen „Über das Böse“ sagte: Dass Freiheit zu einem Müssen werden kann. Wenn man etwas tut, weil man nicht anders kann. Genauso wie man etwas nicht tut, weil man es nicht kann, weil es dem eigenen Menschsein widerspricht. Henning von Tresckow, dessen Namen die Kaserne trägt, die Männer und Frauen des 20. Juli 1944 haben es vorgelebt: Das Ethos des einzelnen Menschen – für das man sich in Freiheit entscheidet.

Zu solcher Selbstreflexion über das eigene Ethos, die eigenen Werte, die unser Handeln tragen, dazu regen Sie, sehr geehrte Soldatinnen und Soldaten mit Ihrem ehrenamtlichen Engagement im Volksbund an. Das ist ein großer und wichtiger Dienst an unserer Gesellschaft.

Dafür möchte ich Ihnen Dank sagen.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort zur Woche der Brüderlichkeit 17.04.2023

Anreden
Abgeordnete
Mike Schubert, Oberbürgermeister
Tobias Barniske, Evangelischer Vorstand, Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Potsdam
Maximilian Feldhake, Jüdischer Vorstand der GCJZ Potsdam,
Dr. Falko Neininger, Katholischer Vorstand, stellv. Vorsitzender,
Marianne Mucha, Evangelischer Vorstand,
Konrad Geburek, Katholischer Vorstand,
Potsdamerinnen und Potsdamer,
Gäste,

seien Sie alle herzlich willkommen zur Eröffnung der Brandenburger Woche der Brüderlichkeit hier in Potsdam.
Die ersten von den ca. 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Deutschland entstanden 1948/49 - nur wenige Jahre nach dem Ende der Verfinsterung, die der deutsche Nationalsozialismus über die Welt gebracht hatte. Am Anfang suchte die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit als Bürgerinitiative den Dialog Überlebender mit den Tätern. Es ist eine Gnade, ein Fest, eine Zukunftschance, dass Juden wieder mit uns leben wollen. Dass wir miteinander darüber sprechen können, wie wir miteinander leben wollen.
Die Woche der Brüderlichkeit gibt es seit 1952. Und seit 1968 wird jedes Jahr die Buber-Rosenzweig-Medaille an Menschen oder Organisationen verliehen, die sich im christlich-jüdischen Dialog außerordentliche Verdienste erworben haben. In diesem Jahr geht die Auszeichnung an die Neue Synagoge Berlin, die mit ihrer weltoffenen einladenden Arbeit Menschen zusammenbringt und sich mit hörbarer Stimme in gesellschaftliche Debatten einmischt.
Auf dem Portal der Synagoge ist in hebräischen Buchstaben ein Zitat aus dem Propheten Jesaja angebracht: »Tuet auf die Pforten, dass einziehe das gerechte Volk, das bewahret die Treue.“
Dazu passend wurde das Motto 2023 gewählt:
„Öffnet die Tore der Gerechtigkeit. Freiheit. Macht. Verantwortung.“
Öffnet Tore der Gerechtigkeit – dahinter steht die Idee, dass die Welt Gottes ein Ort ist, der für alle offensteht. Für alle – nicht nur für Juden und Christen, sondern für Menschen aller Religionen, auch für Agnostiker. Lassen Sie uns den Dialog führen, gerade in einer Zeit sich gegenseitig überlagernder Krisen - Krieg in der Ukraine, Klimakrise, wachsender Antisemitismus, Rassismus, die Anziehungskraft autokratischer Systeme, die Gefährdungen von Freiheit und Demokratie in vielen Ländern der Welt.
Dagegen stehen als Strategien der Krisenbewältigung die Klimabewegung, der Kampf um Freiheit und Demokratie in der Ukraine, im Iran, das Engagement für eine freiheitliche ökologisch verantwortungsvolle Gesellschaft der Zukunft – in Deutschland, in der Ukraine, in Israel wie in vielen Ländern der Welt. Gemeinsame Verantwortung – lokal, international, weltweit und individuell – entscheidet über unsere Zukunft.
Frieden beginnt zwischen den Menschen und im Dialog. Das Gespräch zwischen Menschen ist es, das die Tore öffnet.

Martin Bubers dialogische Philosophie, sein „Ich und Du“, Franz Rosenzweigs neue erzählende Philosophie haben vielfältige Spuren hinterlassen im Denken des 20. und 21. Jahrhunderts.
Beim Internationalen Franz-Rosenzweig-Kongress letztes Jahr in Paris trafen sich junge Wissenschaftler und Künstler aus aller Welt, um darüber zu sprechen. Wenn man Franz Rosenzweigs Rat befolgt, sein philosophisches Hauptwerk „Der Stern der Erlösung“ mutig weiterzulesen, dann gewinnt man den Eindruck, dass dieses Buch für uns Heutige geschrieben ist. Ja, es ist ein Buch für die Zukunft.
Der „Stern der Erlösung,“ 1918 geschrieben, ist ein jüdisches Buch, es behandelt das Judentum wie das Christentum, kaum ausführlicher als den Islam.
Rosenzweigs „Neues Denken“ folgt dem Weg des Menschen zum freien Handeln, zur Tat, wie er schreibt „aus der Bedingtheit des Charakters durch den leuchtenden Gnadenaugenblick der Wahl und Entscheidung, wenn Freiheit zum Müssen wird.“
Dass es sein kann, dass Freiheit zum Müssen wird, das sehen wir im Kampf der Menschen in der Ukraine, bei den Frauen im Iran. Dass Freiheit zu einem Müssen werden kann, haben wir gesehen bei den Wenigen, die sich in Deutschland an die Seite der Juden gestellt haben: Wenn man etwas tut, weil man nicht anders kann. Genauso wie man etwas nicht tut, weil man es nicht kann, weil es dem eigenen Menschsein widerspricht. Der gleiche Gedanke findet sich in Hannah Arendts Vorlesungen über das Böse. Das Ethos des einzelnen Menschen – für das er sich in Freiheit entscheidet, ein Gedanke der wie aus der Zukunft zu kommen scheint. Und für einen gläubigen Menschen ein tiefes ehrfürchtiges, Gottvertrauen, leuchtende Menschlichkeit.
Im verspäteten Nachwort zum „Stern“, das Rosenzweig erst 1925 geschrieben hat, stellt er dar, wie sich im Gespräch etwas Besonderes ereignet: etwas Neues kommt in die Welt: „Ich weiß nicht vorher, was der Andere sagen wird, weil ich nämlich auch noch nicht weiß, was ich sagen werde ...“ So schreibt er, käme es auch in den Evangelien vor. Und Martin Buber sei in seinem Buch „Ich und Du“ zu ganz ähnlichen Einsichten gekommen.

Wenn Rosenzweig davon spricht, dass Offenbarung nicht das echte Heidentum zerstört, sondern in ihm das Wunder der Umkehr und Erneuerung geschehen lässt, dass sich Offenbarung allzeit erneuert und dabei von Christentum und Judentum noch gar nicht die Rede ist, dann öffnet Rosenzweig ein Tor für alle Menschen. Das heißtg, dass sich Christentum und Judentum aus der Ummauerung ihrer Religionshaftigkeit befreien können und wieder ins offene Feld der Wirklichkeit zurückfinden. Da haben wir den Aufruf „Öffnet die Tore“ hautnah und können Mauern niederreißen oder zurückbauen, wie man heute sagen würde.
Ich denke an Emanuel Levinas Philosophie des Anderen, an Hans Jonas Prinzip Verantwortung, an Hannah Arends Vita Aktiva oder Jacques Derridas Theorien von der Gastfreundschaft, von Sprache und Differenz, lassen Sie uns das Unmögliche wagen.

Miteinander sprechen heißt die Fenster aufreißen, hatte Martin Buber einmal gesagt.
Für eine lebenswerte Welt, für unsere freiheitliche demokratische Gesellschaft. Das ist eben keine Utopie. Und wenn die Zukunft immer offen ist und nicht planbar, dann brauchen wir eine dialogische Roadmap. Zukunftsdenken - kann ein aus kollektivem Wollen wachsender Wandel werden, ein utopischer Realismus, der Vorstellungskraft und Gestaltungskraft verbindet. Utopischer Realismus und das Unmögliche als Figur der Wirklichkeit beginnen mit Antizipation, damit, dass wir ein Bild des Neuen von der Zukunft her entwerfen, von der Zukunft, in der wir leben, forschen, arbeiten wollen – als Juden und Christen, Muslime und Agnostiker, Menschen mit und ohne Zugehörigkeit zu einer Religion. Dafür aber mit unseren unterschiedlichen und zugleich verbundenen Bildern vom Menschen in seiner Freiheit und Verantwortung,

von seiner Würde, Verletzlichkeit, seiner Schönheit. Dann wird das Kommende zu einer Poetik der Transformation.

Danke, dass die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit für dieses Gespräch einen Raum öffnet. Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass dieser wertvolle Beitrag für das Gespräch über eine lebenswerte Gesellschaft noch mehr Öffentlichkeit und Ausstrahlung erlangt und dass noch mehr Menschen dazukommen und dieses Gespräch mitgestalten.

Shalom!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Rede zur Immatrikulationsfeier der Medizinischen Hochschule Brandenburg „Theodor Fontane“ am 03.04.2023

Sehr geehrter Herr Prof. Hans-Uwe Simon, (Präsident),
sehr geehrter Herr Prof. Markus Deckert, (Dekan der Fakultät für Medizin und Psychologie),
sehr geehrter Herr Prof. Johannes Lindeberger, (Professor für klinische Psychologie mit Schwerpunkt Rehabilitationspsychologie),
sehr geehrter Herr Prof. Matthias Bahr, (Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des Uniklinikums Ruppin-Brandenburg),
sehr geehrter Herr Dr. Gerrit Fleige, (Kanzler MHB),
sehr geehrte Frau Prof. Irene Hinterseher (Vizepräsidentin MHB),

sehr geehrter Herr Mario Zehle (Vorstand Stiftung der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin)
liebe Studierende,
liebe Gäste,

ich freue mich heute hier zu sein bei dieser Immatrikulationsfeier der MHB Theodor Fontane. Ich freue mich auch, Sie alle hier zu sehen, die künftigen Studierenden, ihre Eltern und Freunde, die Lehrkräfte, hier in dieser festlich-heiteren Atmosphäre, die diese Immatrikulationsfeier ausstrahlt.

Vor allem auch dank der Musik. Vielen Dank an das Berlin Jazz Ensemble für den Auftakt mit Sinatra und „Flying to he Moon“. Und die Ruppiner Kantorei erdet Sie dann wieder unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Matthias Noack.

Ich glaube, diese Feier der Immatrikulation an der MHB – das ist schon ein Momentum, ein perfekter Augenblick, in die Zukunft, in dem sich Neues schon zeigt, das noch im Werden ist.

Sie, liebe Studierende, machen sich von heute an auf den Weg, Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeuten und -therapeutinnen zu werden. Sie stehen am Anfang eines beruflichen und persönlichen Entwicklungsweges.

Und auch die MHB wächst und entwickelt sich weiter mit Jedem und Jeder von Ihnen, mit jedem neuen Jahrgang von Studierenden. Ja – nicht nur die Lehrenden, nein, Sie alle sind jetzt die MHB.

Früher hat man an Universitäten mit der Immatrikulation ein neues Bürgerrecht erlangt. Man wurde Bürgerin. Bürger der Universität.
An Ihrer Universität werden Sie lernen, forschen, Praxiserfahrungen sammeln und all das an Wissen, Kompetenzen und Gestaltungskraft erwerben, was Sie für ihre berufliche Zukunft brauchen. Sie werden Chancen nutzen, ganz neue Erfahrungen machen auf Ihrem Bildungsweg.

Diese Chancen bietet Ihnen Ihre Universität, deren Mitgestaltende, deren Bürgerinnen und Bürger Sie von heute an sind.

Ich möchte Ihnen ganz herzlich gratulieren, dass Sie sich für ein Studium der Medizin oder Psychotherapie entschieden haben und dass sich diese wirklich einzigartige Hochschule, die MHB Theodor Fontane für Sie entschieden hat.

Und ich weiß, dass viele von Ihnen schon Praxiserfahrungen in das Studium einbringen können.

Sie erleben das Glück des Helfen Könnens, die Freude, wenn Patienten wieder gesundwerden, wenn Menschen seelische Not überwinden und wieder Zuversicht finden - in scharfem Kontrast dazu: lange Dienste und Nachtschichten, viel zu viel Papierkram, zu wenig Zeit für Gespräche mit den Patienten.

Aber die existentiellen Herausforderungen sind ja doch ganz andere. Umgang mit dem Tod, mit den eigenen Grenzen – den fachlichen wie den psychischen und körperlichen.

Arzt und Psychotherapeut – das sind Berufe, aufgeladen mit hohen ethischen Erwartungen von Patienten gegenüber Medizinern und Therapeuten wie den Erwartungen der Ärzte und Psychotherapeuten an sich selbst. Ich finde, das sind Berufungen.

Ein Momentum ist dieser Tag, diese Immatrikulationsfeier, auch für unser Land.
Wir brauchen viele gute Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Brandenburg.

Mit der MHB und ihren Universitätskliniken - dem Immanuel Klinikum Bernau, Herzzentrum Brandenburg, der Immanuel Klinik Rüdersdorf, den Ruppiner Kliniken und dem Städtischen Klinikum Brandenburg, mit mehr als 35 kooperierenden Krankenhäusern und mehr als 170 Lehrpraxen -bietet die MHB eine moderne praxisorientierte und wissenschaftsbasierte Mediziner- und Psychotherapeutenausbildung in Brandenburg.

Darauf können wir wirklich stolz sein in Brandenburg. Mit der MHB haben wir eine medizinische Universität, die mit ihrer gemeinnützig-unternehmerischen Struktur aus Kommunen, Krankenhäusern und Diakonie seit 2014 einen wachsenden Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung des Landes, zur Zukunft der Gesundheitsversorgung in Brandenburg leistet.
60 neue Ärzte und Therapeuten haben schon Ihr Studium an der MHB abgeschlossen. 2/3 von ihnen arbeiten in Brandenburg.

Sie, liebe Studierende, haben eine gute Entscheidung getroffen.

Die MHB ist eine Hochschule, die mutig neue Wege geht, die seit Ihrer Gründung Neuland betritt, die als Ausbildungsort für Mediziner und Therapeuten fachliche Ausbildung und Persönlichkeitsentwicklung verbindet, und mit Forschungsthemen wie Versorgungsforschung und Gesundheitssystemforschung an dringenden gesellschaftlichen Fragen arbeitet.

Ein Momentum, wie wir es heute hier erleben bei dieser Immatrikulationsfeier, das heißt ja auch, dass alles da ist, was zum Gelingen notwendig ist, was da sein muss, damit sich Erfolge einstellen. Heilungserfolge, Lernerfolge, Erfolge in der Ausstrahlung und im Wirken dieser ersten und bisher einzigen medizinischen Universität in Brandenburg.

Wenn in Cottbus in den nächsten Jahren eine weitere medizinische Universität entsteht, gehe ich davon aus, dass sich Forschungskooperationen und ein lebendiger Austausch entwickeln werden - auch mit der Universitätsmedizin an der anderen Seite der Grenze zum Nachbarland Polen. Ich gehe davon aus, dass es uns in Brandenburg gelingt, ein Gesamtkonzept und innovative lernende Strukturen der Universitätsmedizin zu entwickeln.

Das Momentum öffnet den Blick in die Zukunft. Ich stelle mir vor, dass wir in Brandenburg ein in seinem Umfang angemessenes Landarztprogramm auf den Weg bringen wie es das schon in Hessen, Bayern, NRW gibt, und dass viele von Ihnen, die heute ihr Studium an der MHB beginnen, später einmal im ländlichen Raum Brandenburgs glücklich arbeiten und leben werden.

Ich stelle mir vor, dass wir in Brandenburg innovative Konzepte der Gesundheitssystemforschung und Versorgungsforschung mit Leben erfüllen, damit jede Brandenburgerin, jeder Brandenburger sich darauf verlassen kann, ärztlichen oder therapeutischen Rat zu finden, ebenso Angebote der Gesundheitsvorsorge und Prävention, und dass bei einem Unfall, einem Schlaganfall oder Herzinfarkt der Notarzt rechtzeitig kommt. Patienten und Ärzte, Klienten und Therapeuten kooperieren miteinander in partnerschaftlichen Beziehungen auf Augenhöhe, es gibt KI-gestützte Diagnose- und Behandlungsmethoden, eine individualisierte Medizin, die Gesundheit und Wohlergehen neu denkt - vom einzelnen Menschen aus, von seiner Freiheit und seinen Lebenszusammenhängen mit der Gesellschaft und ihrem Ökosystem.

Das alles vorgedacht, hier in Neuruppin an der MHB, vielleicht auch an weiteren Standorten - in Cottbus und in Kooperationen mit polnischen Universitäten und Uni-Kliniken.

Klingt das utopisch? Ich finde nicht. Klar, Zukunft ist immer offen und nicht planbar. Aber wir brauchen eine Roadmap.

Zukunftsdenken kann viel konkreter sein als Utopie – kann ein aus kollektivem Wollen wachsender Wandel werden, Vorstellungskraft und Gestaltungskraft verbinden.

Das beginnt mit Antizipation, damit, dass wir ein Bild des Neuen von der Zukunft her entwerfen, von der Zukunft, in der wir leben, forschen, arbeiten wollen. Mit exakter Wissenschaft, Annahmen, Hypothesen, Theorien, aber auch mit Wünschen, hinter denen Werte stehen, von denen wir uns leiten lassen, unser Bild vom Menschen in seiner Freiheit und Verantwortung, die Würde des einzelnen Menschen. Dann wird das Kommende zu einer Poetik der Transformation.

Wenn wir hier heute an der MHB zur Immatrikulationsfeier ein Momentum erleben, wenn wir von dem perfekten Augenblick sprechen, in dem sich der Blick in die Zukunft öffnet und in dem sich Neues schon zeigt, das erst im Werden ist, ist dieser Blick auf das Kommende weit, aber nicht weit hergeholt.

Liebe Studierende, ich wünsche Ihnen, dass Sie sich selbstbewusst, zuversichtlich, mit Freude und mit diesem weiten Blick auf den Menschen und auf eigenes Tun – mit Ihren Wünschen, Ihrer Motivation und Ihrer Präsenz auf den Weg machen mit Ihrer persönlichen Roadmap für das noch Unbekannte, das heute beginnt – Ihr Studium an der MHB.
Und wenn der Blick mal eng wird, gucken Sie auf das Wasser im Ruppiner See bei Parzival, im Tornow-See, im Schlabornsee, im durch Fontane bedeutenden Großen Stechlin, im Rheinsberger See mit der Remusinsel, im Gudelack-See, am Wutzsee mit der schönen Legende von einer aus Klostermauern zu ihrem Geliebten geflohenen Nonne….
Das ist doch was! Bei so viel weitem Wasser und wundersamen Legenden tief in die Geschichte hinein kann einem der Blick nicht eng werden! Ein Bootchen wär‘ nicht schlecht!

Finden Sie heraus, warum Teufelsbutter nach Dranse gehört, wie Ruppiner Kräuterlikör schmeckt und was es mit der schönen Sabine von Kronprinz Friedrich auf sich hat, der ihren Ort als König „Binenwalde“ nannte. Spannend!

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Zuversicht und auch Geduld und Durchhaltevermögen. Ihre Lehrkräfte freuen sich auf Sie und werden Sie mit großem Engagement und reicher Expertise in Wissenschaft und Praxis begleiten.

Brandenburg freut sich auf Sie!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Begrüßung Landesfinale „Jugend debattiert“ am 30. März 2023

Anrede
- Ministerin Britta Ernst,
- Abgeordnete,
- Schülerinnen und Schüler
(wird aktuell ergänzt)

ich begrüße euch alle herzlich zum Landesfinale „Jugend debattiert“. Heute findet im Landtag ein
ungewohnter Redewettstreit statt. Ohne dass sich das Parlament zur Sitzung trifft. Im Herzstücke der
Demokratie, im Plenarsaal, werden die besten Rednerinnen und Redner dieses tollen Schülerwettbewerbes
ermittelt.
Und eigentlich gehört ihr ja alle schon heute zu den Gewinnern dieses Wettbewerbs. Denn Ihr habt es bis in
das Landesfinale geschafft. Ihr habt euch schon in vielen Debatten gut behauptet und schon so manche
schwierige Frage diskutiert. Und - Ihr seid ALSO JETZT SCHON die besten jungen Rhetorikerinnen und
Rhetoriker unseres Landes. Ich freue mich, Euch hier zu sehen.
Wer genau weiß, wovon er spricht, wer von sich und seinem Programm überzeugt ist, spricht besser.
Das ist eine rhetorische Grundregel, die mich persönlich überzeugt. Sei deiner Sache sicher, dann kommen die
Worte von selbst.
Tatsächlich ist Redekunst ein mächtiges Mittel. Es gibt die politische Rede der „vernünftigen“ Argumente, es
gibt aber auch Redekunst als Mittel der Polarisierer und Demagogen. Deshalb führt die Redekunst allein noch
nicht zur Demokratie.
Worauf es ankommt, ist eine offene Debatte geprägt von gegenseitigem Respekt. Besser als Voltaire, dem
dieses Zitat zugeschrieben wird, kann man es nicht sagen: „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich
würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“
Der Grad der Bereitschaft zur offenen Debatte ist jedoch auch in unserer offenen Gesellschaft manchmal
schmal. Auch hier im Landtag. Das zeigt die zunehmende Anzahl der Ordnungsrufe, die ich während einer
Plenarsitzung erteile, um eine offene Debatte während der Sitzungen des Parlaments ohne gegenseitige
Beleidigungen zu führen.
Die offene Debatte im Parlament wird nicht nur durch die Verletzung formaler Regeln des gegenseitigen
Respekts und Anstands bedroht.
Ihr stellt Euch sicher auch die Frage, wie kann ein Parlament offen und zukunftsorientiert debattieren, wenn
wissenschaftlich begründete Erkenntnisse, beispielsweise zum Klimawandel, von Abgeordneten geleugnet
werden. Wie kann in einem solchen Fall offen für den richtigen Weg und für eine vernünftige Lösung
gerungen werden?
Dazu kommt in letzter Zeit noch ein anderer Einwand: Ist das Parlament als Ort der offenen Debatte vielleicht
einfach zu langsam, um eine Klimakehrtwende einzuleiten? Politische Prozesse dauern ja manchmal
Jahrzehnte. Gegenfrage: wer soll an Stelle des Parlaments entscheiden? Vielleicht ein Expertenrat? Wer
entscheidet dann darüber, wer Experte ist und wer nicht?
Die Antwort ist klar: Poltische Verantwortung ist an ein gewähltes Parlament gebunden. Ungewählte
Entscheidungsträger können nicht per Wahl zur Verantwortung gezogen werden.
Natürlich ist das Hinterfragen etablierter Formen der Politik gerechtfertigt. Dies bedeutet aber keinen
Freibrief für die Herabsetzung der einzigen Institutionen, die tatsächlich über demokratische Legitimation
und politische Steuerungsmöglichkeiten verfügen:
die frei gewählten Parlamente.
Ganz im Sinne Voltaires möchte ich Euch ermutigen: Redet mit, mischt euch ein und bleibt auch nach dem
Landeswettbewerb weiter am Ball. Bringt euch und Eure Redekunst in die Politik für ein demokratisches
Gemeinwesen ein. Mit der gleichen Leidenschaft wie für „Jugend debattiert“.
Ich denke, Ihr seid für die heutige Schlussrunde gut vorbereitet.
Für die Finalrunden heute wünsche ich euch viel Erfolg, viel Freude und gutes Gelingen!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke zur Podiumsdiskussion
Baukultur 2023 - Von der baubezogenen Kunst zum Klimaplan Brandenburg“
am 28. März 2023 um 18 Uhr im Plenarsaal des Landtages

Anrede,

einige unter Ihnen haben soeben an einer Führung durch unsere Jahresausstellung über Baubezogene Kunst aus der DDR im Land Brandenburg teilgenommen. Von der Baubezogenen Kunst zu den Themen des Klimaplans Brandenburg scheint es ein weiter Bogen zu sein. Doch er lässt sich spannen, wenn wir zurücktreten und uns auf eine Zeitreise einlassen, die uns an den Anfang des 20. Jahrhunderts führt.

Für die Baukunst stellt sich die Frage, ob sie eher vom Bau oder eher von der Kunst handeln soll. Diese Frage beantwortete Alfred Loos, Architekt, Architekturkritiker und Kulturpublizist und Wegbereiter der Moderne, im Jahr 1910, wie folgt:

„Das Haus hat vor allem zu gefallen. Zum Unterschiede vom Kunstwerk, das niemandem zu gefallen hat. Das Kunstwerk wird in diese Welt gesetzt, ohne dass ein Bedürfnis dafür vorhanden wäre. Das Haus deckt ein Bedürfnis. Das Kunstwerk ist niemandem verantwortlich. Das Haus einem jeden.“

Mit diesem modernen Satz sagte Alfred Loos allem überflüssigen Zierrat den Kampf an. Ornamente bedeuten für Loos Vergeudung von Arbeitskraft, Material und am Ende Kapitalvernichtung. Ein Überdruss wird in seinem Zitat sichtbar, der sicher mit dem im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert verbreiteten Phänomen zu tun hat, bei dem Architekten und Künstler vorzugsweise auf Stilrichtungen vergangener Jahrhunderte zurückgriffen, Historismus genannt. Hierzu gehörten stilistische Unterarten wie beispielsweise die Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance, der Neobyzantinismus und der Neobarock. Eine Antwort darauf war die Reformarchitektur, eine Gegenbewegung, die später vom Jugendstil in die klassische Moderne mündete.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie es die DDR mit der baubezogenen Kunst hielt. Die aktuelle Ausstellung im Landtag zeigt, welche Aufgabe die Kunst am Bau in der DDR hatte: Der bildkünstlerischen Ausstattung der Stadtzentren und Wohngebiete kam eine bedeutende Rolle zu. Ihrer Bestimmung nach war sie jedoch nicht bloß schmückendes Element, Ornament in der Sprache von Loos, sondern hatte politische Botschaften beziehungsweise idealisierte Bilder einer von Grund auf neu zu entwickelnden sozialistischen Gesellschaft zu vermitteln. Das Anliegen, einen „neuen Menschen“ zu schaffen, war schließlich allen Ideologien des 20. Jahrhunderts gemeinsam. Architektur wurde zum effektiven Werkzeug, um die neue Gesellschaft zu formen. Und es ist klar, dass sich die Architektur und damit auch die Kunst am Bau einer solchen totalitären Atmosphäre nicht entziehen konnte.

Wenn wir heute über baubezogene Kunst in der Architektur und Stadtplanung sprechen, geht es weder um Ornament noch um politische Botschaften im Fassadendekor. Vielmehr geht es darum, demokratische, architektonische und stadtplanerische Antworten auf die Herausforderungen der Klimakrise und der Ressourcenknappheit zu finden. Bauen und Klimaschutz müssen dabei immer auch sozial gedacht werden. Die jüngst von der Bundesbauministerin und der Umweltministerin auf Bundesebene gemachten Vorschläge gehen dahin, den vorhandenen Gebäudebestand wo immer möglich zu erhalten oder sinnvoll umzubauen oder umzunutzen. Oder wie es die Kommission Nachhaltiges Bauen am Umweltbundesamt zusammenfasst: „Sanieren im Bestand ist Schlüssel für mehr bezahlbaren Wohnraum und ⁠Klimaschutz.“ Neuer Wohnraum im Bestand spart Rohstoffe und schützt die freie Landschaft vor weiterer Zersiedlung. Auf Klimastandards zu verzichten ist dabei schon auf kurze Sicht unrentabel und schadet nachfolgenden Generationen. Klimaschonende Gebäude und Außenbereiche mit hoher gestalterischer und Aufenthaltsqualität – nur das garantiert auf Dauer attraktiven Lebensraum. Die Mittel des Nachhaltigen Bauens bieten hier Instrumente und Planungsansätze, für deren Verankerung in der Breite jetzt eine einmalige Chance besteht. Ein Beispiel: Grünflächendefizite können durch Fassaden- oder Dachbegrünungen kompensiert werden. Dies zeigt: Die Fassade wird nun zur Klimafläche. Oder anders formuliert: Das Haus hat zu dienen, nämlich dem Klimaschutz. Dadurch entsteht attraktiver Lebensraum, womit das Haus ein Bedürfnis deckt. Und an dieser Stelle sind wir wieder bei Alfred Loos und der Grundidee der Moderne: Die Form folgt der Funktion.

Nun bin ich gespannt, welche Resonanzen für Sie von unserer Jahresausstellung für die heutige Veranstaltung „Von der baubezogenen Kunst zum Klimaplan Brandenburg“ ausgehen und freue mich auf die Diskussion.

Zunächst aber wird uns Axel Drieschner vom Museum für Utopie und Alltag eine Einführung zum Thema „Baubezogene Kunst in Brandenburg“ geben. Anschließend hören wir die Keynote von Prof. Thomas Will von der TU Dresden und der Sächsischen Akademie der Künste zum Thema „Wovon unsere Bauten, Dörfer und Städte erzählen“.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Tagung Führungskreis Bundeswehr im Landtag, 27./28. März 2023
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke am 28.03.23

Anrede,

im Brandenburger Landtag möchte ich Sie herzlich willkommen heißen.
Es ist uns eine Ehre, dass Sie als Kommandeure der Streitkräfte ihre Tagung in unserem Landesparlament veranstalten.

Brandenburg und seinen Landtag verbindet seit 1990 eine enge Partnerschaft mit der Bundeswehr:

Sie ist mit zahlreichen Standorten im ganzen Land präsent, von Prenzlau im Norden bis Doberlug-Kirchhain im Süden, von Frankfurt (Oder) bis Brück. Am Schwielowsee ist das Einsatzführungskommando beheimatet, in Strausberg das Heereskommando.

So profitiert die Bundeswehr mit ihren Einrichtungen auf Brandenburger Boden auch von der Nähe zur politischen Führung in Berlin; und Brandenburg profitiert ebenfalls von dieser räumlichen Nähe zur Bundeshauptstadt. Es ist zum beiderseitigen Nutzen. Und nebenbei wissen sich Brandenburg und Berlin gut geschützt.

Brandenburg hat zwar keine Küste und keinen Seehafen. Aber seit fast 30 Jahren ((1994)) pflegen das Land und der Landtag die Partnerschaft mit der Fregatte „Brandenburg“. Der Kapitän und seine Besatzung sind regelmäßig hier zu Gast, und wir erfahren so aus erster Hand, wie es den Soldatinnen und Soldaten im Einsatz geht.

Solche Kontakte sind wertvoll, denn die Bundeswehr ist ((nach dem Aussetzen der Wehrpflicht)) weiterhin in der Mitte der Gesellschaft fest verankert; dafür treten auch wir als Parlamentarier nachdrücklich ein und freuen uns über den guten Austausch.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt, wie wichtig eine leistungsfähige, in der Bevölkerung und den Regionen verwurzelte und anerkannte Armee ist. Und in Brandenburg genießt die Bundeswehr überall hohes Ansehen.

Das bezeugt schon eine Zahl aus dem vergangenen Jahr: 674 junge Frauen und Männer aus Brandenburg haben 2022 unter dem Eindruck des Krieges ihren Dienst bei der Bundeswehr angetreten. Das waren 179 mehr als im Vorjahr – ein klarer Anstieg, trotz der sonstigen Probleme, Nachwuchs zu finden.

Der gute Ruf der Bundeswehr in Brandenburg rührt auch daher, dass sie bei elementaren Krisen in der Region immer zur Stelle ist und hilft:

- bei Hochwasser und Überschwemmungen, von denen wir zum Glück in den vergangenen Jahren weitgehend verschont geblieben sind;

- bei großen Waldbränden, die dafür leider umso häufiger auftreten und immer schwieriger allein von der Feuerwehr unter Kontrolle zu bringen sind;

- im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest bei der Einrichtung von Sperrzonen;

- und nicht zuletzt in der Corona-Pandemie: Tausende Angehörige der Bundeswehr haben in zahlreichen Brandenburger Kommunen die überlasteten Gesundheitsämter unterstützt oder in Impfzentren für den Immunschutz der Bevölkerung gesorgt.

Die Bundeswehr ist tief verwurzelt in der Region, und die Menschen in Brandenburg wissen ihre Leistungen sehr zu schätzen – und sie wissen, dass die allerwichtigste Aufgabe der Soldatinnen und Soldaten, die Landesverteidigung, Rückhalt in der Bevölkerung braucht. Den haben Sie!

Anrede,

Einen besonderen Dank möchte ich Oberst Detlefsen aussprechen, der für uns ein engagierter, freundlicher und verlässlicher Ansprechpartner ist. Das Protokoll des Landtags, dem ich bei dieser Gelegenheit ebenfalls danke, kann das bestätigen.

Ihnen allen wünsche ich ein gutes, erfolgreiches Treffen im Landtag und hoffe, dass Sie zahlreiche Anregungen und Eindrücke von hier mitnehmen an Ihre Standorte.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der (Haupt-)Personalräte der obersten Landesbehörden, 20.03.23 im Landtag Grußwort von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Liebe Frau Soheam, liebe Personalräte,

herzlich willkommen im Landtag Brandenburg! Meines Wissens ist es das erste Mal, dass ein Treffen der Arbeitsgemeinschaft hier im Landesparlament stattfindet.

Das verdanken wir Frau Soheam, die seit dem vergangenen Jahr Vorsitzende des Personalrates im Landtag ist und zudem als Sprecherin Ihrer Arbeitsgemeinschaft fungiert. Ich habe vor diesem großen Engagement hohen Respekt, vielen Dank dafür!

Dank und Respekt gehen auch an Sie alle und an Ihre Kolleginnen und Kollegen in den öffentlichen Verwaltungen.

Herrschaft ist im Alltag primär: Verwaltung.“

Max Weber (1864 - 1920) hat das gesagt, ein Gründervater der Verwaltungsstruktur, Soziologe. Es geht um den Alltag, um das tägliche Erleben der Umsetzung von politischen Entscheidungen. Die können gut und richtig sein, aber vielleicht nicht für alle Menschengruppen gleichermaßen. Sie können auch noch lückenhaft sein und erweisen sich in der Umsetzung eben nicht als alltagstauglich. Oder sie sind schwer verständlich und bedürfen geduldiger Erläuterung. Sie sind in jedem Falle menschengemacht, von Menschen für Menschen. Und die Verwaltung setzt die politische Entscheidung um.

Wie wünschen Sie sich in als Bürger Ihre Verwaltung?
- Freundlich, korrekt, gerecht, zugewandt, offen, engagiert, nicht ganz so streng, kommunikativ, kooperativ, grundoptimistisch, glücklich. Das mit dem Glück ist jetzt nicht von mir. Aristoteles definiert Glück als gut leben und gut handeln, Glück als Ziel des Lebens. Und die Philosophie streitet ausführlich darüber, ob ARBEIT glücklich macht.

Die Antwort muss jeder selbst finden. Ich sage JA. Und dann kommen die Rahmenbedingungen der Arbeit – nicht ganz so früh bitte, ohne Stau, freundliche Gesichter am Arbeitsplatz, bestimmt von Gerechtigkeit, Mäßigung, Mut und Weisheit. Ups, da sind sie, die 4 antiken Tugenden 2023, am Internationalen Tag des Glücks, das ist heute, am Tag des Frühlingsanfangs! Ihre Sitzung kann an solch einem Tag nur doppelt gut werden.

Die Menschen im Land Brandenburg und ihre Verwaltungen verbindet eine Partnerschaft – nicht immer geliebt, manchmal gern ein bisschen unkomplizierter, notwendig, das ist klar. Dabei stehen alle gemeinsam vor gleichen Herausforderungen: Fachkräftemangel, Digitalisierung, und aus dieser Ballung an Aufgaben das Ziel einer Arbeits-und Lebens- Balance – damit arbeiten beglückt und Spaß macht.

Ganz alltäglich praktisch heißt das:

Lassen Sie uns die Berufe in den Verwaltungen der Ministerien und des Landtages attraktiv für junge Leute darstellen, denn das sind sie – attraktiv.

Lassen Sie uns Digitalisierung begreifen wie die Jüngsten, als Chance.

Und lassen Sie uns gemeinsam Wege finden, die Ihre Arbeit und Ihr Leben in Einklang bringen. Dafür sind Personalräte da, dafür müssen wir einander zuhören und Lösungen finden.

Ich wünsche Ihnen erfolgreiche Beratungen und gute Ergebnisse, herzlichen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort zu den Neuhardenberger Tagen für hauptamtliche Bürgermeister und Amtsdirektoren
Prof. Dr. Ulrike Liedtke,
15. März 2023

(Anreden)
Herr Dr. Herrmann,
Herr Graf
Liebe Magalin Censier,
Bürgermeister,
Amtsdirektoren!

Ich freue mich, Sie heute Abend zu begrüßen. Besonders begrüßen möchte ich Magali Censier, Bildungsattachée der Kulturabteilung der Französischen Botschaft/Institut francais Deutschland.

Schloss Neuhardenberg ist für die Kommunalpolitik ein symbolischer Ort. August von Hardenberg brachte mit den Preußischen Reformen die kommunale Selbstverwaltung auf den Weg. Eine moderne Idee, die auch heute in unserem demokratischen Gemeinwesen noch weiterwirkt.

Sie, sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Amtsdirektorinnen und Amtsdirektoren halten mit Ihrer Arbeit diese Idee der kommunalen Selbstverwaltung lebendig. Und das in einer Zeit multipler sich überlagernder Krisen, die sich gegenseitig noch verstärken.

Jürgen Habermas, der 93jährige Philosoph, spricht von „Verstrickungszusammenhängen“, in denen wir Gefahr laufen, mutlos zu werden. Weil es immer schwerer wird, sich überhaupt noch ein Bild zu machen von den Verhältnissen und zu vernünftigen Urteilen zu kommen.

Wenn wir auf die Energiekrise mit fossilen Energieträgern reagieren, nehmen wir mehr CO2-Ausstoß in Kauf. Wenn wir die Klimakatastrophe verhindern wollen, riskieren wir die Energiekrise. Wir wollen Frieden in der Ukraine und liefern Waffen. Wir wollen, dass Menschen, die vor Krieg und Terror geflohen sind, bei uns Schutz finden und geraten an infrastrukturelle Überforderungen für alle.

Wie können wir als Gesellschaft in dieser Lage wieder Sinn stiften? Wie können wir unser politisches Handeln in Kommunen, Land. Bund und in Europa so ausrichten, dass sich Gesellschaft weiterentwickelt, dass eine soziale ökologische demokratische Gesellschaft auch in Zukunft möglich wird?

Die Pandemie, hatten wir gesagt, sei die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Dann kam der Überfall Russlands auf die Ukraine. Ein Krieg, den wir nicht für möglich gehalten hatten. Ein Krieg nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen das Völkerrecht, das moderne Europa, gegen die Werte der internationalen Gemeinschaft, der Zivilgesellschaft und Demokratie an sich. „Nie wieder Krieg“ wurde zu einem uneingelösten Versprechen. Viele von uns haben Bertolt Brecht gelesen: „Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft.“

Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden. Unseren Wunsch nach Frieden und Verhandlungen können wir nicht aufgeben, auch wenn gerade fast alles dagegenspricht. „Friede muss fortwährend gestiftet werden“, sagt Kant. Ich denke, wir waren nachlässig im Umgang mit dem hohen Gut des Friedens, zu unentschlossen, wer zu Europa gehört und zu uninteressiert an den Problemenosteuropäischer Länder. Jede Friedensinitiative ist gut und darf nicht zerredet werden bevor ihr Plan überhaupt vorliegt.

Die Hilfsbereitschaft der Menschen in Brandenburg ist nach wie vor groß. Geflüchtete werden versorgt, Kinder beschult. Für Kummer, Leid und die Sehnsucht nach Hause gibt es kein Hilfs-Programm.

In dieser komplexen Krisensituation als Bürgermeister, als Amtsdirektor Verantwortung für die kommunale Selbstverwaltung zu tragen, besonnen und zukunftsorientiert zu handeln, tragfähige Lösungen zu finden, Konflikte zu bearbeiten - das ist die Herausforderung, der Sie sich stellen, jeden Tag wieder, entschieden, verlässlich, mit vollem Einsatz.

Ich empfinde große Hochachtung vor Ihrem Engagement für unser Land und finde, dass dieses Engagement viel mehr Anerkennung in unserer Gesellschaft verdient, als ihm bisher zuteilwird. Ich freue mich über die Gelegenheit, Ihnen das heute zu sagen, da so viele Bürgermeister und Amtsdirektoren mir gegenübersitzen. Wenn wir in Brandenburg bisher ganz gut durch die Krisen gekommen sind, wenn wir Krisenkompetenz und Resilienz erworben haben, dann ist das wesentlich Ihr Verdienst, liebe Bürgermeister und Amtsdirektoren. Das verdient einen großen Dank.

Sie gestalten die Wirklichkeit kommunaler Selbstverwaltung in Brandenburg in dieser schwierigen Zeit. Sie erfüllen Pflichtaufgaben und entwickeln Lebensqualität, halten die schwierige Balance zwischen den Prioritäten, finden demokratisch erarbeitete Lösungen in den lokalen und landesweiten Spannungsfeldern. Dabei ist der Brandenburgische Städte- und Gemeindebund ein wichtiger Partner. Deutlich wird: Kommunale Selbstverwaltung setzt voraus, dass Kommunen nicht alleingelassen werden von Land und Bund, sondern einbezogen werden müssen als Partner.

Kommunen sind Orte der Vielfalt und Diversität. Städte, Gemeinden, Ämter sind Kraftzentren und Praxislabore der Demokratie, Forschungsstellen für demokratisches Handeln der Zukunft. Theodor Adorno, der Vater der Kritischen Theorie, verstand die Stadt, die Kommune als einen sozialen Organismus, in dem sich alle Probleme unserer Wirtschaftsordnung, Lebensweise, unserer Demokratie wie in einem Brennspiegel konzentrieren, als einen Ort, an dem alle Sehnsüchte, Meinungen, Träume, Temperamente aufeinandertreffen und so den Boden bereiten für neue Denk- und Lebensmöglichkeiten.

Ja, wir können Kommune neu denken als Modell für das, was im Großen eine künftige Weltordnung sein kann, in der die Menschheit überleben kann und wo Menschen ohne Angst verschieden sein können. Wenn ich jetzt etwas Pathos in die Sache bringe, dann weil ich diese Einsicht wichtig finde, weil nicht zu übersehen ist, dass wir mit Lösungen aus der Vergangenheit in den aktuellen Krisen nicht weiterkommen. Das Neue, das entstehen will, ist ja oft schon als Keim schon in der Gegenwart zu entdecken.

An drei Themen möchte ich das konkret darstellen:
1. Schutz der Flüchtlinge als aktuelle Aufgabe
2. Fachkräftemangel und
3. Kommunen als Zukunftsmodell

Es ist eine Tatsache, dass sehr viele Menschen bei uns Schutz suchen vor dem Krieg in der Ukraine. Vor Gewalt gegen Frauen im Iran, Terror in Afghanistan, Myanmar und vielen Orten der Welt. Genauso wie es eine Tatsache ist, dass Integration Infrastruktur erfordert, Kitaplätze, Schule, Ärzte, Dolmetscher, Psychotherapeuten, und Wohnraum.

Kommunen müssen wichtige Vorhaben zurückstellen für die Integration von Geflüchteten. Aber es stimmt auch, dass wir die Offenheit gegenüber Geflüchteten und Selbstverständlichkeit zu helfen, auch in schwierigen Zeiten nicht aufgeben dürfen, dass wir Menschen, die bei uns Schutz suchen, auch in Zukunft gastfreundlich aufnehmen, dass wir Wege suchen, wie Integration gelingen kann mit dem, was wir haben und mit dem, was wir kurzfristig und auf längere Sicht entwickeln können. Jeder Sozialarbeiter wird die Unterbringung in Wohnungen gegenüber Heimen bevorzugen. Im ländlichen Raum stehen Wohnungen leer. Eine Finanzierung dieser Wohnungen fördert die Flüchtlinge und zugleich städtische Wohnungsgesellschaften. Ständig erreichen mich Mails von Menschen, die ihre Ferienwohnungen zu Verfügung gestellt haben oder noch zur Verfügung stellen wollen. Die Finanzierung der Vermietung ist nicht sichergestellt.

Niemand kann mir erzählen, dass der Bau von Flüchtlingsheimen kostengünstiger ist als die Vermietungskosten vorhandener Wohnungen städtischer Gesellschaften und von Ferienobjekten.

Gerade zurück von einer Reise in unsere Partnerwojewodschaften Masowien und Niederschlesien stehe ich noch unter dem Eindruck der Offenheit und Selbstverständlichkeit der Menschen dort, die Geflüchtete aus der Ukraine gastfreundlich in ihre Häuser und Wohnungen aufnehmen und mit Arbeit versorgen.

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Unter den Flüchtlingen sind Fachkräfte. Berufsanerkennungen, Meisterbriefe im Handwerk, Lehrerqualifikationen unterliegen deutschen Maßstäben. Aber wir haben keine normale Zeit! Oft organisieren sich Geflüchtete selbst, kennen ihre Fachlichkeit. Das können wir unterstützen, Räume und Sachmittel bereitstellen. Dazu gehört ein ausgewogenes Verhältnis zwischen deutscher Schulpflicht und ukrainischem online-Unterricht ebenso wie die Zusammenarbeit mit einer Ärztin, Kindergärtnerin oder Bäckerin.

Die Integration in den Arbeitsmarkt hat höchste Priorität, auch wenn eine auseinandergerissene Familie mit Frauen und Kindern nicht bleiben wird. Akzeptanz für Flüchtlinge wächst durch Miteinander, bei der Arbeit, in der Willkommenskultur, auf dem Spielplatz. Sie wächst nicht, wenn aktuell für 3.000 Menschen Wohncontainer in Frankfurt und Eisenhüttenstadt aufgestellt werden sollen. Wie gesagt, Wohnungen im ländlichen Raum stehen leer. Aber: es macht mehr Arbeit, Menschen auf Wohnungen zu verteilen und zu betreuen als sie gesammelt unterzubringen.

Wir brauchen gute, auch ganz individuelle Konzepte vor Ort für Integration und Fachkräfte.

Der Fachkräftemangel schränkt nicht nur Leistungen der Industrie oder des Handwerks ein, er betrifft auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Verwaltungen. In Verwaltungen arbeiten überwiegend Frauen. Unvorstellbar ist es, dass Frauen in Leitungspositionen 2022 in Brandenburg 16 % weniger verdienten als die Männer. Unvorstellbar ist auch, dass Frauen wie Männer im Osten Deutschlands 20 % weniger verdienen als Frauen und Männer im Westen Deutschlands. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der Abwanderung ist dies ein besonders ernstzunehmendes Thema, zumal mit den Frauen auch Kinder und zukünftige Kinder abwandern. Ein Thema für uns Frauen, ein Thema für die Gewerkschaften, ein Thema für die Politik.

Kommunen als Zukunftsmodelle einer neuen Weltordnung – das klingt utopisch. Kommunen sind Orte der Verständigung, hier gibt es kurze Wege zwischen Politik und Bürgerinnen und Bürgern. Hier werden Erfahrungen ausgetauscht. Hier bestehen die größten Möglichkeiten, sich einzubringen, mitzugestalten undetwas zu bewirken. Das gelingt am besten, wenn Menschen ihr soziales Kapital zusammenbringen – in Vereinen, Projekten, Initiativen; wenn Bürgermeister und Amtsdirektoren eng zusammenarbeiten mit ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Zivilgesellschaft, wenn bürgerschaftliches Engagement systematisch gefördert wird. Es sind die Verbände und Vereine, die die Gesellschaft in schwierigen Zeiten zusammenhalten. In Bayern ist übrigens das Ehrenamt Staatsziel. Ich finde, das ist nicht nur Makulatur.

Wir brauchen eine Kultur der Wertschätzung und des Respekts für das Ehrenamt.

Ich bin fest davon überzeugt: Die Teilhabe von möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern ist ein Schlüssel für die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung und für eine starke politische Position der Kommunen im Land, im Bund und in Europa. Und diese starke Position der Städte und Gemeinden ist in Zeiten multipler, sich überlagernder Krisen, in Zeiten des Krieges in Europa wichtiger denn je. Und – die Gremien werden sich in den nächsten Jahren stark verjüngen, wenn wir die Schülerinnen und Schüler auf kommunalpolitische Ämter vorbereiten. Diese Generation hat ihre Lebensaufgabe im Klimaschutz gefunden wie wir Älteren sie in der Einheit Deutschlands gefunden haben.

Mit Umbrüchen haben wir Ostdeutschen Erfahrung. Wir können die Zeit der Zumutungen mit Mut aufladen. Wir haben gelernt, dass die Chancen für Neues in Krisen entdeckt werden können.

Eine der Chancen von Umbruchsituationen liegt darin, auf Unübersichtlichkeit, Unvorhersehbarkeit der Ereignisse, Undurchschaubarkeit der Verhältnisse mit ihrem Gegenteil zu reagieren: Mit Verlässlichkeit. Mit der Vorhersehbarkeit von persönlichen, politischen und gesellschaftlichen Vereinbarungen, die Bestand haben. Wir tun, was wir sagen. Wir sind verlässlich in dem, was wir vereinbart haben. In der Kommunalpolitik ist diese Verlässlichkeit eine oft geübte Praxis.

Dafür brauchen wir ressortübergreifende Kommunikationsnetzwerke von Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, partizipative Gesprächsformate zwischen Land und Kommunen und mit dem Bund, auf europäischer Ebene – in unterschiedlichsten Formaten, die wir in den Kommunen selbst bestimmen können.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Eröffnung der Foyerausstellung „Emil Krebs – Ein Leben für die Sprachen“, 14. März 2023 (PK-Raum E.060)
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Anrede,

im Brandenburger Landtag heiße ich Sie alle herzlich willkommen.
Dobry wieczór, witam - Emil Krebs hätte das gesamte Grußwort in polnischer Sprache halten können. Damit sind wir gleich beim Thema:
Eine Ausstellung über ein Sprachengenie.

Schon mit neun Jahren lernte Emil Krebs, 1867 geboren in Schlesien, seine erste Fremdsprache: Er hatte in seiner Dorfschule ein Wörterbuch gefunden und brachte sich damit das Französische selbst bei. Bis zum Schulabschluss sollten es insgesamt 12 Sprachen sein, die er beherrschte – darunter Polnisch, Arabisch und Türkisch.
Emil Krebs lebte, was Wilhelm von Humboldts formulierte: „Die Sprache ist der Schlüssel zur Welt.“

Wie mag es einem Menschen gehen, der dieses Talent in sich entdeckt?
Und welche Erfüllung muss es für Krebs gewesen sein, seiner Fähigkeit – die zugleich eine Leidenschaft war – nachgehen zu können?

Jedenfalls fügte es sich, dass just mit dem Schulabschluss von Emil Krebs das Seminar für Orientalische Sprachen in Berlin eingerichtet wurde; auf Wunsch Bismarcks, dem Dolmetscher fehlten für die kolonialen und hegemonialen Ambitionen des Deutschen Kaiserreiches.

An dem Berliner Seminar kam Krebs (der auch Theologie und Rechtswissenschaft studierte) mit dem Chinesischen in Kontakt– und das ließ ihn nicht mehr los:
Fast ein Vierteljahrhundert verbrachte Krebs in Peking als Dolmetscher und Diplomat. Auch aufgrund dieser Erfahrungen kritisierte er später, als er China schon hatte verlassen müssen, den Umgang der Europäer mit diesem großen, alten Land: Chinas territoriale und souveräne Rechte seien vergewaltigt worden, schrieb er.
Mit seiner Bewertung des westlichen Kolonialismus in China war er seiner Zeit weit voraus.

Emil Krebs liebte nicht nur die fremden Sprachen, er interessierte sich ebenso für die Menschen und ihre verschiedenen Kulturen, ihre Traditionen und rechtliche Lage. Das war mitten im Ringen der Großmächte am Ende des 19. Jahrhunderts eine durchaus ungewöhnliche, moderne Sichtweise.

In seinem Sinne möchten wir heute die Beziehungen der Nationen untereinander gestalten: In gegenseitigem Respekt und mit Interesse an den Besonderheiten anderer Länder und Menschen.

Die Ausstellung zeigt Bilder und Dokumente aus dem Leben des Sprachengenies Emil Krebs – und gibt damit den Anstoß, sich seinem spannenden Leben und zugleich fremden Kulturen zu nähern.
In Polen ist das schon mehr und länger bekannt als in Deutschland:
Die Ausstellung ist in Swidnica (Schweidnitz) entstanden, der Heimatstadt von Krebs. Gezeigt wurde sie bereits in Wroclaw (Breslau), in Krakow (Krakau), in Gorzow Wielkopolski (Landberg an der Warthe) und in Kryzowa (Kreisau).

Umso mehr freue ich mich, dass die Exponate nun auch im Landtag zu sehen sind.

Brandenburg ist durch eine enge Freundschaft mit dem Nachbarland Polen verbunden, die sogar Verfassungsrang genießt.
Als Landtagspräsidentin habe ich erst Anfang März zunächst die Hauptstadtregion Masowien und dann Wroclaw besucht und dort sehr gute Gespräche geführt. Unser Ziel ist es, die Beziehungen der Länder weiter zu vertiefen, auch auf der regionalen und parlamentarischen Ebene.

Ich bin sehr froh, dass es diese gute Nachbarschaft gibt – und dass Sie, Herr Botschafter Pawlos, heute hier bei uns sein können.

Ihnen allen wünsche ich zur Eröffnung der Ausstellung gute Gespräche, interessante Einblicke und einen angenehmen Abend im Landtag Brandenburg.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

GW von Prof. Dr. Ulrike Liedtke zum Internationalen Frauentag, Landtagsveranstaltung 10. März 2023

Liebe Frauen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu unserer Veranstaltung anlässlich der 33. Brandenburgischen
Frauenwochen zum Thema „Bei uns doch nicht!“ Unser brandenburgisches Format ist einmalig – mit mehr als
200 Veranstaltungen im ganzen Land, mit Diskussionen, Theater, Kino und Ausstellungen. Es geht um
Sexismus als Lebensalltag, ein oft unsichtbares Thema, das wir sichtbar machen wollen. Kein neues Thema,
auch wenn wir es vielleicht erst heute hier so offen ansprechen. Ein großes Bild steht im Plenarsaal, versperrt
uns Politikern den alltäglichen Weg vom Abgeordnetenplatz zum Redepult. Es unterbricht unseren Alltag. In
fröhlichen, für unsere Märzwitterung zu grellen Farben erzählt es „vom Leben, der Arbeit und dem Tod“, eine
zweite Darstellung zum Thema.
Start der Power-Point-Präsentation
Männer sind es, die im „Rad des Lebens“ dargestellt werden. Auf- und absteigend. Lebenstreppen sind Thema
der bildenden Kunst seit Jahrhunderten. Der Höhepunkt des Lebens liegt um das 50. Jahr. Frauen
verschwinden bereits ab 30.
In Darstellungen von Mann und Frau als Paar stehen Frauen in einer Beziehung zur Familie, nur als Kind und
als Greisin sind sie allein. Interessant auch, dass die Lebenstreppen mit dem 1. Weltkrieg verschwinden,
Soldaten sterben zeitig, sie fallen. 1954 bei Paul Steinberg geht es vom Schreibtisch-Sieg des Mannes nicht
mehr abwärts, Männer verfallen nicht, Altern ist tabu. Auch hier kommt keine Frau vor. Und solche Bilder zum
Internationalen Frauentag? Umso trauriger sitzt „Die Ausgezeichnete“ bei Wolfgang Mattheuer mit ihren
Blumen am leeren Tisch. Was nützt die Auszeichnung, wenn die Gleichberechtigung noch nicht erreicht ist.
Bei der Künstlerin Alexandra Weidmann gibt es die Lebenstreppe nicht mehr. Die Themen liegen linear
nebeneinander bleiben, von der Geburt bis zur Grabpflege. Das Bild ist auf seine Weise farbenfroh und
grausam
zugleich, tragik-komisch, die ungeschönte alltägliche Wahrheit aus der Sicht einer studierten Informatikerin,
die ihr Atelier in Banzendorf in Ostprignitz-Ruppin hat. Die Künstlerin ist da und wir begrüßen ganz herzlich
Alexandra Weidmann.
Wie behaupten sich kreative Frauen in der noch immer nicht paritätischen Geschlechterwelt? Yvonne
Grünwald kann in der Tat ein Lied davon singen, beim Eurovision Song Contest spielte sie Akkordeon im
schönen Kleid, wir möchten hier ihre selbstgeschriebenen Texte, ihre selbstgeschriebene Musik hören.
Herzlich Willkommen Yvonne Grünwald.
Wir befinden uns mitten im Spannungsfeld, dem Frauen ausgesetzt sind. Das Podiumsgespräch mit den
frauenpolitischen Sprecherinnen im Landtag Brandenburg wird in dieses Spannungsfeld hineinleuchten. Bei
meinem Neujahrsempfang für kommunalpolitische Frauen meldeten sich viele zu Wort, berichteten von
sexistischem Verhalten, Übergriffen, deutlicher Missachtung wegen des Geschlechts. Unvorstellbar, möchte
man meinen. Unvorstellbar ist aber auch, dass nur 9 % der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen in
Brandenburg weiblich sind. Unvorstellbar ist es, dass Frauen in Leitungspositionen 2022 in Brandenburg 16 %
weniger verdienten als die Männer.

Unvorstellbar ist auch, dass Frauen wie Männer im Osten Deutschlands 20 % weniger verdienen als Frauen
und Männer im Westen Deutschlands. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der Abwanderung ist
dies ein besonders ernstzunehmendes Thema, zumal mit den Frauen auch Kinder und zukünftige Kinder
abwandern. Ein Thema für uns Frauen, ein Thema für die Gewerkschaften, ein Thema für die Politik.
Dennoch: Wir sind auf dem Weg zur Parität, auch wenn das Gendern umständlich klingt und ich mich über
die von einem Mann aufgehaltene Tür tatsächlich freue.
Jetzt die drei letzten Bilder
Wie klein unsere Gedanken dabei manchmal sind, zeigt der Blick in die Welt, die Solidarität mit den Frauen in
anderen Ländern. Lassen Sie uns diesen weiten Blick beibehalten und nicht im Kleinklein verbleiben.
Vielen Dank.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Laudatio - 100 Jahre Männergesangsverein Bestensee
Prof. Dr. Ulrike Liedtke, 25. Februar 2023

Lieber Wolfgang Gloeck,
liebe 1. Tenöre, 2. Tenöre,1. Bässe, 2. Bässe (namentlich einzeln benennen),
lieber Chorleiter Matthias Deblitz - schön dass Sie so viel Prominenz dabei haben:
– die Vizelandrätin, Herrn Bürgermeister Klaus Dieter Quasdorf, lieber Sängerkreisvorsitzender Peter Schneider, lieber Tino, Höch, liebe Martina Büttner, liebe Gäste!

Ich freue mich, heute hier zu sein und Ihnen zu Ihrem großen Jubiläum zu gratulieren. Kompliment zu diesem schönen Format der Veranstaltung – so einzigartig wie der Anlass. Ich freue mich, dass ich diese Laudatio zu Ehren des Männergesangsvereins Bestensee halten darf. Weil mir das Chorsingen, ganz besonders in Brandenburg am Herzen liegt, weil ich selbst viele Jahre begeisterte Chorsängerin war, in Opern-Extrachören, im Leipziger Gewandhauschor, und nun seit vielen Jahren im Landesmusikrat wie im Deutschen Musikrat das Chorschaffen unterstützen darf. Weil ich das Glück hatte, etwas von der Magie zu erfahren, die manchmal beim Chorsingen wie beim Zuhören entsteht – plötzlich leuchtet etwas auf, ein Glanz legt sich auf die Welt, das Herz wird leicht. Menschen fühlen sich verbunden. Musik ist eine Sprache, die verbindet. Mit anderen und manchmal auch mit sich selbst. Das kann man beim Chorsingen erleben. Die Qualitäten des Lebens, Lebensfreude, fröhliche Stimmung, Festlichkeit, aber auch Melancholie und Mut, Trauer, Hoffnung und Trost - alles wird Rhythmus, Melodie, fein gestimmter Klang. So richtig beschreiben kann man es nicht. Man kann es nur erleben – am besten gemeinsam mit anderen im Konzert beim Singen und Zuhören.

Wie schön, dass Sie, liebe Mitglieder, sich dem Singen verschrieben haben und mit Ihren Liedern vielen Menschen Freude bereiten.

Seit 100 Jahren wird hier in Bestensee das Chorsingen durch die Zeit getragen und lebendig gehalten. Der alte Wimpel mit Lorbeerkranz und Lyra, den der Chor in Ehren hält, zeugt davon. Mit der „Harmonie Kleinbesten“ fing es an.

Bei einem Jubiläum blickt man ja gern zurück auf die Geschichte, auf Entwicklungen, auf besondere Ereignisse und Menschen, denen wir es verdanken, dass es diese Tradition gibt.

Ich möchte heute mit der Gegenwart beginnen: Ich habe gerade einen ganz unverwechselbaren Chor kennengelernt, mit dem Bestensee Lied, dem Festgesang „Krönt den Tag“ oder mit dem Günther Schröder-Lied nach einem Text von Dieter Weber, für den Männergesangsverein komponiert. Ich habe einen Chor kennengelernt, dem man die Freude am Singen anhört und den Zusammenklang einer musikalischen Gemeinschaft. Man kann es hören, dass viel musikalische Arbeit dahintersteckt und dass jeder sein Bestes gibt. Wie im Beruf, so auch im Ehrenamt, das eine Berufung sein kann.

Solches Engagement – über die Anforderungen und Leistungen des Berufes hinaus, ist nicht in Geld ausrechenbar – hat in der Chorszene ein berühmtes Vorbild: Carl Friedrich Zelter. Chorsänger, Bratscher, Komponist, Begründer der „Berliner Liedertafel“ und bedeutender Leiter der Berliner Singakademie. Einer von denjenigen, ohne die Musikgeschichte anders verlaufen wäre. Er war Bauunternehmer nach erfolgreicher Maurerlehre, Politiker – während der französischen Besatzung von Berliner Bürgern gewählt, Verfasser von Denkschriften zur Verbesserung des öffentlichen Musiklebens, Gründer von Instituten für Kirchen- und

Schulmusik in Königsberg (1814), Breslau (1815) und Berlin (1822), im Briefwechsel mit Goethe. Zu seinen Schülern gehörten Felix Mendelssohn-Bartholdy, Otto Nicolai oder Giacomo Meyerbeer. Wirkungsvolle Menschen mit großer Ausstrahlung wie Carl Friedrich Zelter brauchen wir gerade in unserer Zeit. Daran erinnert die Zelter Plakette, die höchste deutsche Auszeichnung für Amateurchöre, die seit mindestens 100 Jahren ununterbrochen musikalisch wirken.

Ich freue mich, dass der Männergesangsverein Bestensee in diesem Jahr für sein langjähriges Wirken, seine Verdienste um die Pflege der Chormusik und die Förderung des kulturellen Lebens mit der Zelter Plakette ausgezeichnet wird. Ich möchte Ihnen allen herzlich gratulieren! Ein herzliches Dankeschön dem Vereinsvorsitzenden Wolfgang Gloeck, der sein Wirken in den Dienst des Chores gestellt hat, aus freiem Entschluss und im Ehrenamt. Mit seiner ganzen Person, seiner Kraft, mit guten Ideen und mit Herz und Verstand. Dankeschön sagen möchte ich auch seiner Frau Angelika Gloeck, die Wolfgang Gloeck immer zur Seite steht, wenn es um den Chor geht. Bedanken möchte ich mich auch beim Vorstand des Vereins, dem stellvertretenden Vorsitzenden Matthias Höppe, Kassenführer Herbert Schmidt und Schriftführer Dieter Weber, der sich auch um das Internet kümmert und um den Proben- und Auftrittsplan.

Ein herzlicher Dank geht auch an Bürgermeister Klaus Dieter Quasdorf, der die Schirmherrschaft über den Verein übernommen hat. Auf seine Unterstützung können sich die Sänger immer verlassen. Dieser Ort lebt seinen Chor, das ist gut so!

Wenn man verstehen will, was den Männergesangsverein ausmacht, dann kommt man um die Geschichte nicht herum. Wolfgang Gloeck hat uns in seiner Rede einen ersten Einblick gegeben.

Als der Männergesangsverein Bestensee im Februar 1923 gegründet wurde, kostete ein Brot 900 Mark, wenig später 200 Milliarden. Inflation. So steht es in der Chronik des Chores. Inflation, Aber: Fast jedes Dorf hatte damals einen Chor. Überall finden Sängerfeste und Konzerte statt. Im „Morgenstern“ in Groß Besten gründen 25 Männer einen Gesangverein. Zuerst wollten sie auf Trauerfeiern singen, um Geld für fremde Künstler zu sparen, aber schon bald ging es um mehr. Sie nennen sich „Arbeiter-Gesang-Verein Deutsches Lied Groß Besten“ und treten in den Deutschen Arbeiter-Sängerbund ein. Das erste Notenmaterial kam vom Männerchor Königs Wusterhausen. Viele gelungene Auftritte gab es in den 1920er Jahren, Maskenbälle, Stiftungsfeste Sängerfeste, Maifeierlichkeiten, auch am Himmelfahrtstag und zur Herrenpartie. Die Chronik vermerkt: „Beide Male wurden wir nass, die meisten Sangesbrüder aber von innen!“

1926 war die Hälfte der Sänger arbeitslos. In der Chronik steht: „Der Vorsitzende teilte mit, dass der Vereinswirt Wilhelm Piesker einen Teil der unserem Vereinsdirigenten obligatorisch zustehenden 3 Glas Bier auf eigene Rechnung nimmt!“ 1929 singt der Chor beim Bezirkssängerfest in Groß Besten, 1931 bei den „Feierstunden der Arbeitersänger“ in Berlin.

1933, als mit der Machtergreifung die Nazis die Kontrolle über die Vereine übernehmen, wird der vor allem aus SPD-Mitgliedern bestehende Vorstand abgesetzt. Das Notenmaterial beschlagnahmt und zensiert. „Politisch bedenkliches“ Liedgut aus den Notenbüchern herausgeschnitten. Zeitweise stehen die Gesangstunden unter Kontrolle. Viele Mitglieder verlassen den Chor. 1936 gibt es gemeinsam mit dem Gemischten Chor "Lerche" ein gelungenes Konzert in der Singakademie Berlin. Beim Wertungssingen der Gemischten Chöre des Bezirkes in Märkisch-Buchholz ein Prädikat „Sehr gut“ für den inzwischen

Gemischten Chor Bestensee. Als 1940 der Dirigent und Sänger zum Kriegsdienst eingezogen werden, trifft man sich aller 14 Tage im Lokal Zieme und singt unter Leitung des Altdirigenten Paul Schröder einige Lieder.  Ende 1944 ist dann Schluss. Die letzten Sänger werden eingezogen. Am 26. April erreichte die Rote Armee Bestensee. Endlich war der Krieg vorbei. Nicht alle Sänger sind dabei, als wieder Chorproben stattfinden. Einige sind gefallen. Der Dirigent kommt erst 1947 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Mit Herrn Borchert wird ein neuer Dirigent verpflichtet.

Die Chorchronik bleibt wechselvoll. In den ersten Jahren nach dem Krieg kamen viele junge Männer in den Chor. Der Dirigent Herr Borchert wurde Gemeindepfarrer. Mitglieder blieben weg, aber junge Sänger bauten den Verein in den folgenden Jahren wieder auf. Josef Proffert wird neuer Dirigent und zwei verdienstvollen Sänger, Erich Nawin und Werner Rust übernehmen den Vorsitz. Nicht nur das gemeinsame Singen verbindet – auch die Himmelfahrtsausflüge, das erste Rosenbaumfest. Auftritte in Töpchin, Motzen, Schenkendorf, Mittenwalde und Bestensee. Ab und an gibt es auch mal ein Bier, nicht nur an Himmelfahrt und nach langen Wander- oder Fahrradtouren. Ende 1962 singt der Chor am Grabe seines langjährigen Dirigenten Josef Proffert. Günter Schröder übernimmt und formt den Chor musikalisch 30 Jahre lang.

1987 wird der Männerchor „Hervorragendes Volkskunstkollektiv der DDR“ und ist zu Recht stolz darauf. In den Neunziger Jahren erlebt auch der Männerchor die Umbrüche und Neuanfänge dieser Zeit. Viele Mitglieder waren arbeitslos, aber nach und nach finden die Sänger wieder zusammen. Das war auch der Arbeit des Vorstands zu verdanken mit Heinz Dubiel an der Spitze. Engagierte Vereine haben in Bestensee kulturelles Leben entwickelt – mit schönen Auftrittsgelegenheiten für den Chor: Dorffeste in Bestensee und Pätz, Weinfeste auf dem Weinberg, Adventskonzerte in der Bestenseer Dorfkirche. Und seit 2015 gibt es das Weihnachtssingen mit der Bundesliga-Volleyball-Mannschaft „Netzhoppers“. Bei den Mitsing-Veranstaltungen „Bestensee singt - Sing4fun!“ wird das Publikum zum Chor. Und es entsteht noch ein neues Projekt – der Kinder- und Jugendchor Bestensee. Herzliche Kontakte verbinden den Männergesangsverein Bestensee und die Männerchöre aus der Partnergemeinde Havixbeck und „Freie Sänger“ Zernsdorf. Dann kam die Pandemie, in der viele Chöre Mitglieder verloren haben. Im Männerchor Bestensee sind alle geblieben.

herzliche Grüße wurden mir aufgetragen von „meinem“ Männerchor, dem Arbeitergesangsverein „Vorwärts“ Rheinsberg – als einziges weibliches Mitglied überbringe ich diese Grüße gern!

Wenn man die 100jährige Geschichte des Chores liest oder hört, dann spürt man deutlich, wieviel diese Geschichte erzählt von Zusammenhalt, von Zuversicht, von Engagement, von der Kraft der Gemeinschaft. Eine große Geschichte vom Ehrenamt. Mehr noch: Wie manches Meisterwerk der Chormusik erzählt die Bestenseer Chorgeschichte von Liebe, Leidenschaft und Engagement – Liebe zur Musik, Leidenschaft für das Chorsingen und Engagement für die Gemeinschaft.

Ich wünsche dem Männergesangsverein Bestensee und allen seinen Sängern und Unterstützern, dass Sie ihre Liebe zur Musik, ihre Leidenschaft für das Chorsingen, ihr Engagement für die Gemeinde weitertragen - zusammen mit vielen jungen Sängern, die den Chor hoffentlich in den nächsten Jahren verstärken. Ich wünsche Ihnen, dass der Männerchor Bestensee auch in Zukunft mit schönen Konzerten sein Publikum begeistert. Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Rede der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
im Gedenken an ein Jahr Krieg in der Ukraine, 24. Februar 2023

Anrede,

Ganz besonders freue ich mich, dass die Gesandte der Botschaft der Ukraine, Frau Botschafträtin Iryna Samchenko meiner Bitte und Einladung gefolgt ist, heute hier zu Ihnen zu sprechen.

Seien Sie auf das Herzlichste willkommen!

Und ein besonderes Willkommen gilt den Gästen auf der Tribüne. Ich begrüße eine große Gruppe von Ukrainerinnen und Ukrainern, die ihr Land aufgrund des Krieges verlassen mussten und bei uns Aufnahme und Schutz gefunden haben. Seien Sie uns herzlich willkommen!

Krieg. Das heißt Lebensgefahr, Männer und Frauen unterschiedlicher Berufe an Waffen, Soldaten in Kampfpanzern. Dazwischen Kinder.
Zerstörte Wohnhäuser, Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, keine gesicherte Versorgung mit Strom, Heizung, Wasser, Brot und Milch.
Keine tägliche Schule.
Für den Angegriffenen ist nichts mehr wie es war. Frieden heißt im Russischen und im Ukrainischen „MIR“. Aber russische Soldaten griffen die Ukraine an.

Gestatten Sie mir eingangs einige Momentaufnahmen aus dem Blickwinkel des Landtags Brandenburg:

Es war vor einem Jahr, am 24. Februar 2022:
Der Landtag Brandenburg verurteilt einmütig am Beginn seiner Sitzung den in der Nacht von Russland begonnenen Angriffskrieg auf die Ukraine. Alle Fraktionsvorsitzenden melden sich zu Wort.

Überfüllte Züge mit Geflüchteten treffen in Frankfurt (Oder) ein, eine ganze Stadt hilft. Schülerinnen und Schüler aus Brandenburg malen Hosentaschenbildchen für ankommende Kinder. Sie sind nicht allein im fremden Land.

Die Landtagssitzung am 23. März beginnt mit Gesang: „Verleih uns Frieden genädiglich“, Text von Luther 1526 am Ende des Bauernkrieges; Musik von Schütz 1648, am Ende des 30jährigen Krieges. Danach „Boshe, Ukrayinu Khrany“(„Herr schütze die Ukraine“) von Valentin Silvestrov aus Kiew, der 84jährig seit 8. März mit Tochter und Enkelin als Geflüchteter in Berlin lebt.

Am 8. Mai spricht der Botschafter der Ukraine Andrij Melnik im Plenarsaal des Landtags zum Tag der Befreiung durch die Rote Armee.

Frontagen aus Lemberg hängen seit dem „Tag des offenen Ateliers“ im Landtag, schwarze Bilder von Susanne Krell, ob die Häuser alle noch so stehen?

Im August begeistert das ukrainisch-russische Duo Andrej Ur und Maxim Shagaev mit Violine und Bajan bei „Kunst zur Zeit“ die Landtagsbesucher.

Im Januar tagt die Parlamentarische Konferenz des Brandenburger Landtags und des Abgeordnetenhauses Berlin in der PCK Raffinerie Schwedt, die jährlich 12 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet.

90 Prozent der Versorgung mit Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl für Berlin und Brandenburg. Auf Öl aus Russland wird freiwillig verzichtet, es muss aus anderen Ländern kommen.

Anrede

Zahlreiche Resolutionen zur Unterstützung der Ukraine wurden in dem letzten Jahr verfasst, Waffen und Medikamenten geliefert. Die Hilfsbereitschaft der Menschen in Brandenburg bleibt ungebrochen. Geflüchtete werden versorgt, Kinder beschult. Für Kummer und Leid und die Sehnsucht nach Hause gibt es kein Hilfsprogramm.

„Nie wieder Krieg“ wurde zu einem uneingelösten Versprechen. Auch in Brandenburg gibt es Ängste vor einer Ausbreitung des Krieges. Viele von uns haben Brecht gelesen:

„Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft.“

Ärzte kämpfen voll Hingabe um ein Menschenleben, in der Ukraine sterben täglich Soldaten und Zivilisten, auch Kinder. Die Verantwortung dafür trägt Präsident Putin, der einsehen muss, dass seine Ziele nicht erreichbar sind. Weil die Ukraine das nicht will, Europa und die USA nicht, auch die überwältigende Mehrheit der UN-Vollversammlung nicht. Es wird verhandelt, telefoniert. Und zugleich gekämpft in Städten, auf Feldern und in Schützengräben.

Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden. „Friede muss fortwährend gestiftet werden“, sagt Kant.

ch denke, wir waren nachlässig im Umgang mit dem hohen Gut des Friedens, zu unentschlossen, wer zu Europa gehört, und zu uninteressiert an den Sorgen und Problemen osteuropäischer Länder. Jetzt scheinen die Verhandlungen festgefahren zu sein.

Jede Friedensinitiative ist gut und darf nicht zerredet werden. Wirtschaftliche Verflechtungen und Appeasement reichen nicht mehr aus, Brückenbauen und Beschwichtigen funktioniert nicht mehr. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler spricht vom „Siegen und Nicht-Verlieren als Spielraum für Verhandlungen.“

Wie viel Menschenleben ist die Freiheit wert?
Was verdienen Munitionsfabriken an diesem schrecklichen Krieg?

Wie gehen wir mit unserer historischen Bürde um: Es sind die Enkel oder Urenkel der Befreier Brandenburgs, die in der Ukraine kämpfen, auf beiden Seiten des Krieges.

Ich wünsche mir, dass die Menschen in Russland auf die Straße gehen, die Studenten und alle, die diesen Krieg nicht wollen, die auch ein jahrzehntelanges Wettrüsten nicht wollen. Es müssen viele sein, so dass Verhaftungen nicht mehr möglich sind. Wir im Osten wissen, dass Demokratie errungen werden kann.

Wir wissen aber auch, dass ein unpolitisches Nischenleben in Angstherrschaft zumindest Überleben sichert, wie der Gemüseanbau im Blumenkasten auch.

Wenn man Svetlana Gannuschkina, Viktor Jerofejew oder Oxana Timofeewa zuhört, dann gibt es eine russische Mehrheitsmentalität, weit entfernt von Protest, das Politische verdrängt, die Sehnsucht nach Freiheit vergraben oder still im Herzen getragen.

In der Ukraine gibt es solche Nischen nicht, stattdessen den unbeugsamen Willen zu leben, wiederaufzubauen – ein freies europäisches Land.

Aber dort wächst gerade eine neue Kriegsgeneration heran. Die Nacht im U-Bahn-Schacht, vielleicht die Flucht ohne Vater und das Trauma. Prägende Erlebnisse. Die Alten in der Ukraine erinnern sich schmerzhaft an ihre Kindheit. Die Älteren von uns kennen die Kriegsgeschichten der Kinderseelen aus der eigenen Familie. Ebenso die Geflüchteten aus Bosnien, Afghanistan, aus Syrien, aus Somalia oder aus dem Kongo. Die politischen Umstände waren und sind verschieden, das Erleben der Kinder ist gleich.

Ein befreundeter Lehrer erzählte mir kürzlich, dass seine ukrainischen Schülerinnen und Schüler durch Müdigkeit auffallen: sie nehmen am ukrainischen Online-Unterricht ebenso teil wie in der Brandenburger Schule. Sie wollen nach Hause und ohne Ausfälle weiter lernen.

Schon allein ihretwegen muss der Krieg beendet werden – aktiv!

Für Baumaterial und Kräne wird Geld gebraucht, und für Schulen. Für Konstruktives, Aufbauendes, Zukünftiges. Sich aktiv einbringen heißt, dass auch wir Friedensstifter sein müssen.

Anrede,

in der aktuellen UN-Resolution wird ein "umfassender, gerechter und dauerhafter Frieden in der Ukraine in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen" gefordert. Es geht um die "Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität der Ukraine".

Dafür ist es notwendig, "sofort, vollständig und bedingungslos" alle russischen Truppen aus der Ukraine abzuziehen.

Der UN-Resolution stimmten gestern in New York 141 Staaten zu. Das macht Mut.

Denn, wie Olena Selenska sagt: „Das Wichtigste ist, sich nicht an den Krieg zu gewöhnen“.

Wir werden es nicht tun, versprochen.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Parlamentarischer Abend dbb Beamtenbund und Tarifunion Bbg,
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Teilnehmende u.a.:

- Abgeordnete
- Ministerpräsident Dr.
Woidke (spricht als 2.)
- Innenminister
Stübgen (spricht als 3.)
- Regierungsmitglieder
- Landesvorsitzender dbb Brandenburg Ralf
Roggenbuck ((auch: Vorsitzender des rbb-Rundfunkrates)) (spricht als 4.)
- Landesvorsitzender dbb Berlin Frank Becker
- VertreterInnen der dbb-Mitgliedsgewerkschaften (u.a. komba,, Lokführer...)

Anrede,

herzlich willkommen im Landtag Brandenburg zu diesem Parlamentarischen Abend des dbb! Die Abkürzung weist zwar auf die Organisation von und für Beamte hin, aber es sind nicht allein Beamtinnen und Beamte im dbb repräsentiert, sondern auch Tarifbeschäftigte aus dem öffentlichen und privaten Dienstleistungssektor.

Der Ort ist genau richtig für diesen Empfang: Wir stehen hier in einem Gebäude, das äußerlich ein Preußen-Schlosses ist, wenn auch innen sehr modern. Und in Preußen wurde das deutsche Beamtentum praktisch erfunden und eingeführt:
Friedrich Wilhelm der Erste, der „Soldatenkönig“, beschäftigte Militärangehörige ihrem Dienst weiter als Beamte. Schon damals galten für sie drei wesentliche Grundsätze und jetzt prüfen Sie sich bitte alle:
Pflichtbewusstsein,
Sachkenntnis und
Unbestechlichkeit.

Friedrich Wilhelms Nachfolger legten dann im „Allgemeinen Preußischen Landrecht“ fest, dass die Beamten nicht dem König zu dienen hätten, sondern vielmehr dem Staat. Das war eine kleine Revolution im Absolutismus – und ein Ursprung des öffentlichen Dienstes, wie wir ihn kennen.

Heute stehen die Bürgerinnen und Bürger als Kunden für öffentliche Dienstleistungen im Mittelpunkt, jedenfalls sollte es so sein. Wo das nicht so gut klappt, gibt es Kritik – bis hin zum Vorwurf des Staatsversagens.

Dieses ungerechte, ja böse Wort spiegelt die gewandelten Erwartungen wider:
Der Staat soll heute selbst keine Ansprüche mehr stellen, sondern liefern (fast hätte ich „gefälligst“ hinzugefügt).

Und so verständlich und berechtigt dieser Anspruch von Steuerzahlenden auf guten „Service“ grundsätzlich ist, so einseitig und verkürzt ist er eben auch:
„Der Staat“, das ist keine ferne, fremde Macht, die uns Einzelne zu umsorgen hat.

In der Demokratie ist der Staat mit seiner Verwaltung, seinen Institutionen und den verschiedenen Dienstleistungen untrennbar mit der Gesellschaft verbunden. Wir sind doch froh, dass es keinen Alleinherrscher mehr gibt und - kaum noch -Obrigkeitsdenken!

Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass wir alle mitverantwortlich sind für das Funktionieren nicht nur der Gesellschaft, sondern auch des Staates. Das wird bei der zunehmenden Fundamentalkritik an „dem Staat“ oft und gerne verschwiegen.

Sie alle, meine Damen und Herren vom dbb,
tragen auf Ihre Weise zu diesem Funktionieren bei. Sie arbeiten in Ämtern und Behörden, unterrichten junge Menschen, steuern Lokomotiven, pflegen die Straßen oder den Wald.
Das sind alles sehr wichtige Aufgaben, und dafür gebührt Ihnen Anerkennung.

Damit sie die auch bekommen – und dazu ordentliche Gehälter –, gibt es den dbb als Interessenvertretung. Ich nehme an, mancher Minister oder sonst Verantwortliche empfindet sein Wirken nicht immer als uneingeschränkt angenehm, wenn über Tarife verhandelt wird. Aber dass Gewerkschaften und Berufsverbände eine wichtige, nützliche Rolle in der Gesellschaft spielen, ist unbestritten.

Deshalb freue ich mich auf die Gespräche mit Ihnen, wünsche allen einen schönen, anregenden Abend und viel Vergnügen im Landtag Brandenburg.

Gestatten Sie mir noch ein chinesisches Sprichwort, auch als kleine Mahnung an meine Nachredner:
„Der Hungrige ist kein guter Beamter.“

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Einführende Worte von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Liedtke vor der Plenartagung

Anrede,

Eine furchtbare Naturkatastrophe lässt uns demütig werden. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist das Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet die "schlimmste Naturkatastrophe" in Europa seit 100 Jahren. Unicef spricht von mindestens sieben Millionen Kindern unter den 26 Millionen betroffenen Menschen in der Türkei und Syrien.

Wenn wir schon die Bilder im Fernsehe nicht ertragen – wie mag es den Menschen im Katastrophengebiet gehen, Familien, Alte, Kinder, Hinterbliebene. Die Orte sind uns nicht fremd und viele von uns haben türkische Freunde oder sie unterstützen Geflüchtete aus Syrien.

Unsere Gedanken sind bei denjenigen Menschen, die unsagbare Verluste zu verkraften haben, ihre Liebsten verloren und kein Dach mehr über dem Kopf haben. Und wir trauern um diejenigen, deren Leben ein Erdbeben beendet hat.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Einweihung der neuen Tora-Rolle im Andenken an Rabbi Nachum Presman am 19.02.23 im Alten Rathaus

Sehr geehrter Herr Rabbiner Teichthal,
meine Damen und Herren Abgeordnete,
Frau Ministerin Dr. Schüle,
Herr Oberbürgermeister Schubert,
liebe Mitglieder der jüdischen Gemeinden,
Potsdamerinnen und Potsdamer,
und ganz besonders: liebe Frau Presman

Zuerst möchte ich mich bei Ihnen herzlich bedanken für die Einladung zu diesem besonderen Ereignis. Heute wird hier im Potsdamer Alten Rathaus eine neue Tora-Rolle eingeweiht – im Andenken an Ihren verehrten Mann, Rabbiner Nachum Presman. Ich freue mich, dass ich dabei sein kann, dass Sie diesen festlichen Anlass mit mir teilen und dass ich miterleben und lernen kann, was Ihnen und der Gemeinde die Neue Tora-Rolle, die Heilige Schrift des Judentums bedeutet.

Vielleicht geht es vielen Potsdamerinnen und Potsdamern ähnlich: Wir wissen immer noch wenig über jüdisches Leben in Potsdam und in Brandenburg, auch wenn wir uns verbunden fühlen mit Jüdinnen und Juden, mit jüdischer Kultur und Geschichte. Vielleicht aber verbunden auf eine ganz besondere Weise – so wie mit Freunden, die einem zugleich vertraut und fremd sind.

Vertraut, weil wir eine jahrhundertealte gemeinsame Kulturgeschichte miteinander teilen, weil unsere Städte in Europa wie Wissenschaft, Musik, Literatur, Malerei, Demokratie von Juden und Nichtjuden geprägt wurden, weil wir jahrhundertelang als gute Nachbarn zusammengelebt haben.

Und immer auch ein wenig fremd, da wir so wenig wissen. In der DDR gab es keine wirkliche Aufarbeitung des Holocaust. Und es gab kein öffentliches jüdisches Leben. Und vielleicht verstellen uns die Schatten der Geschichte noch immer den Blick auf die jüdische Kultur, die heute mitten unter uns lebendig ist.

Ich erinnere mich an eine Geschichte aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts von William Stern, einem gebildeten Schweizer Juden. Er erzählte davon, wie ihm ein Lubawitscher Rabbi gesagt hatte: „Ihr müsst dafür sorgen, dass Deutschland ein Ort für die Tora wird“. „Aber wie kann das sein?“, fragte ihn William Stern, „das ist doch eine geistige Wüste!“ Der Rabbi antwortete: „Ja, die Tora wurde auch in der Wüste gegeben.“

Deutschland - ein Ort für die Tora. Hier, wo die Schreckensorte liegen – in Brandenburg in unmittelbarer Nähe – Sachsenhausen, Jamlitz, Ravensbrück, Brandenburg an der Havel?

„Ihr müsst dafür sorgen, dass Deutschland ein Ort für die Tora wird“. Ja. Anders geht es nicht. Wenn das ein nichtjüdischer Deutscher sagen würde, wäre es vermessen. Aus der Perspektive des Rabbi ist es wahr. Auch für uns. Wenn wir das hören, dann ist der Schatten, der uns den Blick auf jüdische Kultur verstellt, nicht mehr da. Was sich dann unserem Blick auftut, ist eine überraschende Einsicht: Es ist ein Glück und ein Geschenk, dass Jüdinnen und Juden wieder mit uns in Deutschland leben wollen und dass sie uns einladen zur Teilhabe an ihrem Leben, ihren Traditionen und Festen, ihrer Kultur. Dass sie erzählen von ihrem Glaubensweg. Selbstverständlich ist es nicht.

Wir wissen, dass Geschichte nicht vergangen ist. Und wir müssen uns eingestehen, dass es in unserem Land wieder Antisemitismus gibt, dass Synagogen und jüdische Gemeindezentren von der Polizei bewacht werden müssen, dass Juden sagen, sie fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher. Unabweisbar, notwendig, dringend ist es, dass wir unseren Kampf gegen Antisemitismus verstärken. Nur so können wir unsere freie demokratische Gesellschaft schützen. Gerade jetzt. Das ist eine zentrale Aufgabe der Politik in unserem Land, im Landtag wie in den Kommunalparlamenten. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen. Gemeinsam mit unserem Bündnis für Brandenburg, mit engagierten Initiativen, Vereinen, Bürgerinnen und Bürgern. Dafür werde ich mich mit ganzer Kraft einsetzen.

Eine lebenswerte Zukunft für alle, in einer freien demokratischen Gesellschaft, wo Mitmenschlichkeit und Menschenwürde gelebt werden und wo Hass, Hetze und Antisemitismus keine Chance mehr haben - das ist keine Utopie, sondern eine Aufgabe für alle. Das geht nur miteinander.

Das Miteinander war Rabbi Presman in seinem langjährigen Wirken für Potsdam und Brandenburg besonders wichtig. Er hatte sich entschieden, mit seiner Familie von nach Potsdam zu kommen, um das jüdische Leben wieder aufzubauen und „den Menschen in Potsdam und Brandenburg zu dienen“. So hat er es gesagt. Und so hat er es 25 Jahre lang getan. Er hat sich Tag für Tag und mit seiner ganzen Person den Menschen in seiner Gemeinde gewidmet. Er hat dafür eingesetzt, die Jüdischen Gemeinden in Potsdam zusammenzuführen. Er hat mit Hingabe und vielen Ideen Projekte und Programme mit Kindern und Jugendlichen verwirklicht.

Er war für die Gemeinde da und für die Menschen in der Stadt und im Land. Er hat Menschen zusammengebracht, Brücken gebaut und Türen geöffnet für Begegnung und Austausch mit Jüdischem leben, Jüdischer Kultur in Potsdam und Brandenburg. So wie mit dem Chanukkafest, das schon lange ein Fest für ganz Potsdam geworden ist.

Sein Wirken hat Früchte getragen für das jüdische Leben, für das Miteinander in der Stadt und im Land. Er wollte, dass Menschen die Schönheit des Judentums erleben. Und ich glaube, er hat mit diesem Satz nicht nur Jüdinnen und Juden, sondern uns alle ansprechen wollen.

Weil es etwas Zeitloses gibt, etwas Unverfügbares, das uns verbindet: Die Schönheit des Menschlichen. Das ist ein großes Wort. Ich weiß. Das hat zu tun mit unseren gemeinsamen geistigen und kulturellen Wurzeln, mit Musik, Literatur, Bildender Kunst und Philosophie, mit der Würde eines jedes einzelnen Menschen und der Möglichkeit, miteinander und voneinander etwas Neues zu lernen: Dass es nicht darum geht, Unterschiede zu überwinden, sondern sie zu achten, weil sie uns bereichern, dass es darauf ankommt, miteinander Lösungen zu finden in Konflikten, indem wir Zuhören lernen, Empathie entwickeln und die Perspektive des Anderen in unseren eigenen Horizont aufzunehmen. Es kommt auf den Einzelnen an und auf das Miteinander.

Shalom!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Neujahrsauftakttreffen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (LV Bln-Bbg) und des Freundeskreises Israel im Landtag Brandenburg, 16. Februar 2023
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Anrede,Hintergrund:
- Gründung des Freundeskreises Israel im Landtag 2018
- Beschluss „Jüdisches Leben in Bbg fördern und schützen“ (Jan. 2020, DS 7/475-B)
- Treffen erstmals 2019, wegen Corona 2021 und 2022 ausgesetzt

Teilnehmende / Eingeladene u.a.:
- Gesandter Israels in D, Aaron Sagui (2. Mann nach dem Botschafter S.E. Prosor)
- Mitglieder des Freundeskreises (Sprecher sind MdL Senftleben und Büttner; weitere Mitglieder: Lüttmann, Richstein, P. Budke, Johlige, Vida)
- Mitglieder DIG Bln-Bbg
- Fraktionsvorsitzende

Anrede,

ich begrüße Sie sehr herzlich im Landtag Brandenburg. Und ich freue mich, dass wir dieses Treffen zum Jahresbeginn nach zwei Jahren Corona-Pause wiederaufleben lassen können. Noch können wir nicht von einer Tradition sprechen – aber wir wollen gerne alles dafür tun, dass dieses Treffen eine solche Tradition wird!

Die Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik sind seit Jahrzehnten vertrauensvoll. Im vergangenen Jahr war Bundeskanzler Scholz zu Besuch im jüdischen Staat, wie vor ihm alle deutschen Regierungschefs seit Willy Brandt.

Auch der Brandenburger Landtag unterhält inzwischen enge Verbindungen: Vor fast fünf Jahren, im Mai 2018, gründeten Abgeordnete aller demokratischen Fraktionen einen „Freundeskreis Israel im Landtag Brandenburg“. Anlass war der 70. Geburtstag des modernen Staates Israel – und das Ziel die Solidarität mit Israel und dem Judentum.

Im beiderseitigen Verhältnis der Staaten und seiner Repräsentanten ebenso wie der Völker wird das Erinnern an die Shoah immer einen zentralen Platz einnehmen. Der Holocaust ging auch von Brandenburg aus, und er fand auch hier statt:

Erst vor kurzem nahm ich an einer Gedenkveranstaltung in Jamlitz-Lieberose statt. Nichts ist hier zu sehen vom ehemaligen Konzentrationslager, einem Nebenlager von Sachsenhausen. Dort waren bis zu zehntausend Menschen inhaftiert, die meisten von ihnen jüdisch. Die DDR hat sich um diesen Ort des Schreckens lange nicht ausreichend gekümmert. Private Initiativen und die ev. Kirche schufen Orte der Erinnerung. Nun soll in Jamlitz eine neue Gedenkstätte entstehen, und für Historiker gibt es hier noch viel Forschungsarbeit zu leisten, immer unter Einbeziehung der Menschen, die heute in Jamlitz. Leben.

Das Beispiel zeigt: Die Vergangenheit ist nie vorüber, und sie darf niemals vergessen oder in der Rückschau verzerrt werden, um heutigen Zwecken zu dienen.

Einen Schlussstrich oder eine „Wende“ im gemeinsamen Erinnern lehnen wir ab und stellen uns allen solchen Versuchen entschlossen entgegen!

Verpflichtet fühlen wir uns auch dem friedlichen Zusammenleben im heutigen Brandenburg, hier und jetzt. Das gilt für alle Menschen, ganz besonders aber für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger: Jeder Angriff auf sie ist ein Angriff auf das Miteinander, auf die ganze Gesellschaft. Dabei spielt es keine Rolle, ob solche Attacken verbal in Hasskommentaren, im Internet oder physisch auf der Straße geschehen, in der Schule, vor der Synagoge.
Jeder Übergriff ist einer zu viel!

Auch deshalb hat der Landtag vor drei Jahren unter dem Eindruck des Anschlags von Halle eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um jüdisches Leben in Brandenburg zu fördern und zu schützen. Wir wollen und dürfen uns nicht damit abfinden, dass Extremisten dieses Leben wieder in Frage stellen und bedrohen.

Anrede,

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind hohe Güter des Gemeinwohls, vielleicht hier bei uns schon gewohnte.

Mir steht es nicht zu, den Menschen in Israel Ratschläge aus der Ferne zu geben. Wenn aber ihr Staatspräsident selbst mahnt, die demokratischen Institutionen Israels zu schützen und eine umstrittene Justizreform nicht über das Knie zu brechen, dann muss uns das auch in Europa zu denken geben. In Ungarn und Polen haben wir in den vergangenen Jahren ähnliche Pläne ebenfalls kritisiert.

„Der Mangel an Dialog zerreißt uns von innen“, hat Präsident Isaac Herzog vor wenigen Tagen seine israelischen Landsleute gewarnt. Ich hoffe inständig (und sicher nicht als Einzige hier im Raum), dass dieser dramatische Appell wirkt und Israel seinen inneren Frieden nicht nur bewahren, sondern stärken kann.
Uns haben Sie an Ihrer Seite.

Anrede,

noch einmal herzlich willkommen. Für das gemeinsame Neujahrstreffen von DIG und Freundeskreis gibt es jede Menge Gesprächsstoff. Ich wünsche Ihnen allen interessante, anregende Begegnungen und viel Vergnügen im Landtag Brandenburg.
Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Safer Internet Day am 7. Februar 2023 im Plenarsaal
Grußwort von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Teilnehmende u.a.:
- Katrin Krumrey, Kinder- und Jugendbeauftragte Bbg (Grußwort i.V. Ministerin Ernst)
- Dr. Eva Flecken, Direktorin Medienanstalt Berlin-
Brandenburg (Grußwort)
- Jessica Euler, AKJS-Aktion Kinder- und Jugendschutz Brandenburg (Grußwort)
- Benjamin Egger, Wissenschaftler
- Studierende der Fachhochschule Potsdam (Konzeption Workshops)
- SchülerInnen der 7. Klasse aus Luckenwalde und Potsdam
Moderation: Jonas Kühl

Sehr geehrte Frau Krumrey,
sehr geehrte Frau Dr. Flecken,
sehr geehrte Frau Euler,
liebe Studierende der Fachhochschule Potsdam
und vor allem: liebe Schülerinnen und Schüler!

Zum Safer Internet Day heiße ich Euch und Sie herzlich willkommen im Landtag Brandenburg.

Das Thema klingt gewaltig: „Digitale Balance“. Und dann noch gleich zwei Extreme: Abstinenz, also völliges Abschalten aller Geräte – oder Exzess, was bedeutet: Keine Grenzen bei der Nutzung von Smartphone oder Computer.

Zum Glück müssen wir uns meistens nicht zwischen solchen Extremen entscheiden.
Es ist ja an sich nicht schlecht, das Internet und die sozialen Medien zu nutzen:
Für viele Menschen, gerade jüngere, ist das eine wichtige Verbindung zur Welt.

Aus dem Netz bekommen wir ganz aktuelle Informationen, so schnell nach einem Ereignis wie noch niemals zuvor. Das Netz bietet umfassende Bildungsmöglichkeiten, für Recherche zu nahezu sämtlichem Schulstoff. Es gibt Tipps für die verschiedenen Lebenslagen, Gesundheit, Sport, Liebe. Und das Gute ist, dass nicht nur eine Sichtweise, sondern ganz viel Wissen und viele Erfahrungen abgerufen werden können. Zu keiner Zeit der Menschheitsgeschichte konnte so viel Kunst, Musik und Film erlebt werden, ganz egal wo und wann. Das Internet ist ein Schatz! Wir unterhalten uns auch im Chat, surfen und erfahren den jüngsten Klatsch und Tratsch.
Der Begriff „Kaffeeklatsch“ ist viel älter als das Internet.

Aber: Die digitale Welt kann gefährlich werden:
Vielleicht kennt Ihr Fälle, in denen Freundinnen oder Freunde in sozialen Medien gemobbt wurden, oder Ihr habt es sogar selbst erlebt. Wer beim Klassenchat nicht mitmacht, ist schnell isoliert und verpasst, was gerade läuft.

Wer mal so richtig Computerspiele gewonnen hat weiß, dass Aufhören nicht so einfach ist.

Und sicherlich bekommt Ihr von Euren Eltern häufig zu hören, dass Ihr ENDLICH das Smartphone weglegen und Euch um Wichtigeres kümmern sollt: Hausaufgaben, Saubermachen, die kleine Schwester oder den Bruder, sinnvolle Hobbys.

Bestimmt haben manche von Euch auch schon selbst mal das Gefühl gehabt:
Jetzt wird es wirklich zu viel! Jetzt muss ich mal aufhören zu chatten, zu zocken, zu surfen. Weil mir die Zeit davonläuft und weil das echte Leben nicht online stattfindet.

Ich kenne dieses Gefühl gut, obwohl ich viel älter bin als Ihr. Manchmal ist es wirklich nicht leicht, die Finger vom Handy zu lassen und lieber ein Buch in die Hand zu nehmen oder an die frische Luft zu gehen. Aber meistens ist das dann viel schöner und erfüllender als das Rauf- und Runterscrollen auf irgendeinem Bildschirm.

Die Wahrheit liegt also - wie so oft - irgendwo zwischen den Extremen, zwischen völligem Abschalten und grenzenloser Digitalnutzung. Das richtige Maß muss jede und jeder selbst herausfinden, und dazu ist Übung notwendig. Hilfreich ist auch der Austausch mit anderen über solche Fragen – deshalb gibt es den Safer Internet Day, an dem Ihr mit Gleichaltrigen und Fachleuten sprechen könnt, ganz direkt und analog.

Einen Experten – oder eine Expertin? – habe ich vorher mal gefragt, was er oder sie zu unserem heutigen Thema zu sagen hat. Die Antwort lautete:
Genau wie wir lernen müssen, unsere Zeit sinnvoll zu verwenden und Prioritäten zu setzen, müssen wir auch lernen, wie wir uns um unsere digitale Gesundheit kümmern können.
Eine neue Formulierung: digitaler Gesundheit. Wisst Ihr, von wem diese Antwort stammt? Von der Künstlichen Intelligenz namens „ChatGPT.“
So schlecht finde ich sie gar nicht für ein Computerprogramm.

Allerdings können und dürfen nicht Computer darüber entscheiden, wie wir in der digitalen Welt zurechtkommen. Das sollten Menschen tun – zu allererst Ihr selbst.
Eure Eltern, Freundinnen und Lehrer helfen gerne dabei.

Die Wissenschaft und wir als Politikerinnen und Politiker bemühen uns, das Internet und die sozialen Medien sicherer zu machen. Dazu sind wir auch auf Eure Erfahrungen angewiesen, auf Wünsche und Hinweise von Jüngeren, die schon in der digitalen Welt aufwachsen. Auch dafür ist dieser Safer Internet Day wichtig.

Mein Dank geht an die Aktion Kinder- und Jugendschutz, die Medienanstalt, das Bildungsministerium und die Fachhochschule Potsdam für die Unterstützung.

Ich wünsche Euch heute Spaß, neue Ideen und eine schöne Zeit im Landtag!

 

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Auflösung KZ Lieberose, 2.2.23
Grußwort von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Teilnehmende u.a.:
- Peter Kotzan, Vorsitzender des Gedenkstättenvereins (begrüßt eingangs)
- Bernd Boschan, Amtsdirektor Am Lieberose/Oberspreewald (wird ausgezeichnet)
- Christina Dahlitz, Mitglied Gedenkstättenverein (trägt Text von Julius Fucik vor)
- Astrid Butrisch, Mitglied Gedenkstättenverein (enthüllt Gedenktafel)
- Abgeordnete?
- Gäste?

Anrede,

am 2. Februar 1945 begann die Auflösung des KZ-Lagers Lieberose im Dorf Jamlitz. Heute vor 78 Jahren.
Ab Sommer 1944 waren schon mehrere tausend Häftlinge zur Vernichtung ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht worden.
Über 1.340 kranke Häftlinge, vor allem ungarische, polnische und deutsche Jüdinnen und Juden, wurden zur Auflösung des KZ von SS-Leuten vor Ort ermordet. Hier in Jamlitz.

Die übrigen im Lager noch inhaftierten Menschen, 1.600 bis 1.700 Frauen und Männer, wurden auf einen Marsch in Richtung Oranienburg getrieben. Viele überstanden diese Tortur nicht. Wer auch nur eine einzige Biografie erforscht ist erschüttert. 170 Kilometer Fußmarsch über Goyatz, Kuschkow, Teupitz, Zossen, Ludwigsfelde, Potsdam, Falkensee. Am 9. Februar erreichte der Todesmarsch das Hauptlager Sachsenhausen, wo etwa 400 Häftlinge in den Tagen nach der Ankunft getötet wurden. Zwei Konzentrationslager auf dem heutigen Boden Brandenburgs.

Die Geschichte des Holocaust wurde wissenschaftlich detailliert aufgearbeitet, Daten zu den Anfängen, Namen von Opfern und von Verbrechern. Filme, bildende Kunst, Theater und Musik erzählen bewegende Geschichten Einzelner und lassen uns erfühlen, was geschah. Und immer noch kommt Neues hinzu, wertvolle Details, bisher Unausgesprochenes. Unfassbar, diese Tötungsmaschinerie der Deutschen. Am meisten unfassbar für uns selbst. Sachsenhausen, Jamlitz, Ravensbrück, Brandenburg an der Havel – die Spuren von Leid, Trauer und Tod wirken fort, sie sind nah, in Brandenburg sehr nah.
Erinnern heißt, die Opfer zu würdigen, ihr Leid wahrzunehmen – und neuen Gräueltaten durch Aufklärung vorzubeugen. Wir brauchen den Blick in die Vergangenheit, um für die Gegenwart zu lernen und die Zukunft gut zu gestalten. Wir beschäftigen uns immer wieder mit dem, was war und wie es geschehen konnte. Und ziehen Schlüsse daraus: Hass und Hetze dürfen nicht siegen über Menschenrechte und Toleranz. Niemals. Haben wir gedacht.
Wir alle kennen die Namen der großen Konzentrationslager, die für den Schrecken der nationalsozialistischen Terrorherrschaft stehen, für Holocaust und Menschenverachtung, für die Verfolgung Andersdenkender und Andersfühlender:

Auschwitz, das größte Vernichtungslager,
dazu Majdanek, Treblinka, Sobibor und viele mehr im besetzten Gebiet;
und auf deutschem Boden: Dachau, Buchenwald, Bergen-Belsen, Ravensbrück, Sachsenhausen – um nur einige zu nennen.
Tausendfacher, millionenfacher Tod in ganz Europa.

Allein für das Konzentrationslager Sachsenhausen sind beinahe 50 solcher Außen- oder Nebenlager aufgelistet; von Bad Saarow bis Wittenberg, etliche auch in Berlin.
Was geschah in den Orten der Todesmärsche? Die Einwohner verschlossen die Türen vor Kriminellen, und es waren doch so viele, dass sie gar nicht alle kriminell gewesen sein konnten. Augenzeugen berichten, dass schon die einfachste Hilfeleistung der Einwohner für Häftlinge, die Gabe von Wasser, aggressive Prügelattacken der NS-Schergen nach sich zog. Es geschah in Orten, in denen wieder Schulen gebaut wurde, Menschen heute leben und feiern.
Und erinnern.

Das Grauen hatte zahlreiche Orte. Die Erinnerung hat nur wenige, um so bedeutsamere.
Hier, in Jamlitz, gibt es keine Zeugnisse mehr vom eigentlichen Schreckensort.
Hier betrieben die Nationalsozialisten das, was sie „Vernichtung durch Arbeit“ nannten – so zynisch wie treffend. Sie bauten Straßen, Kasernen, Militäranlagen.
Nur einige hundert von ihnen überlebten die Strapazen, den Hunger, die Grausamkeiten, den Krieg.

Als der Krieg vorbei war begann das große Aufräumen und Aufbauen, neu Denken.
Deshalb ist von dem Lager heute nichts mehr zu sehen. Die letzten Spuren wurden zu DDR-Zeiten beseitigt: Wo einst Baracken für die KZ-Häftlinge und später für Gefangene der sowjetischen Siegermacht standen, wurden Häuser für Flüchtlinge aus dem Osten gebaut.
Ob dieser unsensible Umgang mit der Geschichte auch ein Versuch der damals Herrschenden war, den unrühmlichen Übergang vom KZ-Lager zum sogenannten „Speziallager“ vergessen zu machen – das mögen die Historiker bewerten.

Wichtig ist, dass wir der Opfer von Lieberose-Jamlitz gedenken,
heute und in Zukunft.
Für dieses Erinnern, lieber Peter Kotzan, setzen Sie sich seit vielen Jahrzehnten ein, gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Gedenkstätten-Vereins Lieberose.
Dafür herzlichen Dank!

In Jamlitz hat die evangelische Gemeinde begonnen, die Vergangenheit aus dem Schweigen zu lösen, mit Informationen und Gedenktafeln an die unselige Geschichte zu erinnern – auch an das Massaker vom 2. Februar 1945.
Beides verdient Anerkennung und Unterstützung.
Denn für Erinnerung ist es niemals zu spät; so wie sie niemals aufhören darf.

„Feig, wirklich feig ist nur, wer sich vor seinen Erinnerungen fürchtet“,
hat Elias Canetti gesagt.

Lieberose und Jamlitz stellen sich der Erinnerung.

Wir verneigen uns heute vor den vielen tausend Opfern.
Ihnen sind wir es schuldig, nicht zu vergessen und alles dafür zu tun, dass von Deutschen niemals wieder solches Leid über Menschen gebracht wird.

Vielen Dank!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Grußwort zur Gedenkveranstaltung „Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“ am 27.01.2023 in Sachsenhausen

Anreden

Liebe Landtags- und Bundestagsabgeordnete
Herr Bürgermeister und Mitglieder von Gemeindevertretungen
Herr Dr. Axel Drecoll, Direktor der Stiftung und Leiter der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen
Sehr geehrte Angehörige ehemaliger Häftlingen des KZ Sachsenhausen:
Elias Mendel (UK),
Danielle Chaimovitz (Estland), Lotus Lemaire, Helena Koopmann (NL)
Viktor Eberl (Österreich)
Liebe Schülerinnen und Schüler
Liebe Gäste

Mit der heutigen Veranstaltung am Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus- wählen wir eine andere Form des Gedenkens als bisher, wir alle gemeinsam mit Schülerinnen und Schüler vom Gymnasium Panketal, mit Angehörigen von ehemaligen Häftlingen des KZ Sachsenhausen, die am Projekt Voices of the Next Generations teilgenommen haben, und mit dem Team der Gedenkstätte Sachsenhausen. Schülerinnen und Schüler laden uns ein, eine Frage zu beantworten:

„Warum erinnerst du heute?“

Unsere Antworten, die Antworten aller, die sich heute in Sachsenhausen treffen, wird eine Tape-Art-Skulptur entstehen lassen. Alle haben einen Gedanken zu verinnerlichen, ihn aufzuschreiben, also zu denken und zu handeln. Es hat mich überrascht, inspiriert, gefreut, die ganz individuellen Antworten der Schülerinnen und Schüler im Zoom-Meeting vor einer Woche zu hören. Ihr habt über den die Verbrechen des Nationalsozialismus und im KZ Sachsenhausen nachgedacht, Ideen des Erinnerns entwickelt, Euch untereinander ausgetauscht - und als sich alles richtig anfühlte, als es stimmig war, habt ihr eine Entscheidung getroffen. In einem Erinnerungsraum entsteht ein neues Ritual, das ohne die Muster auskommt, die wir schon kennen. Ich bin gespannt, wie es werden wird. Denn von jetzt an seid nicht nur ihr, sondern sind wir alle Beteiligte und damit auch verantwortlich für das Gelingen. Ihr habt uns dazu eingeladen und wir sind gern gekommen.

Warum erinnerst du heute? Ich höre, wie ich verstumme, denn es sind nicht Worte, in die ich das Erinnern spontan fassen kann.

Das Verstummen, das Innehalten, Atem anhalten stehen am Anfang. Dann öffnet sich der Raum. Wer ist es, der fragt? Das bin ich. Wer antwortet? Ich. Warum erinnerst Du? Heute? Weil die Verbrechen so unfassbar waren. Weil die Toten in der Erinnerung sind. Weil sie auch mit mir sind. Ich erinnere mich an Gesichter, Zeichnungen, an Musik aus Theresienstadt, das Moorsoldatenlied in Sachsenhausen. An das Gedicht vom Schmetterling von Pavel Friedman, dem jungen Dichter, der mit 23 Jahren in Auschwitz ermordet wurde und nach 7 Wochen im Lager Theresienstadt schrieb:

Der letzte, der allerletzte,
so kräftig, hell, gelb schimmernd,
als würden sich die Tränen der
Sonne auf einem weißen Stein niederlassen.
So ein tiefes, tiefes
Gelb
er hebt sich ganz leicht nach oben.
Er verschwand weil, so glaube ich ,
weil er der
Welt 
einen Abschiedskuss geben wollte.

Von heute an werde ich mich bewusster noch an Menschen erinnern, die ich bisher nicht kannte. Auch weil wir heute wissen, wer es nicht gewesen sein wollte, die Schuld überschrieben hatte mit froher Zukunft, Aufbruch, mit dem „Schau nicht zurück“. Weil die es nicht gewesen sein wollten, meine Großeltern, oder die Großeltern meiner Freunde oder Nachbarn? Wie hätte ich mich verhalten?

Ja. Das alles hat wohl damit zu tun, warum ich heute erinnere. Auch morgen wird es damit zu tun haben. Weil es darum geht, sich aufrichtig all dem zu stellen. Den Fragen, der Scham, der Verdrängung, dem Unbehagen, der Überforderung, die man empfindet, wenn man sich dem gegenüberstellt, was geschehen ist. „Stellung beziehen“, daran kommen wir nicht vorbei, wenn wir eine freie menschenfreundliche Gesellschaft ohne Hass und Hetze gestalten wollen.

Lasst uns, lassen Sie uns mit der Frage nach dem Erinnern den Anfang machen für eine neue Erinnerungskultur. Warum erinnerst du heute? Wie wollen wir leben? Wer wollen wir sein? Was sollen nachkommende Generationen einmal darüber sagen, wer wir gewesen sind? Dafür ist jeder von uns, dafür sind wir alle verantwortlich.

Deshalb mein Satz für die Tape-Skulptur:

Ich erinnere, weil Erinnern einen Raum öffnet, um miteinander Menschheitsfragen zu bewegen: Wer wollen wir sein? Wie wollen wir leben?

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, 27.1.2023

Wie in jedem Jahr am internationalen Gedenktag an die Opfer des Holocaust treffen wir uns heute Nachmittag am Ort der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen, es ist uns ein Bedürfnis, an die Opfer des Holocaust zu erinnern.

Die Geschichte des Holocaust wurde wissenschaftlich detailliert aufgearbeitet, Daten zu den Anfängen, Namen von Opfern und von Verbrechern. Filme, bildende Kunst, Theater und Musik erzählen bewegende Geschichten Einzelner und lassen uns erfühlen, was geschah. Und immer noch kommt Neues hinzu, wertvolle Details, bisher Unausgesprochenes. Unfassbar, diese Tötungsmaschinerie der Deutschen. Am meisten unfassbar für uns selbst. Sachsenhausen, Jamlitz, Ravensbrück, Brandenburg an der Havel – die Spuren von Leid, Trauer und Tod wirken fort, sie sind nah, in Brandenburg sehr nah.

Erinnern heißt, die Opfer zu würdigen, ihr Leid wahrzunehmen – und neuen Gräueltaten durch Aufklärung vorzubeugen. Wir brauchen den Blick in die Vergangenheit, um für die Gegenwart zu lernen und die Zukunft gut zu gestalten. Wir beschäftigen uns immer wieder mit dem, was war und wie es geschehen konnte. Und ziehen Schlüsse daraus: Hass und Hetze dürfen nicht siegen über Menschenrechte und Toleranz. Niemals. Haben wir gedacht.

Vor einem Jahr habe ich Peter Gardosch in Borkwalde besucht. Er war 91 Jahre alt, gebürtiger Ungar, Jude, Opfer des Holocaust. Als 13jähriger ging er durch die Hölle von Auschwitz. Ein Video auf YouTube hält den Besuch fest. Am Ende des sehr bewegenden Gespräches sagte er: „Ihr seid nicht schuldig. Aber erinnert Euch, sagt es Euren Kindern weiter: so etwas darf nie wieder passieren“. Und das habe ich ihm in seinem Wohnzimmer versprochen und wir müssen es alle versprechen.

Die Erinnerung an ihn verbindet sich mit der Trauer um einen besonderen Menschen und mit Dankbarkeit für unsere Begegnungen.

Aber das „Nie wieder“ erscheint mir ritualisiert. Vor einigen Tagen fand ich in der MAZ eine Zeitungsnotiz von Karin Saab, die hängen blieb: „Wie schnell die Gewissheiten der Gegenwart dahinschmelzen können, zeigt der Überfall Russlands auf die Ukraine. Plötzlich steht das militärische wieder hoch im Kurs inklusive Kadavergehorsam und Teufelszeug.“

Wir haben einen neuen Krieg, 1000 km von uns entfernt, nicht verhindern können. Erinnern ist lebendiger geworden. Woran erinnert dich das Wort Krieg. Schülerinnen und Schüler aus Panketal fragen uns heute:

„Warum erinnerst du heute?“

Unsere Antworten, die Antworten aller, die sich heute in Sachsenhausen treffen, wird eine Tape-Art-Skulptur entstehen lassen. Eine neue Form des Gedenkens, alle haben einen Gedanken zu verinnerlichen, ihn aufzuschreiben, also zu denken und zu handeln. Es hat mich überrascht, inspiriert, gefreut, die ganz individuellen Antworten der Schülerinnen und Schüler im Zoom-Meeting vor einer Woche zu hören.

Eine Schülerin verknüpfte die Frage nach dem „Warum?“ mit einer zweiten Frage - warum Menschen Täter wurden.

Nach Hannah Arendts „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“, aus biografischen Romanen und Filmen wissen wir, dass es ganz normale Menschen waren, Mütter und Väter, die abends ihren Kindern Märchen vorgelesen haben, die für Nachbarn, Familie, Freunde da waren, und die dem Naziregime nach und nach immer stärker zugestimmt haben – und irgendwann Rassenwahn, Krieg, Ausgrenzung, Diskriminierung, Ermordung von Juden, Sinti und Roma, körperlich und geistig Behinderten akzeptiert und unterstützt haben. Wie war das möglich? Was musste geschehen, dass aus freundlichen Menschen Mitläufer, unbeteiligte Zuschauer, Täter wurden.

Der Holocaust hat uns vor Augen geführt, wie schnell Grausamkeit die dünne Schicht an Zivilisiertheit durchbrechen kann.

Wie konnte das passieren? Wie konnten Menschen, die „im Grunde gut“ waren, Massenmorde an Juden gutheißen und sich daran beteiligen? Das ist eine tiefe, schwierige Frage, an der wir heute in unserer Zeit nicht vorbeikommen. Wenn wieder Krieg ist in Europa, wenn die Menschen in der Ukraine ums Überleben kämpfen und für ihre Freiheit, wenn Russland einen Vernichtungsfeldzug gegen Mütter, Kinder, Großmütter, gegen ein ganzes Volk, das mit uns in Europa und in Freiheit leben will. Wenn russische Soldaten, die abends mit ihren Familien chatten, am nächsten Tag ukrainische Frauen und Kinder töten?

Wie werden normale Menschen – im Grunde gut – zu Tätern? Was können wir in unserer freiheitlichen Demokratie dagegen tun? Und was hat das Gedenken an den Holocaust damit zu tun?

Erinnerung entsteht im Kopf und im Herzen. Es ist eine Aktivität, die innere Bilder hervorbringt und Phantasie. Imagination. Erinnerung ist individuell, persönlich. Auch wenn zwei Menschen das gleiche Erlebnis hatten, weichen die Erinnerungen voneinander ab. Zugleich gibt es in allen Erinnerungen etwas Gemeinsames, Universelles, Menschheitliches – Menschen erinnern sich an Gefühle, die mit einem Geschehen verbunden waren – Angst, Schmerz, Trauer, Empathie, Freude, Glück. Diese Gefühle teilen wir mit allen Menschen auf der Welt.

Im Miteinander sprechen über das Geschehen des Holocaust, darüber, warum und wie wir erinnern und vor allem über die Frage, wer wir sein wollen und wie wir leben wollen, können wir Brücken bauen und Konflikte überwinden.

Miteinander reden ist der Anfang zum Miteinander handeln um unsere freie demokratische Gesellschaft vor Menschenfeindlichkeit, Hass und Hetze zu schützen. Es war ein bedeutsamer Moment, als wir Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen, österreichischen Landtage auf unserer Konferenz am Montag, den 23. Januar in Brüssel eine gemeinsame Erklärung für einen verstärkten Kampf gegen Antisemitismus in Europa verabschiedet hatten. Wir sahen alle, wie unabweisbar, notwendig, dringend dieses gemeinsame Engagement ist. Gerade jetzt, Wir haben beschlossen, dass die Landesparlamente dabei eine starke Rolle übernehmen wollen, dass wir grenzüberschreitende Projekte im Kampf gegen Antisemitismus auf den Weg bringen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns dieses Engagement in Brandenburg verstärken, Projekte auf den Weg bringen, die mehr sind als ein kurzes Aufleuchten, die nachhaltig wirken und zu einem neuen Selbstverständnis in unserer demokratischen Kultur führen, gemeinsam mit unseren Partnerregionen in Polen, in Georgien, und mit neuen europäischen Partnern.

Ich glaube, dass wir inmitten der einander überlagernden Krisen,

die wir durchleben, in der Undurchschaubarkeit unserer Gegenwart, angesichts der Schwierigkeiten, sich ein realistisches Bild zu machen, zu sachgerechten Urteilen zu kommen, wenn die Gewissheiten der Gegenwart dahinschmelzen, etwas haben, das uns widerstandsfähig macht.

„Im Grunde gut“ heißt ein 2020 erschienenes Buch, in dem der Historiker und Journalist Rutger Bregman auf der Basis von neuen Erkenntnissen von Psychologie und Soziologie und zahlreichen Studien eine radikale Idee vom Menschen entwirft. Dass Menschen „im Grunde gut“ sind. Er nennt diese Idee keine Utopie, sondern einen neuen Realismus. Im Grunde gut sei der Mensch, anders als in der europäischen Denktradition vielfach angenommen.

Vielleicht ist es Zeit, dass wir ein neues Bild von uns selbst als Menschen entwerfen, ein Menschenbild, das von Vertrauen statt von Misstrauen, von Kooperation und Solidarität statt von Ausgrenzung ausgeht.

Vielleicht ist es das, was uns ermöglicht, gut durch Krisen zu kommen, die Fähigkeit und die Entscheidung, verlässlich zu sein. Nicht weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen. Bei Verabredungen, Vereinbarungen, Versprechen, in Beziehungen, im persönlichen Leben, in unserem Umfeld, in der Politik, im Land, in den Kommunen. Unser Miteinander ist es, das uns ermöglicht, neue Geschichten zu erzählen, Geschichten darüber, wer wir sein wollen und wie wir leben wollen. Unser Miteinander ermöglicht uns, zusammen zu lernen, neuen Sinn zu stiften, neue Werte zu entwickeln, die uns als Menschen ausmachen.

Aus Gedenken und Erinnern kann ein Lernen entstehen für ein universales Menschenrechtsbewusstsein, etwas Neues, das über bisherige historische Bildung und das Ethos des „Nie wieder!“ hinausweist. Wenn wir auf die Krisensituationen der Welt blicken, den Ukraine-Krieg, Hinrichtungen von Demonstranten im Iran, wenn wir an die Kriegsherde auf der Welt denken, von denen wir kaum etwas wissen, dann wird deutlich, dass die Zukunft des Erinnerns in der Richtung einer pluralen, irgendwann einmal transnationalen Erinnerungskultur liegt, nicht rückwärtsgewandt, aber geschichtsbewusst und sensibel für die permanente Gefährdung des Zusammenlebens in der Welt zu sein.

Ich bin zuversichtlich: Unsere neue Erinnerungskultur wird identitätsfördernd sein, reflexiv und politisch. Ihre Perspektive ist nicht nur die Vergangenheit, sondern Gegenwart und Zukunft.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Neujahrsemfang 2023 für Medienvertreter, 25. Januar 2023
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Teilnehmende u.a. (Ämter / Funktionen):

- Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke
- Vorsitzender der Landespressekonferenz, Benjamin Lassiwe
- Vertreterinnen und Vertreter der Medien, ChefredakteurInnen
- Medienanstalt-Direktorin und Vorsitzender Medienrat
- Abgeordnete des Landtages und des Bundestages
- ParteienvertreterInnen
- Generalstaatsanwalt
- Städte- und Gemeindebund
- Minister und Staatssekretäre
- Vertreter Kirchen und Bundeswehr
- Pressesprecherinnen und -sprecher
- Organisationen (Landeszentrale für Pol. Bildung, Tourismus-Marketing…)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Dietmar Woidke,
lieber Herr Lassiwe,
liebe Abgeordnete, Vertreter und Vertreterinnen der Medien,
der Landesregierung,
der Judikative, der Kirchen
der Bundeswehr.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,

gerne möchte ich Sie alle persönlich begrüßen, am liebsten auch namentlich.
Aber wenn ich alle Amts- und Mandatsträger, Chefredakteurinnen und Parteivorsitzenden, alle Verbände, Organisationen und Institutionen nennen würde, dann müssten Sie noch in einer Stunde hier stehen, hungern und dann hören Sie mir nicht mehr zu.

Herzlich willkommen also – und bitte, bitte fühlen Sie alle sich mit angesprochen und ebenso herzlich begrüßt! Ich freue mich, dass Sie hier sind und wir gemeinsam in das noch junge Jahr 2023 starten können, das ein gutes Jahr werden möge!

Medien und Politik, das ist schon eine explosive Mischung!
Und dennoch: Man kann nicht ohne einander.

„Nennen Sie mir ein Land, in dem Journalisten und Politiker sich vertragen, und ich sage Ihnen: Da ist keine Demokratie.“

Dieser Satz stammt von Hugh Green, dem früheren Generaldirektor der britischen BBC.
Tatsächlich haben Medien und Politik vollkommen unterschiedliche Rollen und Perspektiven:
die Einen müssen gute Lösungen für Probleme der Menschen vor Ort, im Land und weit drüber hinausfinden – die anderen begleiten Lösungsweg und Resultat durch Recherchen, Debatten-Foren, Kommentare, Information und Nachrichten.

Wenn sie gut sind, die Medien und die Politik, finden sie auch Visionen oder mindestens einen Hoffnungsschimmer hin zur Vision vom guten Leben. Konstruktiv, in jedem Falle.
Also – woher kommen Lehrer / und Öl, / was vermittelt Zuversicht, / wie geht es, Frieden zu stiften.

Beide Berufsgruppen stehen in der Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, gegenüber den Mediennutzerinnen- und nutzern.
Denn: uns wird mehr geglaubt als wir denken,
wir werden ernster genommen als wir denken,
über uns wird mehr geredet als wir denken.

Nun gibt es auch deutliche Unterschiede:
Wir Politiker suchen die Lösungen meistens in Kompromissen, anders geht es nicht in einer vielgestaltigen Demokratie mit verteilter Macht. Da klappt manches nicht so schnell wie erhofft; ein Kompromiss stellt niemanden ganz zufrieden; und fast jede Entscheidung birgt auch Enttäuschungen.

Die Medien haben es – zumindest aus Sicht der Politik - leichter: Sie können frisch und frei von der Leber weg kommentieren und kritisieren. Klare Sprache, Ja oder Nein, Schwarz oder Weiß kommt besser an als Grau.
Kompromisse wirken fade, klare Kante attraktiv. Oder wie es Kurt Tucholsky sagte:

„Ereignisse haben manchmal unrecht – die Zeitung nie.“

Aber so einfach ist es eben doch nicht. So wie ich Journalistinnen und Journalisten kennengelernt habe, wissen sie um ihre Mitverantwortung für das große Ganze und machen es sich gerade nicht leicht; egal ob sie Reporterin oder Blattmacher sind, Moderatorin oder Chefredakteur.

Und mal ehrlich: Wie schlecht wäre es um unser Gemeinwesen bestellt, wenn Journalisten nicht vorhandene Missstände aufdecken und den Finger in die Wunde legen würden?
Die Demokratie braucht die kritischen Medienleute, so wie sie die Politik mit ihrem Ringen um Lösungen braucht. Beides gehört untrennbar zusammen.

In den vergangenen Monaten haben wir erlebt, wie sich der bohrende Blick von Journalistinnen und Journalisten auch auf die eigene Zunft richten kann:
Mir tut es weh, den rbb, meinen Sender, mit einem Skandal in Verbindung zu sehen, und ich freue mich über jede gute Sendung, die gerade in dieser schwierigen Umbruchzeit entsteht. Aber nur die lückenlose Aufarbeitung ermöglicht den Neuanfang. Vieles kam erst durch Beschäftigte des Senders ans Licht. Das Rechercheteam des rbb hat die eigene Hausspitze nicht geschont. Die Beschäftigten, auch die frei Mitarbeitenden, haben Mut bewiesen und ein gutes Gespür dafür, was wirklich zählt und was sich gehört – mehr übrigens als manche ehemaligen Chefinnen und Chefs. Dafür gebührt den rbb-Leuten großer Respekt, ich finde:
auch der eine oder andere Preis, für Zivilcourage und mutigen, ehrlichen Journalismus.

Wichtig ist das gerade WEIL wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen, als unverzichtbaren Teil der Medienwelt. Wir brauchen im Programm hohe journalistische Standards. Zusammen mit Printmedien und anerkannten Privatradios sorgt der rbb für die notwendige kritische Öffentlichkeit in der Region Brandenburg-Berlin.
Bei allem Respekt vor der Programmhoheit füge ich hinzu: zukünftig hoffentlich mit mehr Brandenburg-Anteil im Programm. Wohl wissend, dass DER Brandenburger und die Brandenburgerin vielleicht im Speckgürtel wohnt und in Berlin arbeitet,
in der Lausitz andere Freizeitvergnügungen aufsucht als in Potsdam,
an der Oder gern auch mal was Polnisches sieht und bei mir zu Hause in Ruppin - NDR hört, was ja nun mal gar nicht geht.
Bitte überzeugen Sie die vielen verschiedenen Brandenburger von Ihrem Programm!

Die sogenannten „sozialen Medien“ müssen darüber nicht nachdenken, sie haben weder Sinn dafür noch Interesse daran. Wer sortiert hier Nachrichten und macht einen Bogen um Verschwörungstheorien, wer schließt das Einfallstor für Extreme? Wie kann die Würde des Menschen geschützt werden in sozialen Medien, die doch so viel Freiheit und Offenheit, so viel Schwarmintelligenz mit sich bringen.

Aufklärung, Bildung, Medienkompetenz, Jugendschutz und manchmal muss man auch Erwachsene schützen - dafür haben wir zu sorgen. Und trotzdem darf jeder seine Meinung sagen, es muss nur genügend Andere geben, die Blödsinn widersprechen.
Aufrichtigkeit, Glaubwürdigkeit und Transparenz sind Instrumente der Medien / und der Politik.

Liebe Gäste!
Heute lassen Sie uns zusammen feiern und auch in diesem Jahr gut zusammenarbeiten – in unseren unterschiedlichen Rollen und mit dem nötigen Abstand zwischen Politik und Medien.

Vielen Dank und herzlich willkommen!

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Eröffnung Jahresausstellung im Landtag zu Baukultur DDR, 25. Januar 2023
Begrüßung durch Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke

Thema: „UMWELT GESTALTEN! Baubezogene Kunst der DDR im Land Brandenburg“
Aussteller: Museum Utopie und Alltag, Alltagskultur und Kunst aus der DDR

Anrede,

zur Eröffnung der neuen Jahresausstellung im Landtag Brandenburg begrüße ich Sie sehr herzlich.

„Umwelt gestalten!“, lautet ihr Titel,
mit Ausrufezeichen.
Das ist ja etwas, was wir als Politikerinnen und Politiker hier im Landtag permanent tun: Die Umwelt so gestalten, dass sie keinen Schaden nimmt, den Menschen dient und zugleich ihren Charakter behält.

Umwelt ist alles, das uns umgibt, was wir täglich sehen, erleben, erfahren.

• Bäume oder Sträucher, Himmel und Seen, Gebäude – die uns groß erschienen als wir noch klein waren
und die sich Jahr für Jahr unserer Sicht anpassten, mal ganz prägnant, mal übersehbar.

Wie stark das Bild von Straßen und Plätzen im Unterbewussten abgespeichert ist, fällt oft erst auf, wenn sich etwas verändert oder gar abhanden kommt:

Eine Lücke klafft, wo ein Gebäude abgerissen wurde; eine Fassade umgestaltet oder eine hohe Hauswand neu gestrichen wurde.

Neugestaltung gehört zum Alltag, mehr als zuvor in den letzten gut 30 Jahren.
Das betrifft Kindergärten, Schulen, Bibliotheken, Betriebe, Behörden und Universitäten; aber ebenso Mietshäuser, gerade in größeren Wohngebieten.

Wandbilder, Reliefs, Skulpturen aus der DDR-Zeit sind in großer Zahl verschwunden oder in ihrem Bestand gefährdet. Die kritische Rückschau lohnt sich:

Der italienische Architekt Renzo Piano hat gesagt: „Die Qualität von Städten und Plätzen lässt sich am Reißbrett entwerfen, ihre Schönheit kommt durch die Zeit.“ Manchmal sollten wir vielleicht diesem Prozess, der Entfaltung und Entdeckung von Schönheit, etwas mehr Zeit geben und historisch denken.

Klar ist allerdings auch: Nicht jedes Werk baubezogener Kunst war und ist erhaltenswert. Das gilt ebenso für den Osten wie für den Westen Deutschlands. Bildende Kunst ist häufig zeitgebunden, ideologiegebunden.

Wenn wir über baubezogene Kunst in der DDR sprechen, fällt schnell der Begriff vom „sozialistischen Realismus“. Das ist nur ein Teil der Wahrheit:
Die Kunst an öffentlichen und Wohngebäuden stellte neben der oft tristen Realität eben auch Wünsche oder Träume dar. Neben Kränen, Schloten, Förderbändern gab es abstrakte, wilde, Formen zu sehen; neben idealisierten Familien und meistens eher kitschig-ernsten Arbeitern oder Arbeiterinnen auch bunte, lebensfrohe Menschen.

Der Landtag hat vor mehr als fünf Jahren (Juni 2017) beschlossen, die Kunst am Bau zu stärken. Entschieden wurde, bei größeren Baumaßnahmen grundsätzlich Mittel für Kunst am Bau einzustellen und dafür mindestens 0,5 Prozent der Bausumme vorzusehen, bei besonders bedeutsamen Vorhaben sogar ein ganzes Prozent. Zugleich hat das Parlament einen nachhaltigen Umgang mit bestehender Kunst am Bau angemahnt. (Hinweis: Drucksache 6/6823(ND)-B)

Bei den Denkmalpflegern rannten wir damit offene Türen ein. Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Herr Prof. Dr. Drachenberg, erfassen und dokumentieren die bestehenden Baukunstwerke und prüfen, was erhaltenswert ist. Herzlichen Dank für diese wichtige Arbeit, auch im Namen vieler Bürgerinnen und Bürger.

Besonderer Dank gilt auch dem Fotografen Martin Maleschka, der die baugebundene Kunst aus DDR-Zeiten seit vielen Jahren ab-bildet und so bewahrt. Die Jahresausstellung fußt wesentlich auf seinen Aufnahmen.

Kulturland Brandenburg hat gemeinsam mit der Baukulturinitiative 2023 zum Jahr der Baukultur ausgerufen, unter dem Motto: „Baukultur leben“. Ich ergänze gern: Baukultur entdecken, sich erinnern, den Wandel verstehen und Neues gestalten! Angesichts antiker Pyramiden erscheint unsere Ausstellung vielleicht sehr kurz gedacht, aber – wir betrachten eine Zeit aus unserem Leben oder dem unserer Eltern, verbunden mit ganz vielen eigenen Geschichten, die Geschichte erzählen.

Ich darf Sie auch schon hinweisen auf eine Veranstaltung, die der Landtag für den 28. März zum Thema „Baukultur 2023“ in Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Architektenkammer plant.

Mein herzlicher Dank gilt besonders dem Museum Utopie und Alltag, das die Ausstellung kuratiert hat und über das Jahr mit sachkundigen Führungen weiter begleiten wird. Allen Besucherinnen und Besuchern wünsche ich viel Vergnügen, interessante Einblicke und eine anregende Zeit im Landtag Brandenburg.

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- Es gilt das gesprochene Wort-

Rede von Landtagspräsidentin Prof. Dr. Liedtke zum Neujahrsempfang für die ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen am 18. Januar 2023

Anrede,

Kommunen sind Kraftorte der Demokratie. In den Kommunen werden Entscheidungen getroffen, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger ganz unmittelbar betreffen und zugleich in das ganze Land hineinwirken.

Sie, liebe Frauen haben diese Entscheidungsprozesse mitgeprägt, ob es um Kitas, Kultur, Sport, öffentlichen Nahverkehr oder Kommunalfinanzen geht. Mit Ihrer Arbeit sorgen Sie für ein gut funktionierendes verlässliches Gemeinwesen, für attraktive Dörfer und Städte, in denen alle gut zusammenarbeiten können, Sie stärken den Zusammenhalt und damit unsere Demokratie. Sie tun das alles im Ehrenamt, Sie engagieren sich, weil sie sehen, was zu tun ist, was vielleicht noch besser werden kann und weil Sie zuversichtlich sind, dass Sie etwas bewirken können mit Ihrer kommunalpolitischen Arbeit.

Viele von uns Abgeordneten im Landtag wissen ganz gut, wie viel Kraft, wie viel diplomatisches Fingerspitzengefühl und Duchsetzungsfähigkeit, wieviel Ausdauer und Geduld man dafür braucht, denn viele von uns kommen selbst aus der Kommunalpolitik. Die Demokratie zur eigenen Sache zu machen – das ist es, was Kommunalpolitikerinnen tun und worum es geht: Sich um die eigenen Angelegenheiten kümmern. Und wenn man sich anschaut, wie Brandenburger Dörfer, Städte, Gemeinden und Landkreise durch die Krise kommen, dann begegnen einem viele Geschichten des Gelingens, Geschichten, die Sie alle mitgeschrieben haben. Ich empfinde große Hochachtung vor Ihrer Arbeit und möchte die Gelegenheit dieses Neujahrsempfangs gerne nutzen, um Ihnen von ganzem Herzen Dank zu sagen.

Es ist wichtig und ganz unverzichtbar, dass Frauen wie Sie im Land Brandenburg Politik machen – damit wir gut durch die Krisen kommen, damit wir in Brandenburg eine lebenswerte Zukunft gestalten für uns und die Generationen, die nach uns kommen.

Aber noch immer entscheiden viel zu wenig Frauen über die Geschicke ihrer Kommune. In kleinen Kommunen gibt es noch immer Gemeinderäte ganz ohne Frauen und in der Kommunalpolitik Brandenburgs machen die Frauen gerade einmal 25 % aus. Das müssen und das können wir ändern. Und das geht nur miteinander gerade in schwierigen Zeiten.

Das zurückliegende Jahr war alles andere als einfach. Corona noch nicht vorbei, dann der Krieg in der Ukraine, gefolgt von Energiekrise, Inflation, Folgen des Klimawandels mit extremer Trockenheit, Waldbränden, Umweltkatastrophe an der Oder; die Krisen kamen in kurzen Abständen und überlagerten sich. Soziologen sprechen von der Unvorhersehbarkeit, Undurchschaubarkeit der Verhältnisse. Der Philosoph Jürgen Habermaas – inzwischen 91 Jahre alt – spricht von einer „neuen Unübersichtlichkeit“, von „Verstrickungszusammenhängen der Handlungsmöglichkeiten spricht der Soziologe Stephan Lessenich.

Wenn wir handeln zur Eindämmung der einen Krise verstärken wir oft eine andere. Es ist Dilemma. Wenn wir auf die Energiekrise mit fossilen Energieträgern reagieren, nehmen wir mehr CO2-Ausstoß in Kauf. Wir wollen Frieden in der Ukraine und liefern Waffen.

Wie kommen wir in dieser Lage in Städten, Gemeinden, Landkreisen und im ganzen Land zu zukunftsfähigen Entscheidungen? Wie bewältigen wir die Krisen, wie stärken wir Resilienz unserer Gesellschaft, unsere Fähigkeiten in Krisen angemessen und besonnen zu handeln? Wie schützen wir das Klima, sichern zugleich Arbeitsplätze und entwickeln unsere Wirtschaft? Wie sichern wir die Energieversorgung, wie die Mobilität? Wie sorgen wir dafür, dass alle gut leben können in unseren Dörfern und Städten, wie stärken wir unsere Demokratie? Wir alle können mit unseren individuellen Fähigkeiten einen Beitrag leisten. Ohne die Fähigkeiten, Perspektiven und das Engagement von Frauen geht das nicht.

Wir sind uns sicher einig: Wir brauchen Parität, in den Gemeindevertretungen, den Stadtverordnetenversammlungen, den Kreistagen und im Landtag. Auch wenn das Brandenburger Paritätsgesetz, das der Landtag am 31.01.2019 beschlossen hat, vom Verfassungsgericht des Landes gestoppt wurde - wir lassen uns nicht entmutigen und werden weiterarbeiten für Parität in der Politik.

Ein Gesetz ist eine wichtige Grundlage für Parität, aber wir müssen auch strukturelle Bedingungen ändern, um mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu gewinnen. Was können wir tun? Zum Beispiel für die nächste Kommunalwahl einen Aufruf an alle Parteien und Wählerbündnisse starten, ihre Listen zu quotieren und bevorzugt Frauen als Direktkandidatinnen aufstellen. Das wäre schon ein wichtiger Schritt.

Für Kommunalpolitikerinnen ist oft schwierig, neben Beruf und Familie noch die Zeit aufzubringen für ein so anspruchsvolles Ehrenamt. Sitzungen, die am frühen Abend beginnen und sich über mehrere Stunden hinziehen, Ausschüsse und Versammlungen des Ortsvereins – da kommen schnell mehrere Abende pro Woche zusammen. Familien- und Sorgearbeit, Beruf und Kommunalpolitik sind oft schwer unter einen Hut zu bringen. Hier brauchen wir viele kluge Ideen z. B. in der Kinderbetreuung, für die zeitliche Planung von Sitzungsterminen – es muss doch nicht immer abends sein, wenn man die Kinder ins Bett bringen muss – Hybrid-Sitzungen, Video- und Audio-Sitzungen, wie wir sie im Landtag mit der Änderung der Kommunalverfassung ja längst beschlossen haben.

Laut einer Studie der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) mit mehr als 1000 Kommunalpolitikerinnen zeigten sich mehr als die Hälfte der Frauen unzufrieden mit einer politischen Kultur von Endlosdiskussionen, monologartigen Vorträge, Grabenkämpfe, Profilierungssucht und dass Politik oft zu wenig an der Sache selbst orientiert ist. Das können wir einfach besser.

Und nach wie vor sagen Frauen, dass sie sich in der Kommunalpolitik als benachteiligt erleben. Ich denke, das müssen wir ernst nehmen und ändern. Das gilt auch, wenn Frauen automatisch Themen wie Familie und Schule zugewiesen werden, während die Männer im Verkehrs- oder Bauausschuss sitzen. Und immer noch machen Frauen in der Kommunalpolitik die Erfahrung, dass sie oft in Sitzungen nicht zu Wort kommen oder unterbrochen werden.

Das Gute ist: Debattenkultur kann man entwickeln man kann sie ändern. Da gibt es noch jede Menge Potentiale für die Weiterentwicklung unserer Demokratie. Davon profitieren Frauen und Männer.

Wenn Kommunalpolitikerinnen Beleidigungen, Bedrohungen und anderen Angriffen ausgesetzt sind, dann ist das etwas, das einfach nicht zu uns passt, nicht zu unserer Demokratie auch hier haben wir Handlungsbedarf. Es kommt vor, dass Frauen sich deshalb nicht mehr zur Wahl stellen oder dass sie sogar ihr Amt aufgeben. Heute geben wir dem Thema Frauen in der Kommunalpolitik gemeinsam Raum. Sven Tetzlaff, Leiter der Abteilung Demokratie, Engagement und Zusammenarbeit der Körber-Stiftung wird uns in einem Referat „Frauen in kommunalpolitischen Ehrenämtern in Deutschland“ einige Inputs dazu geben.

Liebe Frauen,

wenn wir uns fragen, unter welchen Bedingungen die Bereitschaft entsteht, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen, dann sind es Selbstwirksamkeitserlebnisse, Erfahrungen von Mut und Zuversicht und Wissen, und neue interdisziplinäre Allianzen – zwischen Ehrenamtlichen im Sport, in der Kultur, in der Feuerwehr, zwischen KommunalpolitikerInnen, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, UnternehmerInnen. Lassen Sie uns diese Bedingungen weiterentwickeln und stärken. Lassen Sie uns neue interdisziplinäre Allianzen schmieden. Ich bin zuversichtlich, dass uns das miteinander gelingt. Dafür steht auch der heutige Abend.

Und ich freue mich auf das Referat von Herrn Sven Tetzlaff.